BGE 78 II 140 - Mägerli-Diesel | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Johannes Sokoll, A. Tschentscher | |||
26. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung |
vom 6. März 1952 i.S. Schiffmann gegen Hollenstein. | |
Regeste |
Kaufmännisches Retentionsrecht (Art. 895 Abs. 2 ZGB). Voraussetzungen und Wirkungen. Erlöschen des Retentionsrechtes zufloge hinreichender Sicherstellung (Art. 898 Abs. 1 ZGB): a) gemäss Vereinbarung, b) nach den Grundsätzen von Treu und Glauben. | |
Sachverhalt | |
A. | |
Füglistaller war Eigentümer eines "Mägerli-Diesel" und kaufte am 20. Januar 1949 dazu vom Kläger Hollenstein einen Saurer-Car zum Preise von Fr. 18,000.- unter (eingetragenem) Eigentumsvorbehalt des Verkäufers bis zur gänzlichen Abzahlung des Preises. Da jener mit den Abzahlungen säumig war, machte der Kläger sein Eigentum geltend und verlangte den Car vom Beklagten Schiffmann, in dessen Garage er eingestellt war, heraus. Dieser hatte für Füglistaller an beiden Wagen Reparaturen ausgeführt und zu dereb Betrieb Öl geliefert. Für den "Mägerli-Diesel" lagen, grösstenteils aus dem Jahre 1948, unbezahlte Rechnungen im Gesamtbetrage von Fr. 1192.50 vor, für den Saurer-Car solche von Fr. 2754.70. Mit Hinweis darauf beanspruchte der Beklagte am Saurer-Car ein Retentionsrecht und erklärte am 20. Juli 1949, ihn nur gegen Bezahlung des Rechnungsbetrages von Fr. 2754.70 herausgeben zu wollen.
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B. | |
Hierauf hinterlegte der Kläger am 26. Juli 1949 diesen Betrag bei der Volksbank Siders. Am 6. September 1949 versuchte er bei einer Zusammenkunft mit dem Beklagten den Saurer-Car gegen blosse Bezahlung von Fr. 1500.- an sich zu bringen, womit jedoch der Beklagte nicht einverstanden war.
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C. | |
Am 12. September 1949 liess ihm der Kläger den ganzen Betrag von Fr. 2754.70 vorbehaltlos auszuzahlen, was die Bank mit ausdrücklicher Zustimmung Füglistallers am 21. gl. M. tat. Trotzdem gab der Beklagte den Car nicht heraus, sondern stellte nunmehr die Bedingung, dass ihm auch noch die Rechnungen für den "Mägerli-Diesel" von insgesamt Fr. 1192.50 bezahlt werden.
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D. | |
Hierauf suchte der Kläger eine vorsorgliche gerichtliche Verfügung nach und erhielt am 2. Dezember 1949 den Car gegen Sicherstellung des vom Gericht bezeichneten Betrages heraus.
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E. | |
Mit Klage vom 15. Dezember 1949 belangte er den Beklagten wegen ungerechtfertigt langer Retention auf Schadenersatz und erhielt durch Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis vom 11. September 1951 Fr. 3000.- nebst Zins zugesprochen.
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F. | |
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt mit dem Antrag auf gänzliche Abweisung der Klage...
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Aus den Erwägungen: | |
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Erwägung 2 | |
2. Nachdem er sich jedoch am 20. Juli 1949 anerboten hatte, dem Kläger den Saurer-Car gegen Bezahlung von Fr. 2754.70 herauszugeben, durfte er den Car nach Empfang dieses Betrages nicht weiterhin retinieren. Das vom Kläger am 6. September 1949 gestellte Ansinnen, ihm den Car gegen blosse Bezahlung von Fr. 1500.- zu überlassen, gab dem Beklagten keinen Grund zum Rücktritt von der getroffenen Vereinbarung. Es ist ohne Belang, ob der Kläger damals versucht haben sollte, sich eigenmächtig in den Besitz des Cars zu setzen. Die Absichten des Klägers scheiterten am Widerstand des Beklagten. So wenig aber der Kläger befugt gewesen war, die Auslösungssumme von Fr. 2754.70, wie sie vereinbart war, herabzusetzen, so wenig stand es dem Beklagten zu, sie zu erhöhen.
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Erwägung 3 | |
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Erwägung 4 | |
4. Übrigens wäre, wie das Kantonsgericht zutreffend ausführt, der Beklagte nach Empfang der Fr. 2754.70 auch ohne die erwähnte Vereinbarung zur Herausgabe des Saurer-Cars verpflichtet gewesen. Hinsichtlich der weiteren Forderung von Fr. 1192.50 durfte ihn der Kläger auf die Retention des "Mägerli-Diesel", auf den sich diese zweite Forderung ja ausschliesslich bezog, verweisen. Dieser Wagen bot dafür nach vorinstanzlicher Feststellung volle Deckung und befand sich (jedenfalls Ende September 1949) gleichfalls im Besitz des Beklagten. Es ist anerkannt, dass das Retentionsrecht nach Treu und Glauben so auszuüben ist, dass es den Schuldner bzw. Dritteigentümer nicht stärker belastet, als dies der Sicherungszweck erfordert. Die pfandrechtliche Norm des Art. 889 Abs. 2 ZGB ist deshalb nicht anwendbar. Der Gläubiger darf nur soviel retinieren, als er zur Deckung der Forderung braucht, für die das Retentionsrecht an und für sich besteht (BGE 46 II 388). Daraus folgt ohne weiteres, dass der nach vorinstanzlicher Feststellung wertvollere Saurer-Car herauszugeben war. Dem steht nicht entgegen, dass dem Gläubiger zunächst die Auswahl unter mehreren retinierbaren Sachen zustehen mag. Dieses Wahlrecht ist eben durch die Pflicht zu möglichst weitgehender Schonung des Schuldners bzw. Dritteigentümers (im Rahmen der zu beanspruchenden Sicherheit) eingeschränkt. Hier kommt dazu, dass der Saurer-Car im Unterschied zum "MägerIi-Diesel" im Eigentum eines Dritten (des Klägers) stand und dieser die seinen Wagen betreffenden Forderungen sichergestellt hatte, um eben sein Eigentum herauszubekommen. Dem Interesse des dergestalt intervenierenden Klägers hatte der für seine weiteren Forderungen anderweitig gedeckte Beklagte nach Treu und Glauben Rechnung zu tragen, ganz abgesehen davon, dass er dies am 20. Juli 1949 versprochen hatte.
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Triftige Gegengründe lagen nicht vor. Die vom Kantonsgericht vermutete rein opportunistische Absicht, dem Eigentümer des "Mägerli-Diesel", der sein Kunde war, durch Herausgabe dieses Wagens entgegenzukommen und dafür den Saurer-Car für die den "Mägerli-Diesel" betreffenden Forderungen weiterhin zu retinieren, schlägt nicht durch. Es ging nicht an, eine hinreichende Sicherheit zum Nachteil des intervenierenden Klägers preiszugeben. Und wenn der Beklagte aussagte, er habe den "Mägerli-Diesel" dessen Eigentümer zurückgegeben, um Platz zu gewinnen, so lässt sich damit die längere Retention des Saurer-Cars, der ja wohl mindestens ebensoviel Platz einnahm, keineswegs rechtfertigen, wie denn überhaupt keine besondern Schwierigkeiten der Aufbewahrung des einen oder andern Wagens dargetan worden sind.
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