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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Jana Schmid, A. Tschentscher | |||
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4. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung |
vom 20. Januar 1987 i.S. A., B. und K. gegen Z. (Berufung) | |
Regeste |
Ausschluss aus der Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer (Art. 649b ZGB). |
1. Die Klage auf Ausschluss aus der Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer betrifft eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 46 OG (E. 1). |
2. Voraussetzungen für den Ausschluss eines Miteigentümers aus der Stockwerkeigentümergemeinschaft. Ein Ausschluss kommt nur als ultima ratio in Betracht, wenn alle andern möglichen und zumutbaren Massnahmen zur Beseitigung der Störungen wirkungslos geblieben sind (E. 3 und 6). | |
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A. | |
Die Liegenschaft Strasse X. 1/3 in Y. ist als Stockwerkeigentum ausgestaltet. Die Gemeinschaft umfasst die Eigentümer von vierzehn Wohnungen und Garagen. Die beiden Brüder A. und B. Z. erwarben am 1. August 1981 die im ersten Stock des Hauses gelegene 5 1/2-Zimmerwohnung sowie den dazugehörenden Autoabstellplatz zu Eigentum, nachdem sie bereits zwei Jahre als Mieter in der Wohnung gelebt hatten. Daselbst wohnt auch ihre Schwester mit ihrem im Jahre 1978 geborenen Sohn. Die Rechte und Pflichten der Stockwerkeigentümer werden in einem Reglement, in einer Hausordnung und in verschiedenen Beschlüssen der Eigentümerversammlungen geregelt.
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Seit anfangs 1982 traten zwischen einigen Miteigentümern und den Gebrüdern Z. immer häufiger Auseinandersetzungen auf, wobei den letztgenannten zahlreiche Verletzungen der Gemeinschaftsordnung vorgeworfen wurden. Am 28. Oktober 1982 verlangten zehn von insgesamt vierzehn Miteigentümern die Einberufung einer ausserordentlichen Eigentümerversammlung, in welcher über die Einleitung einer Klage auf Ausschluss von A. und B. Z. aus der Stockwerkeigentümergemeinschaft gemäss Art. 649b ZGB zu beschliessen sei. An dieser Versammlung vom 10. November 1982 wurde mit elf Ja-Stimmen und einer Nein-Stimme bei drei Enthaltungen die Einleitung einer solchen Klage beschlossen.
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B. | |
Mit Klage vom 27. April 1983 verlangten drei Miteigentümer, A., B. und K., den Ausschluss der Gebrüder Z. aus der Stockwerkeigentümergemeinschaft Strasse X. 1/3. Das Bezirksgericht hiess diese Klage nach Durchführung eines umfassenden Beweisverfahrens am 8. November 1984 gut. Die Beklagten wurden aus der Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer Strasse X. 1/3 ausgeschlossen und verpflichtet, ihre Eigentumswohnung bis zum ![]() ![]() | 3 |
Gegen dieses Urteil reichten die Beklagten beim Kantonsgericht Berufung ein mit dem Antrag auf Abweisung der Klage. Eine Vergleichsverhandlung verlief ergebnislos. Mit Urteil vom 18. März 1986 hiess das Kantonsgericht die Berufung gut und wies die Klage ab.
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C. | |
Die Kläger erheben Berufung beim Bundesgericht und beantragen, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben und die Ausschlussklage zu schützen. Eventuell sei die Streitsache zur Neubeurteilung und zum Schutze der Ausschlussklage an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Beklagten stellen Antrag auf Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.
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Erwägungen: | |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 1 | |
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Erwägung 2 | |
2. Nach Art. 649b ZGB kann ein Miteigentümer durch richterliches Urteil aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden, wenn durch sein Verhalten oder das Verhalten von Personen, denen er den Gebrauch der Sache überlassen oder für die er einzustehen hat, Verpflichtungen gegenüber allen oder einzelnen Mitberechtigten so schwer verletzt werden, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft nicht zugemutet werden kann. Es ist unbestritten, dass diese Bestimmung nicht nur für gewöhnliches Miteigentum, sondern ebenso für Stockwerkeigentum im Sinne der Art. 712a ff. ZGB gilt. Ebenso ist unbestritten, dass die formelle Voraussetzung der Klage auf Ausschluss der Beklagten, nämlich ![]() ![]() | 10 |
Erwägung 3 | |
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Über die Massnahmen, die getroffen werden müssen, wenn sich ein Stockwerkeigentümer über seine Pflichten gegenüber der Gemeinschaft hinwegsetzt, spricht sich der Gesetzgeber im einzelnen nicht aus. Er sieht in Art. 649b Abs. 1 ZGB lediglich den Ausschluss aus der Gemeinschaft, somit eine Art Radikallösung, vor. Der Ausschluss, der etwa als privatrechtliche Enteignung bezeichnet ![]() ![]() | 12 |
Die Schwere der in Art. 649b ZGB vorgesehenen Massnahme zeigt indessen, dass nicht leichthin zum Ausschluss aus der Gemeinschaft gegriffen werden darf. Zur gegenseitigen Pflicht der Mitbewohner gehört, dass sich die Betroffenen vorerst weniger gravierender Mittel bedienen, um zu einem modus vivendi gelangen zu können. Zu denken ist an Aussprachen, an eine neutrale Vermittlung oder allenfalls an weniger weitreichende rechtliche Massnahmen, wie das Kantonsgericht unter Hinweis auf die Lehre durchaus zutreffend ausgeführt hat. Erst wenn sich zeigt, dass der störende Miteigentümer sich offenkundig nicht an eine ein friedliches Zusammenleben ermöglichende Ordnung zu halten bereit findet oder er sich ungeachtet berechtigter Mahnungen oder Aufforderungen über Versammlungsbeschlüsse, Vermittlungsversuche oder andere geeignete Vorkehren andauernd hinwegsetzt, ist ein Ausschluss im Sinne von Art. 649b Abs. 1 ZGB, dann aber ohne langes Zögern (vgl. ZBGR 63 (1982), S. 373 E. 4b), anzuordnen. Insofern lässt sich die Auffassung des Kantonsgerichts, ein Ausschluss aus der Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer komme ![]() ![]() | 13 |
Erwägung 4 | |
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Es steht demnach fest, dass der Vorwurf übermässiger Lärmimmissionen nachgewiesen ist. Das ist eine nicht leichtzunehmende Pflichtverletzung, wie das Kantonsgericht zutreffend ausführt. Damit wurden die schützenswerten Interessen der Mitbewohner auf ein ruhiges, ungestörtes Wohnen deutlich missachtet, obwohl dieser Beeinträchtigung der Mitbewohner bei etwas Rücksicht nach erfolgter Reklamation leicht abzuhelfen gewesen wäre.
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b) Das Kantonsgericht betrachtet auch als nachgewiesen, dass den Beklagten verschiedene Verstösse gegen Versammlungsbeschlüsse anzulasten seien. So haben sie im Garten resp. auf der Spielwiese nicht die Ordnung eingehalten, die sich die Gemeinschaft mit Beschluss vom 10. März 1982 selbst auferlegt hat. Sie haben trotz Verbots auf der Rasenfläche wiederholt Fussball gespielt. Sie haben ferner die Haustür verschiedentlich nicht abgeschlossen und ihren Wagen auf den für Besucher reservierten Parkplätzen abgestellt. Und sie haben in Missachtung der Hausordnung ![]() ![]() | 17 |
Diese Pflichtverletzungen laufen freilich im einzelnen auf Bagatellen hinaus. Ihnen kommt lediglich in der festgestellten Häufigkeit ein gewisses Gewicht zu.
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Desgleichen verneint die Vorinstanz, dass im Zusammenhang mit weiteren Vorfällen (beim Skifahren auf der Strasse X. oder beim Autowaschen auf dem Garagevorplatz eines Mitbewohners) eine bewusste Provokation nachgewiesen sei.
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d) Erwiesen ist ferner, dass der Verwalter der Stockwerkeigentümergemeinschaft vor Einleitung der Klage verschiedentlich mit Zurechtweisungen und der Aufforderung an die Beklagten gelangt ist, die Beschlüsse bezüglich Lärm und Ordnung einzuhalten. Ebenso wandten sich einzelne Miteigentümer direkt an die Beklagten, um wegen einzelner Verstösse gegen Versammlungsbeschlüsse zu reklamieren. Die Beklagten haben trotzdem ihr pflichtwidriges Verhalten fortgesetzt. Der Vorwurf der Kläger, sie seien uneinsichtig, ist demnach grundsätzlich berechtigt. Das Kantonsgericht stellt indessen auch fest, bezüglich des schwersten Vorwurfs, der Lärmimmission, habe mit Ausnahme des Klägers 1 bis relativ kurz vor Einleitung des Ausschlussverfahrens kein Hausmitbewohner reklamiert. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass -- mit wenigen Ausnahmen -- die verschiedenen Schreiben der Miteigentümer an die Mitbewohner auch den Beklagten zugestellt worden seien. Sodann erfahre der Vorwurf der Uneinsichtigkeit eine gewisse Abschwächung durch die Aussagen zweier Zeugen. Beide hätten erklärt, dass sie einmal bei den Beklagten reklamiert hätten, worauf diese mit der Störung aufgehört hätten. Eine Zeugin habe erklärt, sie habe anlässlich eines Gesprächs mit B. Z. und dessen Schwester den Eindruck gehabt, sie könne mit ihnen wie ![]() ![]() | 21 |
Das Kantonsgericht erachtet gestützt auf das Beweisergebnis und die Akten die zahlreichen Verstösse gegen die Gemeinschaftsordnung, insbesondere die wiederholten Lärmimmissionen, mit Recht in nicht leichtzunehmender Weise als pflichtwidrig. Sie haben den Mitbewohnern eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der Wohnqualität gebracht. Vergleicht man indessen den Sachverhalt, welcher den Entscheiden BGE 94 II 18 ff. und ZBGR 63 (1982), S. 370 ff. zugrunde lag, mit dem hier zu beurteilenden, so kann der Vorinstanz keine Bundesrechtsverletzung angelastet werden, weil sie es ablehnte, von einer so schweren Pflichtverletzung zu sprechen, dass den übrigen Mitbewohnern die Fortsetzung der Gemeinschaft nicht mehr zugemutet werden könne.
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Erwägung 6 | |
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a) Was diesen letzten Einwand anbetrifft, hat die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass der Einleitung der Ausschlussklage Aufforderungen des Verwalters und einzelner ![]() ![]() | 24 |
b) Die Feststellung im angefochtenen Urteil, dass die übermässigen Lärmimmissionen und die zahlreichen weiteren Verstösse gegen Reglement, Hausordnung und Versammlungsbeschlüsse nachgewiesen seien und dass sie für die Mitbewohner eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung ihrer Wohnqualität bewirkt haben, erleichtert freilich den Entscheid über die Zumutbarkeit des weiteren Verbleibens der Beklagten in der Gemeinschaft nicht. Hinzu kommt, dass die Beklagten offensichtlich mangelnde Rücksichtnahme auf die legitimen Bedürfnisse der Mitbewohner und "eine gewisse Uneinsichtigkeit" an den Tag gelegt haben. Man muss deshalb davon ausgehen, dass hier ein Grenzfall vorliegt. In einem solchen darf aber ohne Verletzung von Bundesrecht der Schluss gezogen werden, die Pflichtverletzungen seien noch nicht als so schwer zu betrachten, dass die Fortsetzung der Gemeinschaft für die Miteigentümer geradezu unzumutbar sei. Abgesehen vom ![]() ![]() | 25 |
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