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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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41. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung |
vom 11. September 2000 |
i.S. F.A. und A.A. gegen Regierungsrat sowie Verwaltungsgericht des Kantons Zürich |
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 2, Art. 9, 11 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1, Art. 29a, 30 sowie 41 Abs. 1 lit. f und g BV; Art. 8 und 13 EMRK; Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 sowie Art. 86 Abs. 1 OG; Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung. |
Wieweit lassen sich aus den Grundrechten der Bundesverfassung vom 18. April 1999 Ansprüche auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ableiten, welche den Weg ans Bundesgericht mittels Verwaltungsgerichtsbeschwerde öffnen? |
- aus dem Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV: keine Änderung der Rechtsprechung (E. 2b, 2c und 7); |
- aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV) unter bestimmten Voraussetzungen (E. 3); - nicht aus dem Willkürverbot gemäss Art. 9 BV (E. 4); |
- aus dem Grundrecht auf Schutz von Kindern und Jugendlichen gemäss Art. 11 Abs. 1 BV? Tragweite dieser Bestimmung (E. 5). |
Begriff der direkten und indirekten Diskriminierung gemäss Art. 8 Abs. 2 BV: Die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung eines invalid gewordenen Ausländers stellt keine Diskriminierung dar (E. 6). |
Erschöpfung des Instanzenzuges im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde bei "anspruchsabhängigen" kantonalen Rechtsmitteln (E. 8b und 8e). |
Art. 13 EMRK sowie Art. 30 BV verlangen keinen generellen gerichtlichen Rechtsschutz (E. 8d/bb). | |
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Der aus der Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo) stammende F.A., geboren 1959, arbeitete in den Jahren 1991 bis 1994 als ![]() ![]() | 1 |
Am 24. September 1995 reiste die Ehefrau A.A., geboren 1966, zusammen mit den Kindern X.A., geboren 1990, und Y.A., geboren 1991, in die Schweiz ein. Ihnen sowie der 1996 in der Schweiz geborenen Tochter Z.A. wurden im Rahmen des Familiennachzugs Aufenthaltsbewilligungen zum Verbleib beim Ehemann bzw. bei den Eltern im Kanton Zürich erteilt.
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Ab dem 30. September 1995 war F.A. aufgrund einer anfangs April 1995 erlittenen Gehirnblutung, seit der er sich in regelmässiger ärztlicher Behandlung befindet, nicht mehr in der Lage, seiner bisherigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. In der Folge legte die zuständige IV-Stelle den Invaliditätsgrad von F.A. auf 60% fest und gewährte ihm eine halbe I-nvalidenrente, eine Zusatzrente für die Ehefrau sowie einfache Kinderrenten; seitens der beruflichen Vorsorge wurde ihm ebenfalls eine halbe Invalidenrente zugesprochen. Als im Rahmen seiner (Rest-)Arbeitsfähigkeit Vermittlungsfähiger erhielt er ausserdem vorübergehend Taggelder der Arbeitslosenversicherung. Zeitweise musste er auch von der öffentlichen Fürsorge seiner Wohnortsgemeinde finanziell unterstützt werden.
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Nachdem F.A. die Aufenthaltsbewilligung letztmals zum Zweck der Stellensuche bis zum 30. September 1997 verlängert worden war, wies die Fremdenpolizei des Kantons Zürich mit Verfügung vom 1. April 1998 die Gesuche um erneute Verlängerung der Aufenthaltsbewilligungen von F.A., seiner Frau und den Kindern ab. Zur Begründung führte die Fremdenpolizei an, F.A., dem der Aufenthalt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bewilligt worden sei, gehe seit dem 30. September 1995 aus gesundheitlichen Gründen keiner Beschäftigung mehr nach und erhalte Invalidenrenten, weshalb sein Aufenthaltszweck als erfüllt anzusehen sei. Im Übrigen habe er von der öffentlichen Fürsorge unterstützt werden müssen. In den Entscheid würden auch die Familienangehörigen einbezogen, die ihre Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des Familiennachzugs erhalten hätten.
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Auf Rekurs von F.A. und A.A. hin bestätigte der Regierungsrat des Kantons Zürich mit Entscheid vom 25. August 1999 die Abweisung des Gesuchs um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligungen. Er kam dabei zum Schluss, dass vorliegend weder aus dem in Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantierten Anspruch auf Achtung des Privat- ![]() ![]() | 5 |
Auf eine gegen den Entscheid des Regierungsrates gerichtete Beschwerde von F.A. und A.A. trat das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 1. Dezember 1999 nicht ein. Es verneinte das Vorliegen eines Anspruchs auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligungen, weshalb sich die (kantonale) Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Massgabe des zürcherischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes als unzulässig erweise.
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Mit Eingabe vom 17. Januar 2000 haben F.A. (hienach: Beschwerdeführer 1) und A.A. (hienach: Beschwerdeführerin 2) beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellen sie den Antrag, der Beschluss des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 1. Dezember 1999 sei aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung an dieses zurückzuweisen. Mit staatsrechtlicher Beschwerde ersuchen sie, den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 1. Dezember 1999 sowie den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 25. August 1999 aufzuheben und die kantonalen Behörden anzuweisen, die beantragten Aufenthaltsbewilligungen zu verlängern.
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Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein und weist die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. ![]() | 8 |
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Aus den Erwägungen:
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Erwägung 1 | |
1.- Die Beschwerdeführer haben sowohl Verwaltungsgerichtsbeschwerde als auch - für den Fall, dass diese ausgeschlossen wäre - staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Die beiden Beschwerden stehen sachlich und prozessual in einem engen Zusammenhang, weshalb es sich rechtfertigt, die Verfahren zu vereinigen und ein einziges Urteil zu fällen. Die beiden Rechtsmittel wurden in der gleichen Beschwerdeschrift erhoben, was grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Welches Rechtsmittel zulässig und in welchem Umfang darauf einzutreten ist, prüft das Bundesgericht von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 126 I 50 E. 1 S. 52 mit Hinweisen). Entsprechend der subsidiären Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 84 Abs. 2 OG) ist zunächst zu prüfen, ob die Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 97 ff. OG) offen steht. Vorauszuschicken ist, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts auch unter dem Titel der Rechtsverweigerung nur insoweit zulässig ist, als der Entscheid in der Sache selbst mit diesem Rechtsmittel angefochten werden kann (vgl. Art. 101 lit. a OG).
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Erwägung 2 | |
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a) Keine Ansprüche lassen sich vorliegend aus dem innerstaatlichen Gesetzesrecht ableiten. Der Beschwerdeführer 1 verfügte bisher lediglich über eine Aufenthaltsbewilligung, auf deren Erteilung oder Verlängerung er keinen Anspruch hatte. Insbesondere lässt sich ein solcher nicht aus dem Umstand ableiten, dass er (Ende 1994) die Voraussetzungen für die Umwandlung der Saisonbewilligung in eine Jahresbewilligung erfüllt hatte (vgl. BGE 119 Ib 33 E. 1a S. 35). ![]() ![]() | 12 |
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aa) Unter gewissen Bedingungen lässt sich aus dem Recht auf Achtung des Familienlebens ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ableiten. Es kann Art. 8 EMRK verletzen, wenn einem Ausländer, dessen Familienangehörige in der Schweiz weilen, die Anwesenheit in der Schweiz untersagt wird. Vorausgesetzt wird nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung, dass der hier weilende Familienangehörige selber ein gefestigtes Anwesenheitsrecht hat (letztmals bestätigt in BGE 125 II 633 E. 2e S. 639 mit Hinweisen). Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn dieser über das Schweizer Bürgerrecht oder eine Niederlassungsbewilligung verfügt, sondern auch dann, wenn er eine Aufenthaltsbewilligung hat, die ihrerseits auf einem festen Rechtsanspruch beruht (BGE 122 II 1 E. 1e S. 5; 119 Ib 91 E. 1c S. 93 f.). Soweit im Übrigen die familiäre Beziehung tatsächlich gelebt wird und intakt ist (BGE 124 II 361 E. 1b S. 364 mit Hinweisen), wird das der zuständigen Behörde durch Art. 4 ANAG grundsätzlich eingeräumte freie Ermessen eingeschränkt; in solchen Fällen ist daher die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des um die fremdenpolizeiliche Bewilligung ersuchenden Ausländers oder seiner hier anwesenden Angehörigen zulässig (BGE 122 II 1 E. 1e S. 5 mit Hinweisen).
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bb) Die Beschwerdeführer kritisieren die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom Vorhandensein eines gefestigten Anwesenheitsrechts des in der Schweiz weilenden Familienangehörigen abhängig gemacht wird, als zu restriktiv und mit der Praxis der Konventionsorgane unvereinbar. Sie weisen auf die in einem Teil der neueren Literatur vertretene Auffassung hin, wonach sich auch Ausländer, welche bloss über eine Aufenthaltsbewilligung ohne Rechtsanspruch verfügen, grundsätzlich auf den Schutz von Art. 8 EMRK sollten berufen können (MARTINA CARONI, Privat- und Familienleben zwischen Menschenrecht und Migration, ![]() ![]() | 15 |
cc) Der in Art. 8 EMRK garantierte Schutz des Familienlebens begründet kein absolutes Recht auf Aufenthalt in einem Konventionsstaat in dem Sinne, dass ein Staat verpflichtet wäre, Nicht-Staatsangehörigen die Einreise, die Aufenthaltsbewilligung oder -verlängerung zu gewähren bzw. die von Ehepaaren getroffene Wahl des gemeinsamen Wohnsitzes zu respektieren (JOCHEN ABRAHAM FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage, Kehl/Strasbourg/Arlington 1996, Rn. 26 zu Art. 8; LUZIUS WILDHABER, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Art. 8, Köln/Berlin/ Bonn/München 1992, Rz. 416 und 420 mit Hinweisen; ARTHUR HAEFLIGER/FRANK SCHÜRMANN, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Auflage, Bern 1999, S. 262; vgl. auch BGE 125 II 633 E. 3a S. 640 mit Hinweisen). Vielmehr steht ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens überhaupt erst zur Diskussion, wenn einem Ausländer durch fremdenpolizeiliche Massnahmen verunmöglicht wird, sich in einen Staat zu begeben bzw. in einem solchen zu bleiben, in welchem Mitglieder seiner Familie leben; andernfalls wird durch die Massnahme die Einheit und das faktische Zusammenleben einer Familie nicht beeinträchtigt. Genau so verhält es sich aber im vorliegenden Fall: Die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligungen für die ganze Familie führt zu keiner Trennung derselben und verunmöglicht damit die Fortführung des Familienlebens nicht. Die Beschwerdeführer können sich somit nicht auf den in Art. 8 EMRK garantierten Schutz des Familienlebens berufen (BGE 121 I 267 E. 1 S. 268, unter Hinweis auf das unveröffentlichte Urteil vom 7. November 1994 i.S. Miletic, E. 1a). Daran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn das Bundesgericht - gemäss der Anregung der Beschwerdeführer und in Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung - beim Familiennachzug auf die Voraussetzung eines gefestigten Anwesenheitsrechts des in der Schweiz weilenden Familienangehörigen verzichtete. Auch diesfalls hätten die Beschwerdeführerin 2 und die Kinder nur so lange Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung ihrer (abgeleiteten) Aufenthaltsbewilligungen zum Verbleiben beim Ehemann bzw. den Eltern, als sich der Beschwerdeführer 1 seinerseits ![]() ![]() | 16 |
dd) Nach dem Gesagten können die Beschwerdeführer aus dem in Art. 8 Ziff. 1 EMRK garantierten Schutz des Familienlebens keine Ansprüche ableiten, die gemäss Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG e contrario den Weg ans Bundesgericht mittels Verwaltungsgerichtsbeschwerde öffnen würden.
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aa) In seiner Rechtsprechung geht der Europäische G-erichtshof für Menschenrechte in Fällen von Ausweisungen erwachsener Ausländer der "zweiten Generation" von einem kombinierten Schutzbereich von Privat- und Familienleben aus (Hinweise finden sich in BGE 122 II 433 E. 3b/aa S. 440 f.; vgl. ferner: LUZIUS WILDHABER, The Right to Respect for Private and Family Life, in: The Modern World of Human Rights, Essays in honour of Thomas Buergenthal, San José/ Costa Rica 1996, S. 103 ff., S. 121 ff.; kritisch: MICHEL LEVINET, L'Eloignement des étrangers délinquants et l'article 8 de la convention européenne des droits de l'homme, in: Revue trimestrielle des droits de l'homme 10 [1999], No 37, S. 89 ff., Ziff. 24 S. 109 ff.). Dem Recht auf Achtung des Privatlebens kann in ausländerrechtlichen Fällen aber grundsätzlich auch eine (selbständige) Auffangfunktion gegenüber dem engeren Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens zukommen, wenn qualifizierte ![]() ![]() | 19 |
bb) Im vorliegenden Fall weilt der Beschwerdeführer 1 seit rund neun Jahren in der Schweiz (wovon die ersten vier Jahre lediglich als Saisonnier), was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht genügt, um aus dem Recht auf Achtung des Privatlebens Ansprüche abzuleiten. Daran vermögen auch die geltend gemachten Bedürfnisse nach medizinischer Behandlung, denen im Übrigen nötigenfalls mit der Erteilung einer Patientenbewilligung (Art. 33 der Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer, BVO; SR 823.21) Rechnung getragen werden könnte, nichts zu ändern. Die Beschwerdeführerin 2 lebt seit knapp fünf Jahren in der Schweiz, wobei ihr die Aufenthaltsbewilligung lediglich zum Verbleib bei ihrem Ehemann erteilt worden ist. Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat im Falle des Widerrufs von zum Zweck des Familiennachzugs erteilten B-ewilligungen wegen nachträglich weggefallener Familienbande das Vorliegen eines Eingriffs in das Recht auf Achtung des P-rivatlebens von vornherein verneint (Nichtzulassungsentscheid Nr. 14377/88 vom 10. November 1988 i.S. Zoukit c. Schweiz; ebenso das Bundesgericht im unveröffentlichten Urteil vom 23. Dezember 1997 i.S. Quispe, E. 2c). Die Beschwerdeführerin 2 wie im Übrigen auch die Kinder verfügten bloss über eine solche zweckgebundene, vom Bestand der Anwesenheitsberechtigung des Beschwerdeführers 1 ![]() ![]() | 20 |
cc) Demnach liegen weder bei den Beschwerdeführern noch bei deren Kindern besonders intensive Bindungen vor, welche in den Schutzbereich des in Art. 8 Ziff. 1 EMRK garantierten Rechts auf Achtung des Privatlebens fallen könnten, womit sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch unter diesem Titel als unzulässig erweist.
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d) Im Weiteren ist zu prüfen, ob sich ein Rechtsanspruch auf Erteilung der streitigen Aufenthaltsbewilligungen im Sinne von Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG aus jenen Grundrechten ergibt, auf welche sich die Beschwerdeführer zur Begründung der staatsrechtlichen Beschwerde berufen. Die Beschwerdeführer stützen sich dabei in ihrer am 17. Januar 2000 eingereichten Beschwerde - vom ![]() ![]() | 22 |
Erwägung 3 | |
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a) Der vormals aus Art. 4 aBV abgeleitete und nunmehr - in seiner spezifisch grundrechtlichen Ausprägung (vgl. BBl 1997 I 134) - in Art. 9 BV verankerte Grundsatz von Treu und Glauben verleiht einer Person Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen oder sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden (BGE 122 II 113 E. 3b/cc S. 123; zu den Voraussetzungen im Einzelnen vgl. BGE 118 Ia 245 E. 4b S. 254; 117 Ia 285 E. 2b S. 287 mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung anerkannt, dass sich aus dem erwähnten Grundsatz unter Umständen auch ein Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung ergeben kann (vgl. die Hinweise bei WURZBURGER, a.a.O., S. 305 f.), wobei sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde diesfalls als zulässig erweist (BGE 102 Ib 97 E. 1 S. 98). Auf das Rechtsmittel ist jedoch nicht bereits aufgrund der Anrufung des Vertrauensgrundsatzes einzutreten; zu prüfen ist vorerst, ob die Sachdarstellung der Beschwerdeführer eine Bindungswirkung und damit einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als möglich erscheinen lassen (unveröffentlichte Urteile vom 8. Juni 1998 i.S. Ringstad, E. 3b/bb, sowie vom 29. Juni 1998 i.S. Radovanovic, E. 2c/bb).
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b) Die Beschwerdeführer machen geltend, da sie nicht als Schutzbedürftige in die Schweiz gelangt seien, hätten sie - soweit keine Ausweisungsgründe vorliegen - grundsätzlich damit rechnen können, in der Schweiz bleiben zu dürfen. Diese Sachdarstellung lässt nicht darauf schliessen, dass aufgrund des Vertrauensgrundsatzes eine Bindungswirkung eingetreten wäre. Der vorliegende Fall ist nicht mit jenen zu vergleichen, wo einem Ausländer mittels Visum eine Anwesenheitsbewilligung zugesichert worden ist (unveröffentlichtes ![]() ![]() | 25 |
Erwägung 4 | |
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Erwägung 5 | |
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b) Die in Art. 11 BV unter dem Titel "Schutz der Kinder und Jugendlichen" verankerte Bestimmung, wonach Kinder und Jugendliche Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung haben, war im bundesrätlichen Entwurf einer nachgeführten Bundesverfassung aus dem Jahre 1996 nicht vorgesehen (BBl 1997 I 138 f.). Sie geht auf einen im Rahmen der parlamentarischen Beratungen seitens einer Minderheit der Verfassungskommission des Nationalrates eingebrachten Antrag zurück (BBl 1998 372, Art. 11a), dem ein Vorschlag der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände zugrunde lag (AB 1998 [Separatdruck] N 195, Votum Hubmann). Mit der Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in den Grundrechtskatalog sollte den Kindern und Jugendlichen als soziale Gruppe in der Verfassung ein entsprechender Status zuerkannt und die besondere B-edeutung dieser für die Entwicklung der Persönlichkeit entscheidenden Lebensphase betont werden (AB 1998 [Separatdruck] N 191 f., Votum Zbinden). Damit wurde namentlich bezweckt, die Gleichbehandlung und die Chancengleichheit der Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten, die Verpflichtung des Staates und jedes Einzelnen, Kinder vor jeglicher Form von Gewalt und erniedrigender Behandlung zu schützen, zum Ausdruck zu bringen sowie ![]() ![]() | 29 |
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d) Art. 11 Abs. 1 BV gewährt zunächst einen Anspruch der Kinder und Jugendlichen "auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit". Dieser Teilgehalt umfasst den Schutz der körperlichen und geistigen Integrität (AB 1998 [Separatdruck] N 420 f., Votum Bundesrat Koller) und "wäre an sich rein verfassungsrechtlich gesehen nicht notwendig" (AB 1998 [Separatdruck] S 156, Votum Inderkum, ![]() ![]() | 31 |
Mit der Verankerung als Grundrecht wird der Schutz von Kindern und Jugendlichen verfassungsrechtlich zu einem vordringlichen Anliegen erklärt. Im Unterschied zu den in Art. 41 Abs. 1 lit. f und g BV verankerten Sozialzielen, welche sich als Staatszielbestimmungen hauptsächlich an den Gesetzgeber richten (BBl 1997 I 200), nimmt Art. 11 Abs. 1 BV auch die rechtsanwendenden Instanzen in die Pflicht, bei der Handhabung von Gesetzen den besonderen Schutzbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen Rechnung zu tragen, was in besonderem Masse dann gilt, wenn ein Rechtssatz Lücken aufweist oder - wie beispielsweise Art. 4 ANAG - den Behörden Ermessensspielräume eröffnet. Ob dem Grundrecht allerdings auch hinsichtlich seines direkt-anspruchsbegründenden Gehalts (vgl. dazu JÖRG PAUL MÜLLER, Kommentar BV, Einleitung zu den Grundrechten, Rz. 40) neben der persönlichen Freiheit und anderen für Kinder und Jugendliche relevanten (in ihrem Schutzbereich spezifischeren) verfassungsmässigen Rechten eine weitergehende Tragweite zukommt, ist fraglich, braucht indessen vorliegend nicht abschliessend beurteilt zu werden. Mit Art. 11 Abs. 1 BV verfolgte der Verfassungsgeber unter anderem den Zweck, die in der UNO-Kinderrechtekonvention verbrieften Rechte in allgemeiner Form im Grundrechtsteil zu verankern und diese damit auch durch die Bundesverfassung zu garantieren (oben E. 5b). Die Zielsetzung der Verfassungsbestimmung und jener der Konvention (vgl. die Botschaft hierzu, BBl 1994 V 11 f.) sind denn auch identisch, weshalb zur Konkretisierung von Art. 11 Abs. 1 BV die Rechtsprechung zur UNO-Kinderrechtekonvention beizuziehen ist. Das Bundesgericht hat festgehalten, dass sich der ![]() ![]() | 32 |
Nach dem Gesagten vermag weder die UNO-Kinderrechtekonvention noch der in Art. 11 Abs. 1 BV garantierte Anspruch auf Schutz der Kinder und Jugendlichen den Kindern der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung zu vermitteln.
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Erwägung 6 | |
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a) Gemäss Art. 8 Abs. 2 BV darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. Die Bestimmung gibt in angepasster Form den Inhalt von Art. 4 Abs. 1 zweiter Satz aBV wieder (BBl 1997 I 142 f.). Im Unterschied zu Art. 8 Abs. 3 BV (vormals Art. 4 Abs. 2 aBV) enthält das allgemeine Diskriminierungsverbot allein kein Egalisierungsgebot (AB 1998 [Separatdruck] S 36 f., Votum Rhinow, Berichterstatter); der Gesetzgeber wird lediglich angehalten, Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vorzusehen (Art. 8 Abs. 4 BV; ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde in die Vernehmlassung geschickt, BBl 2000 3335). Eine Diskriminierung gemäss Art. 8 Abs. 2 BV liegt dann vor, wenn eine Person rechtsungleich behandelt wird allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe (AB 1998 [Separatdruck] S 36, Votum Rhinow, Berichterstatter), welche historisch und in der gegenwärtigen sozialen Wirklichkeit tendenziell ausgegrenzt oder sonst als minderwertig behandelt wurde (JÖRG PAUL MÜLLER, Die Diskriminierungsverbote nach Art. 8 Abs. 2 der neuen Bundesverfassung, in: Ulrich Zimmerli [Hrsg.], Die neue Bundesverfassung, ![]() ![]() | 35 |
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c) Zu prüfen bleibt, ob eine indirekte bzw. mittelbare Diskriminierung vorliegt (vgl. zu dieser bereits im Rahmen von Art. 4 Abs. 2 aBV entwickelten Figur: BGE 124 II 409 E. 7 S. 425 sowie E. 9d S. 428; ferner zu Art. 8 Abs. 2 BV: KÄLIN/CARONI, a.a.O., S. 86 ff.; MÜLLER, Grundrechte, a.a.O., S. 441 ff.; derselbe, Diskriminierungsverbote, a.a.O., S. 124 ff.). Eine indirekte Diskriminierung ist dann gegeben, wenn eine Regelung, die keine offensichtliche Benachteiligung von spezifisch gegen Diskriminierung geschützter ![]() ![]() | 37 |
d) Damit können die Beschwerdeführer auch aus dem in Art. 8 Abs. 2 BV verankerten Diskriminierungsverbot keinen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung ableiten. Dasselbe gilt im Ergebnis hinsichtlich der Diskriminierungsverbote gemäss Art. 14 EMRK, Art. 2 Abs. 2 des internationalen Pakts vom 16. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UNO-Pakt I, Sozialpakt; SR 0.103.1), soweit die Garantien dieses Abkommens überhaupt direkt anwendbar sind (vgl. BGE 120 Ia 1 E. 5c S. 11 f.), sowie Art. 2 Abs. 1 des internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II, Bürgerrechtspakt; SR 0.103.2) (vgl. BGE 123 II 472 E. 4c und d S. 477 ff. mit Hinweisen).
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Erwägung 7 | |
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Erwägung 8 | |
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a) Der angefochtene Nichteintretensbeschluss des Verwaltungsgerichts ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid, gegen den ![]() ![]() | 41 |
b) Die Beschwerdeführer beantragen nebst der Aufhebung des Nichteintretensbeschlusses des Verwaltungsgerichts auch die Aufhebung des Entscheids des Regierungsrates. Der E-ntscheid einer unteren kantonalen Instanz kann nach bundesgerichtlicher Praxis mitangefochten werden, wenn entweder der letzten kantonalen Instanz nicht sämtliche vor Bundesgericht zulässigen Rügen unterbreitet werden konnten oder wenn solche Rügen zwar von der letzten kantonalen Instanz zu beurteilen waren, jedoch mit einer engeren Prüfungsbefugnis, als sie dem Bundesgericht zusteht ("Dorénaz-Praxis", begründet in BGE 94 I 459, eingeschränkt in BGE 111 Ia 353 E. 1b S. 354 und alsdann bestätigt in BGE 114 Ia 307 E. 3a S. 311; 115 Ia 414 E. 1 S. 414 f. sowie zuletzt in BGE 125 I 492 E. 1a/aa S. 493 f. mit weiteren Hinweisen). In diesen Fällen kann der unterinstanzliche Entscheid innert der Frist für die staatsrechtliche Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Entscheid noch mitangefochten werden (BGE 115 Ia 414 E. 1 S. 415). Dies gilt jedoch nur, wenn die letzte kantonale Instanz die Sache materiell - wenn auch mit eingeschränkter Kognition - geprüft hat. Tritt die angerufene kantonale Instanz darauf nicht ein, so liegt kein neuer Entscheid in der Sache vor, mit welchem zusammen der Entscheid der unteren Instanz mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden könnte (BGE 109 Ia 248 E. 1 S. 250; bestätigt im unveröffentlichten Urteil vom 8. Oktober 1996 i.S. G., E. 1b); anfechtbar ist in diesem Fall bloss der Nichteintretensentscheid der letzten kantonalen Instanz (Walter Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Auflage, Bern 1994, S. 346).
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bb) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer verletzt der fehlende Zugang zu einem Richter auch nicht das in Art. 13 EMRK garantierte Recht auf wirksame Beschwerde. A-bgesehen von Art. 5 Ziff. 4 und Art. 6 EMRK besteht keine allgemeine Garantie, dass alle Rechte, die durch die Konvention gewährleistet sind, einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen müssen. Art. 13 EMRK verlangt einzig, dass für die Geltendmachung einer Konventionsverletzung eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz zur Verfügung steht, doch braucht es sich dabei nicht notwendigerweise um eine gerichtliche Instanz zu handeln (BGE 123 I 25 E. 2b/dd S. 30; 123 II 402 E. 4b/aa S. 413; 121 I 87 E. 1b S. 90 f.). Dass das fragliche verwaltungsinterne Rechtsmittel nicht die gleichen Garantien bezüglich Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Beschwerdeinstanz bietet wie ein Gericht, stellt die Tauglichkeit dieses Rechtsmittels unter dem Gesichtswinkel von Art. 13 EMRK jedenfalls solange nicht in Frage, als die rechtsstaatlich notwendigen minimalen Verfahrensrechte, namentlich der Anspruch auf rechtliches Gehör und auf Begründung des Entscheids (BGE 118 Ib 277 E. 5b S. 283), gewährleistet sind (vgl. nunmehr auch Art. 29 BV). Ebenso wenig verlangt der von den Beschwerdeführern angerufene Art. 30 BV die Gewährleistung eines generellen gerichtlichen Rechtsschutzes, soweit Grundrechte als beeinträchtigt angerufen werden. Die erwähnte Bestimmung weist nur darauf hin, dass Fälle bestehen, in denen das Völkerrecht (namentlich Art. 6 Ziff. 1 EMRK) den Parteien einen Anspruch auf gerichtliche Überprüfung einräumt; Art. 30 BV vermittelt dagegen für sich selbst keine solche Garantie (vgl. BBl 1997 I 183 f.). Der Hinweis auf den in der Volksabstimmung vom 12. März 2000 angenommenen (BBl 2000 2990) Bundesbeschluss vom 8. Oktober 1999 über die Reform der Justiz (BBl 1999 8633 ff.), wonach zur Beurteilung von Rechtsstreitigkeiten der Zugang zum Richter - gesetzliche Ausnahmen vorbehalten - generell gewährleistet sein soll (sog. allgemeine ![]() ![]() | 46 |
Damit erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde, soweit der Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts beanstandet wird, als unbegründet.
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e) Ist das Verwaltungsgericht auf die Beschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrates zu Recht nicht eingetreten, so stellt der regierungsrätliche Sachentscheid einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid dar, welcher selbständig - innert der Frist von Art. 89 Abs. 1 OG seit dessen Eröffnung - mit staatsrechtlicher Beschwerde hätte angefochten werden müssen. Die nachträgliche Mitanfechtung dieses Sachentscheids erweist sich insoweit nach dem Gesagten als unzulässig. Ob ein Anspruch auf eine fremdenpolizeiliche Bewilligung besteht, welcher den Weg für das verwaltungsgerichtliche Verfahren im Kanton und vor Bundesgericht (vgl. Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 in Verbindung mit Art. 98a Abs. 1 OG) öffnet, kann allerdings häufig sogar für Rechtskundige zweifelhaft sein, was dem Rechtsuchenden die Wahl des zulässigen Rechtsmittels (bzw. des Zeitpunktes zur Ergreifung desselben) erschweren kann. Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer den Entscheid des Regierungsrates nicht direkt beim Bundesgericht sondern zuerst beim Verwaltungsgericht angefochten. Sie konnten sich dafür zwar nicht auf eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung des Regierungsrates stützen. Bestünde aber der von ihnen behauptete Rechtsanspruch auf die anbegehrten Aufenthaltsbewilligungen - entgegen der im regierungsrätlichen Entscheid vertretenen Auffassung - tatsächlich, so wäre der Weg ans kantonale Verwaltungsgericht offen und aufgrund von Art. 98a Abs. 1 OG vor Anrufung des Bundesgerichts auch zwingend zu beschreiten gewesen. Es fragt sich, ob es Sinn und Zweck der so genannten "Dorénaz-Praxis" (oben E. 8b) entspricht, vom Rechtsuchenden in einem solchen Fall jeweils zu verlangen, dass er gegen den potentiell nicht letztinstanzlichen kantonalen Entscheid über die Verweigerung oder Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung neben der kantonalen ![]() ![]() | 48 |
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