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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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11. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. Zürcher Anwaltsverband gegen X. und Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich sowie Obergericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
2A.110/2003 |
vom 29. Januar 2004 | |
Regeste |
Art. 4-8, 12 sowie 36 BGFA; Eintragung ins kantonale Anwaltsregister, Voraussetzung der anwaltlichen Unabhängigkeit. |
Gegen letztinstanzliche kantonale Beschlüsse über die Eintragung ins kantonale Anwaltsregister kann der Anwaltsverband des betreffenden Kantons Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben (E. 1). |
Anwaltstätigkeit im Monopolbereich fällt unter das Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit; Verweigerung des Registereintrags (wegen fehlender Unabhängigkeit) tangiert dieses Grundrecht, was bei der Auslegung des Begriffs der Unabhängigkeit zu berücksichtigen ist (E. 3). Unabhängigkeit des Anwalts als weltweit anerkannte Berufspflicht, im Umfeld des (veränderten) Berufsbilds (E. 4.1). Inhalt der Unabhängigkeit (E. 4.2), bundesgerichtliche Rechtsprechung (E. 4.3) und Literatur (E. 4.4) zur Frage der Unabhängigkeit von Anwälten im Angestelltenverhältnis. Entstehungsgeschichte von Art. 8 Abs. 1 lit. d und Art. 8 Abs. 2 BGFA; bei angestellten Anwälten besteht Vermutung für Fehlen der Unabhängigkeit (E. 5.1), die widerlegbar ist (E. 5.2). Verhältnis der gesetzlichen Regelung zum Freizügigkeitsabkommen, keine Inländerdiskriminierung (E. 5.1.2). Voraussetzungen, unter denen ein angestellter Anwalt den Registereintrag beanspruchen kann; Pflicht zur Schaffung klarer Verhältnisse (E. 6). In casu hat der Anwalt ungenügende Angaben zu seinem Angestelltenverhältnis gemacht und die Vermutung des Fehlens der Unabhängigkeit nicht widerlegt (E. 7). Art. 36 BGFA entbindet gegebenenfalls von der Erfüllung der fachlichen, nicht aber der persönlichen Voraussetzungen; bei fehlender Unabhängigkeit kann die Eintragung ins Register nicht übergangsrechtlich beansprucht werden (E. 8). | |
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X. ist Inhaber des aargauischen Fürsprecherpatents. Er steht in einem Anstellungsverhältnis zur Bank Y. AG, wo er in der Rechtsabteilung tätig ist. Im Handelsregister ist er bei dieser Bank u.a. als Vizedirektor mit Kollektivunterschrift eingetragen.
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Nachdem am 1. Juni 2002 das Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) in Kraft getreten war, stellte X. bei der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich (nachfolgend: Aufsichtskommission) am 29. Juli 2002 das Gesuch, er sei im Sinne von Art. 5 ff. und Art. 36 BGFA ins kantonale Anwaltsregister einzutragen. Er erklärte, den Anwaltsberuf als Teilzeit-Selbständigerwerbender ausüben zu wollen, neben seiner Tätigkeit als Angestellter bei der Bank Y. Die Aufsichtskommission stellte fest, dass X. auf Grund des bisherigen Rechts über ein Anwaltspatent des Kantons Aargau verfüge und nach Art. 196 Ziff. 5 BV in den anderen Kantonen eine Berufsausübungsbewilligung erhalten hätte, weshalb sein Eintragungsgesuch nach Art. 36 BGFA als begründet erscheine. Dementsprechend gab sie dem Gesuch statt und trug X. mit Beschluss vom 20. August 2002 in das kantonale Anwaltsregister ein.
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Der Zürcher Anwaltsverband erhob gegen diesen Beschluss Rekurs bei der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich, welche den Rekurs mit Beschluss vom 12. Februar 2003 abwies, soweit sie darauf eintrat.
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Am 20. März 2003 hat der Zürcher Anwaltsverband gegen den Beschluss vom 12. Februar 2003 Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht erhoben.
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Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut und hebt den angefochtenen Beschluss auf.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 1 | |
1. Streitgegenstand bildet die Frage, welche Voraussetzungen eine Person erfüllen muss, um in das kantonale Anwaltsregister eingetragen ![]() ![]() | 7 |
Erwägung 2 | |
2.
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2.1 Der Beschwerdegegner stellte sein Gesuch um Eintragung in das kantonale Anwaltsregister gestützt auf Art. 5 ff. und Art. 36 BGFA, wobei er insbesondere hervorhob, dass er den Anwaltsberuf im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA unabhängig ausübe. Er geht davon aus, dass er sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen für den Registereintrag erfülle. Die Aufsichtskommission begründete ihren Beschluss vom 20. August 2002 über die Eintragung ins Register damit, dass der Gesuchsteller auf Grund des bisherigen Rechts über ein Anwaltspatent des Kantons Aargau verfüge und nach Art. 196 Ziff. 5 BV in den anderen Kantonen eine Berufsausübungsbewilligung erhalten hätte, weshalb sein Eintragungsgesuch nach Art. 36 BGFA als begründet erscheine. In ihrem Rekursentscheid ging die Verwaltungskommission des Obergerichts davon aus, dass der Beschwerdegegner sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen für den Registereintrag erfülle, stützte ihren Entscheid mithin nicht auf Art. 36 BGFA.
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Als Übergangsbestimmung soll Art. 36 BGFA den Eintrag ins Anwaltsregister regeln in Fällen, da ein Eintrag gestützt auf das neu geltende Bundesrecht nicht (mehr) in Frage kommt, jedoch nach bisherigem Recht interkantonal eine Berufsausübungsbewilligung hätte erlangt werden können. Erfüllt eine Person die ordentlichen Voraussetzungen für einen Eintrag ins Register, erübrigt sich eine Berufung auf Art. 36 BGFA. Zuerst ist daher zu prüfen, ob der Beschwerdegegner nach heute geltendem Recht ins Register eingetragen werden kann.
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2.2 Gemäss Art. 6 Abs. 1 BGFA lassen sich Anwälte, die über ein kantonales Anwaltspatent verfügen und Parteien vor Gericht vertreten wollen, ins Register des Kantons eintragen, in dem sie ihre Geschäftsadresse haben. Die Aufsichtsbehörde trägt sie ein, wenn ![]() ![]() | 11 |
2.3 Der Beschwerdeführer widersetzt sich dem Eintrag des Beschwerdegegners ins kantonale Anwaltsregister mit der Begründung, es werde dadurch Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA verletzt; wegen seines Anstellungsverhältnisses biete der Beschwerdegegner keine Gewähr dafür, seine nebenberufliche Anwaltstätigkeit unabhängig auszuüben.
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Das Gesetz umschreibt den Begriff der anwaltlichen Unabhängigkeit weder im Zusammenhang mit der Registereintragung noch in Art. 12 lit. b BGFA, wo die unabhängige Berufsausübung als Berufsregel aufgeführt ist, näher. Es ist nachfolgend zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen ein Anwalt Gewähr für unabhängige Berufsausübung bietet und insofern, unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Anwaltsregisters, den Eintrag in dasselbe verlangen kann.
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Erwägung 3 | |
3. Zur Anwaltstätigkeit gehören typischerweise die Vertretung von Parteien vor Gericht sowie die Rechtsberatung; das Tätigkeitsgebiet des Anwalts kann sich darüber hinaus auf andere Bereiche erstrecken (wirtschaftliche Dienstleistungen, Ausübung von Verwaltungsratsmandaten usw.). Gemäss Art. 2 Abs. 1 BGFA gilt das Anwaltsgesetz für Personen, die über ein Anwaltspatent verfügen ![]() ![]() | 14 |
Beim Anwaltsmonopol handelt es sich nicht um ein echtes Monopol im Rechtssinn. Der Zugang zum Beruf des Anwalts als Prozessvertreter erfolgt auf Grund einer klassischen wirtschaftspolizeilichen Bewilligung, welche zum Schutz des rechtsuchenden Publikums die persönlichen und fachlichen Eigenschaften und Fähigkeiten des Berufsausübenden sicherstellen soll (TOMAS POLEDNA, Anwaltsmonopol und Zulassung zum Anwaltsberuf - Streiflichter in vier Thesen, in: Schweizerisches Anwaltsrecht, Festschrift Schweizerischer Anwaltsverband 1998, Bern 1998, S. 89 ff.). Damit aber fällt auch die Anwaltstätigkeit im Monopolbereich grundsätzlich in den Schutzbereich der von Art. 27 BV garantierten Wirtschaftsfreiheit. Gemäss Art. 36 BV bedarf daher jede Einschränkung der Befugnis, Parteien vor Gericht zu vertreten, einer gesetzlichen Grundlage; sie muss sich durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter rechtfertigen lassen und hat verhältnismässig zu sein. Unzulässig sind wirtschaftspolitische oder standespolitische Massnahmen, die den freien Wettbewerb behindern, um gewisse Gewerbezweige oder Bewirtschaftungsformen zu sichern oder zu begünstigen. Andere die Wirtschaftsfreiheit des Anwalts einschränkende, im öffentlichen Interesse liegende Massnahmen sind zulässig, wenn nebst dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit derjenige der Rechtsgleichheit, namentlich im Sinne der Wettbewerbsneutralität, gewahrt wird (BGE 125 I 417 E. 4a S. 422; 123 I 12 E. 2a S. 15; Urteil 2P.187/2000 vom 8. Januar 2001, publ. in: Pra 90/2001 Nr. 141 S. 835, E. 3a S. 838; Urteil 2P.151/1995 vom 12. Dezember 1996, publ. in: RDAT 1997 II Nr. 10 S. 14, E. 4b S. 20).
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Wird einem Rechtsanwalt der Eintrag ins kantonale Anwaltsregister und damit die Möglichkeit, in sämtlichen Kantonen Parteien vor Gericht zu vertreten, mit der Begründung verweigert, dass ihm die erforderliche Unabhängigkeit fehle, wird er in seiner durch Art. 27 BV garantierten Wirtschaftsfreiheit eingeschränkt. Für die Auslegung des Begriffs der Unabhängigkeit des Anwalts im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA ist daher die verfassungsrechtliche ![]() ![]() | 16 |
Erwägung 4 | |
4.
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4.1 Der Grundsatz der Unabhängigkeit des Anwalts ist von herausragender Bedeutung; er ist als Berufspflicht des Anwalts weltweit anerkannt (BGE 123 I 193 E. 4a S. 195; Pra 90/2001 Nr. 141 S. 835, E. 4a/aa S. 838 f., je mit Hinweisen). Die Unabhängigkeit des Anwalts soll grösstmögliche Freiheit und Sachlichkeit bei der Interessenwahrung gegenüber dem Klienten wie gegenüber dem Richter gewährleisten. Sie bildet die Voraussetzung für das Vertrauen in den Anwalt und in die Justiz (Pra 90/2001 Nr. 141 S. 835, E. 4c S. 842).
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Die Vorstellung des unabhängigen Anwalts ist verbunden mit dem Bild des freien Anwalts, der selbständig ein Anwaltsbüro betreibt. Geläufig ist auch die kombinierte Tätigkeit Anwalt/Notar. Insofern ergeben sich kaum Schwierigkeiten. Allerdings sind Rechtsanwälte heute vielmals im Rahmen komplexer (Unternehmens-)Strukturen tätig. Nicht nur schliessen sich häufig mehrere Anwälte zu immer grösseren Anwaltskanzleien zusammen; sie organisieren sich mit Wirtschaftsfachleuten, Treuhändern, Steuerexperten usw. Vor allem sind immer mehr Inhaber von Anwaltspatenten als Arbeitnehmer tätig. Viele Unternehmungen (Banken, Treuhandbüros, Versicherungen) offerieren ihren Kunden Rechts- und Wirtschaftsberatung in weitem Sinn und stellen zu diesem Zweck Anwälte an. Druck für derartige Umgestaltungen entsteht durch die zunehmende Komplexität der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, nicht zuletzt wegen der Internationalisierung des Wirtschaftslebens. Der Markt für anwaltliche Tätigkeiten ist vielfältiger geworden (vgl. zum Ganzen, nebst anderen: MICHAEL PFEIFER, Der Rechtsanwalt in der heutigen Gesellschaft, ZSR 115/1996 II S. 253 ff., insbes. S. 291 ff.; DOMINIQUE DREYER, L'avocat dans la société actuelle, ZSR 115/1996 II S. 395 ff., insbes. S. 410 ff.; ISABELLE HÄNER, Das veränderte Berufsbild des Anwaltes und der Anwältin. Neue Entwicklungen in der Rechtsberatung und Rechtsvertretung, in: Bernhard Ehrenzeller [Hrsg.], Das Anwaltsrecht nach dem ![]() ![]() | 19 |
Konkurrenz bzw. Wettbewerb herrscht damit insbesondere zwischen den freien Anwälten und jenen Anwälten, die bei Unternehmungen angestellt sind, welche nebst wirtschaftlichen Dienstleistungen auch rechtliche Beratung anbieten und daran interessiert sind, die Vertretung ihrer Kunden vor Gericht nötigenfalls durch eigenes Personal zu gewährleisten; die grossen Revisions- und Beratungsfirmen sowie Banken usw. "wollen ihren globalen Klienten ein möglichst umfassendes Leistungspaket anbieten" (PETER NOBEL, Rechtsformen der Zusammenarbeit von Anwälten, in: Festschrift des Schweizerischen Anwaltsverbands 1998, a.a.O., S. 339 ff., insbes. S. 351 ff.). Da die Unabhängigkeit des Anwalts Voraussetzung für die Zulassung zur Parteivertretung vor Gerichten ist und sich das Problem der Unabhängigkeit bei mit Unternehmungen verbundenen Anwälten ausgeprägt stellt, wirkt sich die Beurteilung der Unabhängigkeitsfrage unweigerlich entscheidend auf den Wettbewerb aus. In diesem Zusammenhang ist vereinzelt davon die Rede, dass die Unabhängigkeitsfrage in der Literatur ohne klare Differenzierung "hochstilisiert" werde (PETER NOBEL, a.a.O., S. 353). Dem ist höchstens insofern beizupflichten, als damit der Besorgnis Ausdruck gegeben wird, dass das Erfordernis der Unabhängigkeit angerufen werden könnte, um im Sinne reiner Standespolitik undifferenziert die selbständigen Anwälte zu privilegieren; dies wäre aus verfassungsrechtlicher Sicht (vorne E. 3) unzulässig. Die Unabhängigkeit des Anwalts ist aber vom Gesetzgeber, unter Berufung auf die Lehre und insbesondere die Rechtsprechung, zu Recht zu einem zentralen Kriterium für die Zulassung von Anwälten zur forensischen Tätigkeit gemacht worden (Botschaft des Bundesrats vom 28. April 1999 zum Anwaltsgesetz, BBl 1999 S. 6013 ff., insbes. S. 6033 ff.; AB 1999 N 1556 ff.; AB 1999 S 1165 ff.; AB 2000 N 38 ff.).
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4.2 Die Frage der Unabhängigkeit ist verknüpft mit der in Art. 12 lit. c BGFA festgeschriebenen Berufspflicht des Anwalts, jeden Konflikt zwischen den Interessen seiner Klientschaft und denjenigen anderer Personen, Unternehmungen oder Organisationen, mit denen er geschäftlich oder privat in Beziehung steht, zu vermeiden (LUCIEN W. VALLONI/MARCEL C. STEINEGGER, Bundesgesetz über die ![]() ![]() | 21 |
Darüber hinaus wird gemeinhin verlangt, dass der Anwalt auch gegenüber seinem Klienten unabhängig sein muss. Er soll als objektiv urteilender Helfer dienlich sein können. Das setzt voraus, dass er eigenständig abschätzt, wie im Prozess vorzugehen ist, und versucht, den Klienten von seiner Betrachtungsweise zu überzeugen bzw. von einer unzweckmässigen Handlungsweise abzuhalten (zu diesem Element der Unabhängigkeit etwa: TOMAS POLEDNA, a.a.O., S. 94; FRANZ WERRO, Les conflits d'intérêts de l'avocat, in: Festschrift des Schweizerischen Anwaltsverbands 1998, a.a.O., S. 231 ff., insbes. S. 240 f.; ALBERT-LOUIS DUPONT-WILLEMIN, Le secret professionnel et l'indépendance de l'avocat, in: Bulletin SAV, März 1986, Nr. 101, S. 9 ff., insbes. S. 14 ff.).
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Beide soeben erwähnte Gesichtspunkte betreffen insbesondere die Frage, ob eine Anstellung mit der Pflicht zur Unabhängigkeit des Anwalts vereinbar ist. Dabei sind mehrere Konstellationen zu unterscheiden: Es gibt einerseits den Anwalt, der neben der Tätigkeit ![]() ![]() | 23 |
4.3 Da das Anwaltsrecht bisher kantonalrechtlich geregelt war, hatte das Bundesgericht sich mit der Problematik der anwaltlichen Unabhängigkeit nicht umfassend und jedenfalls nicht mit freier Kognition zu befassen. Diesbezügliche Fragen konnten ihm im Wesentlichen bloss im Rahmen von staatsrechtlichen Beschwerden unterbreitet werden, wobei jeweilen zu prüfen war, ob mit dem Gebot der anwaltlichen Unabhängigkeit begründete Beschränkungen der Anwaltstätigkeit mit den angerufenen verfassungsmässigen Rechten (insbesondere der Wirtschaftsfreiheit) vereinbar waren. Immerhin wurden in dieser Rechtsprechung die Konturen des Begriffs der Unabhängigkeit abgesteckt.
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4.3.1 Das Bundesgericht hat eine kantonale Norm wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit aufgehoben, welche bestimmte, dass die Anwaltstätigkeit unvereinbar sei mit jeder anderen Erwerbstätigkeit, welche diejenige als Anwalt überwiegt. Es erachtete zwar das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, die Qualität der Dienstleistung und die Unabhängigkeit des Anwalts sicherzustellen, als zulässig, qualifizierte die Massnahme aber als unverhältnismässig, weil sie ohne Notwendigkeit Anwälte benachteilige, die freiwillig oder gezwungenermassen die Anwaltstätigkeit nur in einem Teilpensum ausübten; sie sei einerseits nur bedingt geeignet zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels und schiesse andererseits über dieses hinaus (Urteil P.1175/1985 vom 18. Oktober 1985, publ. in: RDAF 1986 S. 157, E. 4b und c S. 161 ff.). Aus den gleichen Überlegungen hat das Bundesgericht die staatsrechtliche Beschwerde eines hauptberuflich als Leiter der Schadensabteilung einer Versicherung angestellten Anwalts insofern teilweise gutgeheissen, als der Kanton Tessin ihm die Zulassung zum Anwaltsberuf vollständig verweigern und ihm unterschiedslos jegliche Nebentätigkeit als Anwalt untersagen wollte (RDAT 1997 II Nr. 10 S. 14, E. 6b S. 23 ff.). Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist ein Verbot, einem angestellten Anwalt die Parteivertretung vor Gericht generell und selbst für den Fall zu untersagen, dass ein Mandat in keinem Zusammenhang zu seiner Tätigkeit als Angestellter steht, unzulässig. ![]() | 25 |
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4.3.3 In Bezug auf die Vertretung von Kunden des Arbeitgebers eines Anwalts hat das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zur Handels- und Gewerbefreiheit bzw. zur Wirtschaftsfreiheit eine differenzierte Haltung eingenommen (s. Zusammenfassung in BGE 123 I 193 E. 4b S. 197 f.; ferner BBl 1999 S. 6037 f.). Als ausschlaggebend erscheint das Kriterium des Interessenkonflikts. Übernimmt der angestellte Anwalt ein Mandat eines Kunden seines Arbeitgebers, tut er dies - auch - im Interesse seines Arbeitgebers, der ihm gegenüber aus dem Arbeitsverhältnis weisungsbefugt ist. Die Ausübung eines Mandats unter dem Einfluss des Arbeitgebers ist mit dem Erfordernis der anwaltlichen Unabhängigkeit nicht vereinbar und darf untersagt werden. Die Möglichkeit der Vertretung von mit dem Arbeitgeber in Beziehung stehenden Personen ist dagegen von der Rechtsprechung nicht vollständig ausgeschlossen worden, sofern im Einzelfall als sichergestellt erscheint, dass der Anwalt das Mandat führen kann, ohne dass er dabei durch ein möglicherweise vom Interesse des Klienten abweichendes Interesse des Arbeitgebers beeinflusst wird. So nahm das Bundesgericht im Falle des von einer Gewerkschaft angestellten und entlöhnten Anwalts an, das Prinzip der (finanziellen) Unabhängigkeit des Anwalts sei nicht verletzt, wenn dieser Mitglieder der Gewerkschaft berät und vor Gerichten vertritt (Urteil P.370/1978 vom 17. Oktober 1980). Im Fall eines Anwalts, der gegen eine Pauschalentschädigung ![]() ![]() ![]() ![]() | 27 |
4.3.4 Nie problematisiert wurde in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, soweit ersichtlich, die Frage der Unabhängigkeit von Anwälten, die bei Anwaltsbüros angestellt sind; diesfalls bietet der Arbeitgeber hinsichtlich der Pflicht zur Unabhängigkeit (wie auch in Bezug auf das Anwaltsgeheimnis) selber die notwendigen Garantien.
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4.4 Vor Inkrafttreten des Anwaltsgesetzes wurde in der Literatur die Tätigkeit von angestellten Anwälten im Monopolbereich grossenteils abgelehnt und insbesondere hinsichtlich der Vertretung von Kunden des Arbeitgebers als mit dem Unabhängigkeitsgebot grundsätzlich unvereinbar erachtet. Gewisse Autoren hielten die Tätigkeit von angestellten Anwälten im Monopolbereich für zulässig, sofern sich der Anwalt von seinem Arbeitgeber vertraglich eine unabhängige Berufsausübung ausbedungen hatte (s. Übersicht in Pra 90/2001 Nr. 141 S. 835, E. 4a/bb S. 839 f.). Unterschiedlich gehandhabt wurde die Zulassung von angestellten Anwälten zur Monopoltätigkeit in den Kantonen (s. Übersicht in BGE 123 I 193 E. 4a S. 196 f.; ferner Zusammenstellung in der Botschaft zum Anwaltsgesetz, BBl 1999 S. 6033 f.). Hervorzuheben ist die Praxis der Zürcher Aufsichtsbehörde, wonach es dem angestellten Anwalt gestattet ist, Kunden seines Arbeitgebers (selbst einer Treuhandgesellschaft) vor Gericht zu vertreten; Voraussetzung ist, dass durch schriftlichen Vertrag mit dem Arbeitgeber jene Kautelen vereinbart werden, die für die unabhängige Berufsausübung und zur Einhaltung der Standespflichten unerlässlich sind (ZR 79/1980 Nr. 126 S. 265 ff.).
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Erwägung 5 | |
5.
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5.1
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5.1.1 Die vorstehend wiedergegebenen Überlegungen bildeten, was den Gesichtspunkt der Unabhängigkeit des Anwalts betrifft, weitgehend auch die Grundlage für die Ausarbeitung des Anwaltsgesetzes.
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In Berücksichtigung der Stellungnahmen zu einem ersten Entwurf sowie im Hinblick darauf, dass eine mögliche Entwicklung auf dem Anwaltsmarkt nicht blockiert werden solle, wurde vorerst eine Formulierung gewählt (Art. 7 lit. e in Verbindung mit Art. 11 lit. b des Entwurfs), die es den kantonalen Aufsichtsbehörden und ![]() ![]() | 33 |
In der parlamentarischen Beratung wurde teils die Auffassung vertreten, dass für die Frage der Unabhängigkeit allein der konkrete Fall massgeblich sei, nicht aber die Organisationsstruktur und damit etwa die Tatsache, dass ein Anwalt angestellt sei (Votum Hochreutener, AB 1999 N 1557); es liege im Übrigen im Interesse des Kunden einer ihn umfassend beratenden Unternehmung, dass auch deren Angestellte die allenfalls notwendig werdende Vertretung vor Gericht besorgten (Votum Nabholz, AB 1999 N 1557 f.). Nach intensiven Diskussionen (AB 1999 N 1556-1566) setzte sich jedoch eine restriktive Auslegung der Unabhängigkeit durch, womit gleichzeitig den Kantonen wenig Spielraum belassen wurde. Der Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA drückt unmissverständlich den Willen der Parlamentsmehrheit aus, dass ein Anwalt im Angestelltenverhältnis den für die Tätigkeit im Monopolbereich erforderlichen Registereintrag nicht beanspruchen kann, es sei denn, der Arbeitgeber sei seinerseits ein im Register eingetragener Anwalt. Es besteht insofern bei (nicht von Anwälten) angestellten Anwälten eine (unter bestimmten Voraussetzungen allerdings widerlegbare, s. nachfolgend E. 5.2) Vermutung des Fehlens der Unabhängigkeit; diese wird im neuen Anwaltsgesetz strukturell, institutionell umschrieben (BEAT HESS, Umsetzung des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [BGFA] durch die Kantone, SJZ 98/2002 S. 485 ff., insbes. S. 489; s. für Begriff "institutionelle Unabhängigkeit" Votum Baumberger, AB 1999 N 1559). Was die Ausnahme von Art. 8 Abs. 2 BGFA betrifft, ist zu berücksichtigen, dass das Parlament diese bewusst auf "anerkannte gemeinnützige Organisationen" beschränkt und damit auf den weiter gefassten Begriff "nicht gewinnorientierte Organisationen" verzichtet hat, was insbesondere zur Folge haben dürfte, dass beispielsweise bei Mieterverbänden oder Gewerkschaften angestellte Anwälte Mitglieder ihres Arbeitgebers nicht in Gerichtsverfahren vertreten können, für welche das Anwaltsmonopol gilt (vgl. AB 1999 S 1165 ff.; AB 2000 N 41). Allerdings fielen bisher Verfahren ![]() ![]() | 34 |
5.1.2 Die in der Ratsdebatte zum Ausdruck kommende Befürchtung, eine restriktive Handhabung des Registereintrags im Zusammenhang mit der Unabhängigkeitsfrage führe zu einer Inländerdiskriminierung (Votum Nabholz, AB 1999 N 1558), entbehrt der Grundlage. Es kann hierzu auf die Abschnitte 4 und 5 des Anwaltsgesetzes verwiesen werden, wo die vorübergehende Ausübung bzw. die ständige Ausübung des Anwaltsberufs durch Anwälte aus Mitgliedstaaten der EU oder EFTA geregelt wird. Insbesondere gelten für sie gemäss Art. 25 bzw. Art. 27 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 25 BGFA die Berufsregeln nach Art. 12 BGFA, mithin auch das Gebot der Unabhängigkeit (s. auch Art. 30 Abs. 2 BGFA). Die Regelung steht im Einklang mit dem Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR 0.142.112.681). Art. 19 von Anhang I zum FZA hält ausdrücklich fest, dass der Dienstleistungserbringer seine Tätigkeit in einem Staat unter den gleichen Bedingungen ausüben kann, wie dieser Staat sie für seine eigenen Staatsangehörigen vorschreibt; zugleich verweist er auf Anhang III, wo unter B.3. die Richtlinien 77/249/EWG (betreffend vorübergehende Dienstleistungserbringung) und 98/5/EG (betreffend ständige Dienstleistungserbringung bzw. Niederlassung) erwähnt sind. Was speziell angestellte Anwälte betrifft, bestimmt Art. 8 der Richtlinie 98/5/EG, dass der in einem Anstellungsverhältnis stehende ausländische Rechtsanwalt die Zulassung nur beanspruchen kann, wenn der Aufnahmestaat dies für die unter der Berufsbezeichnung dieses Mitgliedstaats eingetragenen Rechtsanwälte in gleicher Lage gestattet. Sodann erlaubt Art. 6 der Richtlinie 77/249/EWG jedem Mitgliedstaat, die im Gehaltsverhältnis stehenden Rechtsanwälte, die durch einen Arbeitsvertrag an ein staatliches oder privates Unternehmen gebunden sind, von der Ausübung der Tätigkeiten der Vertretung und Verteidigung im Bereich der Rechtspflege für dieses Unternehmen insoweit auszuschliessen, als die in diesem Staat ansässigen Rechtsanwälte diese Tätigkeiten nicht ausüben dürfen. Beiden Richtlinien liegt der Grundsatz ![]() ![]() | 35 |
5.2 Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA nennt als persönliche Voraussetzung des Registereintrags die Unabhängigkeit des Anwalts und verknüpft dieses Erfordernis mit dem Zusatz: "Sie können Angestellte nur von Personen sein, die ihrerseits in einem kantonalen Register eingetragen sind." Nach diesem Wortlaut könnte das Gesetz so verstanden werden, dass jeder in einem Anstellungsverhältnis stehende Anwalt, dessen Arbeitgeber nicht selber als Anwalt eingetragen ist, ungeachtet dessen, ob es sich um eine Voll- oder um eine Teilzeitanstellung handelt, und ohne Rücksicht darauf, ob und wieweit die Auswahl der Klienten und die Art der Mandate mit dem Anstellungsverhältnis zusammenhängt, vom Registereintrag ausgeschlossen wäre. Eine derartige Auslegung des Gesetzes hätte zur Folge, dass es selbst jenen Anwälten, die neben einer bloss teilzeitlichen Erwerbstätigkeit als Angestellter noch eine selbständige Anwaltstätigkeit ausüben wollen, verwehrt wäre, von der mit dem Registereintrag verbundenen interkantonalen Freizügigkeit (vgl. Art. 6 Abs. 1 BGFA) zu profitieren; darüber hinaus würde ihnen, trotz des Vorbehalts von Art. 3 Abs. 2 BGFA, wohl auch in den meisten Kantonen die Parteivertretung vor deren eigenen Gerichtsbehörden untersagt. Damit hätte das Anwaltsgesetz, welches immerhin gerade auch eine Liberalisierung bezweckte, eine Beschränkung der Wirtschaftsfreiheit zur Folge, die sich in ihrem Ausmass nicht mehr durch ein öffentliches Interesse rechtfertigen liesse (vorne E. 4.3.1).
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Abgesehen davon, dass der Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA nicht zwingend eine derartige Auslegung verlangt, gibt es keine ![]() ![]() | 37 |
Bei der Prüfung von Gesuchen um Registereintrag hat die zuständige Behörde zu berücksichtigen, dass auch der ausschliesslich selbständig tätige Anwalt Interessenkonflikten ausgesetzt sein kann. Jeder Anwalt hat auch nach der Eintragung ins Register das Unabhängigkeitsgebot von Art. 12 lit. b BGFA zu beachten und muss im Einzelfall abschätzen, ob ein Interessenkonflikt vorliegt. Das wirkt sich auf den beim Entscheid über den Registereintrag anzuwendenden Beurteilungsmassstab aus. Die Anforderungen an die Unabhängigkeit dürfen auch beim Anwalt, der bei einer Unternehmung angestellt ist, nicht so hoch angesetzt werden, dass dieser ![]() ![]() | 38 |
Erwägung 6 | |
6.
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6.1 Die kantonale Aufsichtsbehörde trägt einen Anwalt ins kantonale Anwaltsregister ein, wenn sie festgestellt hat, dass die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind (Art. 6 Abs. 2 BGFA). Der Anwalt ist dementsprechend verpflichtet, seinem Gesuch sämtliche Bescheinigungen beizufügen, welche belegen, dass die Voraussetzungen nach Art. 8 BGFA erfüllt sind (Art. 5 Abs. 1 lit. c BGFA). Erforderlich ist die Angabe einer Geschäftsadresse (Art. 5 Abs. 1 lit. d BGFA). Im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA muss der angestellte Anwalt insbesondere vollständige Angaben über sein Arbeitsverhältnis beibringen, soweit sie für die Unabhängigkeitsfrage von Belang sein können. Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen Unabhängigkeit und Berufsgeheimnis bei angestellten Anwälten (vorne E. 4.3.3 am Ende) darf der Registereintrag sodann auch davon abhängig gemacht werden, dass der Anwalt die von ihm getroffenen Vorkehrungen aufzeigt, die ihm die Wahrung des Berufsgeheimnisses trotz seiner Anstellung erlauben. Wer als angestellter Anwalt, dessen Arbeitgeber nicht selber ins Register eingetragen ist, in ein kantonales Register eingetragen werden und damit die Befugnis erhältlich machen will, in sämtlichen übrigen Kantonen ohne zusätzliche Bewilligung als unabhängiger Anwalt tätig zu werden, hat für klare Verhältnisse zu sorgen.
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6.2 Ein angestellter Anwalt wird sich insbesondere dann ins kantonale Anwaltsregister eintragen lassen wollen, wenn er neben einer Teilzeitanstellung als unabhängiger Anwalt tätig werden will. Auch vollzeitlich bei einer Unternehmung angestellte Anwälte gehen indessen in ihrer Freizeit gelegentlich einer unabhängigen Anwaltstätigkeit nach. Der Umstand einer Vollzeitanstellung allein spricht nicht gegen die Zulässigkeit des Registereintrags. Das Argument, wer vollzeitlich angestellt sei, biete mangels zeitlicher Kapazität keine Gewähr für eine korrekte Mandatsführung, trifft ![]() ![]() | 41 |
Gegen die Zulassung von Vollzeitangestellten zur nebensächlichen Berufsausübung als Rechtsanwalt lässt sich auch nicht einwenden, diese könnten sich der Pflicht zur Übernahme von Offizialmandaten entziehen. Einerseits könnte dies nur dann problematisch sein, wenn nicht genügend vollzeitlich freierwerbende Anwälte zur Verfügung stehen, die (finanziell) an derartigen Mandaten interessiert sind. Andererseits wird der nur nebenbei als freischaffender Anwalt Tätige die Übernahme solcher Mandate zwar nicht generell ablehnen dürfen, sich aber gegen eine übermässige entsprechende Beanspruchung legitimerweise zur Wehr setzen können (vgl. Urteil 2P.248/2001 vom 20. Dezember 2001, publ. in: Pra 91/2002 Nr. 50 S. 267).
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Ausschlaggebend ist letztlich allein, ob der Anwalt darlegen kann, dass angesichts der Ausgestaltung seines Anstellungsverhältnisses keine Beeinträchtigung seiner Unabhängigkeit bzw. der gewissenhaften und allein im Interesse seiner Klienten liegenden Berufsausübung droht.
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6.3
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6.3.1 Der Beweis dafür, dass dem Arbeitgeber jegliches Weisungsrecht bezüglich der von seinem Angestellten in dessen Eigenschaft als selbständiger Anwalt betreuten Klienten abgeht und ihm auch kein Einsichtsrecht zusteht, kann und soll (jedenfalls bei Vollzeitangestellten) in der Regel durch Vorlage eines entsprechend formulierten Arbeitsvertrags bzw. allfälliger ergänzender Klauseln dazu erbracht werden. Das Bundesgericht hat sich zum möglichen Inhalt solcher vertraglicher Bestimmungen im bereits erwähnten Urteil 2P.151/1995 (RDAT 1997 II Nr. 10 S. 14) geäussert und dabei auf einen Entscheid der Zürcher Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte (publ. in: ZR 79/1980 Nr. 126 S. 265 ff.) verwiesen. Darauf kann abgestellt werden. Im Einzelnen sind folgende Punkte hervorzuheben:
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Insbesondere bei vollamtlicher Anstellung muss aus dem Arbeitsvertrag oder aus einer Erklärung des Arbeitgebers hervorgehen, dass dieser über die nebenberufliche selbständige Anwaltstätigkeit ![]() ![]() | 46 |
Bei Teilzeitangestellten kann dann davon abgesehen werden, die Vorlage eines entsprechend ausgestalteten Arbeitsvertrags zu verlangen, wenn schon angesichts der Natur der Branche, in welcher der Arbeitgeber tätig ist, und der Art der Aufgaben, die der nebenberuflich den Anwaltsberuf ausübende Angestellte in der Unternehmung wahrnimmt, davon auszugehen ist, dass die Unabhängigkeit der Anwaltstätigkeit durch das Angestelltenverhältnis nicht beeinträchtigt werden kann.
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6.3.2 Neben der Ausgestaltung des Arbeitsvertrags sind weitere Punkte von Bedeutung. Auf der Hand liegt die Notwendigkeit von Vorkehrungen für eine strikte Trennung von Vermögenswerten der Klienten nicht nur vom eigenen Vermögen des Anwalts (vgl. Art. 12 lit. h BGFA), sondern erst recht vom Vermögen von dessen Arbeitgeber. Auch unter dem Gesichtspunkt des Anwaltsgeheimnisses muss der Anwalt aufzeigen, dass er die Möglichkeit hat, die Akten von Anwaltsmandaten gesondert und für Organe, Vertreter oder Angestellte des Arbeitgebers unzugänglich aufzubewahren. Wenn Art. 5 Abs. 1 lit. d BGFA vorschreibt, dass im Anwaltsregister die Geschäftsadresse des Anwalts angegeben werden muss, ist dies nicht nur im Hinblick auf dieses letztgenannte ![]() ![]() | 48 |
6.4 Nicht näher einzugehen ist im vorliegenden Verfahren auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei öffentlichrechtlichen Körperschaften angestellte Personen sich für eine nebenberufliche Tätigkeit ins Anwaltsregister eintragen lassen können. Jedenfalls erscheint auch für derartige Fälle ein Registereintrag anwaltsrechtlich nicht grundsätzlich unzulässig, doch lassen sich angesichts der möglichen Verschiedenheiten der Verhältnisse allgemeingültige Kriterien nicht ohne weiteres aufstellen.
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Erwägung 7 | |
7. Der Beschwerdegegner ist bei einer Arbeitgeberin angestellt, die nicht im Anwaltsregister eingetragen ist. Er hat im kantonalen Rekursverfahren in seiner Rekursantwort unter Berufung auf ein Gespräch mit dem Vertreter des Beschwerdeführers dargelegt, dass er zu keiner Zeit beabsichtige, seine Arbeitgeberin oder deren Kunden in irgendeiner Art und Weise anwaltlich (vor Gericht) zu vertreten; selbstverständlich werde darüber hinaus keine Vertretung in Betracht gezogen, in welcher ein noch so entfernter Interessenkonflikt zur Arbeitgeberin entstehen könne; es gehe ihm einzig darum, in privatem Rahmen, beispielsweise für Familienmitglieder oder Freunde, allenfalls gerichtlich auftreten zu können. Nähere Angaben über das Arbeitsverhältnis hat der Beschwerdegegner zu keinem Zeitpunkt gemacht, weil er sich auf den Standpunkt stellt, dass das Arbeitsverhältnis für die Behandlung des Eintragungsgesuchs nicht massgeblich sei. Weder äussert er sich über seinen Beschäftigungsgrad, noch legt er eine Bestätigung der Arbeitgeberin vor, dass diese über seine nebenberufliche selbständige ![]() ![]() | 50 |
Wenn er ausführt, er gedenke bloss in wenigen Fällen Bekannte oder Familienangehörige vor Gericht zu vertreten, so übersieht er, dass ihm mit dem Registereintrag ohne zusätzliche Überprüfung und ohne jegliche Einschränkung die (gewerbsmässige) Anwaltstätigkeit im Monopolbereich in sämtlichen Kantonen gestattet wird. Für eine derart weitgehende Ermächtigung müssen sämtliche Voraussetzungen, insbesondere die institutionell verstandene Unabhängigkeit, klar und nachweisbar erfüllt sein; verzichtet der Anwalt darauf, die hiefür notwendigen Angaben zu machen, kann er nicht beanspruchen, eingetragen zu werden. Will der Beschwerdegegner tatsächlich bloss ganz vereinzelt Bekannte vor Gericht vertreten, sollte ihm dies auch ohne Registereintrag möglich sein; diesfalls ist ihm zuzumuten, gestützt auf seinen Fähigkeitsausweis im (seltenen) Einzelfall bei der zuständigen kantonalen Behörde eine Ermächtigung einzuholen.
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Unbehelflich ist der vor Bundesgericht erhobene Einwand, ein Anwalt könne sich ins Anwaltsregister eintragen lassen und erst kurz darauf ein Arbeitsverhältnis eingehen. Richtigerweise wird in einem solchen Fall die Aufsichtsbehörde, wenn sie vom Anstellungsverhältnis Kenntnis erhält, vom Betroffenen die notwendigen Auskünfte einholen und gegebenenfalls die Löschung im Register veranlassen (vgl. Art. 9 BGFA). Im Übrigen wäre der Anwalt wohl gestützt auf Art. 12 lit. a BGFA verpflichtet, der Aufsichtsbehörde Änderungen der Verhältnisse bekannt zu geben, die für die Frage der Unabhängigkeit von Bedeutung sein könnten.
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Der Beschwerdeführer macht nach dem Gesagten zu Recht geltend, der Beschwerdegegner erfülle die Voraussetzungen für einen Registereintrag nicht bzw. habe den Nachweis hiefür nicht erbracht.
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Erwägung 8 | |
8. Es bleibt damit zu prüfen, ob der Beschwerdegegner den Registereintrag gestützt auf Art. 36 BGFA erwirken kann, wovon offenbar die Aufsichtskommission in ihrem Beschluss vom 20. August 2002 ausging. ![]() | 54 |
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8.2 Art. 36 BGFA regelt als Übergangsbestimmung die Anerkennung von Anwaltspatenten, die möglicherweise den Voraussetzungen nicht genügen, welche nunmehr nach dem Anwaltsgesetz gelten. Nach seinem Wortlaut, insbesondere durch die Bezugnahme auf Art. 196 Ziff. 5 BV und damit auf Art. 95 BV, geht es ausschliesslich um die Massgeblichkeit und Anerkennung von Fähigkeitsausweisen. Angesprochen sind damit die fachlichen Voraussetzungen für die Berufsausübung bzw. den Registereintrag im Sinne von Art. 7 BGFA, nicht hingegen die persönlichen Voraussetzungen gemäss Art. 8 BGFA. Dafür, dass der Gesetzgeber die Übergangsbestimmung in einer anderen, vom Wortlaut abweichenden Weise verstanden haben wollte, bedürfte es klarer Indizien, insbesondere in den Materialien, oder sonst triftiger Gründe.
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Nun wird in der bundesrätlichen Botschaft bezeichnenderweise einzig das Beispiel des Anwalts erwähnt, der ein Anwaltspatent erwerben konnte, ohne dass er ein mindestens einjähriges Praktikum absolvieren musste (BBl 1999 S. 6070 f. zum zu Art. 36 BGFA gewordenen Art. 33 des Entwurfs). Gedacht wurde auch an die Berner Fürsprecher, die ihr Patent nach der alten Regelung noch erwarben, ohne ihre Ausbildung - formell - mit einem Lizenziat abgeschlossen zu haben (VALLONI/STEINEGGER, a.a.O., S. 64 Fn. 126). Es handelt sich dabei um fachliche Voraussetzungen. In der Literatur gilt soweit ersichtlich als unbestritten, dass jedenfalls derjenige Anwalt, der die - persönlichen - Voraussetzungen gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. a-c BGFA nicht erfüllt, sich nicht auf Art. 36 BGFA berufen kann. Was das Erfordernis der Unabhängigkeit gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA betrifft, wird teils die Meinung ![]() ![]() | 57 |
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