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Bearbeitung, zuletzt am 21.12.2020, durch: A. Tschentscher | |||
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8C_594/2018 vom 5. April 2019 | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 2 und Abs. 3 BV; Art. 3 Abs. 1 GlG; direkte Diskriminierung. | |
Sachverhalt | |
A.a A. schloss 2015 mit der Gruppe Verteidigung einen Vertrag über ein befristetes Arbeitsverhältnis als Einheitskommandant mit Zusatzfunktionen in der Schule X. (Zeitmilitärstelle) ab. 2016 bewarb er sich erneut für die gleiche, wieder ausgeschriebene Zeitmilitärstelle. Mit Schreiben vom 9. Januar 2016 teilte ihm der Kommandant der Schule X. mit, eine Verlängerung der Anstellung sei nicht möglich, da die Schule X. nur bis Ende Januar 2016 über die Stelle verfüge.
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A.b Mit Schreiben vom 5. September 2016 und vom 12. Dezember 2016 beantragte A. den Erlass einer Verfügung bezüglich seiner Nichtanstellung als Zeitmilitär. Zur Begründung machte er geltend, ihm sei die Anstellung infolge seiner sexuellen Orientierung (Homosexualität) verweigert worden. Es sei daher abzuklären, ob eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliege. Mit Verfügung vom ![]() ![]() | 2 |
B. Die von A. dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 7. August 2018 ab.
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C. A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, der vorinstanzliche Entscheid vom 7. August 2018 sowie die Nichtanstellungsverfügung vom 23. Januar 2017 seien aufzuheben. Die Gruppe Verteidigung sei zu verpflichten, ihm eine Entschädigung in gerichtlich zu bestimmender Höhe sowie eine Genugtuung von mindestens Fr. 20'000.- zu bezahlen. Im Weiteren stellt er mehrere Eventualanträge auf Bezahlung einer Entschädigung wegen diskriminierender Nichtanstellung.
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Die Gruppe Verteidigung schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werde. Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) beantragt die Gutheissung der Beschwerde.
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D. Mit Eingabe vom 11. Januar 2019 äussert sich A. zu den eingegangenen Stellungnahmen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
1.1 Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 142 II 363 E. 1 Ingress S. 365 mit Hinweis).
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1.2 Angefochten ist ein Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts (Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG), dem eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts zugrunde liegt (Art. 82 lit. a BGG). Die Beschwerde ist unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet der öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisse, wenn sie eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit, nicht aber die Gleichstellung der Geschlechter betrifft (Art. 83 lit. g BGG).
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Vorliegend geht es um ein Entschädigungsbegehren aufgrund einer geltend gemachten Diskriminierung bei Ablehnung einer Anstellung. ![]() ![]() | 10 |
1.3 Gemäss dem am 1. Juli 2013 in Kraft getretenen Art. 34 Abs. 3 des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 2000 (BPG; SR 172.220.1) haben abgewiesene Stellenbewerberinnen und Stellenbewerber keinen Anspruch auf Erlass einer anfechtbaren Verfügung. Daraus folgt, dass in solchen Fällen keine Beschwerde an das Bundesgericht möglich ist, obwohl die Nichtanstellung grundsätzlich vermögensrechtlicher Natur wäre (E. 1.2). Rechtsmittel sind hingegen dann gegeben, wenn eine Diskriminierung im Sinne von Art. 3 GlG geltend gemacht wird. Dies ergibt sich ausdrücklich aus Art. 83 lit. g BGG und Art. 13 Abs. 2 GlG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 GlG; dort wird aber auch klargestellt, dass das Gericht eine Nichtanstellung nicht aufheben, sondern abgewiesenen Bewerberinnen und Bewerbern lediglich eine Entschädigung zusprechen kann (WIEDERKEHR/EGGENSCHWILER, Die allgemeine Beschwerdebefugnis Dritter, 2018, Rz. 253 f.; HÄBERLI, a.a.O., N. 173 zu Art. 83 BGG; BÜRGI/BÜRGI-SCHNEIDER, Handbuch öffentliches Personalrecht, 2017, Rz. 255 und 257; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, Rz. 2014; HANSJÖRG SEILER, in: Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2015, N. 74 zu Art. 83 BGG; RHINOW/KOLLER/KISS/THURNHERR/BRÜHL-MOSER, Öffentliches Prozessrecht, 3. Aufl. 2014, Rz. 1562; HÄNNI, a.a.O., Rz. 43 und 293; LORENZ KNEUBÜHLER, in: Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, Rz. 2.81; vgl. auch BGE 131 II 361 E. 3 S. 367). ![]() | 11 |
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Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, dass die vom Beschwerdeführer gerügte direkte Diskriminierung nicht unter den Anwendungsbereich des GlG falle. Ob und inwieweit das GlG Grundlage für die geltend gemachten Ansprüche bildet, ist bei der materiellrechtlichen Prüfung zu entscheiden. Allerdings hängt davon -- wie oben dargelegt -- auch die Eintretensfrage ab. Es handelt sich dabei um eine doppelrelevante Tatsache. Über eine solche ist nicht im Rahmen der Eintretensfrage, sondern des Sachentscheids zu befinden. Dabei genügt es für die Anerkennung der Eintretensfrage, wenn die vorgebrachten Tatsachen, welche sowohl für die Zulässigkeit der Beschwerde als auch für deren materiellrechtliche Begründetheit erheblich (doppelrelevant) sind, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorliegen (BGE 141 III 294 E. 5.2 S. 298; BGE 136 III 486 E. 4 S. 487 f.; BGE 135 V 373 E. 3.2 S. 377).
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Soweit der Beschwerdeführer seinen Anspruch nicht auf das GlG, sondern auf andere gesetzliche Grundlagen stützt, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, da wie gezeigt mit Ausnahme des Aspekts der Gleichstellung bei einer Nichtanstellung durch eine Bundesbehörde nach Art. 34 Abs. 3 BPG kein Anspruch auf Erlass einer Verfügung und damit auch keine Beschwerdemöglichkeit besteht (E. 1.3).
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Erwägung 2 | |
2.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
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2.2 Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen ![]() ![]() | 16 |
Erwägung 3 | |
3.1 Strittig ist, ob eine direkte Geschlechterdiskriminierung gemäss Art. 3 Abs. 1 GlG durch die Nichtanstellung des Beschwerdeführers vorliegt und er gegebenenfalls einen Anspruch auf Entschädigung hat (Art. 5 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 2 GlG). Insbesondere ist umstritten, ob eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung eine direkte Diskriminierung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GlG darstellen kann.
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3.2 Gemäss Art. 8 Abs. 2 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV; SR 101) darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. Nach Art. 8 Abs. 3 BV sind Mann und Frau gleichberechtigt; das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit; Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Das GlG bezweckt die Förderung der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann (Art. 1 GlG). Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dürfen aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft (Art. 3 Abs. 1 GlG). Das Verbot gilt insbesondere für die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung (Art. 3 Abs. 2 GlG). Besteht die Diskriminierung in der Ablehnung einer Anstellung, so hat die betroffene Person lediglich Anspruch auf eine Entschädigung (Art. 5 Abs. 2 GlG). Diese darf den Betrag nicht übersteigen, der drei Monatslöhnen entspricht (Art. 5 Abs. 4 GlG). Eine solche Entschädigung kann auch bei öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen verlangt werden (Art. 13 Abs. 2 GlG; Urteil 1C_37/2007 vom 10. Juli 2007 E. 4.1, nicht publ. in: BGE 133 II 257).
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Erwägung 4 | |
4.1 Die Vorinstanz erwog, Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, insbesondere wegen Homosexualität, fielen nur dann als Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts im Sinne von ![]() ![]() | 19 |
4.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, RAINER J. SCHWEIZER (in: St. Galler Kommentar, Die schweizerische Bundesverfassung, 3. Aufl. 2014, N. 70 zu Art. 8 BV) halte bei der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts explizit fest, dass Art. 8 Abs. 2 BV seine Hauptbedeutung bei Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung habe. Somit sei die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu beurteilen. Daraus könne geschlossen werden, dass im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 GlG eine Diskriminierung infolge der sexuellen Orientierung als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu beurteilen und somit vom GlG geschützt sei. Selbst in der Praxis werde davon ausgegangen, dass eine Diskriminierung infolge der sexuellen Orientierung unter Art. 3 Abs. 1 GlG zu subsumieren sei. Die Argumentation der ![]() ![]() | 20 |
4.3.1 Ausgangspunkt der Gesetzesauslegung ist der Wortlaut der Bestimmung (grammatikalisches Element). Ist er klar, d.h. eindeutig und unmissverständlich, darf vom Wortlaut nur abgewichen werden, wenn ein triftiger Grund für die Annahme besteht, der Wortlaut ziele am "wahren Sinn" der Regelung vorbei. Anlass für eine solche Annahme können die Entstehungsgeschichte der Bestimmung (historisch), ihr Zweck (teleologisch) oder der Zusammenhang mit andern Vorschriften (systematisch) geben, so namentlich, wenn die grammatikalische Auslegung zu einem Ergebnis führt, das der Gesetzgeber nicht gewollt haben kann (BGE 142 V 402 E. 4.1 S. 404 f. mit Hinweis).
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4.3.2 Art. 3 Abs. 1 und 2 GlG lauten in den Amtssprachen wie folgt:
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1 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden, namentlich nicht unter Berufung auf ihren Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft. 2 Das Verbot gilt insbesondere für die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung. | 23 |
1 Il est interdit de discriminer les travailleurs à raison du sexe, soit directement, soit indirectement, notamment en se fondant sur leur état civil ou leur situation familiale ou, s'agissant de femmes, leur grossesse. 2 L'interdiction de toute discrimination s'applique notamment à l'embauche, à l'attribution des tâches, à l'aménagement des conditions de travail, à la rémunération, à la formation et à la formation continue, à la promotion et à la résiliation des rapports de travail. | 24 |
1 Nei rapporti di lavoro, uomini e donne non devono essere pregiudicati né direttamente né indirettamente a causa del loro sesso, segnatamente con riferimento allo stato civile, alla situazione familiare o a una gravidanza. 2 Il divieto si applica in particolare all'assunzione, all'attribuzione dei compiti, all'assetto delle condizioni di lavoro, alla retribuzione, alla formazione e alla formazione continua, alla promozione e al licenziamento. ![]() | 25 |
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4.3.4 Der Bundesrat hat in seiner Botschaft zum GlG ausgeführt, Gegenstand des Gesetzes sei die Verwirklichung des in Art. 4 Abs. 2 aBV (heute: Art. 8 Abs. 3 BV) enthaltenen Auftrags, auf dem Wege der Gesetzgebung die Gleichstellung von Frau und Mann zu fördern. Ziel des Gesetzes sei es, auf die tatsächliche Gleichstellung von Frau und Mann hinzuwirken (Botschaft vom 24. Februar 1993 zum Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann [Gleichstellungsgesetz], BBl 1993 I 1292 f.). Eine Diskriminierung gelte als direkt, wenn sie sich ausdrücklich auf die Geschlechtszugehörigkeit oder auf ein Kriterium stütze, das nur von einem der beiden Geschlechter erfüllt werden könne, und wenn sie sich sachlich nicht rechtfertigen lasse. Eine Diskriminierung gelte dagegen als indirekt, wenn sich das verwendete Kriterium zwar auf beide Geschlechter anwenden liesse, die Angehörigen des einen Geschlechts gegenüber denjenigen des anderen jedoch erheblich benachteiligt würden, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt wäre (BBl 1993 I 1295). Die Aufzählung der Kriterien in Art. 3 habe nicht abschliessenden Charakter. Als weiteres Beispiel könne etwa die sexuelle Orientierung erwähnt werden, soweit diese geeignet sei, einen grösseren Anteil von Personen des einen Geschlechts zu benachteiligen. Grundsätzlich dürfe das Geschlecht nicht als Kriterium verwendet werden (BBl 1993 I 1297). In der parlamentarischen Debatte wurde wiederholt festgehalten, mit dem Gesetz werde die Förderung der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann im Erwerbsleben bezweckt (vgl. statt vieler AB 1994 N 229 Votum Stamm, 233 Votum Zölch, 237 Votum Scherrer, 248 Votum Bundesrat Koller und 251 Votum Allenspach sowie AB 1994 S 809 f. Votum Küchler, 810 Votum Rhinow, 811 Votum Zimmerli und 815 Votum Bundesrat Koller). Es wurde ausgeführt, Ziel müsse eine Arbeitswelt sein, in der beide Geschlechter faktisch gleichgestellt seien (AB 1994 N 235 Votum Bühlmann). Eine direkte Diskriminierung sei eine Benachteiligung aufgrund eines Merkmals, das nur von einem der beiden Geschlechter erfüllt werden ![]() ![]() | 27 |
4.3.5 Im Einklang mit der in der Botschaft aufgeführten Umschreibung liegt nach der Rechtsprechung eine direkte Diskriminierung gemäss Art. 3 Abs. 1 GlG vor, wenn sich eine Ungleichbehandlung ausdrücklich auf die Geschlechtszugehörigkeit oder auf ein Kriterium stützt, das nur von einem der beiden Geschlechter erfüllt werden kann, und wenn sie sich nicht sachlich rechtfertigen lässt. Von einer indirekten Diskriminierung ist hingegen auszugehen, wenn eine formal geschlechtsneutrale Regelung im Ergebnis wesentlich mehr bzw. überwiegend Angehörige des einen Geschlechts ohne sachliche Rechtfertigung gegenüber jenen des anderen erheblich benachteiligt (BGE 144 II 65 E. 4.1 S. 68; BGE 141 II 411 E. 6.1.2 S. 419; BGE 125 I 71 E. 2a S. 79; BGE 124 II 409 E. 7 S. 424 f.; Urteil 4A_395/2010 vom 25. Oktober 2010 E. 5.1).
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4.3.6 Diskriminierungen infolge der sexuellen Orientierung (Hetero-, Homo- oder Bisexualität) fallen nach herrschender Lehre und Praxis unter das Kriterium "Lebensform" gemäss Art. 8 Abs. 2 BV; das Diskriminierungsverbot aufgrund der Geschlechtsidentität (Intergeschlechtlichkeit und Transidentität) wird unter das Kriterium "Geschlecht" subsumiert (Parlamentarische Initiative, Kampf gegen die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 3. Mai 2018, BBl 2018 3781 f.; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 729; KIENER/KÄLIN/WYTTENBACH, Grundrechte, 3. Aufl. 2018, § 36 Rz. 24; ANDREAS R. ZIEGLER, Der verfassungsrechtliche Schutz von Lesben und Schwulen, in: Rechte der Lesben und Schwulen in der Schweiz, 2007, S. 34). BERNHARD WALDMANN (in: Basler Kommentar, Bundesverfassung, 2015, N. 85 zu Art. 8 BV; vgl. auch ders., Das Diskriminierungsverbot von Art. 8 Abs. 2 BV als besonderer Gleichheitssatz, 2003, S. 609 f.) vertritt die Auffassung, die sexuelle Orientierung gehöre zu den sensiblen Merkmalen im Sinne von Art. 8 Abs. 2 BV. Diese falle nicht unter die Tatbestandsgruppe der Geschlechterdiskriminierung, weil es sich dabei nicht um die eigene, äusserlich sichtbare "Geschlechtlichkeit" eines Menschen handle, sondern um eine innere - und damit äusserlich natürlicherweise nicht direkt wahrnehmbare - sexuelle Präferenz zu Gunsten des einen oder des anderen Geschlechts oder gar beider ![]() ![]() | 29 |
In diesem Zusammenhang ist auch auf die Botschaft vom 29. November 2002 zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare zu verweisen (BBl 2003 1288 ff.). Darin wird festgehalten, wie sich aus der Entstehungsgeschichte ergebe, umfasse der Begriff der Lebensform in Art. 8 Abs. 2 BV nicht nur die gleichgeschlechtliche Orientierung bzw. das Zusammenleben in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft, sondern auch andere Lebensformen (a.a.O., 1304 Ziff. 1.5.1). Damit hat das Diskriminierungsverbot bezüglich homosexueller Personen eine andere verfassungsrechtliche Grundlage als das Gebot der Gleichstellung von Mann und Frau nach Art. 8 Abs. 3 BV. So führt der Bundesrat denn auch weiter aus, aus dem allgemeinen Diskriminierungsverbot allein ![]() ![]() | 30 |
4.4.1 Ein Teil der Lehre vertritt die Auffassung, es stelle eine Form direkter Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gemäss Art. 3 Abs. 1 GlG dar, wenn Personen aufgrund ihrer Homosexualität ungleich behandelt würden. Zwar wird im Schrifttum von diesen Autoren anerkannt, dass das Gleichstellungsgesetz die Förderung von Frau und Mann im Erwerbsleben bezwecke (Art. 1 GlG) und der Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 GlG das entsprechende Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts statuiere sowie arbeitsplatzbezogene Benachteiligungen aufgrund von Transidentität und/oder Homo- resp. Bisexualität der Arbeitnehmenden durch das Gleichstellungsgesetz nicht explizit untersagt seien. Dennoch könnten sich auch Lesben, Schwule und Bisexuelle sowie Trans- und Intersexmenschen (LGBTI) in Fällen von Diskriminierungen im Erwerbsleben auf das Gleichstellungsgesetz und die darin vorgesehenen Verfahrenserleichterungen berufen. Es wird argumentiert, die Anwendbarkeit des GlG auf Diskriminierungsfälle infolge Trans- oder Inter-Seins der Betroffenen werde in der Lehre einhellig befürwortet, da diese Kategorien unmittelbar an den klassischen Geschlechterbegriff anknüpften. Etwas kritischer, aber dennoch mehrheitlich bejahend äussere sich die Lehre zur Anwendbarkeit des GlG bei Ungleichbehandlungen aufgrund von Homo- bzw. Bisexualität der Betroffenen. Die Aufzählung der drei zusätzlichen Kriterien in Art. 3 Abs. 1 GlG (Zivilstand, familiäre Situation und Schwangerschaft) habe keinen abschliessenden Charakter und könne u.U. auch das Kriterium der sexuellen Orientierung umfassen, insbesondere wenn sich Homosexuelle entgegen den gesellschaftlichen Erwartungen an ihr Geschlecht verhielten. LGBTI-Menschen widersprächen den traditionellen sozialen Normen, die ganz bestimmte Erwartungen an typisch männliches/weibliches Erscheinungsbild und/oder Verhalten hätten. Das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts ziele gerade darauf, solchen Erwartungen und Stereotypisierungen einen Riegel zu schieben. ![]() ![]() | 31 |
4.4.2 JAKOB UEBERSCHLAG, der die gegenteilige Meinung vertritt, argumentiert, das Vorliegen einer direkten Diskriminierung setze grundsätzlich voraus, dass sich eine Massnahme, Regelung oder Abrede ausdrücklich auf die Geschlechtszugehörigkeit beziehe, womit die geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung schon formal ersichtlich sein müsse. Das generelle Subsumieren der sexuellen Orientierung unter den Tatbestand der (direkten) Geschlechtsdiskriminierung, ohne dass die Angehörigen eines bestimmten Geschlechts ausschliesslich oder zumindest überwiegend nachteilig betroffen wären, gehe nicht mit der ratio legis des Gleichstellungsgesetzes konform, zumal sowohl Männer als auch Frauen homosexuell sein könnten und es entsprechend an der erforderlichen Geschlechtsspezifität fehle. Eine andere Beurteilung müsse Platz greifen, wenn die Arbeitgeberschaft zwar homosexuelle Frauen anzustellen gewillt sei, nicht hingegen homosexuelle Männer oder umgekehrt. In solchen Konstellationen werde nämlich direkt am Geschlecht der sich ![]() ![]() | 32 |
4.4.3 Die in der Lehre erwähnten Fälle aus der Praxis, in welchen es um die Frage einer Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ging, betreffen ausschliesslich Verfahren vor Schlichtungsstellen. Dabei wurde in drei Fällen mangels Zustandekommens einer Einigung die Klagebewilligung erteilt (www.gleichstellungsgesetz.ch; ![]() ![]() | 33 |
4.5.1 Mit der Vorinstanz ist der Lehrmeinung zu folgen, dass eine direkte Diskriminierung gemäss Art. 3 Abs. 1 GlG aufgrund der sexuellen Orientierung ausser Betracht fällt. Wie dargelegt (vgl. E. 4.3.6 i.f.), bestehen erhebliche Hinweise dafür, dass dies auch dem Willen des Gesetzgebers entsprach, wie er sich insbesondere bei der Entstehung des Bundesgesetzes vom 18. Juni 2004 über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (Partnerschaftsgesetz, PartG; SR 211.231) manifestierte. Im Weiteren führt UEBERSCHLAG zutreffend aus, dass sowohl Männer als auch Frauen homosexuell sein können. Für eine direkte Diskriminierung fehlt es in solchen Fällen an der erforderlichen Geschlechtsspezifität. Diese Betrachtungsweise steht auch mit dem Zweck des GlG (tatsächliche Gleichstellung von Frau und Mann) sowie dem Wortlaut der Bestimmung (Diskriminierung aufgrund des Geschlechts) im Einklang. Denn eine Diskriminierung gilt nur dann als direkte, wenn sie sich auf die Geschlechtszugehörigkeit oder auf ein Kriterium stützt, das nur von einem der beiden Geschlechter erfüllt werden kann, und wenn sie sich sachlich nicht rechtfertigen lässt. Erfolgt eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung einer Bewerberin oder eines Bewerbers, stützt sich diese gerade nicht auf die Geschlechtszugehörigkeit oder ein Kriterium, das nur von einem der beiden Geschlechter erfüllt werden kann. Aus diesem Grund hat der Verfassungsgeber denn auch, wie in E. 4.3.6 dargelegt, die sexuelle Orientierung als Kriterium der Lebensform in den Katalog des allgemeinen Diskriminierungsverbots nach Art. 8 Abs. 2 BV aufgenommen und nicht der Gleichberechtigung von Mann und Frau nach Art. 8 Abs. 3 BV zugeordnet.
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4.5.2 Hingegen überzeugt die gegenteilige Auffassung nicht. Die zur Hauptsache angeführte Argumentation, wonach sich Homosexuelle entgegen den gesellschaftlichen Erwartungen an ihr Geschlecht verhielten, weshalb eine entsprechende Diskriminierung als solche des ![]() ![]() | 35 |
Im Übrigen wird in der Beschwerde nicht dargelegt (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG), dass sich im vorliegenden Fall aus Gründen der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK; SR 0.101), des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UNO-Pakt I; SR 0.103.1), des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II; SR 0.103.2) oder des Übereinkommens vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW; SR 0.108) ein Anspruch auf Erlass einer anfechtbaren Verfügung ergeben würde. Ob schliesslich eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung gemäss Art. 8 Abs. 2 BV oder einer anderen Bestimmung (namentlich der EMRK, der UNO-Pakte oder eines anderen internationalen Übereinkommens) vorliegt, bildet ebenfalls nicht Gegenstand dieses Verfahrens (E. 1.3 und 1.4).
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