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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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5. Auszug aus dem Urteil |
vom 6. März 1995 |
i.S. R. gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern | |
Regeste | |
Regeste |
- Nachzahlung von Ergänzungsleistungen an die Fürsorgebehörde. |
- Sinn und Zweck des in den drei Amtssprachen nicht übereinstimmend formulierten Art. 22 Abs. 4 ELV. |
- Auslegung des Begriffs "Zeitspanne" gemäss dem deutschen bzw. italienischen Gesetzestext. | |
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A. | |
Die 1949 geborene, geschiedene R. bezieht gemäss einer Verfügung der Ausgleichskasse des Kantons Bern vom 23. Juli 1992 seit 1. September 1990 eine ganze einfache Invalidenrente. Diese wurde aufgrund eines entsprechenden Gesuchs der Versicherten vom 15. April 1992 zwecks Rückerstattung vorgeschossener Fürsorgeleistungen an die Fürsorgedirektion der Stadt X ausbezahlt. Im Januar 1993 ersuchte die Fürsorgebehörde, welche die Versicherte seit Jahren finanziell unterstützt, um Ausrichtung von Ergänzungsleistungen. Mit Verfügungen vom 4. Juni 1993 sprach die ![]() ![]() | 1 |
B. | |
R. erhob gegen diese Verfügungen Beschwerde mit dem Antrag, die Auszahlung der Ergänzungsleistungen habe an sie selbst zu erfolgen. Mit Entscheid vom 25. Februar 1994 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Beschwerde in dem Sinne teilweise gut, dass es die Ausgleichskasse anwies, der Versicherten einen Betrag von Fr. 532.-- (Nachzahlung von Ergänzungsleistungen für 1990) direkt auszurichten.
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C. | |
R. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen Begehren, sämtliche Auszahlungen von Ergänzungsleistungen seien direkt auf ihr Konto zu überweisen.
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Die Ausgleichskasse erklärt sich mit dem angefochtenen Entscheid grundsätzlich einverstanden. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) kommt zum Schluss, dass das kantonale Gericht die Beschwerde hätte abweisen müssen, enthält sich jedoch eines Antrages.
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Auf die Begründungen wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 1 | |
1.- ...
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Streitig und zu prüfen ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Nachzahlung der Ergänzungsleistungen an die Fürsorgebehörde zu Recht erfolgt ist.
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Erwägung 2 | |
2.- Der Streit um die Drittauszahlung einer Invalidenrente nach Art. 50 IVG und Art. 84 IVV in Verbindung mit Art. 45 AHVG und Art. 76 AHVV betrifft nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen (BGE 118 V 90 Erw. 1a). Dasselbe gilt sinngemäss bei der Ausrichtung von Ergänzungsleistungen an Dritte. Bei Streitigkeiten über den Auszahlungsmodus hat das Eidg. Versicherungsgericht deshalb nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Richter Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). Da keine Abgabestreitigkeit vorliegt, darf es weder zugunsten noch ![]() ![]() | 9 |
Erwägung 3 | |
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"Hat eine private oder eine öffentliche Fürsorgestelle einer Person im Hinblick auf Ergänzungsleistungen Vorschussleistungen für den Lebensunterhalt während einer Zeitspanne gewährt, für die rückwirkend Ergänzungsleistungen ausgerichtet werden, so kann ihr bei der Nachzahlung dieser Vorschuss direkt vergütet werden."
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"Lorsqu'une autorité d'assistance, publique ou privée, a consenti des avances à un assuré en attendant qu'il soit statué sur ses droits aux prestations complémentaires, l'autorité en question peut être directement remboursée au moment du versement des prestations complémentaires acccordées rétroactivement."
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"Se, in attesa dell'assegnazione di prestazioni complementari, un ente assistenziale pubblico o privato ha concesso a una persona anticipi destinati al suo sostentamento durante un periodo per il quale sono versate retroattivamente prestazioni complementari, l'anticipo può essere rimborsato direttamente all'ente in questione al momento del pagamento posticipato."
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Es stelle sich noch die Frage, was unter der "gleichen Zeitspanne" zu verstehen sei. Möglich erscheine entweder ein Monat, entsprechend der monatlichen Auszahlung der Ergänzungsleistungen, oder ein Jahr, entsprechend der jahresweisen Festsetzung derselben. Beide Abrechnungsarten liessen sich begründen; aus Praktikabilitätsüberlegungen sei der jahresweisen Abrechnung der Vorzug zu geben. Hier spielten Zufälligkeiten eine kleinere Rolle als bei der monatlichen Abrechnung, bei welcher kaum mehr auf die Buchhaltung der bevorschussenden Stelle zurückgegriffen werden könnte. Normalerweise würden Ein- und Ausgänge chronologisch gebucht. Treffe beispielsweise die Rückerstattung einer Krankenkasse ein, handle es sich vielleicht um eine Arztrechnung, die einige Monate früher habe bezahlt werden müssen, oder um eine über mehrere Monate gehende Behandlung. Bei der monatlichen Abrechnung müssten solche Tatsachen berücksichtigt werden. Zwar gelte dies auch für die Jahresabrechnung; doch würden ein bestimmtes Jahr betreffende Vorgänge normalerweise im selben Jahr verbucht, während es bei den monatlichen Buchungen viel häufiger zu Überschneidungen komme. Hiezu verweist die Vorinstanz auf einen Entscheid ihrer französischsprachigen Abteilung vom 21. April 1992 in Sachen T.
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Demnach ging das kantonale Gericht von folgenden Zeitspannen aus: 1. September 1990 (Beginn des Anspruchs auf eine Invalidenrente und auf ![]() ![]() | 17 |
leistungen leistungen 1.9.90-31.12.90 Fr. 1'149.35 Fr. 3'776.-- Fr. 532.-- + Fr. 3'158.65 1.1.91-31.12.91 Fr. 23'233.40 Fr. 12'036.-- Fr. 10'648.-- - Fr. 549.40 1.1.92-31.12.92 Fr. 38'520.75 Fr. 7'436.--
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Fr. 5'310.--*
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--------------
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Fr. 12'746.-- Fr. 12'419.-- - Fr. 13'355.75 1.1.93-30.6.93 Fr. 12'541.20 Fr. 6'960.--* Fr. 3'525.-- - Fr. 2'056.20 * = nicht mehr Rentennachzahlungen, sondern laufende Rentenbetreffnisse, die gemäss den Akten der Fürsorgebehörde und nicht der Versicherten direkt ausbezahlt werden.
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Gemäss dieser Zusammenstellung hätten lediglich die Nachzahlungen der Ergänzungsleistungen für das Jahr 1990 der Beschwerdeführerin direkt ausbezahlt werden müssen, weil die Fürsorgebehörde durch die Nachzahlung der Invalidenrenten bereits mehr zurückerhalten als sie seit dem Beginn des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen bis Ende Jahr vorgeschossen habe. 1991, 1992 und in den hier zur Diskussion stehenden ersten sechs Monaten von 1993 hingegen hätten die Vorschussleistungen der Fürsorge jedes Jahr das Total der Nachzahlungen an Invalidenrenten und Ergänzungsleistungen überstiegen; dabei würden in bezug auf die Invalidenrente ab August 1992 nicht mehr Nachzahlungen, sondern die laufenden Rentenbetreffnisse, gestützt auf ein entsprechendes Drittauszahlungsgesuch an die Fürsorgebehörde, in die Berechnung einbezogen. Die Beschwerdeführerin könne hier keinen Anspruch auf Direktauszahlung geltend machen. Auch die laufenden Ergänzungsleistungen würden an die Fürsorgebehörde und nicht an die Versicherte überwiesen. Dies entspreche nicht dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 4 ELV, welcher ausdrücklich nur Nachzahlungen erwähne. Ob solche Drittauszahlungen zulässig seien, könne jedoch nicht geprüft werden, da die angefochtenen Verfügungen lediglich die Zeitspanne zwischen dem 1. September 1990 und dem 30. Juni 1993 abdeckten. ![]() | 22 |
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Dieser Betrachtungsweise des kantonalen Gerichtes könne nicht gefolgt werden. In Art. 22 Abs. 4 ELV werde von der Zeitspanne gesprochen, für die rückwirkend Ergänzungsleistungen ausgerichtet würden. Eine Aufteilung auf einzelne Kalenderjahre sei wie bei den Renten nicht vorgesehen. Rz. 1299 der Rentenwegleitung bestimme, dass die erbrachten Vorschussleistungen bis zum Betrag der für die gleiche Periode nachzuzahlenden Renten direkt zurückerstattet werden könnten. Dabei werde auch die ganze Dauer in Betracht gezogen, und nicht nach einzelnen Kalenderjahren aufgeteilt. Das Erfordernis der gleichen Zeitspanne sei nötig, damit nicht etwa Fürsorgeleistungen für einen Zeitraum, für den gar keine Ergänzungsleistungen ausgerichtet würden, mit der Nachzahlung verrechnet werden könnten.
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Aus diesen Erwägungen ergebe sich, dass das kantonale Gericht die Beschwerde der Versicherten hätte abweisen müssen. Da dies zu einer reformatio in peius führe, enthält sich das BSV eines Antrages zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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d) Im nicht publizierten Urteil H. vom 17. Dezember 1991 hat das Eidg. Versicherungsgericht in einem Drittauszahlungsstreit, bei dem es in erster ![]() ![]() ![]() ![]() | 26 |
Erwägung 4 | |
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c) aa) Wie die Vorinstanz zutreffend festhält, ist Sinn und Zweck von Art. 22 Abs. 4 ELV, dass das Gemeinwesen nicht für den gleichen Zeitpunkt ![]() ![]() | 29 |
bb) Soll der Normzweck verwirklicht werden, muss konsequenterweise die gesamte Zeitspanne als einheitliches Ganzes erfasst werden. Andernfalls kann es mit dem "Berner System" je nach Konstellation und Zufälligkeiten zu doppelten Unterstützungsleistungen durch das Gemeinwesen kommen. Ein Vergleich mit der Variante ohne Unterteilung zeigt nämlich: Übersteigen in einem Jahr die Fürsorgeleistungen die Ergänzungsleistungen, geht der gesamte Betrag der letzteren an die Fürsorgestelle. Diese hat den ungedeckten Rest zu tragen. Sind dagegen in einem Jahr die Ergänzungsleistungen grösser als die Fürsorgeleistungen für dasselbe Jahr, ist nach dem "Berner System" der jeweilige Saldo an den Versicherten auszuzahlen. Eine Verrechnung mit ungedeckt gebliebenen Leistungen der Fürsorgebehörde aus negativ verlaufenen frühern Jahren findet nicht statt. Geht man hingegen von einer einzigen Gesamtperiode aus, erhält die Fürsorgestelle so lange alle Nachzahlungen, als ihr ein Negativsaldo verbleibt, womit auch ungedeckte Verluste aus vorherigen Jahren berücksichtigt werden. Bei der Unterteilung nach Einzeljahren fährt der Versicherte somit besser, sobald es ein Jahr gibt, in welchem die Ergänzungsleistungen grösser sind als die Fürsorgeleistungen. Wenn in einem oder mehreren Jahren ein positiver Saldo - mehr Ergänzungsleistungen als Fürsorgeleistungen - resultiert, bleibt der überschiessende Teil beim ![]() ![]() | 30 |
Eine Etappierung des Zeitraumes hat deshalb nur, aber jedesmal dann Platz zu greifen, wenn die Ausrichtung von Fürsorgeleistungen unterbrochen wird, weil eine Nachzahlung nur zeitidentisch und bis zur Höhe von deren Leistungen der Fürsorgestelle überwiesen werden darf.
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e) Schliesslich sind für die Beurteilung, ob und inwieweit eine Drittauszahlung von nachgezahlten Ergänzungsleistungen an Fürsorgestellen zulässig ist, die AHV- und Invalidenrenten mitzuberücksichtigen, obwohl Art. 22 Abs. 4 ELV nur von Ergänzungsleistungen spricht. Die entsprechende Abstimmung der Praxis wurde im erwähnten Urteil H. vorgezeichnet (Erw. 3d ![]() ![]() | 33 |
Erwägung 5 | |
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Erwägung 6 | |
6.- Der soeben erwähnte Verfahrensausgang würde für die Beschwerdeführerin eine reformatio in peius bedeuten. Da das Eidg. Versicherungsgericht vorliegend (Erw. 2 hievor) wegen Art. 114 Abs. 1 OG nicht zuungunsten der Parteien über deren Begehren hinausgehen darf, und die Ausgleichskasse ihrerseits keine eigene Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben hat, muss es beim kantonalen Entscheid sein Bewenden haben (vgl. hiezu GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 252 f.). Unter diesen Umständen erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob allenfalls in Anlehnung an die Rechtsprechung gemäss BGE 119 V 249 Erw. 5 von einer reformatio in peius hätte abgesehen werden können. ![]() | 35 |
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