![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
4. Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Februar 1975 i.S. Charles E. Frosst & Co. gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum | |
Regeste |
Art. 2 Ziff. 2 und Art. 52 PatG. | |
Sachverhalt | |
1 | |
"Verwendung der optisch aktiven Plusform ... als therapeutisch wirksames Mittel mit ss-adrenergisch hemmenden Eigenschaften."
| 2 |
In einem Begleitschreiben erläuterte die Gesuchstellerin den Anspruch und äusserte sich einlässlich zur Praxis des Amtes, die nach ihrer Meinung kaum mehr haltbar sei. Das Amt ging auf diese Kritik nicht ein. Es begnügte sich in seiner Beanstandung vom 31. Mai 1974 mit dem Hinweis, dass die Verwendung eines Arzneimittels gemäss Art. 1 PatG von der Patentierung ausgeschlossen sei; es rechne deshalb mit dem Rückzug des Gesuches. Die Gesuchstellerin hielt daran in ihrer Antwort vom 15. Juli 1974 jedoch fest. Das Amt wies das Gesuch daraufhin durch Verfügung vom 23. August 1974 zurück, wobei es die beanspruchte Erfindung auch nach Art. 2 Ziff. 2 PatG für unzulässig hielt.
| 3 |
B.- Die Gesuchstellerin führt gegen diese Verfügung Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, sie aufzuheben und das Amt anzuweisen, ihr Patentgesuch weiter zu behandeln.
| 4 |
Das Amt beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
| 5 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
6 | |
Das Amt hält einen solchen Patentanspruch nach der angefochtenen Verfügung für unzulässig, weil das schweizerische Recht nicht nur die Patentierung von Arzneimitteln (Art. 2 Ziff. 2 PatG), sondern auch die Patentierung von Heilverfahren verbiete und der Anspruch der Gesuchstellerin gegen beide Verbote verstosse. Das Verbot, Heilverfahren zu patentieren, ![]() | 7 |
8 | |
a) Die Beschwerdeführerin wirft dem Amt vor, es ersetze ihren Verwendungsanspruch willkürlich durch einen Verfahrensanspruch. Das sei schon deshalb unzulässig, weil der Gesetzgeber die Heilverfahren in Art. 52 PatG nicht erwähnt habe. Zu beachten sei ferner, dass er die "Verwendung eines Erzeugnisses" als vierte Darstellungsart der Erfindung einführte und sich dabei, wie aus der Botschaft zur Novelle von 1954 hervorgehe, gerade vom Bestreben leiten liess, den Inhalt der Patentansprüche den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen (BBl 1950 I 1040). Auch deshalb dürfe das Amt ihren Verwendungsanspruch nicht in einen Anspruch für ein Heilverfahren umdeuten, nur um an seiner bisherigen Praxis festzuhalten. Die von ihm angerufene Rechtsprechung ändere daran nichts. Sie ermächtige das Amt namentlich nicht, einen. Patentanspruch so auszulegen, dass er das Wesen der Erfindung nicht mehr wiedergebe. Dieses liege hier in der Erkenntnis neuer Verwendung eines Stoffes. Der Patentanspruch decke sich mit den tatsächlichen Gegebenheiten, zumal die forschende Industrie sich zunehmend darauf konzentriere, die immense Zahl bekannter chemischer Stoffe auf deren therapeutische Wirksamkeit hin zu prüfen, auf die man sich auch in der Schweiz während Jahrzehnten berufen habe, um die Patentfähigkeit von Analogieverfahren zu rechtfertigen.
| 9 |
b) Bei dieser formalistischen Betrachtungsweise übersieht ![]() | 10 |
Der Ausdruck Heilverfahren wird im Gesetz nicht verwendet, ist in Lehre und Rechtsprechung jedoch gebräuchlich. Nach dem Schrifttum sind darunter alle Verfahren und Massnahmen zu verstehen, welche die Behandlung pathologischer Zustände des menschlichen Körpers zum Zwecke haben, insbesondere zur Heilung, Kräftigung oder Vorbeugung gegen gesundheitliche Störungen dienen (BLUM/PEDRAZZINI, Patentrecht I S. 85, LINDENMAIER, Patentgesetz, 6. Aufl. Anm. 11 S. 15 und 82 S. 99 zu § 1). Solche Verfahren sind nach schweizerischer und österreichischer Rechtsauffassung vor allem aus sozialethischen Gründen nicht als Erfindungen schützbar; sie sollen möglichst frei, ohne dass Monopole entgegenstehen, verwendbar sein (BGE 72 I 369/70; BLUM/PEDRAZZINI, a.a.O. I S. 85 Anm. 11; TROLLER, Immaterialgüterrecht, 2. Aufl. I S. ![]() | 11 |
Daraus erhellt, dass unter dem Ausdruck Heilverfahren nicht eine Anspruchsform gemäss Art. 52 PatG, sondern der auf Heilbehandlung gerichtete Zweck der Erfindung zu verstehen ist. Um dieses Zweckes willen wurde die Möglichkeit, Heilverfahren von der Patentierung auszuschliessen, bereits in BGE 72 I 369 anerkannt. Es besteht kein Grund, den Verwendungsanspruch der Beschwerdeführerin anders zu behandeln, zumal die von ihr befürwortete Unterscheidung zwischen Verfahren und Verwendung der inneren Rechtfertigung entbehrt und selbst dann, wenn man sie formell machen würde, zum gleichen Ergebnis führen müsste. Im einen wie im andern Fall bezweckt die Erfindung ihrem sachlichen Inhalte nach eine Heilbehandlung. Was gegen die Patentierung eines Heilverfahrens spricht, muss daher auch für einen Verwendungsanspruch gelten, mag der Anspruch klar machen, wie ein bestimmter chemischer Stoff therapeutisch verwendbar ist, oder bloss besagen, dass er solchen Zwecken dient.
| 12 |
c) Dazu kommt, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin dem Sinn und Zweck des Art. 2 Ziff. 2 PatG zuwiderläuft. Wollte man die beanspruchte Erfindung schützen, so müsste man den Schutz nicht nur in Fällen, wo das Erzeugnis vorbekannt ist, sondern auch in Fällen, wo es zwar neu, aber als Arzneimittel nicht schützbar ist, zulassen. Die Folge davon wäre, dass jede Anwendung eines Stoffes als Arzneimittel ![]() | 13 |
Der gleiche Gedanke liegt dem Verbot zugrunde, Erfindungen von Verfahren zur Herstellung von Arzneimitteln auf anderem als chemischem Wege zu patentieren. Chemische Herstellungsverfahren sind patentierbar, was zu einem faktischen Schutz des Arzneimittels und damit zu einem Monopol führt. Daraus darf jedoch nicht gefolgert werden, dass Anwendungspatente erteilt werden können. Der Schutz für chemische Verfahren wurde als Ausnahme eingeführt und 1954 bei der Revision des Gesetzes als solche beibehalten, um der chemischen Industrie entgegenzukommen und die Erfindung neuer Verfahrensarten zu fördern (vgl. BBl 1950 I 1004). Die Ausnahmebestimmung ist auf die chemischen Verfahren zur Herstellung von Arzneimitteln zu beschränken. Die Anwendung chemisch hergestellter Arzneimittel kann sowenig geschützt werden wie das chemisch oder sonstwie hergestellte Arzneimittel als Erzeugnis.
| 14 |
d) Dass chemische Analogieverfahren wegen der therapeutischen Wirkung des gewonnenen Erzeugnisses (BLUM/PEDRAZZINI, a.a.O. I 260; TROLLER, a.a.O. I S. 202 ff.; LIATOWITSCH, Stoffschutz oder Verfahrensschutz für Pharmazeutika? Diss. Basel 1973 S. 65 ff.) patentfähig sind, hilft der Beschwerdeführerin nicht. Die Erfindung ist in der Herstellung zu erblicken, die als solche keinen sozialethischen Bedenken unterliegt und von Gesetzes wegen unter Patentschutz gestellt werden darf, soweit sie auf chemischem Wege geschieht. Die chemische Herstellung des therapeutischen Mittels, das die Beschwerdeführerin nach dem Patentanspruch verwenden will, ist denn auch Gegenstand anderer Patentgesuche.
| 15 |
![]() | 16 |
Unbeachtlich ist schliesslich, dass die europäischen Bestrebungen, das Patentrecht zu vereinheitlichen, auf einen umfassenden Stoffschutz abzielen. Dies gilt insbesondere von dem in der Beschwerde erwähnten Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente vom 5. Oktober 1973, das von der Schweiz unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert worden ist. Es berechtigt weder das Amt noch den Richter, sich über das gesetzliche Verbot, Erfindungen von Arzneimitteln zu patentieren, hinwegzusetzen.
| 17 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 18 |
19 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |