BGE 128 III 441 | |||
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79. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Appenzeller Natural AG gegen Sortenorganisation Appenzeller Käse GmbH (Berufung) |
4C.175/2002 vom 21. August 2002 | |
Regeste |
Durchgesetzte Marke; Verwechslungsgefahr (Art. 2 lit. a und 3 Abs. 1 MSchG). |
Verwechslungsgefahr zwischen zwei Wort-/Bildmarken mit dem gemeinsamen Wortbestandteil "Appenzeller" (E. 3). | |
Sachverhalt | |
Die Sortenorganisation Appenzeller Käse GmbH (Klägerin) ist eine Selbsthilfeorganisation zur Förderung der Qualität und des Absatzes sowie der Anpassung der Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen an die Erfordernisse des Marktes nach Art. 8 des Bundesgesetzes vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG; SR 910.1). Ihre rund 100 Gesellschafter sind einerseits Käsereigenossenschaften und Käse produzierende Einzelfirmen aus den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Appenzell, anderseits Organisationen wie die in Appenzell domizilierte Stiftung Fonds für Appenzeller Käse sowie die Genossenschaft Appenzeller Käsehändler-Verband; sie gilt als Branchenorganisation im Sinne von Art. 8 Abs. 2 LwG. Sie wurde am 27. Mai 1998 im Handelsregister des Kantons Appenzell Innerrhoden eingetragen, hat ihren Sitz in Appenzell und weist ein Stammkapital von Fr. 600'000.- aus; ihr Zweck besteht in der Erhaltung und Förderung von Appenzeller Käse als typische Ostschweizer Käse-Spezialität, namentlich durch eine zielgerichtete Markenpolitik, durch gemeinsames Qualitätsmanagement und gemeinsame Produktionsplanung.
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Die Appenzeller Natural AG (Beklagte) wurde am 9. Februar 1996 im Handelsregister des Kantons Appenzell Ausserrhoden eingetragen. Sie hat zum Zweck den Erwerb einer Garantiemarke zur Kennzeichnung von Agrarprodukten aus dem Herkunftsgebiet "Appenzellerland" sowie die Erteilung von Bewilligungen zum Benutzen dieser Marke an Produzenten.
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Die Klägerin ist Inhaberin der Wort-/Bildmarke CH-Nr. 433 383 "Appenzeller® Switzerland", welche ihr Rechtsvorgänger, der Kanton Appenzell I.Rh., am 7. Dezember 1993 im schweizerischen Markenregister hatte eintragen lassen. Die Beklagte hinterlegte am 26. Februar 1996 als Garantiemarke die Wort-/Bildmarke CH Nr. 430 024 "Appenzeller Natural" mit Bauernhaus und Baum in den beanspruchten Farben gelb, blau, grün und schwarz für die Waren der internationalen Klassen 29 (darunter Milch und Milchprodukte), 30 und 31 mit schweizerischer Herkunft.
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Ein von der Klägerin gegen diese Hinterlegung erhobener Widerspruch wurde mit Entscheid des Instituts für Geistiges Eigentum (IGE) am 3. Dezember 1998 abgewiesen. Das IGE verneinte die Verwechslungsgefahr der beiden Marken im Wesentlichen mit der Begründung, dass sie nur im kennzeichnungsschwachen Element "Appenzeller" übereinstimmten.
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Am 17. Oktober 2000 stellte die Klägerin beim Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden die Begehren, die CH-Marke Nr. 430 024 der Beklagten sei für den Bereich Milchprodukte nichtig zu erklären, der Beklagten sei der Gebrauch der Bezeichnung "Appenzeller Natural" für Käse zu verbieten und das Urteil sei in zwei gerichtlich zu bestimmenden Publikationsorganen zu veröffentlichen.
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Mit Urteil vom 29. Januar 2002 schützte das Obergericht von Appenzell Ausserrhoden die Klage. Die CH-Marke Nr. 430 024 der Beklagten (Appenzeller Natural AG) wurde für den Bereich Milchprodukte als nichtig erklärt (Ziff. 1); den verantwortlichen Organen der Beklagten wurde unter Androhung der Straffolgen gemäss Art. 292 StGB verboten: (a) Die Bezeichnung "Appenzeller Natural" auf Käse oder deren Verpackung anzubringen; (b) Unter dem Zeichen "Appenzeller Natural" Käse anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu diesem Zwecke zu lagern; (c) Unter der Bezeichnung "Appenzeller Natural" Käse zu exportieren; (d) Das Zeichen "Appenzeller Natural" im Zusammenhang mit Käse auf Geschäftspapieren, in der Werbung oder sonstwie im geschäftlichen Verkehr zu gebrauchen (Ziff. 2) und die Klägerin wurde ermächtigt, das Urteil nach Eintritt der Rechtskraft je einmal, halbseitig im (St. Galler) Tagblatt, Gesamtausgabe, und im Appenzeller Volksfreund auf Kosten der Beklagten zu publizieren (Ziff. 3).
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Das Bundesgericht weist die gegen das Urteil des Obergerichts erhobene Berufung der Beklagten ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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1.1 Die Vorinstanz ist im angefochtenen Urteil zutreffend von der notorischen Tatsache ausgegangen, dass "Appenzell" als Kantons- bzw. Gemeindename die geographische Herkunft der Ware beschreibt und insofern grundsätzlich zum freihaltebedürftigen Gemeingut gehört (BGE 117 II 327 E. 2b S. 330; DAVID, Markenschutzgesetz, Muster- und Modellgesetz, 2. Aufl., in: Basler Kommentar, N. 22 zu Art. 2 MSchG; MARBACH, Markenrecht, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. III, Kennzeichenrecht, Basel 1996, S. 52 f.). Sie hat jedoch gestützt auf das Ergebnis einer fachkundigen Erhebung geschlossen, die Bezeichnung habe sich für die Waren der Klägerin, das heisst für deren Käse, bei den schweizerischen Verbrauchern durchgesetzt.
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1.3 Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz eine gerichtliche Expertise eingeholt. Auf die Frage, was beim Wort "Appenzeller" assoziiert werde, antworteten 70.5% der repräsentativ Befragten mit "Käse", wobei der Anteil in der Deutschschweiz bei 78.1% und in der lateinischen Schweiz bei 47.2% lag. Auf die Zusatzfrage, welche Lebensmittel mit dem Begriff "Appenzeller" in Verbindung gebracht würden, nannten 83.6% "Käse", 11.6% "Biber". Da "Appenzeller Käse" unbestritten allein von der Klägerin bzw. deren Gesellschafter produziert und vertrieben wird, hat die Vorinstanz bei dieser Sachlage die Durchsetzung der klägerischen Marke "Appenzeller® Switzerland" bei den schweizerischen Konsumentinnen und Konsumenten als Hinweis auf die Klägerin zu Recht bejaht. Sie hat in diesem Zusammenhang auch zutreffend den Markenbestandteil "Appenzeller" als charakteristisch qualifiziert. Die Behauptung der Beklagten, die klägerische Marke habe sich für Käse der Klägerin im Verkehr erst infolge verstärkter Werbeanstrengungen nach der Eintragung der Marke der Beklagten durchgesetzt, findet in den Feststellungen des angefochtenen Urteils keine Stütze. Sie hat mangels Nachweises entsprechender Behauptungen vor Vorinstanz als neu zu gelten und ist nicht zu hören (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).
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Erwägung 3 | |
3.1 Die Gefahr der Verwechslung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 MSchG besteht, wenn das jüngere Zeichen die ältere Marke in ihrer Unterscheidungsfunktion beeinträchtigt. Eine solche Beeinträchtigung ist gegeben, falls zu befürchten ist, dass die massgebenden Verkehrskreise sich durch die Ähnlichkeit des Zeichens irreführen lassen und Waren, die das eine oder das andere Zeichen tragen, dem falschen Markeninhaber zurechnen, oder falls das Publikum die Zeichen zwar auseinander zu halten vermag, aufgrund ihrer Ähnlichkeit aber falsche Zusammenhänge vermutet, insbesondere an Serienmarken denkt, welche verschiedene Produktelinien des gleichen Unternehmens oder von mehreren, wirtschaftlich verbundenen Unternehmen kennzeichnen (BGE 128 III 96 E. 2a). Für die Verwechselbarkeit von Marken ist der Gesamteindruck massgebend, den sie in der Erinnerung der Adressaten hinterlassen (BGE 121 III 377 E. 2a S. 378). Je stärker sich ein Zeichen im Verkehr durchgesetzt hat, desto grösser ist sein Schutzumfang und je näher sich die Waren sind, für welche die Marken registriert sind, desto grösser wird das Risiko von Verwechslungen und desto stärker muss sich das jüngere Zeichen vom älteren abheben, um die Verwechslungsgefahr zu bannen (BGE 122 III 382 E. 2a S. 385, E. 3a S. 387).
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3.3 Die Vorinstanz hat die Verwechslungsgefahr der älteren und im Verkehr durchgesetzten Marke "Appenzeller® Switzerland" der Klägerin gegenüber der jüngeren Wort-/Bildmarke "Appenzeller Natural" der Beklagten für die Ware Käse zutreffend bejaht. Bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist aber auch, dass die Vorinstanz die Nichtigkeit der Marke der Beklagten für den gesamten Bereich der Milchprodukte festgestellt hat. Dass Produkte wie Käse, Yoghurt, Rahm, Butter und Quark aus Milch hergestellt werden, gehört zum Allgemeinwissen des schweizerischen Publikums; die Gleichartigkeit der Milchprodukte untereinander kann aus diesem Grund nicht in Abrede gestellt werden. Zur Gewährleistung der Unterscheidungsfunktion der Marke ist jedoch nach den gesamten Umständen ein hinreichender Abstand einzuhalten, wobei an die Unterschiedlichkeit der Waren umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je weniger sich die Zeichen voneinander unterscheiden (BGE 128 III 96 E. 2c S. 99). Die beiden umstrittenen Zeichen stimmen wie erwähnt im das Erinnerungsbild prägenden Bestandteil "Appenzeller" überein, ohne dass die Unterschiede hinreichend im Gedächtnis haften blieben. Da sich der Begriff "Appenzeller" für Käse der Klägerin im Verkehr durchgesetzt hat und dementsprechend davon auszugehen ist, dass er als starkes Zeichen über einen grösseren Schutzumfang verfügt (BGE 122 III 382 E. 2a S. 385), ist die Gefahr der Verwechslung für die gleichartigen Waren der übrigen Milchprodukte von der Vorinstanz zutreffend bejaht worden.
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