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2. Urteil vom 10. Februar 1977 i.S. Müller gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern und Versicherungsgericht des Kantons Bern | |
Regeste |
Art. 12 Abs. 1 IVG. |
Zusammenfassung der Rechtsprechung. | |
Sachverhalt | |
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Die Retinitis scheint sich indessen bis heute nicht verschlimmert zu haben. Dagegen entwickelte sich eine beidseitige Katarakt (Cataracta complicata), welche die Sehkraft und die Arbeitsfähigkeit der Versicherten rasch erheblich sinken liess. Sie unterzog sich daher am 13. Mai 1975 einer Linsenextraktion am linken Auge. Nach der Operation wurde dieses Auge mit einer Kontaktlinse und mit einer Starbrille versorgt, so dass es im Mai 1976 wieder eine Sehschärfe von 0,5-0,6 erlangte. Eine analoge Operation am rechten Auge ist vorgesehen.
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B.- Die Ausgleichskasse des Kantons Bern lehnte am 5. September 1975 die Übernahme der Operationskosten vom 13. Mai 1975 verfügungsweise ab, da es sich um einen Eingriff in ein gesamthaft gesehen labiles pathologisches Geschehen handle, der nicht unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet noch geeignet sei, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Das Versicherungsgericht des Kantons Bern wies eine Beschwerde gegen diese Verfügung mit Entscheid vom 9. Dezember 1975 ab.
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C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt der Vater der Versicherten, die Verfügung der Ausgleichskasse und der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern seien aufzuheben und die Kosten der erfolgten sowie der vorgesehenen Operation seien der Invalidenversicherung zu überbinden. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen im Sinne von Art. 12 IVG seien erfüllt; seine Tochter habe denn auch dank der Operation vom 13. Mai 1975 ihre Arbeit wieder aufnehmen können. Seine Ausführungen belegt er mit einem Zeugnis der Augenärztin Dr. G.-F. vom 7. Mai 1976.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Die operative Behandlung des grauen Stars ist nach ständiger Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts nicht auf die Heilung labilen pathologischen Geschehens gerichtet, sondern zielt darauf ab, das sonst sicher spontan zur Ruhe gelangende und alsdann stabile oder relativ stabile Leiden durch Entfernung der trüb und daher funktionsuntüchtig gewordenen Linse zu beseitigen (EVGE 1962 S. 208 Erw. 3; vgl. auch ZAK 1975 S. 157, 1971 S. 274 Erw. 1, 1970 S. 109 Erw. 3, 1966 S. 264 Erw. 3).
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b) Bei den Katarakten, die durch eines oder mehrere Grundleiden verursacht wurden, welche als solche labilem pathologischem Geschehen angehören (Cataractae complicatae, vgl. AMSLER und Mitherausgeber, Lehrbuch der Augenheilkunde, 3. Aufl., S. 662 f.), hat sich die Rechtsprechung wie folgt entwickelt:
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Im Urteil Sandmeier vom 1. Februar 1974 anerkannte das Eidg. Versicherungsgericht die Linsenextraktion als eine medizinische Eingliederungsmassnahme, da zwischen der Nierentransplantation und der Katarakt kein enger, ursächlicher Zusammenhang ![]() | 12 |
Im Urteil Zogg vom 29. November 1974 (ZAK 1975 S. 157 ff.) erklärte das Eidg. Versicherungsgericht, dass auch beim grauen Star innerhalb des spezifischen Anwendungsbereichs des Art. 12 IVG der Gesundheitsschaden als solcher und nicht dessen Ursache ausschlaggebend sei. Voraussehbare Auswirkungen einer Zuckerkrankheit könnten indessen im Einzelfall entscheidend sein bei der Beantwortung der Frage nach der Dauerhaftigkeit und Wesentlichkeit des Eingliederungserfolges.
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Bei Claudia Leuenberger, geboren 1967, welche u.a. an einem durch die Still-Chauffard'sche Krankheit verursachten grauen Star litt, bestätigte das Eidg. Versicherungsgericht seine im Urteil Zogg begründete Rechtsprechung, wonach die Ursache der Katarakt nicht erheblich ist für den Entscheid, ob die mit der Linsentrübung verbundenen Behandlungen Eingliederungsmassnahmen im Sinne von Art. 8 und 12 Abs. 1 IVG seien oder nicht. Daraus folge, dass die vom Bundesamt für Sozialversicherung in Rz. 1298 der IV-Mitteilungen Nr. 169 vom 10. September 1974 aufgestellten Weisungen bezüglich des sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs mit der Behandlung der Grundkrankheit - im gleichen Sinn: Rz. 42 des Kreisschreibens über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen - zur Beurteilung der Frage, ob die Invalidenversicherung eine Staroperation als medizinische Eingliederungsmassnahme zu übernehmen habe, nicht anwendbar seien (nicht publiziertes Urteil Leuenberger vom 28. Juli 1975).
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Die Urteile Zogg und Leuenberger drücken somit klar aus, dass die Staroperation eine Eingliederungsmassnahme sein kann, wobei die Ursache des Leidens keinen unmittelbaren Einfluss ausübt. Sie verdienen den Vorzug vor dem Urteil Sandmeier, das älter ist und dessen widersprechende Regel nur aus einem "e contrario"-Schluss abgeleitet werden kann.
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c) Wie bereits in Erwägung 2 angeführt, wird die Retinitis pigmentosa, die eine bekannte Ursache des grauen Stars ist ![]() | 16 |
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern vom 9. Dezember 1975 und die angefochtene Kassenverfügung vom 5. September 1975 aufgehoben. Die Invalidenversicherung hat die zur Behandlung des grauen Stars am linken Auge der Beschwerdeführerin notwendigen medizinischen Massnahmen zu übernehmen. Die Sache wird an die Ausgleichskasse des Kantons Bern zurückgewiesen, damit diese über die Einzelheiten der Übernahme befinde und über die Leistungen der Invalidenversicherung für die Behandlung des grauen Stars am rechten Auge verfüge.
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