BGer C 365/1999 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
BGer C 365/1999 vom 26.04.2000 | |
[AZA]
| |
C 365/99 Vr
| |
IV. Kammer
| |
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger;
| |
Gerichtsschreiber Hadorn
| |
Urteil vom 26. April 2000
| |
in Sachen
| |
C.________, 1953, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Dr. R.________,
| |
gegen
| |
1.Kantonale Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung, Utengasse 36, Basel,
| |
2.Oeffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt, Hochstrasse 37, Basel,
| |
Beschwerdegegnerinnen,
| |
und
| |
Kantonale Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt, Basel
| |
A.- Mit Verfügung vom 21. April 1999 stellte die Kantonale Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt die 1953 geborene C.________ wegen Nichtannahme einer zugewiesenen Arbeit für 25 Tage ab 21. Februar 1999 in der Anspruchsberechtigung ein.
| |
Mit einer weiteren Verfügung vom 29. April 1999 forderte die öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt von C.________ hierauf einen Betrag von Fr. 462. 85 an zu Unrecht ausbezahlten Taggeldern zurück.
| |
B.- Die dagegen erhobenen Beschwerden vereinigte die Kantonale Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt zu einem Verfahren und wies sie mit Entscheid vom 19. August 1999 ab.
| |
C.- C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, der kantonale Entscheid und beide Verfügungen seien aufzuheben.
| |
Die Amtsstelle verzichtet unter Hinweis auf die Begründungen im kantonalen Entscheid und in der Verfügung vom 21. April 1999 auf eine Stellungnahme, während die Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) lässt sich nicht vernehmen.
| |
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
| |
1.- Die vorliegend massgebenden gesetzlichen Bestimmungen über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung bei Ablehnung einer zugewiesenen zumutbaren Arbeit und zur Rückforderung von zu Unrecht erbrachten Leistungen sowie die dazu ergangene Rechtsprechung sind im kantonalen Entscheid zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Ergänzend ist auf BGE 122 V 39 ff. Erw. 4 und 5 hinzuweisen. Lehnt demnach eine versicherte Person eine einzig in lohnmässiger Hinsicht unzumutbare Stelle ab, obwohl sie noch Kompensationsleistungen nach Art. 24 AVIG (Zwischenverdienst) beziehen könnte, bemisst sich der Schaden, den die Arbeitslosenkasse erleidet, nach der Differenz zwischen der Arbeitslosenentschädigung und der Kompensationsleistung. Deshalb kann eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung nur im Ausmass des betraglichen Unterschiedes zwischen den beiden Taggeldern erfolgen (BGE 122 V 40 Erw. 4c/bb).
| |
2.- Unbestrittenermassen hat die Verwaltung der Beschwerdeführerin eine unbefristete Festanstellung mit einem Pensum von 100 % bei der Firma C.________ AG zugewiesen. In der Folge stellte sich die Versicherte zwar in diesem Betrieb vor, doch kam es nicht zu einer Anstellung. Über die entsprechenden Gründe gibt es widersprüchliche Angaben.
| |
a) Laut Notiz des RAV Basel (Frau Driessen) vom 5. März 1999 habe die Beschwerdeführerin nach eigenen Aussagen die Stelle als unzumutbar abgelehnt, weil dort ein unerträglicher Gestank herrsche, die Arbeit schmutzig sei und man Handschuhe tragen müsse. Eine Rückmeldung bei der Firma habe aber ergeben, dass die Versicherte zu hohe Lohnforderungen gestellt habe. Gemäss Nachfragen bei Mitarbeitern des Betriebs sei ein leichter Geruch von Reinigungsmitteln spürbar. Es werde auch mit Handschuhen gearbeitet, doch sei dies zumutbar. In der Meldung über die Bewerbung vom 20. Februar 1999 gab die Firma an, die Beschwerdeführerin habe mindestens Fr. 3800. - bis Fr. 4000. - Lohn pro Monat verlangt.
| |
b) In der Zeugeneinvernahme vor der Vorinstanz vom 19. August 1999 sagte Frau Mellinger, Leiterin der Produktion in der C.________ AG, die Beschwerdeführerin habe Fr. 3800. - Lohn verlangt, während ihr nur Fr. 3300. - angeboten worden seien. Vereinbart wurde jeweils ein Pensum von 50 % oder 80 %. Von jeder Besprechung mit Stellenbewerbern werde ein Protokoll geschrieben. Das Reinigungsmittel sei Aceton. Es bestehe kein Risiko.
| |
Demgegenüber bestritt die Beschwerdeführerin vor der Schiedskommission, bei ihrem Vorstellungsgespräch einen Lohn genannt zu haben. Hingegen sei ihr lediglich ein 50 %-Pensum im Stundenlohn angeboten worden. Sie könne aus gesundheitlichen Gründen nicht an der streitigen Stelle arbeiten. Dazu legte sie einen Bericht von Dr. med. O.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 25. Mai 1999 ins Recht, wonach sie seit Jahren an einer schweren Zuckerkrankheit leide, welche nur dank intensiven therapeutischen Massnahmen medikamentös und diätetisch einigermassen im Gleichgewicht gehalten werden könne. Durch diese Krankheit habe sich die Patientin im Bereich des vegetativen Nervensystems deutlich verändert, so dass sie in einem psychisch labilen Gleichgewicht stehe. Es sei ihr deshalb unmöglich, einen Arbeitsplatz einzunehmen, der "im Zusammenhang steht mit nach Alkohol riechenden Reinigungsmitteln".
| |
c) aa) Aufgrund des Gesagten ist davon auszugehen, dass beim Vorstellungsgespräch über den Lohn und das Arbeitspensum gesprochen wurde. Obwohl nicht mehr genau eruierbar ist, was gesagt wurde, hat die Beschwerdeführerin durch ihr Verhalten mit dazu beigetragen, dass es nicht zu einer Anstellung kam, indem sie sich nicht bereit erklärte, die Teilzeitstelle zum angebotenen Lohn anzunehmen. Dass der Lohn nicht berufs- oder ortsüblich gewesen wäre, macht sie nicht geltend. Zwar ist auf Grund der Zeugenanhörungen davon auszugehen, dass die Firma der Beschwerdeführerin nur ein Pensum von 50 % angeboten hat, während es sich nach der erwähnten Notiz von Frau Driessen um eine Vollzeitstelle gehandelt haben sollte. Selbst als Teilzeitstelle war der zugewiesene Arbeitsplatz indessen nicht unzumutbar. Wohl hätte die Versicherte diesfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nur die Hälfte des ihr von der Firma angebotenen Lohns von Fr. 3300. -, also Fr. 1650. - verdient. In den Akten fehlen ausreichende Hinweise darauf, dass die Versicherte vom Arbeitgeber in missbräuchlicher Absicht nur zu 50 % beschäftigt und jeweils auf Abruf für Überstunden eingesetzt worden wäre. Eine Stelle mit monatlich Fr. 1650. - Einkommen hätte der Beschwerdeführerin einen Lohn von weniger als 70 % des versicherten Verdienstes eingebracht. Ein solcher Arbeitsplatz bleibt nach Art. 16 Abs. 2 lit. i AVIG so lange lohnmässig zumutbar, als die versicherte Person Kompensationszahlungen nach Art. 24 AVIG (Zwischenverdienst) beziehen kann. Daher hätte die Beschwerdeführerin auch bei einem Pensum von nur 50 % zusagen und Zwischenverdienst abrechnen sollen. Dass sie den Anspruch auf Kompensationszahlungen bereits erschöpft hätte, macht sie selber nicht geltend.
| |
bb) Auf dem Antrag zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung hat die Beschwerdeführerin zwar angegeben, an ihrer letzten Stelle bei der Jezler Basel AG wegen Diabetes und Depression vom 18. Februar bis 30. April 1997 arbeitsunfähig gewesen zu sein. Indessen hat sie später, von Oktober bis Dezember 1997, erneut teilzeitlich als Gebäudereinigerin im Zwischenverdienst in diesem Betrieb gearbeitet. Sodann hat sie gegenüber der Verwaltung angegeben, eine 100%-Stelle in der Reinigung zu suchen. Bei solchen Arbeiten werden regelmässig wahrnehmbar riechende Reinigungsmittel verwendet. Dennoch machte die Beschwerdeführerin erstmals mit dem erwähnten Zeugnis von Dr. O.________ vom 25. Mai 1999, also nach Erlass der beiden hier streitigen Verfügungen, geltend, dass sie aus gesundheitlichen Gründen keine Stelle annehmen könne, an welcher sie mit nach Alkohol riechenden Reinigungsmitteln in Kontakt komme. Unter solchen Umständen vermag der Bericht von Dr. O.________ nicht zu überzeugen. Jedenfalls war der störende Geruch in der Firma C.________ AG nicht der einzige Grund, weshalb es zu keiner Anstellung kam. Es wäre der Beschwerdeführerin zumutbar gewesen, wenigstens einen Arbeitsversuch in diesem Betrieb zu beginnen.
| |
d) Die Dauer der verfügten Einstellung von 25 Tagen berücksichtigt das Verschulden der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit den konkreten Umständen des vorliegenden Falles in angemessener Weise und ist nicht zu beanstanden. Daher ist die streitige Einstellungsverfügung der Kantonalen Amtsstelle vom 21. April 1999, welche die 25tägige Einstellung an sich zum Gegenstand hat, zu bestätigen. Zu korrigieren ist hingegen die Verfügung der Arbeitslosenkasse vom 29. April 1999 betreffend den Umfang der Rückforderung. Es ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin an der zugewiesenen Stelle nur zu 50 % mit einem Lohn von Fr. 1650. - hätte arbeiten können (Erw. c/aa hievor). Bei diesem Einkommen wäre ihr während der Einstellungstage ein Anspruch auf Differenzausgleich nach Art. 24 Abs. 2 und 3 AVIG verblieben. Deshalb durfte die Verwaltung zu Unrecht erbrachte Leistungen nur in dem Ausmass zurückfordern und -behalten, als die Arbeitslosenentschädigung den bei Annahme der zugewiesenen Stelle noch geschuldeten Differenzausgleich überstiegen hätte (BGE 122 V 40 Erw. 4c/bb und Erw. 5a, je mit Hinweisen). Die Sache ist daher an die Arbeitslosenkasse zurückzuweisen, damit sie die Rückforderung gegenüber der Beschwerdeführerin masslich im Sinne dieser Rechtsprechung neu berechne.
| |
3.- Nach dem Gesagten unterliegt die Beschwerdeführerin in Bezug auf die Einstellung in der Anspruchsberechtigung an sich, obsiegt aber insofern teilweise, als die ihr auferlegte Rückforderung masslich zu berichtigen ist. Daher steht ihr eine reduzierte Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 1 OG). Im Übrigen ist das Verfahren kostenlos (Art. 134 OG).
| |
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
| |
I.In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid der Kantonalen Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt vom 19. August 1999, soweit die Verfügung der Öffentlichen Arbeitslosenkasse Basel-Stadt vom 29. April 1999 betreffend, und die genannte Verfügung aufgehoben, und die Sache wird an die Arbeitslosenkasse zurückgewiesen, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre.
| |
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
| |
III. Die Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1000. - (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
| |
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, der Kantonalen Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt, dem Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Basel-Stadt und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
| |
Luzern, 26. April 2000
| |
Im Namen des
| |
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
| |
Der Präsident der IV. Kammer:
| |
Der Gerichtsschreiber:
| |
i.V.
| |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |