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Informationen zum Dokument  BGer 5P.266/2000  Materielle Begründung
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BGer 5P.266/2000 vom 18.08.2000
 
[AZA 0]
 
5P.266/2000/bnm
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G *******************************
 
18. August 2000
 
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung,
 
Bundesrichter Raselli, Bundesrichter Merkli und
 
Gerichtsschreiberin Senn.
 
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In Sachen
 
Z.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Andrea Metzler, Bahnhofstrasse 46, Postfach 617, 5401 Baden,
 
gegen
 
Y.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Christian Bär, Schönaustrasse 25, Postfach, 5430 Wettingen, Obergericht des Kantons Aargau, 5. Zivilkammer,
 
betreffend
 
Art. 8 BV (Eheschutz; Kinderunterhalt),
 
wird festgestellt und in Erwägung gezogen:
 
1.- a) Y.________ wurde am 3. April 1991 aus erster Ehe geschieden. Mit dem Scheidungsurteil wurde er verpflichtet, der geschiedenen Ehefrau und den beiden Kindern Unterhaltsbeiträge zu bezahlen.
 
Am 3. September 1993 verheiratete sich Y.________ in zweiter Ehe mit Z.________. Der Ehe entsprossen die Kinder X.________, geboren am 25. Februar 1994, W.________, geboren am 25. Mai 1995, V.________, geboren am 2. August 1997 und U.________, geboren am 1. März 1999.
 
b) Mit Klage vom 26. August 1999 beantragte Z.________ dem Bezirksgericht Brugg, die Aufhebung des gemeinsamen Haushalts gemäss Art. 175 ZGB festzustellen und ihr die eheliche Liegenschaft samt Hausrat zur alleinigen Benützung zuzuweisen, die vier Kinder unter ihre Obhut zu stellen, das Besuchsrecht des Beklagten zu regeln, und diesen zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen von monatlich mindestens Fr. 600.-- pro Kind zuzüglich Kinderzulage sowie von mindestens Fr. 460.-- für sich selbst zu verurteilen. Mit Entscheid vom 7. Februar 2000 verpflichtete der Präsident des Bezirksgerichts Brugg den Beklagten zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen in Höhe von Fr. 250.-- pro Kind ab 1. August 1999.
 
Z.________ sprach er keinen eigenen Unterhalt zu. Die übrigen Begehren hiess er gut.
 
Auf Beschwerde der Klägerin hin erhöhte das Obergericht des Kantons Aargau die Kinderunterhaltsbeiträge auf je Fr. 346.-- zuzüglich Kinderzulagen.
 
c) Gegen den Entscheid des Obergerichts führt Z.________ staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, diesen aufzuheben. Auf die Einholung einer Beschwerdeantwort und einer Vernehmlassung des Obergerichts wurde verzichtet.
 
2.- Gegen einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid, der Eheschutzmassnahmen gemäss Art. 172 ff. ZGB zum Gegenstand hat, ist die staatsrechtliche Beschwerde zulässig (BGE 116 II 21 E. 1 S. 23 mit Hinweisen).
 
3.- Die Beschwerdeführerin rügt, die summarische Begründung des angefochtenen Entscheids verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör. Das Obergericht habe sich mit den vorgebrachten Beschwerdegründen nicht auseinandergesetzt. So sei unberücksichtigt geblieben, dass die am 30. November 1981 geborene Tochter des Beschwerdegegners aus erster Ehe, T.________, bereits das Mündigkeitsalter erreicht habe und ihr daher gestützt auf das Scheidungsurteil vom 3. April 1991 kein Unterhaltsanspruch mehr zustehe. Dem angefochtenen Entscheid sei nicht zu entnehmen, weshalb diesem Umstand keine Rechnung getragen worden sei.
 
Im Scheidungsurteil vom 3. April 1991 wird die Konvention der damaligen Parteien genehmigt. Danach hat der Beschwerdegegner für seine beiden Kinder aus erster Ehe bis zur Mündigkeit Unterhaltsbeiträge von zuletzt Fr. 700.-- zu bezahlen. Unter damals geltendem Recht trat die Mündigkeit mit 20 Jahren ein. Mit der Revision vom 7. Oktober 1994, in Kraft seit 1. Januar 1996, wurde das Mündigkeitsalter auf 18 Jahre herabgesetzt; Art. 13c SchlT ZGB sieht aber vor, dass Unterhaltsbeiträge, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts als bis zur Mündigkeit geschuldet festgelegt sind, bis zur Vollendung des 20. Altersjahres geschuldet werden. Die Erreichung des 18. Altersjahres durch T.________ war mithin für den angefochtenen Entscheid nicht relevant; da sich der aus dem Gehörsanspruch fliessende Begründungsanspruch auf die entscheidwesentlichen Gesichtspunkte beschränkt (BGE 99 V 188), ist damit die Rüge unbegründet.
 
In sonstiger Hinsicht legt die Beschwerdeführerin nicht dar, inwiefern das Obergericht von ihr vorgebrachte Argumente nicht gewürdigt oder seine Begründungspflicht verletzt hätte. Damit wird die Rüge den Anforderungen an die Begründung einer staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) nicht gerecht, so dass nicht weiter auf sie einzutreten ist.
 
4.- Im Weiteren rügt die Beschwerdeführerin, das Obergericht habe die bundesrechtlichen Vorschriften über den Kinderunterhalt willkürlich angewendet. Soweit sie geltend macht, die Berücksichtigung eines Unterhaltsanspruches von T.________ verletze das Willkürverbot, kann auf obige Erwägung verwiesen werden. Die Beschwerdeführerin beruft sich sodann auf den Grundsatz der Gleichbehandlung der Kinder aus erster und zweiter Ehe und auf den Vorrang der unmündigen gegenüber den mündigen Kindern. Indem den Kindern aus erster Ehe pro Kopf ein doppelt so hoher Unterhalt zugesprochen werde wie denen aus zweiter Ehe, würden beide Grundsätze stossend verletzt. Eine solch krasse Ungleichbehandlung werde durch den höheren Lebensbedarf älterer Kinder nicht gerechtfertigt.
 
a) Gemäss Art. 9 BV hat jede Person einen Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Entsprechend der ständigen Praxis zu Art. 4 aBV, an der festgehalten wird, ist ein Entscheid nicht bereits dann willkürlich, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erschiene oder gar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid wegen materieller Rechtsverweigerung vielmehr nur auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 121 I 113 E. 3a S. 114 mit Hinweis).
 
Schliesslich wird ein kantonaler Entscheid nur aufgehoben, wenn er in seinem Ergebnis unhaltbar ist (BGE 120 Ia 369 E. 3a S. 373 mit Hinweisen).
 
b) Unterhaltsberechtigte Kinder sind im Verhältnis zu ihren objektiven Bedürfnissen gleich zu behandeln. Ungleiche Unterhaltsbeiträge sind zulässig, soweit sie durch unterschiedliche Erziehungs- und Gesundheitsbedürfnisse gerechtfertigt werden (BGE 116 II 110 E. 4a S. 114 f.). Dies hat das Obergericht nicht verkannt, begründete es doch die Aufteilung, welche den Kindern aus erster Ehe einen höheren Unterhaltsbeitrag zuerkennt als denjenigen aus zweiter Ehe, mit den höheren Lebenskosten der älteren Kinder.
 
c) Die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber dem unmündigen Kind ist - im Gegensatz zum Mündigenunterhalt gemäss Art. 277 Abs. 2 ZGB - nicht ausdrücklich an die Voraussetzung der Zumutbarkeit gebunden. Namentlich bei beschränkter Leistungskraft der Eltern kann dies dazu führen, dass nur das unmündige Kind Unterhaltsleistungen zugesprochen erhält. Da sich aber vorliegend der Unterhaltsanspruch des bereits mündigen Kindes T.________ nicht auf die Ausnahmeregelung von Art. 277 Abs. 2 ZGB stützt, sondern auf das kraft der Übergangsregelung von Art. 13c SchlT ZGB geltende alte Recht, unter dem sie noch unmündig wäre, ist er nicht an die Voraussetzung der Zumutbarkeit im Sinne von Art. 277 Abs. 2 ZGB gebunden. Ein grundsätzlicher Vorrang der jüngeren vor den älteren Kindern besteht nicht. Im Gegenteil ist dem Obergericht darin beizupflichten, dass Kinder mit zunehmendem Alter grössere finanzielle Bedürfnisse haben. Vorliegend sind die Kinder aus erster Ehe knapp 19 und 17 Jahre alt, die aus zweiter Ehe zwischen 1 und 6 Jahre; die Differenz im jeweiligen Lebensbedarf ist entsprechend hoch. Unter diesen Umständen erscheint es jedenfalls nicht als geradezu willkürlich, ersteren einen Unterhaltsanspruch von je Fr. 692. 50 und letzteren von je Fr. 346.-- zuzusprechen. Dass T.________ einen Ausbildungslohn verdiene und ihr der Unterhalt entsprechend zu kürzen sei, macht die Beschwerdeführerin mit vorliegender Beschwerde erstmals geltend. Da im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren der Vortrag von Noven grundsätzlich unzulässig ist (BGE 119 II 6 E. 4a S. 7 mit Hinweis), ist auf die Rüge nicht einzutreten.
 
5.- Die Beschwerde ist demnach offensichtlich unbegründet und daher abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Damit wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). Ihrem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und des unentgeltlichen Rechtsbeistands kann angesichts der Aussichtslosigkeit ihres Begehrens nicht stattgegeben werden (Art. 152 Abs. 1 OG). Da auf die Einholung einer Beschwerdeantwort verzichtet wurde, kann vom Zuspruch einer Parteientschädigung an den Beschwerdegegner abgesehen werden.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a Abs. 1 OG:
 
_____________________________________
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.-Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 5. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
_______________
 
Lausanne, 18. August 2000
 
Im Namen der II. Zivilabteilung des
 
SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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