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Informationen zum Dokument  BGer C 393/1999  Materielle Begründung
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BGer C 393/1999 vom 23.08.2000
 
[AZA 7]
 
C 393/99 Vr
 
II. Kammer
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari;
 
Gerichtsschreiber Scartazzini
 
Urteil vom 23. August 2000
 
in Sachen
 
C.________, 1956, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Rudolf Diesel-Strasse 28, Winterthur, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
A.- C.________, geboren 1956, stellte am 2. September 1994 einen Antrag auf Arbeitslosenentschädigung und stempelte in der Folge vom 12. September 1994 bis zum 31. August 1995, wobei er während dieser Zeit 200 Taggelder bezog. Am 22. November 1996 erhob er wiederum Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab dem 28. Oktober 1996.
 
Durch Verfügung vom 30. Dezember 1996 verneinte die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich einen solchen Anspruch mit der Begründung, dass die zweijährige Rahmenfrist für den Leistungsbezug am 11. September 1996 geendet habe, eine Verlängerung derselben nicht möglich gewesen wäre und C.________ weder eine sechsmonatige beitragspflichtige Beschäftigung in der neuen Rahmenfrist für die Beitragszeit nachweisen könne, noch von der Erfüllung der Beitragszeit befreit gewesen sei.
 
B.- Gegen diese Verfügung erhob C.________ Beschwerde und berief sich dabei sinngemäss auf den Grundsatz von Treu und Glauben, weil er auf eine Falschauskunft des Arbeitsamtes X.________ vertraut habe. Im Sommer 1995 habe er die Möglichkeit gehabt, eine Doktorarbeit an der ETH zu beginnen, wobei noch offen gewesen sei, ob das Projekt finanziell unterstützt würde. Er habe sich deshalb beim Arbeitsamt X.________ erkundigt, ob er bei ausbleibender Finanzierungshilfe die restlichen 200 Taggelder in der gleichen Höhe wie vor Beginn der Dissertation würde beanspruchen können, diese Arbeit also bezüglich der Rahmenfrist für den Leistungsbezug sozusagen eine aufschiebende Wirkung habe. Frau A.________, welche damals beim Arbeitsamt X.________ zuständig gewesen sei, habe dieses Vorgehen für möglich gehalten, weshalb er ab September 1995 der Stempelkontrolle fern geblieben sei. Er hätte Ende August 1995 nicht aufgehört zu stempeln, wenn er gewusst hätte, dass die zweijährige Rahmenfrist für den Leistungsbezug während der Doktorarbeit weiter laufen würde.
 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ordnete am 8. April 1999 die Einholung eines schriftlichen Berichtes beim Regionalen Arbeitsvermittlungsamt des Bezirks Y.________ an über die Fragen, ob im Sommer 1995 ein Gespräch zwischen Frau A.________ und C.________ stattgefunden habe, wenn ja, ob es richtig sei, dass sich der Versicherte darüber informierte, welche Auswirkungen der Beginn einer Doktorarbeit auf seinen Taggeldanspruch zeitigen würde, und ob es bejahendenfalls zutreffe, dass Frau A.________ ihm erklärt habe, er würde bei ausbleibender Finanzierungshilfe auch nach Ablauf der ersten Rahmenfrist für den Leistungsbezug weiter stempeln können. In Beantwortung der Anfrage erklärte A.________ mit Schreiben vom 11. Juni 1999, sie könne sich weder an den Fall noch an den Versicherten erinnern, weshalb sie auch nicht zur Klärung des Sachverhalts beitragen könne.
 
Das Sozialversicherungsgericht wies die Beschwerde gestützt auf diese Antwort mit Entscheid vom 20. September 1999 ab. Es hielt fest, die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosentaggeldern seien ab 28. Oktober 1996 nicht mehr erfüllt gewesen. Der Versicherte habe zudem die Folgen der Beweislosigkeit der von ihm geltend gemachten Falschauskunft zu tragen, weshalb der Entscheid auch angesichts der geltend gemachten Verletzung des Vertrauensgrundsatzes zu seinen Ungunsten ausfalle.
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt C.________, es seien in Aufhebung des angefochtenen Entscheides die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von 200 Arbeitslosentaggeldern zu bejahen und die Arbeitslosenkasse sei zu verpflichten, ihm aus diesen Taggeldern für die Zeit ab 28. Oktober 1996 diejenigen auszuzahlen, die durch Stempeln und den Nachweis von Arbeitsbemühungen belegt sind. Eventualiter sei die Sache zur Sachverhaltsergänzung und zu neuer Beweiserhebung und -würdigung sowie zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Auf die Vorbringen wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
 
Die Arbeitslosenkasse verzichtet auf eine Stellungnahme.
 
Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat sich nicht vernehmen lassen.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Das kantonale Gericht hat erwogen, es stehe fest, dass der Versicherte nach den einschlägigen Vorschriften ab dem 28. Oktober 1996 keinen Anspruch auf weitere Arbeitslosenentschädigung mehr hatte, da er innerhalb der zweiten Rahmenfrist für die Beitragszeit vom 28. Oktober 1994 bis 27. Oktober 1996 keine beitragspflichtigen Beschäftigungen von insgesamt mindestens sechs Monaten nachweisen könne (Art. 13 Abs. 1 AVIG). Die Voraussetzung der Mindestbeitragszeit sei daher nicht erfüllt. Innerhalb dieser Rahmenfrist habe er auch nicht während über zwölf Monaten aus einem der in Art. 14 Abs. 1 AVIG genannten Gründe nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden.
 
Demgegenüber stützt der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Taggelder - wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren - auf den Schutz des guten Glaubens bei falscher Auskunft einer zuständigen Behörde. Im Sommer 1995 habe er persönlich auf dem Arbeitsamt X.________ vorgesprochen und sich von der damals zuständig gewesenen Frau A.________ mündlich bestätigen lassen, dass er später, nach Abklärung einer finanziellen Unterstützungsmöglichkeit der von ihm in Aussicht genommenen Dissertationsarbeit, ohne sich weiterhin der Stempelkontrolle unterziehen zu müssen, die restlichen 200 Taggelder würde beanspruchen können. Mit dieser Argumentation beruft sich der Versicherte auf den Grundsatz von Treu und Glauben. Zu prüfen ist daher vorerst, ob er gestützt auf die Rechtsprechung zum Vertrauensschutz in Abweichung von der materiellrechtlichen Regelung so behandelt werden kann und muss, wie wenn er die Anspruchsvoraussetzung der Stempelkontrolle auch im Zeitabschnitt vom 12. September 1994 bis 11. September 1996 erfüllt hätte.
 
2.- a) Auszugehen ist vom allgemeinen Grundsatz, dass niemand Vorteile aus seiner eigenen Rechtsunkenntnis ableiten kann (BGE 111 V 405 Erw. 3, 110 V 338 Erw. 4; ZAK 1991 S. 375 Erw. 3c; ARV 1985 Nr. 13 S. 52 Erw. 4b mit Hinweis auf BGE 98 V 258 und ZAK 1977 S. 263 Erw. 3). Eine vom Gesetz abweichende Behandlung kommt nur in Betracht, wenn die praxisgemäss erforderlichen fünf Voraussetzungen für eine erfolgreiche Berufung auf den öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutz erfüllt sind (BGE 116 V 298 Erw. 3a). Dafür erforderlich ist insbesondere, dass die Verwaltung tatsächlich eine falsche Auskunft erteilt hat; von sich aus - spontan, ohne vom Versicherten angefragt worden zu sein - brauchen die Organe der Arbeitslosenversicherung hingegen - vorbehältlich Art. 19 Abs. 4 AVIV - nicht Auskünfte zu erteilen (unveröffentlichtes Urteil A. vom 19. Februar 1997 [C 79/96]). Eine in ihrer Tragweite beschränkte Abweichung davon ergibt sich aus dem gestützt auf Art. 17 AVIG und die allgemeine Vollzugskompetenz in Art. 109 AVIG erlassenen Art. 19 Abs. 4 AVIV. Nach dieser Verordnungsbestimmung macht das Arbeitsamt den Versicherten bei der Anmeldung zum Taggeldbezug auf seine Pflichten nach Art. 17 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, insbesondere auf die Pflicht, sich selber um Arbeit zu bemühen, aufmerksam. Darauf ist der den Arbeitsämtern gesetzlich zugewiesene Informationsauftrag beschränkt. Eine Berufung auf den Vertrauensschutz wegen unterlassener weitergehender Auskünfte ist demzufolge unbegründet, sofern nicht konkrete Umstände eine ausserhalb der gesetzlich statuierten Verpflichtung liegende Aufklärung im Sinne der Rechtsprechung aufdrängen (unveröffentlichtes Urteil R. vom 23. Februar 1994 [C 12/93]). So ist, wenn der Beamte des Arbeitsamtes den Versicherten bei seiner einmaligen Vorsprache nicht von sich aus auf die Notwendigkeit der Stempelkontrolle und die Möglichkeit des Bezugs von Arbeitslosenentschädigung hinweist, darin kein Verhalten zu erblicken, welches ein Abweichen von der Kontrollpflicht zu rechtfertigen vermag. Dies käme nur dann in Betracht, wenn der Versicherte von der zuständigen Stelle über die Bedeutung der Stempelpflicht falsch orientiert worden wäre (ARV 1979 Nr. 13 S. 82, 1976 Nr. 13 S. 85).
 
In Weiterführung dieser Grundsätze zur Tragweite des öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutzes und zu den Informationspflichten der Verwaltung im Bereich der Arbeitslosenversicherung hat das Eidgenössische Versicherungsgericht im unveröffentlichten Urteil W. vom 10. Dezember 1996 (C 31/96) ausdrücklich entschieden, dass der Versicherte unter den dort gegebenen Umständen nicht vom weiteren Besuch der Stempelkontrolle abgehalten worden sei, was gegebenenfalls vertrauensschutzrechtlich von Belang wäre (BGE 119 V 497 Erw. 3d in fine; ARV 1993/1994 Nr. 32 S. 228, 1976 Nr. 13 S. 85; nicht publiziertes Urteil Z. vom 21. August 1995 [C 94/95]). Auch keine Verletzung der Informationspflicht (Art. 19 Abs. 4 AVIV) lag im genannten Fall vor, hatte doch die Verwaltung nach der Sachlage keinen hinreichenden Anlass, von sich aus beim Versicherten nachzufragen, aus welchen Gründen er die Kontrollvorschriften nicht mehr erfülle (BGE 124 V 220 Erw. 2b).
 
b) Auf Grund der Akten ergibt sich zunächst, dass der Beschwerdeführer in der Zeit zwischen dem 12. September 1994 und dem 31. August 1995 beim Arbeitsamt X.________ die Stempelkontrolle besuchte. In einem den Antrag auf Arbeitslosenentschädigung begleitenden Schreiben an die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich vom 24. November 1996 machte er geltend, er hätte wenig Grund gehabt, an den im Sommer 1995 von Frau A.________ erteilten Auskünften zu zweifeln, da aus der ihm abgegebenen Informations-Broschüre der Arbeitslosenversicherung zu schliessen war, die Versicherung würde Bemühungen um Fortbildung grundsätzlich unterstützen. Frau A.________ habe mit ihm vereinbart, dass er sich melden würde, falls die Eingabe um Zusage finanzieller Unterstützung seiner Dissertationsarbeit positiv ausgefallen wäre, um sich dann definitiv bei der Kasse abzumelden. Ende
 
Dezember 1995 habe Frau A.________ ihn jedoch ohne Rücksprache und ohne ihn darüber zu orientieren abgemeldet. Zu diesem Zeitpunkt sei er noch nicht sicher gewesen, ob Gelder für das Projekt aufzutreiben wären oder nicht. Es habe sich dann aber herausgestellt, dass dafür keine Aussicht bestehen würde. So habe er die Doktorarbeit abgebrochen und sich nach Beendigung der Feldsaison 1996 am 28. Oktober 1996 wieder beim Arbeitsamt angemeldet.
 
Demgegenüber führte die Beschwerdegegnerin im vorinstanzlichen Verfahren lediglich aus, nachdem ein Bezug der noch offenen Taggelder bis zum 11. September, also während mehr als einem Jahr, möglich war, könne nicht von einer falschen Auskunft des Arbeitsamtes gesprochen werden. Darauf erwiderte der Versicherte am 9. Dezember 1996, es wäre das Mindeste gewesen, ihn Ende Jahr 1995 über die bevorstehende Abmeldung zu informieren und auf die drohenden Konsequenzen hinzuweisen.
 
c) Unter den gegebenen Umständen ist es glaubhaft, dass der Beschwerdeführer sich im Sommer 1995 beim Arbeitsamt X.________ tatsächlich erkundigt hatte, ob die zweijährige Rahmenfrist für den Leistungsbezug während der Doktorarbeit normal weiter laufen und auch durch eine Weiterbildung nicht unterbrochen würde. Diese Annahme, welche davon abzuleiten ist, dass die genaue Schilderung des Beschwerdeführers einen rechtserheblichen Sachverhalt darzutun vermag, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 125 V 195 Erw. 2, 122 V 158 Erw. 1a, je mit Hinweisen, 117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen), drängt sich umso mehr auf, als keine vernünftigen Gründe dafür ersichtlich sind, dass der Versicherte sich ab 1. September 1995 nicht mehr der Stempelkontrolle unterzog, nachdem er auf die Arbeitslosenentschädigung offensichtlich angewiesen war.
 
3.- Der Beschwerdeführer ist somit gestützt auf Treu und Glauben grundsätzlich berechtigt, die Auszahlung der in der ersten Leistungsrahmenfrist nicht bezogenen Taggelder ab 28. Oktober 1996 zu verlangen. Diesbezüglich kann ihm die fehlende Erfüllung der Mindestbeitragszeit nicht entgegengehalten werden. Hingegen hat er die übrigen Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen, wie dies von ihm auch verlangt worden wäre, wenn er nicht aufgrund der unrichtigen Auskunft Ende August 1995 mit dem Taggeldbezug aufgehört hätte. Ob er insofern ab 28. Oktober 1996 die übrigen Anspruchsvoraussetzungen, namentlich die Kontrollvorschriften (Art. 17 AVIG), erfüllt, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Nach entsprechenden Abklärungen wird die Verwaltung über den restlichen Taggeldanspruch ab 28. Oktober 1996 neu befinden.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. September 1999 und die angefochtene Verfügung vom 30. Dezember 1996 aufgehoben, und es wird die Sache an die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich zurückgewiesen, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung neu befinde.
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Zürich, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
 
Luzern, 23. August 2000
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der II. Kammer:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
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