VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 4C.335/2000  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 4C.335/2000 vom 21.12.2000
 
[AZA 0/2]
 
4C.335/2000/rnd
 
I. ZIVILABTEILUNG
 
*******************************
 
21. Dezember 2000
 
Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter,
 
Präsident, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler und Gerichtsschreiber
 
Huguenin.
 
---------
 
In Sachen
 
1. A.________,
 
2. B.________, Kläger und Berufungskläger, beide vertreten durch Herrn Alois Schöpfer, Oberdorf 16, 6037 Root,
 
gegen
 
C.________, Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Fürsprecher Robert M. Fedier, Lunaweg 17, 4501 Solothurn,
 
betreffend
 
Mietvertrag; Kündigung,
 
wird festgestellt und in Erwägung gezogen:
 
1.- C.________ vermietete seinem Sohn und dessen Ehefrau eine Wohnung in X.________. Mit Schreiben vom 29. März 1999 kündigte er den Mietvertrag wegen Mietzinsausständen per 31. Mai 1999. Die Mieter gelangten an die Schlichtungsbehörde Bucheggberg-Wasseramt, deren Präsident am 1. Juni 1999 verfügte, die per 31. Mai 1999 ausgesprochene Kündigung sei gültig und eine Erstreckung des Mietverhältnisses werde nicht gewährt. Die Mieter erhoben Klage auf Feststellung der Ungültigkeit der Kündigung. Mit Urteil vom 20. September 1999 wies der Gerichtspräsident Bucheggberg-Wasseramt die Klage ab und stellte fest, dass die am 29. März 1999 per
 
31. Mai 1999 ausgesprochene Kündigung des Mietverhältnisses gültig sei. Mit Verfügung vom gleichen Tag wies der Gerichtspräsident auch das Gesuch der Kläger um Gewährung unentgeltlicher Rechtspflege ab.
 
Die Kläger gelangten mit Appellation und Rekurs an das Obergericht des Kantons Solothurn, das mit Urteil vom 26. September 2000 deren Anfechtungsklage abwies und feststellte, dass die per 31. Mai 1999 vom Vermieter ausgesprochene Kündigung gültig sei. Gleichzeitig wies das Obergericht auch den Rekurs ab, der sich gegen den Entscheid betreffend Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege gerichtet hatte. Die Kläger haben dieses Urteil mit Berufung beim Bundesgericht angefochten mit den Anträgen, es aufzuheben und festzustellen, dass sowohl der Entscheid der Schlichtungsbehörde wie auch das Urteil des Obergerichts nichtig seien; eventualiter sei festzustellen, dass den Klägern ein Verrechnungsrecht in der Höhe von Fr. 36'917. 45 mit den aufgelaufenen Mietzinsen zustehe und die vorzeitige Vertragsauflösung keine Gültigkeit habe. Die Kläger ersuchen zudem um Gewährung unentgeltlicher Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. Eine Berufungsantwort des Beklagten wurde nicht eingeholt.
 
2.- Die Kläger werden von lic. iur. Alois Schöpfer vertreten, der nicht im Besitz eines Anwaltpatentes ist. Grundsätzlich können in einer Zivilsache, wie sie hier vorliegt, nur patentierte Anwälte sowie Rechtslehrer an schweizerischen Hochschulen vor Bundesgericht als Parteivertreter auftreten.
 
Vorbehalten bleiben jedoch Fälle aus Kantonen, in welchen der Anwaltsberuf ohne behördliche Bewilligung ausgeübt werden darf (Art. 29 Abs. 2 OG). Das trifft gemäss §§ 48 ff. ZPO SO auf den Kanton Solothurn zu (vgl. dazu Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, N. 3.3 zu Art. 29 OG). Zudem ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht erforderlich, dass der Parteivertreter Wohnsitz im Kanton Solothurn hat (BGE 82 II 103 E. 2 S. 109).
 
Daran ändert nichts, dass diesem Urteil eine frühere Fassung der kantonalen Zivilprozessordnung zugrunde lag, denn auch nach der heute geltenden Fassung wird kein Wohnsitz im Gebiet des Kantons Solothurn verlangt. Die Vertretung der Kläger durch lic. iur. Alois Schöpfer ist demnach zulässig.
 
3.- Am Ende der Verfügung, welche der Präsident der Schlichtungsbehörde am 1. Juni 1999 erlassen hat, wird festgehalten, die Schlichtungsbehörde habe gestützt auf die klare Sachlage darauf verzichtet, die Parteien zu einer Schlichtungsverhandlung einzuladen. Mit der Berufung wird geltend gemacht, die Schlichtungsbehörde sowie die erste und die zweite Gerichtsinstanz hätten die Art. 273 Abs. 4, Art. 273c und Art. 274a Abs. 2 OR nicht angewendet, weshalb das ganze Anfechtungsverfahren nichtig sei.
 
Die Nichtigkeit des Schlichtungs- sowie des erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsverfahrens wollen die Kläger aus Art. 273c OR ableiten. Diese Bestimmung bezieht sich indessen nach ihrem eindeutigen Wortlaut auf den Dritten Abschnitt (Art. 271 - Art. 273c OR) des Achten Titels ("Die Miete") des Obligationenrechts (vgl. auch Higi, Zürcher Kommentar, N. 3 zu Art. 273c OG), also nicht auf den Vierten Abschnitt (Art. 274 - 274g OR), in welchem die Bestimmungen zu "Behörden und Verfahren" enthalten sind. Im Übrigen wird zwar in der Literatur die Auffassung vertreten, dass sich aus Art. 274e OR grundsätzlich eine Pflicht der Schlichtungsbehörde ergebe, den Versuch zu unternehmen, eine Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen (Higi, a.a.O., N. 28 ff. zu Art. 274e OR). Eine Verletzung dieser Pflicht hat indessen im hier interessierenden Zusammenhang weder die Nichtigkeit des Schlichtungsverfahrens und noch weniger die Nichtigkeit der ihm nachfolgenden erstinstanzlichen und zweitinstanzlichen gerichtlichen Verfahren zur Folge. Wird im Anschluss an den Entscheid der Schlichtungsbehörde innerhalb der Frist von Art. 274f Abs. 1 OR das Gericht angerufen, fällt dieser Entscheid nach Lehre und Rechtsprechung dahin mit der Folge, dass das Gericht erstinstanzlich urteilt und nicht die Funktion einer Rechtsmittelinstanz in Bezug auf das Schlichtungsverfahren hat (BGE 117 II 504 E. 2b S. 507; 119 Ia 264 E. 4a S. 267; Higi, a.a.O., N. 26 ff. und N. 79 zu Art. 274f OR). Allfälligen Verfahrensfehlern der Schlichtungsbehörde kommt in diesen Fällen, abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen (vgl. dazu SVIT-Kommentar Mietrecht, 2. Auflage, N. 6 zu Art. 274f OR), keine Bedeutung zu. Ausgeschlossen ist jedenfalls, dass Verfahrensfehler derjenigen Art, wie sie mit der Berufung der Schlichtungsbehörde vorgeworfen werden, zur Nichtigkeit des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens führen könnten. Die von den Klägern erhobene Rüge erweist sich damit als unbegründet.
 
4.- Will der Mieter gegenüber den Mietzinsrückständen mit Gegenforderungen gültig verrechnen, muss er innerhalb der vom Vermieter gestützt auf Art. 257d OR angesetzten Zahlungsfrist eine rechtswirksame Verrechnungserklärung abgeben (BGE 119 II 241 E. 6b/bb und cc S. 248).
 
Nach dem angefochtenen Urteil haben die Kläger innerhalb der mit Schreiben des Beklagten vom 17. Februar 1999 angesetzten dreissigtägigen Frist keine Verrechnungserklärung abgegeben. Mit der Berufung wird demgegenüber geltend gemacht, aus einem - im kantonalen Rekursverfahren eingereichten - Schreiben der Vertreter des Beklagten vom 17. Februar 1999 gehe hervor, dass die Kläger bereits in diesem Zeitpunkt eine Gegenforderung gestellt hätten; denn in diesem Schreiben werde auf einen Brief der Kläger vom 23. Januar 1999 Bezug genommen, in welchem sie mitgeteilt hätten, dass sie den Vermieter zur Zahlung von Rechnungen der Späti AG und der Bernasconi AG betreffend den Brandfall vom 9. September 1996 aufgefordert hätten. Damit verkennen die Kläger indessen, dass es im hier interessierenden Zusammenhang nicht darum geht, ob und wann sie den Beklagten aufgefordert haben, von Dritten gestellte Rechnungen zu bezahlen.
 
Erforderlich wäre vielmehr der Nachweis, dass die Kläger innerhalb der erwähnten Frist gegenüber dem Beklagten die Erklärung abgegeben haben, sie wollten die eingeforderten Mietzinsrückstände mit bestimmten ihnen zustehenden Gegenforderungen verrechnen. Eine solche Erklärung ist aber auch nach der eigenen Darstellung in der Berufungsschrift nicht erfolgt, weshalb mit der Vorinstanz davon auszugehen ist, dass die Kläger keine rechtswirksame Verrechnungserklärung abgegeben haben. Damit braucht auf die weiteren Erwägungen der Vorinstanz betreffend Nichtbestehen der Gegenforderungen bzw. mangelnder Fälligkeit und die mit der Berufung dagegen erhobenen Einwände nicht eingegangen zu werden.
 
5.- Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen. Da die Berufung von vornherein aussichtslos war, ist das Gesuch der Kläger um Gewährung unentgeltlicher Rechtspflege abzuweisen (Art. 152 Abs. 1 OG).
 
Die Gerichtsgebühr ist den Klägern unter solidarischer Haftbarkeit aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 und 7 OG).
 
Dem Kläger ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, da ihm aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand erwachsen ist.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.- Das Gesuch der Kläger um Gewährung unentgeltlicher Rechtspflege wird abgewiesen.
 
2.- Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts (Zivilkammer) des Kantons Solothurn vom 26. September 2000 bestätigt.
 
3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Klägern unter solidarischer Haftung auferlegt.
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht (Zivilkammer) des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.
 
______________
 
Lausanne, 21. Dezember 2000
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).