BGer 1P.596/2001 | |||
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BGer 1P.596/2001 vom 22.01.2002 | |
{T 0/2}
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1P.596/2001/bie
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Urteil vom 22. Januar 2002
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I. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident, Bundesrichter Nay, Reeb,
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Gerichtsschreiber Störi.
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G.________, 6006 Luzern, Beschwerdeführerin, vertreten
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durch Rechtsanwalt lic.iur. Felix Barmettler, Bahnhofstrasse 8, 6403 Küssnacht am Rigi,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Postfach 560, 6431 Schwyz,
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Kantonsgericht des Kantons Schwyz, Schmiedgasse 1, 6430 Schwyz.
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Art. 9, Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV (Strafverfahren [SVG])
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(Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz vom 23. Juli 2001)
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Sachverhalt:
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A.
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Das Bezirksamt Küssnacht am Rigi verurteilte G.________ am 8. August 2000 wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeuges zufolge Unaufmerksamkeit zu einer Busse von 250 Franken. Auf deren Einsprache hin führte das Bezirksamt eine Untersuchung durch und erhob gegen sie beim Einzelrichter des Bezirks Küssnacht folgenden Anklage:
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"I.
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G.________ wird angeklagt wegen:
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Einfacher Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Art. 91 Ziff. 1 SVG, begangen durch Nichtbeherrschen des Fahrzeugs zufolge Unaufmerksamkeit, begangen am 03.07.2000, um ca. 16.50 Uhr, In Merlischachen, Luzernerstrasse, mit dem Personenwagen LU xx'xxx, dadurch, dass sie in einer zufolge Regen/Hagels langsam fahrenden und dann wieder beschleunigenden Autokolonne fahrend, ihre Aufmerksamkeit nach vorne zur auflösenden Kolonne richtete und dadurch nicht bemerkte, wie das unmittelbar vor ihr fahrende Auto nach rechts in einen Parkplatz einmünden wollte, worauf sie auf das abbiegende Auto auffuhr.
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II.
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Die Angeklagte hat geltend gemacht, sie trage am Unfall kein Verschulden, weil der vor ihr fahrende Automobilist nicht geblinkt habe. Sie erklärte, die Polizeibeamten hätten ihren Einwand wegen Sprachproblemen nicht verstanden. Selbst wenn dies zutreffen würde, hätte sie das Abbiegemanöver des vor ihr fahrenden Autofahrers bei gebotener Aufmerksamkeit erkennen müssen.
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(III. -VI.)"
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Der Einzelrichter des Bezirkes Küssnacht am Rigi verurteilte G.________ am 18. April 2001 im Sinne der Anklage zu einer Busse von 250 Franken.
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Das Kantonsgericht des Kantons Schwyz wies die von G.________ dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde am 23. Juli 2001 ab.
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B.
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Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 14. September 2001 wegen Verletzung von Art. 9, Art. 29 Abs. 2 sowie Art. 32 Abs. 2 BV beantragt G.________ den Beschluss des Schwyzer Kantonsgerichts vom 23. Juli 2001 aufzuheben.
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Das Kantonsgericht beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Beim angefochtenen Entscheid des Kantonsgerichts handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Die Beschwerdeführerin ist durch die strafrechtliche Verurteilung in ihren rechtlich geschützten Interessen berührt (Art. 88 OG), weshalb sie befugt ist, die Verletzung verfassungsmässiger Rechte zu rügen. Da diese und die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde unter dem Vorbehalt gehörig begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b) einzutreten. Soweit im Folgenden auf Ausführungen in der Beschwerde nicht eingegangen wird, erfüllen sie die gesetzlichen Anforderungen an die Beschwerdebegründung nicht.
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2.
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Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Anklagegrundsatzes, des rechtlichen Gehörs und willkürliche Tatsachenfeststellung.
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2.1 Der Anklagegrundatz verteilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Aufgaben zwischen den Untersuchungs- bzw. Anklagebehörden einerseits und den Gerichten anderseits. Er bestimmt den Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Die Anklage hat die dem Angeklagten zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe genügend konkretisiert sind, um sich dagegen sachgerecht verteidigen zu können. Das Anklageprinzip bezweckt zugleich den Schutz der Verteidigungsrechte des Angeschuldigten und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör. Nach Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK hat der Angeschuldigte Anspruch darauf, in möglichst kurzer Frist über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden. Diese Angaben schliessen es allerdings nicht aus, dass eine spätere Verurteilung wegen eines gleichartigen oder geringfügigeren Delikts erfolgt. Das Gericht ist an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden, nicht aber an dessen rechtliche Würdigung.
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Ein Anspruch des Betroffenen, vor Erlass eines belastenden Entscheids angehört zu werden, besteht jedoch auch unabhängig vom Anklagegrundsatz. Dieser Anspruch auf rechtliches Gehör ist in Art. 29 Abs. 2 BV ausdrücklich gewährleistet. Sein Umfang bestimmt sich zunächst nach den kantonalen Verfahrensvorschriften, deren Auslegung und Handhabung das Bundesgericht auf Willkür hin überprüft. Überdies greifen die unmittelbar aus der BV folgenden Mindestgarantien Platz; ob diese verletzt sind, beurteilt das Bundesgericht mit freier Kognition (BGE 126 I 19 E. 2a mit Hinweisen).
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2.2 Willkürlich handelt ein Gericht, wenn es seinem Entscheid Tatsachenfeststellungen zugrunde legt, die mit den Akten in klarem Widerspruch stehen. Im Bereich der Beweiswürdigung besitzt der Richter einen weiten Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde nur ein, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder auf einem offenkundigen Versehen beruht (BGE 124 I 208 E. 4a; 117 Ia 13 E. 2c; 18 E. 3c je mit Hinweisen).
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3.
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3.1 Das Kantonsgericht geht im angefochtenen Entscheid davon aus, die Beschwerdeführerin sei, wie schon der Vorderrichter zu Recht festgestellt habe, bei schwierigen Witterungsverhältnissen auf einer breiten, geraden und übersichtlichen Strasse in einer rund 30 km/h fahrenden Kolonne unterwegs gewesen. In dieser Situation habe sie ihre Aufmerksamkeit in erster Linie auf das vor ihr fahrende Fahrzeug richten und sicherstellen müssen, bei einem unter diesen Umständen jederzeit möglichen verkehrsbedingten Anhalten des Vordermannes rechtzeitig bremsen und ihr Fahrzeug zum Stillstand bringen zu können. Es ergebe sich daher schon aus dem Zustandekommen der Auffahrkollision, dass sie es an der für das von Art. 31 Abs. 1 SVG verlangten ständigen Beherrschen des Fahrzeugs erforderlichen Aufmerksamkeit habe fehlen lassen.
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3.2 Nach der Auffassung des Kantonsgerichts gehört der Grund für die pflichtwidrige Unaufmerksamkeit nicht zum Tatbestand von Art. 31 Abs. 1 SVG; weil für die Verurteilung der Beschwerdeführerin unerheblich, liess es diesen Grund offen. Die Beschwerdeführerin sieht darin eine Verletzung des Anklagegrundsatzes.
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Ob der Grund der pflichtwidrigen Unaufmerksamkeit ein für eine Verurteilung nach Art. 31 Abs. 1 SVG notwendiges Tatbestandselement darstellt, ist indessen eine materiellrechtliche, auf staatsrechtliche Beschwerde hin nicht überprüfbare Frage. Inwiefern im Offenlassen des Grundes für die ihr vorgeworfene Unaufmerksamkeit eine Verletzung des Anklagegrundsatzes liegt, ist völlig unerfindlich. Eine solche könnte vorliegen, wenn das Kantonsgericht die Beschwerdeführerin aufgrund einer mangelhaften Anklage verurteilt hätte. Dies wirft sie ihm indessen in diesem Zusammenhang gar nicht vor. Die Rüge ist offensichtlich unbegründet, ebenso wie die beiläufig erhobene Gehörverweigerungsrüge.
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3.3 Die Beschwerdeführerin rügt als willkürlich, dass das Kantonsgericht "diesen Sachverhalt des abrupten Bremsmanövers zum Zwecke des unvermittelten Rechtsabbiegens ohne Stellen des Blinkers vernachlässigt und in Abweichung vom Anklagevorhalt nicht von diesem unvermittelten mit einem Bremsmanöver verbundenen Rechtsabbiegemanöver" ausgehe.
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Der Einwand geht an der Sache vorbei. Das Kantonsgericht ist im angefochtenen Entscheid davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin jederzeit mit einem verkehrsbedingten Anhalten des Vordermannes hätte rechnen und dementsprechend sicherstellen müssen, selber jederzeit rechtzeitig anhalten zu können. Unter diesen Umständen war es für die Verurteilung der Beschwerdeführerin unerheblich, ob der Kollisionsbeteiligte sein Abbiegemanöver mit einem abrupten Bremsen einleitete und mit dem Blinker anzeigte oder nicht. Es kann daher keine Rede davon sein, das Kantonsgericht habe den rechtserheblichen Sachverhalt willkürlich festgestellt oder den Anklagegrundsatz verletzt.
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4.
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Die Beschwerde ist damit abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Sie grenzt an Trölerei und wäre besser unterblieben. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Kosten (Art. 156 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 22. Januar 2002
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Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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