VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2A.209/2002  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2A.209/2002 vom 08.05.2002
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.209/2002 /bmt
 
Urteil vom 8. Mai 2002
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
 
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli,
 
Gerichtsschreiber Feller.
 
Y.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Alex Hediger, Freiestrasse 82, Postfach, 4010 Basel,
 
gegen
 
Polizei- und Militärdepartement des Kantons Basel-Stadt, Spiegelhof, Spiegelgasse 6, Postfach, 4001 Basel,
 
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.
 
Aufenthaltsbewilligung
 
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 11. Januar 2002)
 
Es wird festgestellt und in Erwägung gezogen:
 
1.
 
Der libanesische Staatsangehörige Y.________, geboren 1966, reiste im Oktober 1989 in die Schweiz ein und stellte im Kanton Basel-Stadt ein Asylgesuch. Nach Abweisung des Asylgesuchs und während der Hängigkeit des diesbezüglichen Beschwerdeverfahrens heiratete er am 7. August 1992 eine Schweizer Bürgerin. Demzufolge erhielt er eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei der Ehefrau. Die Ehegatten lebten seit Anfang 1994 getrennt; am 13. Januar 1996 verstarb die Ehefrau. Die Fremdenpolizei des Kantons Basel-Stadt lehnte es am 13. September 1996 ab, Y.________ die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Gegen diese Verfügung erhobene Rekurse blieben erfolglos. Kurz vor dem letztinstanzlichen kantonalen Entscheid (des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 24. Oktober 1997), am 23. September 1997, heiratete Y.________ erneut eine Schweizer Bürgerin, und er erhielt wiederum eine Aufenthaltsbewilligung. Mit Verfügung vom 4. Januar 2000 wurde jedoch eine Verlängerung der Bewilligung abgelehnt. Der gegen diese Verfügung erhobene Rekurs an das Polizei- und Militärdepartement des Kantons Basel-Stadt blieb erfolglos. Den beim Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt eingereichten und an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht weitergeleiteten Rekurs wies dieses am 11. Januar 2002 ab. Das Urteil des Appellationsgerichts wurde dem Vertreter von Y.________ am 19. März 2002 eröffnet.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 30. April 2002 beantragt Y.________, das Urteil des Appellationsgerichts sei vollumfänglich aufzuheben und die ihm erteilte Aufenthaltsbewilligung sei antragsgemäss um ein weiteres Jahr zu verlängern.
 
Es ist weder ein Schriftenwechsel angeordnet, noch sind andere Instruktionsmassnahmen (Einholen der kantonalen Akten) verfügt worden.
 
2.
 
2.1 Gemäss Art. 7 Abs. 1 ANAG hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Art. 7 Abs. 2 ANAG hält fest, dass kein Anspruch besteht, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen.
 
Art. 7 Abs. 2 ANAG bezieht sich auf die so genannte Scheinehe. Ein Bewilligungsanspruch soll nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift dann nicht bestehen, wenn schon zum Vornherein nie der Wille bestand, eine Ehe einzugehen, und der einzige Zweck der Heirat darin besteht, dem Ausländer zu einer fremdenpolizeirechtlichen Bewilligung zu verhelfen. Das Appellationsgericht geht davon aus, dass es sich bei der im Jahr 1997 geschlossenen Ehe um eine Scheinehe handeln könnte, ohne dies aber abschliessend anzunehmen. Es hat die Bewilligungsverweigerung vielmehr darum geschützt, weil die Berufung auf die Ehe, selbst wenn diese ursprünglich nicht bloss aus ausländerrechtlichen Gründen eingegangen worden sein sollte, unter den gegebenen Umständen rechtsmissbräuchlich sei.
 
Nach feststehender bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt Rechtsmissbrauch vor, wenn der Ausländer sich im fremdenpolizeirechtlichen Verfahren auf eine Ehe beruft, welche nur noch formell besteht oder aufrecht erhalten wird mit dem alleinigen Ziel, ihm eine Anwesenheitsbewilligung zu ermöglichen; dieses Ziel wird von Art. 7 ANAG nicht geschützt (BGE 127 II 49 E. 5a S. 56, mit Hinweisen). So verhält es sich insbesondere dann, wenn der schweizerische Ehegatte des um Bewilligung ersuchenden Ausländers seit Jahren von diesem getrennt lebt und mit einer Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft offensichtlich nicht mehr zu rechnen ist, wobei es auf die Ursache der Trennung der Ehegatten nicht ankommt. Die Berufung auf die Ehe läuft in einem solchen Fall darauf hinaus, dem Ausländer völlig losgelöst von der Aussicht auf ein irgendwie geartetes Zusammenleben mit dem schweizerischen Ehegatten den Aufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen; auf eine derartige Beanspruchung des Aufenthaltsrechts des ausländischen Ehegatten in der Schweiz ist Art. 7 ANAG nicht ausgerichtet (BGE 127 II 49 E. 5b-d S. 57 ff., mit Hinweisen auf nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichts).
 
2.2 Dafür, dass der um Bewilligung ersuchende Ausländer nicht (mehr) eine eigentliche Lebensgemeinschaft führen, sondern die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung umgehen will, sind konkrete Hinweise erforderlich. Wie es sich damit verhält, entzieht sich in der Regel dem direkten Beweis und ist oft - wie bei der eigentlichen Scheinehe (vgl. BGE 122 II 289 E. 2b S. 295) oder früher bei der Bürgerrechtsehe (vgl. BGE 98 II 1 ff.) - nur durch Indizien zu erstellen (BGE 127 II 49 E. 5a S. 57). Feststellungen über das Bestehen solcher Indizien können äussere Gegebenheiten, aber auch innere, psychische Vorgänge betreffen (Wille der Ehegatten); es handelt sich so oder anders um tatsächliche Gegebenheiten (BGE 98 II 1 E. 2a S. 6; vgl. auch BGE 125 IV 242 E. 3c S. 252; 119 IV 242 E. 2c S. 248; 95 II 143 E. 1 S. 146), und diesbezügliche Feststellungen binden das Bundesgericht, wenn eine richterliche Behörde als Vorinstanz den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen ermittelt hat (Art. 105 Abs. 2 OG). Frei zu prüfen ist dagegen die Rechtsfrage, ob die festgestellten Tatsachen (Indizien) darauf schliessen lassen, das Festhalten an der Ehe bezwecke die Umgehung fremdenpolizeilicher Vorschriften.
 
2.3 Das Appellationsgericht geht in seinem Urteil von der erwähnten Rechtsprechung aus. Seine Ausführungen zur Bedeutung von Indizien für die Annahme einer Scheinehe bzw. eines Rechtsmissbrauchs sind zutreffend (E. 4a und b). In E. 5 und E. 6c und d hat es eine Reihe von tatsächlichen Feststellungen getroffen, die im Einzelnen unter dem Gesichtspunkt von Art. 105 Abs. 2 OG nicht zu beanstanden sind. Namentlich werden folgende Indizien hervorgehoben: Beide Ehen ging der Beschwerdeführer gerade rechtzeitig ein, um sich aus einer prekären fremdenpolizeirechtlichen Situation zu retten. Bereits in erster Ehe war der Beschwerdeführer mit einer - drogensüchtigen - Prostituierten verheiratet, mit welcher er keine wirkliche Ehegemeinschaft lebte. Die zweite Ehefrau ist als freischaffende Masseuse tätig. Alles weist darauf hin, dass die Ehegatten, wenn überhaupt je, höchstens während kurzer Zeit und dann unter dem Druck erkennbarer fremdenpolizeilicher Abklärungen zusammen wohnten. Im angefochtenen Urteil wird schlüssig aufgezeigt, dass insbesondere diesbezüglich widersprüchliche, variierende Äusserungen der Ehegatten vorliegen. Bei Vorliegen einer echten Ehe nicht nachvollziehbar erscheint, zumindest unter den konkreten tatsächlichen Umständen (die Ehefrau pflegt enge Kontakte mit ihrer Mutter, vgl. angefochtenes Urteil E. 6c), dass die Schwiegermutter den Beschwerdeführer selbst Mitte 1999 noch nie gesehen hatte. Die in E. 6d des angefochtenen Urteils geschilderte Episode ist sodann nicht isoliert zu bewerten, sondern auf diesem Hintergrund zu sehen.
 
Es ist nicht zu beanstanden, sondern liegt vielmehr auf der Hand, dass das Appellationsgericht bei derartigen Verhältnissen der schriftlichen Erklärung der Ehefrau des Beschwerdeführers vom 14. Juli 2001, worauf er sich beruft, keine massgebliche Bedeutung beigemessen hat. Ebenso wenig ist ausschlaggebend, dass bisher kein Scheidungsverfahren angestrengt worden ist, wie das Appellationsgericht in E. 6e seines Urteils zutreffend dargelegt. Jedenfalls durfte die Vorinstanz angesichts der geschilderten Gegebenheiten den tatsächlichen Schluss ziehen, dass die Ehegatten, insbesondere der Beschwerdeführer, seit langem keinen Ehewillen haben und keine eheliche Gemeinschaft bilden wollen, sofern dies überhaupt je der Fall gewesen sein sollte. Die tatsächliche Feststellung, der Bestand der Ehe sei für den Beschwerdeführer ausschliesslich nur noch für ausländerrechtliche Zwecke von Bedeutung, hält der beschränkten Überprüfung gemäss Art. 105 Abs. 2 OG stand.
 
2.4 Steht aber in tatsächlicher Hinsicht fest, dass der Beschwerdeführer nur darum am Fortbestand der Ehe interessiert ist, um eine weitere Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu erwirken, kann er gemäss Art. 7 Abs. 2 ANAG aus seiner Ehe mit einer Schweizer Bürgerin keinen Anspruch auf fremdenpolizeiliche Bewilligung ableiten, selbst wenn bisher kein Scheidungs- oder Trennungsverfahren eingeleitet worden ist. Die Voraussetzungen für die Annahme eines offensichtlichen Rechtsmissbrauchs sind erfüllt. Das angefochtene Urteil, auf dessen Erwägungen im übrigen verwiesen werden kann (vgl. Art. 36a Abs. 3 OG), verletzt somit Art. 7 ANAG nicht.
 
2.5 Der Beschwerdeführer beruft sich sodann vergeblich auf Art. 8 EMRK. Soweit dieser das Recht auf Achtung des Familienlebens garantiert, kommt er mangels tatsächlich gelebter ehelicher Beziehung nicht zum Tragen. Was den Gesichtspunkt des Rechts auf Achtung des Privatlebens betrifft, so liesse sich aus Art. 8 EMRK allenfalls bei Vorliegen ganz besonderer Umstände ein Recht auf Erteilung einer fremdenpolizeirechtliche Bewilligung ableiten (BGE 120 Ib 16 E. 3b S. 21 f.). Selbst langjährige Anwesenheit im Land lässt für sich allein aber grundsätzlich noch kein derartiges Recht entstehen, nachdem der Gesetzgeber einen solchen Tatbestand nicht vorsehen wollte. Vorausgesetzt wäre jedenfalls eine besonders ausgeprägte Verwurzelung in der Schweiz, welche einen Wegzug und ein Leben anderswo als praktisch unmöglich erscheinen liesse (Urteil des Bundesgerichts 2P.113/2000 vom 25. Mai 2000, E. 2b, mit Hinweis). Davon kann vorliegend schon darum keine Rede sein, weil die bisherige Landesanwesenheit des Beschwerdeführers in erheblichem Masse auf missbräuchlichen Vorkehrungen beruht und zudem teils auch verfahrensrechtlich bedingt ist.
 
2.6 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet, und sie ist im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG) abzuweisen.
 
Mit diesem Urteil wird das im Hinblick auf die mit der Bewilligungsverweigerung verbundene Wegweisung gestellte Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
 
2.7 Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Polizei- und Militärdepartement des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht sowie dem Bundesamt für Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 8. Mai 2002
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).