BGer 2A.206/2002 | |||
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BGer 2A.206/2002 vom 15.05.2002 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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2A.206/2002 /bie
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Urteil vom 15. Mai 2002
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II. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
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Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
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Gerichtsschreiberin Müller.
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A.________, z.Zt. Flughafengefängnis, 8058 Zürich, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Alex de Capitani, c/o de Capitani & Uffer, Dufourstrasse 32, 8008 Zürich,
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gegen
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Migrationsamt des Kantons Zürich,
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Berninastrasse 45, 8090 Zürich,
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Bezirksgericht Zürich, Haftrichter,
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Wengistrasse 28, Postfach, 8026 Zürich.
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Ausschaffungshaft gemäss Art. 13b ANAG
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(Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung
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des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter, vom 26. April 2002)
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Sachverhalt:
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A.
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Am 23. April 2002 nahm die Stadtpolizei Zürich den 1986 geborenen A.________ wegen Verdachts auf Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz fest. Dieser erklärte anlässlich der Befragung vom selben Tag, er stamme aus Ghana, habe aber später in Südafrika gelebt; er sei von dort aus nach Italien gereist und vor einigen Tagen durch einen Schlepper in die Schweiz gebracht worden. Mit Entscheid vom 24. April 2002 verurteilte ihn die Jugendanwaltschaft Winterthur wegen rechtswidriger Einreise in die Schweiz und rechtswidrigen Verweilens im Lande zu einer Einschliessungsstrafe von acht Tagen bedingt. Mit Verfügung vom 25. April 2002 wies das Migrationsamt des Kantons Zürich A.________ aus dem Gebiet der Schweiz weg und ordnete über ihn die Ausschaffungshaft an. Am 26. April 2002 genehmigte der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich (im Folgenden: Haftrichter) die Ausschaffungshaft bis zum 23. Juli 2002.
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B.
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Dagegen hat A.________ mit Eingabe vom 3. Mai 2002 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Er beantragt, die Verfügung des Haftrichters aufzuheben und ihn aus der Ausschaffungshaft zu entlassen. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
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Das Migrationsamt des Kantons Zürich beantragt die Abweisung der Beschwerde. Der Haftrichter hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesamt für Ausländerfragen hat sich nicht vernehmen lassen. Der Beschwerdeführer hat sich nicht mehr zur Sache geäussert.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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1.1 Die zuständige Behörde kann einen Ausländer in Ausschaffungshaft nehmen, sofern die Voraussetzungen von Art. 13b ANAG erfüllt sind. Danach ist erforderlich, dass ein erstinstanzlicher, nicht notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt (vgl. BGE 121 II 59 E. 2 S. 61; 125 II 369 E. 3a S. 374; 122 II 148 E. 1 S. 150), dessen Vollzug (z.B. wegen fehlender Reisepapiere) noch nicht möglich, jedoch absehbar ist (BGE 125 II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 2a S. 379). Sodann muss einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe bestehen (BGE 125 II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 3a S. 381; 124 II 1 E. 1 S. 3) und die Ausschaffung rechtlich und tatsächlich möglich sein (vgl. Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG; dazu BGE 125 II 217 E. 2 S. 220, 377 E. 5 S. 384). Auf Seiten der Behörden sind die für den Vollzug der Wegweisung notwendigen Vorkehrungen (wie Identitäts- und Herkunftsabklärungen, Papierbeschaffung) umgehend zu treffen (Art. 13b Abs. 3 ANAG, Beschleunigungsgebot; vgl. BGE 124 II 49 ff.).
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1.2 Das Migrationsamt hat den Beschwerdeführer aus dem Gebiet der Schweiz weggewiesen. Der Vollzug der Wegweisung ist zurzeit aufgrund fehlender Reisepapiere noch nicht möglich. Er ist jedoch absehbar, besteht doch vorderhand kein Grund zur Annahme, dass die als Heimatstaat in Frage kommenden Staaten Ghana oder Südafrika zu einer Rücknahme des Beschwerdeführers grundsätzlich nicht innert nützlicher Frist bereit sein sollten, sobald seine Identität geklärt ist. Es besteht auch kein Hinweis darauf, dass der Vollzug der Ausschaffung rechtlich oder tatsächlich nicht möglich sein sollte. Die Haft ist daher zulässig, wenn einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe gegeben ist.
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2.
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2.1 Der Haftrichter stützt die Haft auf Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG. Danach kann der Ausländer in Ausschaffungshaft genommen werden, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass er sich der Ausschaffung entziehen will, insbesondere weil sein bisheriges Verhalten darauf schliessen lässt, dass er sich behördlichen Anordnungen widersetzt (Gefahr des Untertauchens). Erforderlich sind konkrete Anhaltspunkte, dass sich der Ausländer der Ausschaffung entziehen und untertauchen will. Der Vollzug der Wegweisung muss erheblich gefährdet erscheinen. Dies trifft namentlich zu, wenn der Ausländer bereits einmal untergetaucht ist, behördlichen Anordnungen keine Folge leistet oder durch erkennbar unglaubwürdige und widersprüchliche Angaben die Vollzugsbemühungen der Behörden erschwert. Bei einem straffälligen Ausländer ist eher als bei einem unbescholtenen davon auszugehen, er werde in Zukunft behördliche Anweisungen missachten. Der illegale Aufenthalt in der Schweiz, die Tatsache, dass der Betroffene keine Papiere besitzt und nur mangelhaft an deren Beschaffung mitwirkt sowie das Fehlen eines festen Aufenthaltsorts oder Mittellosigkeit genügen für sich allein nicht für die Annahme von Untertauchensgefahr, können diese jedoch gegebenenfalls zusammen mit andern Hinweisen indizieren (vgl. BGE 122 II 49 E. 2a S. 50 f.). Insbesondere darf Ausschaffungshaft nicht einfach vorsorglich angeordnet werden, nur weil erfahrungsgemäss eine bestimmte Anzahl der zur Ausreise verpflichteten Ausländer untertaucht. Vielmehr muss die zuständige Behörde in jedem konkreten Fall eine Prognose stellen (Alain Wurzburger, La jurisprudence récente du Tribunal fédéral en matière de police des étrangers, in: RDAF 53/1997, S. 332 f.). Dabei muss sie das Verhalten des Ausländers in seiner Gesamtheit würdigen (Urteile des Bundesgerichts vom 26. Juli 2000 [2A.322/2000], E. 2b, vom 4. Oktober 1999 [2A.479/1999], E. 3b, und vom 6. Februar 1998 [2A.22/1998], E. 3a).
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2.2 Im vorliegenden Fall bestehen mehrere auf Untertauchensgefahr hindeutende Indizien. Sie genügen zwar, je einzeln betrachtet, noch nicht für die Annahme der Untertauchensgefahr; hingegen lassen sie insgesamt darauf schliessen, dass der Beschwerdeführer keine Gewähr dafür bietet, dass er sich zu gegebener Zeit, wenn die Reisepapiere vorliegen, für den Vollzug der Ausschaffung zur Verfügung halten wird:
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Der Beschwerdeführer ist illegal in die Schweiz eingereist und ist mittellos. Die Wohnung, in welcher er sich im Zeitpunkt seiner Festnahme - nach eigenen Angaben seit einigen Tagen - aufhielt, kann kaum als fester Aufenthaltsort bezeichnet werden, nachdem deren Mieterin wegen Verdachts auf Drogenhandel verhaftet worden ist. In dieser Wohnung stellte die Stadtpolizei Zürich bei ihrer Kontrolle vom 23. April 2002 ca. 45 Gramm Kokain sowie einen grösseren Bargeldbetrag sicher. Indessen geht aus den Akten nicht hervor, ob gegen den Beschwerdeführer formell ein Strafverfahren wegen Verdachts auf Betäubungsmitteldelikte eingeleitet worden und wie weit ein allfälliges Verfahren fortgeschritten ist. Es stellt sich aber immerhin die Frage, wie und warum der Beschwerdeführer ausgerechnet bei Personen, die im Zusammenhang mit Drogenhandel stehen, Unterschlupf gefunden hat. Seine Aussage, wonach er sich erst seit einigen Tagen in der Schweiz aufhalte, erscheint zudem zweifelhaft, hat doch ein Untermieter gegenüber der Stadtpolizei angegeben, der Beschwerdeführer übernachte seit November 2001 in dieser Wohnung. Erstaunlich erscheint auch seine Aussage, wonach der weisse Mann, der ihn auf dem Schiff nach Italien versteckt und anschliessend in einem Auto in die Schweiz gebracht habe, für diese Dienste kein Geld angenommen, ihm aber auch keinen Verdienst in Aussicht gestellt oder etwas von ihm verlangt habe. Hat der Schlepper den Beschwerdeführer durch mehrere Länder geschleust, ohne von ihm Geld zu verlangen, so wird er dies nicht aus reiner Menschenliebe getan haben. Es ist eher zu vermuten, dass der Beschwerdeführer - der nie um Asyl ersucht hat - zu einem deliktischen Zweck in die Schweiz gebracht worden ist. Ob - und wann - er darüber informiert worden ist, und ob man ihm vorerst einen andern Aufenthaltszweck vorgaukelte, ist jedoch nicht bekannt. Im Übrigen fällt auch auf, dass der Beschwerdeführer anlässlich der Befragung durch den Haftrichter nicht darüber Auskunft geben konnte, wo er in in Südafrika das Schiff bestiegen hatte und in welchem Hafen in Italien dieses gelandet war, was gewisse Zweifel an der behaupteten Reiseroute weckt.
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Angesichts dieser speziellen Umstände, unter denen der Beschwerdeführer in die Schweiz gelangt sein soll, sowie seines Aufenthalts - von welcher Dauer auch immer - in einem dubiosen Milieu, muss - zusammen mit den erwähnten übrigen Indizien - hier die Untertauchensgefahr klar bejaht werden. Das jugendliche Alter des Beschwerdeführers steht der Haft im Übrigen nicht entgegen (vgl. Art. 13c Abs. 3 Satz 2 ANAG).
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2.3 Die Anordnung der Ausschaffungshaft ist daher im vorliegenden Fall mit Bundesrecht vereinbar.
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3.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen. Da sie sich jedoch als von vornherein aussichtslos erweist, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen (Art. 152 OG). Auf Erhebung von Kosten wird verzichtet.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
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2.1 Es werden keine Kosten erhoben.
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3.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt des Kantons Zürich, dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, sowie dem Bundesamt fürt Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 15. Mai 2002
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
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