BGer 7B.75/2002 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
BGer 7B.75/2002 vom 24.07.2002 | |
Tribunale federale
| |
{T 0/2}
| |
7B.75/2002 /bnm
| |
Urteil vom 24. Juli 2002
| |
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
| |
Bundesrichterin Nordmann, Präsidentin,
| |
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
| |
Gerichtsschreiber Gysel.
| |
Z.________,
| |
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Adrian Kneubühler, Hauptstrasse 54, Postfach 355, 2560 Nidau,
| |
gegen
| |
Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn, Amthaus 1, 4502 Solothurn.
| |
Verteilungsplan.
| |
Beschwerde gegen das Urteil der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn vom 8. April 2002.
| |
Sachverhalt:
| |
A.
| |
Der durch den Konkursrichter von A.________ am 15. April 1999 über Y.________ eröffnete Konkurs wird im summarischen Verfahren durchgeführt. Zur Konkursmasse gehörte das in der Gemeinde B.________ gelegene Grundstück Nr. ..., auf dem am 21. September 1992 ein bis zum 3. Juni 2017 befristetes Gewinnanteilsrecht zu Gunsten der Schwester des Gemeinschuldners, Z.________, im Grundbuch vorgemerkt worden war. Am 31. Oktober 2000 führte das Konkursamt C.________ rechtshilfeweise die Steigerung des Grundstücks durch; der Zuschlag wurde für 760'000 Franken der Bank X.________ (Grundpfandgläubigerin) erteilt. Gemäss Abrechnung des erwähnten Konkursamtes vom 31. Januar 2001 stehen dem Zuschlagspreis und einem Bruttoerlös von Fr. 42'500.-- aus Miete Verwaltungs- und Verwertungskosten von Fr. 29'500.-- gegenüber.
| |
Das Konkursamt D.________ errichtete am 23. Oktober 2001 einen Verteilungsplan. Darin erscheinen Einnahmen von insgesamt Fr. 773'000.-- (Fr. 760'000.- als Erlös aus der Verwertung des Grundstücks in B.________ und Fr. 13'000.-- als [Netto-]Mietzinsen) sowie Ausgaben von insgesamt Fr. 222'660.-- (Fr. 72'320.-- als Kosten des Konkursamtes D.________ und Fr. 150'340.-- unter dem Titel "Erbquote / Gewinnanteilsrecht Frau Z.________"). Ferner führte das Konkursamt ein gesetzliches Pfandrecht der Versicherung W.________ von Fr. 327.75 sowie ein vertragliches Pfandrecht der Bank X.________ von insgesamt Fr. 570'100.45 auf und gelangte so zum Schluss, es habe sich ein Pfandausfall von Fr. 20'088.20 ergeben.
| |
Am 29. November 2001 ordnete der Konkursrichter die Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven an. Dem Rekurs von Y.________ gegen diesen Entscheid hat das Obergericht des Kantons Solothurn aufschiebende Wirkung zuerkannt.
| |
B.
| |
Mit Eingabe vom 28. Januar 2002 erhob Y.________ bei der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn Beschwerde und beantragte, der Verteilungsplan vom 23. Oktober 2001 sei insofern abzuändern, als der unter der Position "Erbquote/Gewinnanteilsrecht Frau Z.________" angeführte Betrag von Fr. 150'340.-- einerseits für die Deckung des Pfandausfalls bei den vertraglichen Pfandrechten bzw. der Forderungen der Bank X.________ gemäss Lastenverzeichnis von Fr. 20'088.20 zu verwenden und der Restbetrag von Fr. 130'251.80 der Konkursmasse zuzuweisen sei.
| |
Die kantonale Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde mit Urteil vom 8. April 2002 in dem Sinne gut, dass sie den Verteilungsplan aufhob und die Sache an das Konkursamt D.________ zurückwies, damit dieses im Sinne der Erwägungen verfahre.
| |
C.
| |
Z.________ nahm das Urteil der kantonalen Aufsichtsbehörde am 11. April 2002 in Empfang. Mit einer vom 22. April 2002 (Montag) datierten und noch am gleichen Tag zur Post gebrachten Eingabe führt sie (rechtzeitig) Beschwerde an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Sie beantragt, den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde aufzuheben und den Verteilungsplan vom 23. Oktober 2001 zu bestätigen.
| |
Die kantonale Aufsichtsbehörde und der Beschwerdegegner Y.________ schliessen auf Abweisung der Beschwerde (soweit darauf einzutreten sei). Das Konkursamt D.________ schliesst sich dem Rechtsbegehren und der Argumentation der Beschwerdeführerin an.
| |
Die Kammer zieht in Erwägung:
| |
1.
| |
Bei der Prüfung der Frage, ob die an sie gerichtete Beschwerde vom 28. Januar 2002 rechtzeitig eingereicht worden sei, ist die Vorinstanz davon ausgegangen, es sei nicht bewiesen, dass der Verteilungsplan dem Beschwerdegegner (dem damaligen Beschwerdeführer) zugestellt worden sei. Ebenso wenig sei dargetan, dass dieser entgegen seinem Vorbringen schon vor dem 17. Januar 2002 vom angefochtenen Schriftstück Kenntnis gehabt habe.
| |
1.1 Die Beschwerdeführerin, die die Beschwerde für verspätet hält, wirft der kantonalen Aufsichtsbehörde vor, sie habe die Beweislast für die Zustellung des Verteilungsplanes an den Beschwerdegegner in Verletzung von Art. 8 ZGB dem Konkursamt zugewiesen. Letzteres sei nämlich nur dann zulässig, wenn das Amt die Formvorschrift von Art. 34 SchKG (Grundsatz der Zustellung durch eingeschriebenen Brief oder durch Übergabe gegen Empfangsbescheinigung) nicht beachtet habe. Dass dieser Tatbestand vorgelegen habe, wäre sehr erstaunlich, seien doch die Anzeigen an die Gläubiger stets eingeschrieben versandt worden. Ausserdem ist die Beschwerdeführerin der Ansicht, dass die Beschwerde vom 28. Januar 2002 auch dann als verspätet zu betrachten wäre, wenn dem Beschwerdegegner der Verteilungsplan nicht zugestellt worden sein sollte: Wenn der Gerichtspräsident von A.________ am 29. November 2001 die Einstellung des Konkursverfahrens angeordnet habe, so deshalb, weil der Erlös aus der Versteigerung unter Berücksichtigung des Gewinnanteilsrechts zu tief ausgefallen sei. Der Beschwerdegegner müsse somit zumindest im Zeitpunkt der Einreichung seines Rekurses gegen den Einstellungsentscheid vom Verteilungsplan Kenntnis gehabt haben. In Anbetracht dessen, dass das Konkursamt in jenem Rechtsmittelverfahren bereits am 15. Januar 2002 seine Stellungnahme zum Rekurs verfasst habe, sei offensichtlich, dass die am 28. Januar 2002 eingereichte Beschwerde verspätet gewesen sei.
| |
1.2 Die Rüge der Missachtung von Art. 8 ZGB ist unbegründet: Die Beweislast dafür, dass eine Verfügung überhaupt zum Versand an einen bestimmten Adressaten gelangt sei, der verfügenden Behörde aufzuerlegen steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl. BGE 114 III 51 E. 3c S. 53). Die Vorbringen der Beschwerdeführerin beruhen auf der den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (vgl. Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 81 OG) widersprechenden Annahme, der Verteilungsplan sei (auch) an den Beschwerdegegner versandt worden. Sodann ist den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid nichts zu entnehmen, was darauf schliessen liesse, der Beschwerdegegner hätte aus der vom Konkursrichter verfügten Einstellung des Konkursverfahrens schliessen müssen, was das Konkursamt im Verteilungsplan bezüglich des strittigen Gewinnanteilsrechts angeordnet habe. Soweit die Beschwerdeführerin die Rechtzeitigkeit der vom Beschwerdegegner eingereichten Beschwerde in Frage stellt, ist ihre Beschwerde somit unbegründet.
| |
2.
| |
Die kantonale Aufsichtsbehörde erklärt selbst, das Vorgehen des Konkursamtes bei der Verwertung des Grundstücks erwecke Bedenken. Es stehe fest, dass ein eigentliches Kollokationsverfahren nicht durchgeführt worden sei. Voraussetzung für eine Verwertung sei jedoch unter anderem die Rechtskraft des Kollokationsplanes und des betreffenden Lastenverzeichnisses. Bezüglich des Zeitpunkts der Verwertung eines Grundstücks sei ausserdem auf Art. 128 VZG hinzuweisen, wonach dort, wo laut den Einträgen im Grundbuch Pfandrechte oder andere beschränkte dingliche Rechte am Grundstück geltend gemacht würden, die Verwertung selbst bei Dringlichkeit erst dann stattfinden dürfe, wenn das Kollokationsverfahren über diese Rechte durchgeführt und allfällige Kollokationsprozesse rechtskräftig erledigt seien. Gemäss der erwähnten Bestimmung dürfe zwar die Aufsichtsbehörde ausnahmsweise bewilligen, die Versteigerung schon vor diesem Zeitpunkt durchzuführen, sofern keine berechtigten Interessen verletzt würden. Indessen habe auf Grund der Aktenlage hier kein Anlass für eine vorzeitige Verwertung des Grundstücks bestanden und eine solche sei von ihr auch nicht bewilligt worden. Alsdann bemerkt die Vorinstanz, der angefochtene Verteilungsplan sei selbst dann fehlerhaft, wenn davon ausgegangen werde, das Lastenverzeichnis vom 8. September 1999 genüge den vom Gesetz an einen Kollokationsplan gestellten Anforderungen. Der Verteilungsplan weiche insofern vom rechtskräftigen Lastenverzeichnis ab, als das Gewinnanteilsrecht wie eine grundpfandgesicherte Forderung behandelt worden sei. Das sei nicht statthaft, weil damit das an sich abgeschlossene Kollokationsverfahren wieder aufgerollt werde.
| |
Zum weiteren Vorgehen stellt die kantonale Aufsichtsbehörde fest, das Konkursamt werde das Konkursverfahren nur dann fortzusetzen haben, wenn der gegen die Einstellungsverfügung eingereichte Rekurs gutgeheissen werden sollte. Im Falle einer Abweisung des Rekurses werde das Konkursamt zu prüfen
| |
haben, ob die Sache als Verfahren einer Grundpfandverwertung fortzusetzen sei. Fest stehe auf jeden Fall, dass Lastenverzeichnis und Steigerungszuschlag in Rechtskraft erwachsen seien.
| |
3.
| |
Ein Kollokationsplan ist stets auch im summarischen Verfahren zu erstellen (Art. 70 der Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter [KOV; SR 281.32]; vgl. auch Art. 231 Abs. 3 SchKG). Gehört zur Masse ein Grundstück, hat das Konkursamt ausserdem das entsprechende Lastenverzeichnis zu errichten, das seinerseits Bestandteil des Kollokationsplanes bildet (Art. 247 Abs. 2 SchKG).
| |
Der Kollokationsplan soll darüber Auskunft geben, wie die geltend gemachten bzw. in den öffentlichen Büchern vermerkten dinglichen Rechte an den Vermögenswerten des Gemeinschuldners nach Auffassung des Konkursamtes hinsichtlich Bestand, Betrag und Rang behandelt werden sollen (vgl. Jaeger/ Walder/Kull/Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. Auflage, N 5 zu Art. 247; Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Auflage, § 46 Rz 18; Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, II. Band, 3. Auflage, § 49 Rz 13). Dem Kollokationsplan muss mit andern Worten entnommen werden können, welche an der Konkursmasse berechtigten Personen - zu denen auch die Träger von vorgemerkten persönlichen Rechten zählen (vgl. Dieter Hierholzer, in: Kommentar zum SchKG, Basel 1998, N 22 zu Art. 250) - aus dem Verwertungserlös befriedigt werden sollen und in welchem Umfang (vgl. Pierre-Robert Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, N 21 zu Art. 247). Der endgültige Entscheid über diese Frage ist nicht der Aufsichtsbehörde, sondern dem Richter vorbehalten (Kollokationsklage nach Art. 250 SchKG). In seiner in Rechtskraft erwachsenen Fassung bildet der Kollokationsplan dereinst Grundlage für die Verteilung des Verwertungserlöses (vgl. Art. 261 SchKG sowie Art. 83 Abs. 1 und Art. 85 am Ende KOV; BGE 97 III 39 E. 1 S. 41; 65 III 28 E. 1 S. 30; Hierholzer, a.a.O., N 5 zu Art. 247).
| |
4.
| |
Aus der Sicht des Gesagten ist der von der Vorinstanz angedeuteten Möglichkeit, das Lastenverzeichnis als Ersatz für den fehlenden Kollokationsplan gelten zu lassen, die Grundlage insofern von vornherein entzogen, als nicht dargetan ist, dass das Lastenverzeichnis eine Kollokationsverfügung zum Gewinnanteilsrecht der Beschwerdeführerin enthält. Fest steht sodann, dass die kantonale Aufsichtsbehörde - wie vor ihr das Konkursamt bei der Errichtung der Verteilungsliste - mit dem Entscheid über die Wirkung des Gewinnanteilsrechts und dessen Verhältnis zu den auf dem Grundstück lastenden Pfandrechten die für die Beurteilung dieser Frage geltende Zuständigkeitsordnung missachtet hat. Der Rechtsstreit ist (gegebenenfalls) vor dem (Kollokations-)Richter auszutragen. Der angefochtene Entscheid wie auch der Verteilungsplan vom 23. Oktober 2001 sind deshalb aufzuheben. Im Sinne des in BGE 55 III 39 E. 1 S. 42 f. Ausgeführten ist das Konkursamt sodann anzuweisen, den Kollokationsplan zu erstellen und aufzulegen. In der Folge wird es dann eine neue Verteilungsliste auszufertigen haben.
| |
Demnach erkennt die Kammer:
| |
1.
| |
1.1 Das Urteil der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn vom 8. April 2002 und der vom Konkursamt D.________ im Konkurs über Y.________ am 23. Oktober 2001 errichtete Verteilungsplan werden aufgehoben.
| |
1.2 Das Konkursamt D.________ wird angewiesen, den Kollokationsplan zu erstellen und aufzulegen.
| |
2.
| |
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Beschwerdegegner Y.________, vertreten durch Fürsprecher Beat Marfurt, Gurtengasse 6, Postfach 8320, 3001 Bern, der Bank X.________, dem Konkursamt D.________ und der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.
| |
Lausanne, 24. Juli 2002
| |
Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
| |
des Schweizerischen Bundesgerichts
| |
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
| |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |