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Informationen zum Dokument  BGer 2P.184/2002  Materielle Begründung
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BGer 2P.184/2002 vom 13.12.2002
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2P.184/2002 /kil
 
Urteil vom 13. Dezember 2002
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
 
Bundesrichter Hungerbühler, Bundesrichter Merkli,
 
Gerichtsschreiber Merz.
 
A.________ und B.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Reinhard Suhner,
 
SSG Salensteiner Steuerberatungs-Gesellschaft mbH,
 
Zum Chloster, 8268 Salenstein,
 
gegen
 
Steuerverwaltung des Kantons Thurgau, Rechtsdienst, Schlossmühlestrasse 15, 8500 Frauenfeld,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570 Weinfelden.
 
Staats- und Gemeindesteuern 1995/1996,
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 19. Juni 2002.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Eheleute A.________ und B.________ führen einen Landwirtschaftsbetrieb. Im Einspracheverfahren veranlagte sie die Kantonale Steuerverwaltung Thurgau am 14. September 2001 für die Staats- und Gemeindesteuern 1995/96 mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 138'400.-- und einem steuerbaren Vermögen von Fr. 444'300.--. Die dagegen von den Eheleuten A.-B.________ erhobenen Rechtsmittel wiesen die Steuerrekurskommission mit Entscheid vom 13. März 2002 sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Urteil vom 19. Juni 2002 ab.
 
B.
 
Mit Schreiben vom 21. August 2002 haben die Eheleute A.-B.________ beim Bundesgericht "Beschwerde" eingereicht mit dem sinngemässen Antrag, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache an die Kantonale Steuerverwaltung Thurgau zur Neuveranlagung zurückzuweisen, wobei für die Steuerjahre 1995/96 das steuerbare Einkommen auf Fr. 99'100.-- und das steuerbare Vermögen auf Fr. 365'700.-- festgesetzt werden sollen.
 
C.
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Die Kantonale Steuerverwaltung Thurgau hat sich nicht vernehmen lassen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet ein auf kantonalem Recht beruhender, letztinstanzlicher Endentscheid, gegen den auf Bundesebene nur die staatsrechtliche Beschwerde offen steht (Art. 84 Abs. 2, Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 OG sowie §§ 28 und 54 f. des Thurgauer Gesetzes vom 23. Februar 1981 über die Verwaltungsrechtspflege). Als solche ist die als "Beschwerde" bezeichnete Eingabe daher entgegenzunehmen. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Art. 73 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14) ist für die betroffene Steuerperiode 1995/96 ausgeschlossen (BGE 123 II 588 E. 2 S. 591 ff.). Die Beschwerdeführer werden durch den angefochtenen Entscheid in rechtlich geschützten Interessen betroffen (vgl. Art. 88 OG). Auf das fristgerecht eingereichte Rechtsmittel ist daher unter folgendem Vorbehalt einzutreten:
 
1.2 Gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG haben die Beschwerdeführer im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde in ihrer Eingabe darzulegen, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nicht von Amtes wegen, ob ein kantonaler Entscheid verfassungswidrig ist; es beurteilt nur klar und detailliert vorgebrachte und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 127 III 279 E. 1c S. 282; 125 I 492 E. 1b S. 495, je mit Hinweisen).
 
1.3 Die staatsrechtliche Beschwerde ist - von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen - rein kassatorischer Natur (vgl. BGE 125 I 104 E. 1b S. 107; 125 II 86 E. 5a S. 96, je mit Hinweisen). Soweit die Beschwerdeführer mehr verlangen als die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Entscheides, ist darauf nicht einzutreten.
 
2.
 
2.1 Für die Steuerperiode 1995/96 bemisst der Kanton Thurgau das steuerbare Einkommen nach dem durchschnittlichen Einkommen oder Ergebnis der beiden letzten der Steuerperiode vorangegangenen Kalender- bzw. Geschäftsjahre, hier also 1993/94 (vgl. § 58 des Thurgauer Gesetzes vom 14. September 1992 über die Staats- und Gemeindesteuern in der ursprünglichen Fassung, aStG/TG). Gemäss § 30 aStG/TG gehören bei selbständiger Erwerbstätigkeit Abschreibungen zum geschäftsmässig begründeten Aufwand, der von den steuerbaren Einkünften abgezogen werden kann (§ 28 aStG/TG).
 
2.2 Die Beschwerdeführer setzten in ihrer Eröffnungsbilanz per 1. Januar 1993 den Buchwert der Immobilien ihres landwirtschaftlichen Gewerbes, die unter anderem ein Einfamilienhaus mit einem auf Fr. 783'424.-- bezifferten Wert umfassen, mit insgesamt Fr. 1'605'915.-- ein und nahmen hievon ausgehend in den Geschäftsjahren 1993 und 1994 Abschreibungen von Fr. 75'915.-- und Fr. 16'576.-- vor. Die kantonale Steuerverwaltung akzeptierte den Buchwert von Fr. 1'605'915.-- aus der Eröffnungsbilanz in der Folge nicht und setzte ihn per 1. Januar 1993 auf Fr. 752'122.-- fest. Dies bestätigte letztinstanzlich und mit in Rechtskraft erwachsenem Entscheid vom 3. Mai 2000 das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. Damit hätte sich nach Abzug des im Dezember 1994 zum nämlichen Buchwert von Fr. 783'424.-- ins Privatvermögen übertragenen Einfamilienhauses für die übrigen Immobilien, die nur aus Landwerten ohne Bauten bestehen, ein negativer Buchwert von Fr. 31'302.-- ergeben. Insoweit korrigierte die Kantonale Steuerverwaltung den Buchwert um die bis zum 31. Dezember 1992 kumulierten Abschreibungen von Fr. 38'447.--, woraus wieder ein positiver Buchwert von Fr. 7'145.-- für die verbleibenden Landwerte resultierte. Sodann rechneten die kantonalen Steuerbehörden die in den Geschäftsjahren 1993 und 1994 getätigten Aufwendungen zum deklarierten Einkommen auf.
 
3.
 
3.1 Die Beschwerdeführer berufen sich zunächst sinngemäss auf den Schutz vor Willkür und die Wahrung von Treu und Glauben (Art. 9 BV; zum Willkürbegriff: BGE 127 I 60 E. 5a S. 70; 125 I 166 E. 2a S. 168, je mit Hinweisen; zu Treu und Glauben: vgl. BGE 126 II 377 E. 3a S. 387; 117 Ia 285 E. 2b S. 287, je mit Hinweisen; Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 128 ff., Rz. 622 ff.; Claude Rouiller, Protection contre l'arbitraire et protection de la bonne foi, in Daniel Thürer/Jean-François Aubert/Jörg Paul Müller [Hrsg.], Verfassungsrecht der Schweiz, 2001, S. 684 ff., N. 18 ff. zu § 42). Sie hätten ihre Buchhaltung für das Jahr 1993 bereits am 11. Februar 1994 und für das Jahr 1994 am 28. Februar 1995 abgeschlossen, also lange bevor die Steuerbehörden andere Werte für die Eingangsbilanz per 1. Januar 1993 verfügt hätten. Daher seien die Behörden zu Unrecht vom Buchwert ausgegangen, den das Verwaltungsgericht mit Entscheid vom 3. Mai 2000 bestätigt hatte.
 
3.2 Das Verwaltungsgericht hat gegen dieses Vorbringen im angefochtenen Urteil eingewandt, für die Frage, ob Abschreibungen steuerlich anerkannt werden, sei nicht die Buchhaltung massgebend, sondern das Steuergesetz. Die Steuerrekurskommission hatte in ihrem Entscheid hiezu ausserdem festgehalten, die Beschwerdeführer seien mit Schreiben vom 23. Oktober 1995 auf ihre Buchführungspflicht hingewiesen worden; darauf hätten sie am 22. Januar 1996 eine Eröffnungsbilanz eingereicht, zu welcher die Steuerverwaltung mit Schreiben vom 12. Februar 1996 Stellung genommen habe; spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten die Beschwerdeführer gewusst, dass der von ihnen angegebene Buchwert nicht akzeptiert werde.
 
3.3 Mit den Argumenten der kantonalen Instanzen setzen sich die Beschwerdeführer nicht auseinander. Ihre Rüge genügt damit den Begründungsanforderungen an eine staatsrechtliche Beschwerde nicht. Unter anderem legen sie nicht dar, inwiefern sich die Behörden widersprüchlich verhalten bzw. bei den Beschwerdeführern eine Vertrauensgrundlage geschaffen haben sollen. Auch fehlen jegliche Angaben zu etwaigen, von den Beschwerdeführern im entsprechenden Vertrauen getätigten Dispositionen, die nicht ohne Nachteil wieder rückgängig gemacht werden können. Im Übrigen ist es von vornherein nicht willkürlich, wenn von den Steuerbehörden wegen gesetzwidrigen Abschreibungen und den daraus erlangten Steuervorteilen eine Korrektur gefordert wird.
 
4.
 
4.1 Die Beschwerdeführer wenden sodann in Bezug auf die vorzunehmende Korrektur ein, die im Werk von Wolfgang Maute (Kommentar zum Gesetz über die Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Thurgau, 1989), das aufgrund der Stellung des Verfassers den Charakter einer Verwaltungsanweisung habe, auf S. 51 f. für übermässige Abschreibungen angeführte Praxis werde ihnen verweigert. Dies stelle eine Verletzung des Gleichheitsgebotes dar.
 
4.2 Die Beschwerdeführer legen nicht näher dar, inwiefern die Angaben im zitierten Kommentar von der beanstandeten Festsetzungsmethode abweichen. Sie verweisen nur pauschal auf den Kommentar und geben auch nicht dessen Inhalt wieder. Zudem wiederholen sie weitgehend nur ihre Rügen, die sie bereits vor den kantonalen Rechtsmittelinstanzen erhoben hatten und die dort behandelt worden waren, und setzen sich nicht mit der Begründung des angefochtenen Entscheids näher auseinander. Es ist daher ebenfalls zweifelhaft, ob dieses Vorbringen den Substantiierungsanforderungen genügt (vgl. E. 1.2). Allerdings erweist sich die Beschwerde in diesem Punkt ohnehin als unbegründet.
 
4.3 Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, es könne offen gelassen werden, ob der erwähnte Kommentar, der auf S. 51 f. eine bestimmte Art und Weise der Bereinigung von sog. Überabschreibungen vorsieht (zu den verschiedenen Methoden vgl. Francis Cagianut/Ernst Höhn, Unternehmungssteuerrecht, 3. Aufl. 1993, S. 510 f., N. 49-51 zu § 13), den Charakter einer Verwaltungsanweisung habe. Aus der Lektüre des Kommentars ergebe sich, dass auch die Übermässigkeit ihre Grenzen habe. Mit der Abschreibung werde der Wertabnahme der bilanzierten Vermögenswerte Rechnung getragen. Übermässige Abschreibungen würden im Allgemeinen unter der Voraussetzung zugelassen, dass die Steuervorteile, die dem Steuerpflichtigen aus der zeitlichen Verschiebung der Abschreibung erwachsen, durch einen gleichwertigen Zuschlag ausgeglichen werden. Im vorliegenden Fall habe der Buchwert des Geschäftsvermögens Fr. 752'122.-- betragen. Wenn das darin enthaltene Einfamilienhaus mit Fr. 783'424.-- aufgeführt und in der massgeblichen Steuerperiode ins Privatvermögen überführt werde, zeige das, dass offensichtlich kein abschreibungsfähiges Substrat vorhanden gewesen sei bzw. sämtliche immobilienmässigen Abschreibungen praxisgemäss in der entsprechenden Bemessungsperiode wieder aufzurechnen waren.
 
4.4 Der angefochtene Entscheid stützt sich auf kantonales Recht. Dessen Anwendung durch die kantonalen Behörden prüft das Bundesgericht vorliegend daher nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür (Art. 9 BV; vgl. BGE 123 I 313 E. 2b S. 317).
 
4.4.1 Gemäss obigen Feststellungen hätten - wie bereits die Steuerrekurskommission ausdrücklich bemerkt hat - gar keine Abschreibungen geltend gemacht werden dürfen. Die Situation der Beschwerdeführer ist somit nicht vergleichbar mit derjenigen von Steuerpflichtigen, die Abschreibungen vornehmen durften, dabei aber überhöhte Beträge angesetzt haben. Demnach ist es nicht willkürlich, insbesondere läuft es nicht in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwider, wenn die kantonalen Instanzen davon ausgegangen sind, die angeführte Passage aus dem Kommentar von Wolfgang Maute betreffe nur Letztere und nicht die Beschwerdeführer. Damit stösst letztlich auch der Vorwurf der Beschwerdeführer, sie würden nicht gemäss den Angaben im Kommentar behandelt, ins Leere.
 
4.4.2 Schliesslich wird im Vorwort zu dem genannten Kommentar von Wolfgang Maute (S. III) ausdrücklich erklärt, dieser binde die Steuerverwaltung nicht. Wenn dort angegeben wird, die Darstellungen hielten sich an die geltende Verwaltungspraxis, so ist ausserdem zu berücksichtigen, dass das Werk im Jahre 1989 erschienen ist, das damals geltende kantonale Steuergesetz vom 9. Juli 1964 aber am 1. Januar 1993 durch das hier anzuwendende Steuergesetz vom 14. September 1992 abgelöst worden ist, so dass nicht ohne weiteres auf eine Fortsetzung einer bestimmten Praxis geschlossen werden kann. Die Beschwerdeführer beschränken sich aber auf die Berufung auf den Kommentar aus dem Jahre 1989 und führen unter anderem auch nicht einen vergleichbaren Fall an, in welchem unter dem Regime des neuen Steuergesetzes anders als bei ihnen verfahren wurde.
 
5.
 
Die Rügen der Beschwerdeführer erweisen sich nach dem Gesagten als unbegründet, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Dies betrifft sowohl die Änderung des steuerbaren Einkommens als auch das damit zusammenhängende steuerbare Vermögen.
 
Dem Verfahrensausgang entsprechend haben die Beschwerdeführer als Solidarschuldner die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 156 Abs. 1 und 7 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Parteientschädigungen werden nicht geschuldet (vgl. Art. 159 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Steuerverwaltung sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 13. Dezember 2002
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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