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Informationen zum Dokument  BGer K 123/2002  Materielle Begründung
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BGer K 123/2002 vom 17.03.2003
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
K 123/02
 
Urteil vom 17. März 2003
 
II. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiberin Fleischanderl
 
Parteien
 
1. A.________,
 
2. B.________,
 
Beschwerdeführer, Erben des H.________, geboren 1935, gestorben am ... 2002, vertreten durch Rechtsanwältin Petra Oehmke, Bahnhofplatz 9, 8910 Affoltern am Albis,
 
gegen
 
Visana Krankenversicherung, Juristischer Dienst, Weltpoststrasse 19/21, 3000 Bern, Beschwerdegegner,
 
Vorinstanz
 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern
 
(Entscheid vom 20. September 2002)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1935 geborene H.________ litt seit Jahren an einem chronischen Schmerzsyndrom der Beine beidseits bei Diabetes mellitus Typ II, einer diabetogenen Polyneuropathie, einer arteriellen Verschlusskrankheit bei Status nach inguinalen Bypassoperationen, einer koronarer Herzkrankheit, einer arterieller Hypertonie sowie einem Status nach Opiat- und Benzodiazepinentzug 1992. Zur Schmerzbehandlung bezog er in der Zeit vom 7. Februar bis 10. April 2001 u.a. das Medikament Neurontin aus der Apotheke. Mit Abrechnung vom 27. Juni 2001 nahm die Krankenkasse Visana (nachfolgend: Visana) die Direktzahlung des Gesamtbetrages von Fr. 1079.60 vor und stellte ihrem Versicherten eine Kostenbeteiligung in Höhe von Fr. 14.90 sowie den Betrag von Fr. 930.65 für das Arzneimittel Neurontin, insgesamt Fr. 945.55, in Rechnung. In ihrer Verfügung vom 25. Juli 2001, bestätigt durch den Einspracheentscheid vom 12. Oktober 2001, hielt die Visana mit der Begründung an ihrer Rückforderung fest, die Spezialitätenliste sehe die Abgabe des betreffenden - limitierten - Medikamentes lediglich unter der Indikation Antiepileptica, nicht aber bei diabetischer Neuropathie vor, weshalb dafür keine Leistungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zustünden.
 
B.
 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern ab (Entscheid vom 20. September 2002).
 
C.
 
H.________ liess Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Visana zu verpflichten, die Kosten für das Medikament Neurontin zu übernehmen.
 
Während Vorinstanz und Visana auf Abweisung der Verwaltungsge-richtsbeschwerde schliessen, verzichtet das Bundesamt für Sozialver-sicherung (BSV) auf eine Vernehmlassung.
 
D.
 
Am 11. Oktober 2002 ist H.________ verstorben. Erben sind gemäss Erbenbescheinigung der Teilungsbehörde Z.________ vom 18. November 2002 die Ehefrau A.________ sowie der Sohn B.________, welche den Prozess fortführen lassen.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Streitig und zu prüfen ist, ob Anspruch auf Übernahme der Kosten des Medikamentes Neurontin von Fr. 930.65 aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung besteht. Verneinendenfalls stellt sich die Frage, ob die Beschwerdeführer für das von der Visana zu Unrecht vergütete nichtpflichtige Arzneimittel grundsätzlich rückerstattungspflichtig sind. Unbestritten ist demgegenüber die in der (Gesamt-)Rechnung vom 27. Juni 2001 enthaltene Kostenbeteiligung von Fr. 14.90.
 
2.
 
Wie im angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt wird, übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung gemäss Art. 25 KVG die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen (Abs. 1). Diese Leistungen umfas-sen unter anderem die ärztlich verordneten Arzneimittel (Abs. 2 lit. b). Die Leistungen nach Art. 25 KVG müssen gemäss Art. 32 Abs. 1 KVG wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein (Satz 1), wobei die Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein muss (Satz 2). Die Wirksamkeit - ebenso wie die Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungen - wird periodisch überprüft (Art. 32 Abs. 2 KVG). Das kantonale Gericht hat im Weiteren richtig festgehalten, dass das BSV laut Art. 52 Abs. 1 lit. b Satz 1 KVG (in Verbindung mit Art. 34, Art. 37a lit. c und Art. 37e Abs. 1 KVV) nach Anhören der Eidgenössischen Arzneimittelkommission und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach Art. 32 Abs. 1 sowie 43 Abs. 6 KVG eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen erstellt (Spezialitätenliste [SL]). Art. 65 Abs. 2 KVV und Art. 30 Abs. 1 lit. a KLV (letztere Bestimmung in der seit 1. Januar 2001 in Kraft stehenden Fassung) wiederholen sodann die in Art. 32 Abs. 1 Satz 1 KVG normierten Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit im Hinblick auf die Aufnahme von Arzneimitteln in die SL. Als wirtschaftlich gilt ein Arzneimittel, wenn es die indizierte Heilwirkung mit möglichst geringem finanziellen Aufwand gewährleistet (Art. 34 Abs. 1 KLV). Dabei wird unter anderem die Wirksamkeit im Verhältnis zu anderen Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise berücksichtigt (Art. 34 Abs. 2 lit. a KLV). Ferner kann gemäss Art. 73 KVV die Aufnahme in die SL unter der Bedingung einer Limitierung erfolgen (Satz 1). Die Limitierung kann sich insbesondere auf die Menge oder die medizinischen Indikationen beziehen (Satz 2). Derartige Limitierungen sind - worauf im angefochtenen Entscheid ebenfalls korrekt hingewiesen wird - Instrumente der Wirtschaftlichkeitskontrolle, nicht aber Formen der Leistungsrationierung (zum Ganzen: RKUV 2001 Nr. KV 158 S. 155 mit weiteren Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur).
 
3.
 
3.1 Nach den Akten hat der verstorbene Beschwerdeführer vom 7. Februar bis 10. April 2001 das Medikament Neurontin zur Behandlung seiner diabetischen Polyneuropathie aus der Apotheke bezogen (Rechnung vom 18. Mai 2001). Die seitens der Vorinstanz wie auch der Beschwerdegegnerin geäusserten Zweifel an der sicheren Diagnose des Leidens des Versicherten erscheinen angesichts der Aktenlage ausgeräumt (vgl. Bericht des Dr. med. S.________, Spezialarzt FMH für Neurologie, Elektroenzephalographie, Elektromyographie, vom 12. September 1990; Schreiben der Dres. med. C.________ und L.________, C.________ und M.________ bzw. C.________, Paraplegiker Zentrum X.________, vom 19. Juni, 22. Oktober und 30. November 2001; Schreiben der Frau Dr. med. T.________, Medizinische Klinik, Spital Y.________, vom 22. November 2002). In der somit massgeblichen SL vom 15. April 2000 (gültig bis 30. Juni 2001; vgl. zum relevanten Zeitpunkt des tatsächlichen Bezugs des Medikaments: Urteil W. vom 24. Oktober 2002, K 43/02, Erw. 2.2 mit Hinweisen) war das Arzneimittel Neurontin unter der therapeutischen Gruppierung Nervensystem (0.1.) und der Indikation Antiepileptica (01.07.) bzw. Einfache Antiepileptica (01.07.10.) aufgeführt. Die Vorinstanz hat in Nachachtung der hievor dargelegten Bestimmungen und Grundsätze eingehend und sorgfältig dargelegt, dass angesichts dieser - nicht unhaltbaren und daher zulässigen (RKUV 2001 Nr. KV 158 S. 159 Erw. 4b, 2000 KV Nr. 120 S. 165 Erw. 3c/aa) - Beschränkung der vergütungspflichtigen Abgabe von Medikamenten auf bestimmte Indikationen - vorliegend auf die Abgabe als Antiepileptica - sowie des Umstands, dass der Verstorbene unbestrittenermassen nicht an einer epileptischen Erkrankung, sondern an einem neuropathischen Beschwerdebild bei diabetischer Neuropathie gelitten hat, zu Recht eine Pflicht der Visana zur Übernahme der Kosten des Arzneimittels verneint wurde. Auf die entsprechenden Erwägungen kann vollumfänglich verwiesen werden.
 
3.2 Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde dagegen vorgebracht wird, vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Namentlich geht die Argumentation fehl, die SL führe alle Medikamente nur einmal und unter einer Indikation auf, was den Krankenversicherer indes nicht daran zu hindern habe, die diesbezüglichen Kosten auch bei anderen, ähnlichen Indikationen im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmen. Unter Beachtung des aus Art. 34 Abs. 1 KVG abgeleiteten "Listenprinzips" (vgl. dazu BGE 125 V 29 Erw.5b; RKUV2002 Nr.KV196 S.9 Erw.3b/cc und 2001 Nr. KV158 S.159 Erw.4b, je mit weiteren Hinweisen) enthält die SL eine abschliessende Aufzählung der verschiedenen Positionen. Die Bejahung einer Leistungspflicht für ein Medikament im Hinblick auf andere Indikationen durch einen Analogieschluss ist mithin unzulässig, zumal die SL nicht selber - etwa durch die Verwendung des Ausdrucks "usw." - eine Ergänzung durch die rechtsanwendenden Behörden offen lässt (BGE 125 V 30 Erw.6a; RKUV 2002 Nr.KV196 S.11 Erw.3c in fine mit Hinweisen). Wird ein Arzneimittel für andere als in der SL enthaltene Indikationen verwendet, so gilt es als Arzneimittel "ausserhalb der Liste" (zum KUVG: BGE 118 V 279 Erw.2b in fine) und damit nicht als vergütungspflichtig. Nichts zu Gunsten ihres Standpunktes können die Beschwerdeführer ferner aus der Tatsache ableiten, dass im Arzneimittel-Kompendium 2001 für das Medikament Neurontin als Indikation u.a. auch die Anwendungsmöglichkeit zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen bei diabetischer Neuropathie genannt wird. Wie das kantonale Gericht einlässlich dargetan hat, begründet weder die Registrierung eines Medikamentes noch die Genehmigung einer weiteren Indikation durch die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) einen Anspruch auf Aufnahme in die SL (RKUV2001 Nr.KV158 S.160 Erw.5b, 2000 Nr. KV120 S.164 Erw.3c/aa). Wohl liegt, sofern das Heilmittel für eine im Arzneimittel-Kompendium der Schweiz zugelassene Indikation abgegeben wird, rechtsprechungsgemäss eine wissenschaftlich anerkannte medikamentöse ärztliche Behandlung vor (RKUV2001 Nr.KV158 S.155 Erw.5b mit Hinweis auf den unter altem Recht ergangenen BGE 118 V 280 Erw.3b sowie das nicht veröffentlichte Urteil S. vom 25.Januar 1996, K116/94). Daraus kann indes nicht geschlossen werden, dass ein Präparat auch wirtschaftlichen Kriterien genügt, prüft die IKS, deren Fachinformation das Arzneimittel-Kompendium primär enthält, doch im Gegensatz zu dem für die Erstellung der SL verantwortlichen BSV das im KVG verankerte Kriterium der Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels nicht (RKUV2001 Nr. KV158 S.160 f. Erw.5b in fine mit Hinweis).
 
Da überdies die Voraussetzungen für eine Rückforderung der von der Visana für das Neurontin im System des Tiers payant vergüteten Kosten unstrittig gegeben sind (vgl. u.a. BGE 107 V 167) - die Übernahme des nichtpflichtigen Medikamentes durch die Beschwerdegegnerin ist als zweifellos unrichtig (RKUV 2001 Nr. KV 158 S. 162 Erw. 6c mit Hinweis) und der in Frage stehende Betrag von Fr. 930.65 im Lichte der im angefochtenen Entscheid detailliert wiedergegebenen Rechtsprechung nicht als unerheblich zu qualifizieren -, steht der Visana ein Rückforderungsanspruch in dieser Höhe zu.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 17. März 2003
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
 
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