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Informationen zum Dokument  BGer 7B.14/2003  Materielle Begründung
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BGer 7B.14/2003 vom 25.03.2003
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
7B.14/2003 /bnm
 
Urteil vom 25. März 2003
 
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
 
Gerichtsschreiber Gysel.
 
Parteien
 
Banque A.________ Frankreich,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Infosuisse, Service Juridique, Rue du Grenier 18, 2300 La Chaux-de-Fonds,
 
gegen
 
Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft,
 
Gegenstand
 
Lohnarrest (Existenzminimum),
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 16. Dezember 2002.
 
Die Kammer zieht in Erwägung:
 
1.
 
In dem von der Banque A.________ gegen die in W.________ (Frankreich) wohnende und in Z.________ arbeitende B.________ erwirkten Arrestverfahren stellte das Betreibungsamt Y.________ mit Verfügung vom 27. August 2002 fest, dass das Einkommen der Schuldnerin das Existenzminimum nicht decke und der Lohnarrest demnach wirkungslos sei.
 
Die Banque A.________ erhob Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft und verlangte, dass bei der Ermittlung des Notbedarfs von B.________ der Grundbetrag für alleinstehende Personen (statt desjenigen für Ehepaare bzw. für zwei sonst eine dauernde Hausgemeinschaft bildende erwachsene Personen) einzusetzen sei.
 
Am 16. Dezember 2002 wies die kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab.
 
Die Banque A.________ nahm diesen Entscheid am 8. Januar 2003 in Empfang. Mit einer vom 17. Januar 2003 datierten und noch am gleichen Tag zur Post gebrachten Eingabe führt sie (rechtzeitig) Beschwerde an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts und erneuert den im kantonalen Verfahren gestellten Antrag.
 
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat sich zur Beschwerde nicht geäussert. Andere Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden.
 
2.
 
Strittig ist der der Beschwerdegegnerin B.________ zuzugestehende Notbedarf.
 
2.1 Die kantonale Aufsichtsbehörde weist darauf hin, dass der Arrest nach den Bestimmungen zur Pfändung vollzogen werde und das Erwerbseinkommen nach Art. 93 Abs. 1 SchKG nur soweit gepfändet werden könne, als es für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sei. Das Gesetz behandle den Schuldner somit nicht als Einzelperson, sondern nehme Rücksicht auf dessen Zugehörigkeit zu einer Familie als wirtschaftlicher Gemeinschaft. Die Pflichten des Schuldners gegenüber seinen Familienangehörigen im weiten Sinne gingen denjenigen gegenüber den Gläubigern vor. Unter gewissen Umständen genüge nach der Rechtsprechung auch eine bloss moralische Unterhalts- oder Unterstützungspflicht. So sei ein Konkubinatsverhältnis, aus dem Kinder hervorgegangen seien, unter dem Gesichtspunkt der Notbedarfsermittlung im Wesentlichen gleich zu behandeln wie ein Familienverhältnis. Dasselbe müsse auch für kinderlose Schuldner gelten, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebten, seien doch die Partner, zumal in einer auf Dauer angelegten Beziehung, zumindest moralisch zu gegenseitigem Unterhalt verpflichtet.
 
Zu den Verhältnissen des konkreten Falls hält die Vorinstanz fest, dass die Beschwerdegegnerin unbestrittenermassen seit spätestens Sommer 1999 in Hausgemeinschaft mit ihrem früheren Ehemann (C.________) lebe. Es sei daher von einer dauernden Hausgemeinschaft und von einem Grundbetrag im Sinne von Ziffer I der "Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Notbedarf) nach Art. 93 SchKG" (in der Fassung vom 24. November 2000) für beide zusammen von Fr. 1'550.-- auszugehen. Grundsätzlich sei der Beschwerdegegnerin die Hälfte davon als Notbedarf zuzugestehen.
 
Die kantonale Aufsichtsbehörde räumt sodann ein, dass angesichts der Auflösung der Ehe die Beschwerdegegnerin rechtlich nicht verpflichtet sei, ihren früheren Ehemann zu unterstützen, doch hält sie unter Hinweis auf die gegebenen Umstände dafür, dass eine moralische Verpflichtung vorliege: Auf Grund des ärztlichen Attests vom 16. September 2002 (ausgestellt von Dr. med. D.________) und der Bestätigung der Caisse d'Allocations Familiales de X.________ vom 19. September 2002 sei von der Mittellosigkeit und damit von der Unterstützungsbedürftigkeit von C.________ auszugehen. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die Beschwerdegegnerin seit mindestens 3½ Jahren wieder mit ihrem früheren Ehemann zusammenlebe. Auch wenn eine neue Aufnahme des Zusammenlebens nach einer Scheidung eher ungewöhnlich sei, schliesse dies die Annahme eines qualifizierten Konkubinats nicht aus. Die bundesgerichtliche Praxis gehe nach einer Dauer des Zusammenlebens von fünf Jahren davon aus, dass bei einer allfälligen Notlage eine moralische Unterstützungspflicht bestehe. Bei einem Konkubinat, dem eine mehrjährige Ehe vorausgegangen sei, dürfe angenommen werden, dass eine moralische Verpflichtung zur Unterstützung des Partners schon nach kürzerer Zeit wieder auflebe. Dass das Betreibungsamt der Beschwerdegegnerin (statt des Grundbetrags von Fr. 1'100.-- für Alleinstehende) den vollen Grundbetrag von Fr. 1'550.-- für zwei in Hausgemeinschaft lebende erwachsene Personen zugestanden, mit andern Worten bei der Ermittlung des Notbedarfs einen Betrag von Fr. 450.-- im Monat für die Unterstützung von C.________ berücksichtigt habe, sei daher nicht zu beanstanden.
 
2.2 Die Beschwerdeführerin, die sich im Wesentlichen damit begnügt, ihre eigene Sicht der Dinge darzulegen, vermag nichts vorzubringen, was den Entscheid der Vorinstanz als bundesrechtswidrig erscheinen liesse: Mit der Bemerkung, ohne weitere Faktenkenntnis sei es gar nicht möglich, aus dem Umstand, dass die Konkubinatspartner früher einmal miteinander verheiratet gewesen seien, auf eine moralische Unterstützungspflicht zu schliessen, scheint sie der kantonalen Aufsichtsbehörde vorwerfen zu wollen, die tatsächlichen Verhältnisse nicht hinreichend abgeklärt zu haben. Indessen macht sie nicht etwa geltend, es seien von ihr gestellte Beweisbegehren übergangen worden, und sie legt auch nicht dar, welche zusätzlichen Feststellungen noch hätten getroffen werden sollen. Dass der Konkubinatspartner sich gegenüber der Beschwerdegegnerin verpflichtet habe, für die dem Arrest zugrunde liegende Forderung zu haften, ist bezüglich der Frage, ob eine moralische Unterstützungspflicht der Beschwerdegegnerin ihm gegenüber bestehe, ohne Belang.
 
Demnach erkennt die Kammer:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin B.________, dem Betreibungsamt Y.________ und der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 25. März 2003
 
Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
 
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