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Informationen zum Dokument  BGer U 142/2002  Materielle Begründung
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BGer U 142/2002 vom 21.05.2003
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
U 142/02
 
Urteil vom 21. Mai 2003
 
IV. Kammer
 
Besetzung
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber Lanz
 
Parteien
 
M.________, 1957, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt David Husmann, Untermüli 6, 6300 Zug,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
(Entscheid vom 7. März 2002)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.a Die 1957 geborene M.________ war seit 1994 als Hilfsarbeiterin bei der W.________ AG, angestellt und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert. Am 19. Mai 1995 geriet sie bei der Arbeit mit den Haaren in eine Gewindeschneidemaschine. Dabei wurde gemäss dem gleichentags aufgesuchten Dr. med. H.________, Allgemeine Medizin FMH, der Kopf "in recht extremer Rotation und gleichzeitig Reklination fixiert". Nach Abschalten der Maschine konnte die Verunfallte befreit werden, wobei ein beträchtliches Haarbüschel ausgerissen wurde (Bericht Dr. med. H.________ vom 27. Juni 1995). M.________ stand in der Folge in ärztlicher Behandlung und war in variierendem Ausmass arbeitsunfähig. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld). Nach Einholen von Arztberichten und Abklärungen zum Unfallhergang setzte sie die Taggeldleistungen ab 27. Februar 1996 auf Grundlage einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit von 25 % fest (Verfügung vom 5. März 1996). Die dagegen erhobene Einsprache, mit der namentlich die Ausrichtung von Taggeld zu 100 % beantragt wurde, wies der Unfallversicherer mit Einspracheentscheid vom 27. August 1997 ab.
 
A.b Im Zusammenhang mit einem stationären Klinikaufenthalt - vom 29. August bis 19. September 1996 - der Versicherten richtete die SUVA vorübergehend ein Taggeld bei voller Arbeitsunfähigkeit aus. Mit Verfügung vom 21. November 1997 stellte der Unfallversicherer sämtliche Leistungen per 24. November 1997 ein und lehnte die Gewährung von Invalidenrente und Integritätsentschädigung ab. Über die dagegen von der Versicherten eingereichte Einsprache hat die SUVA noch nicht entschieden.
 
A.c Am 12. April 1999 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich M.________ rückwirkend ab 1. Mai 1996 eine ganze und ab 1. Januar 1997 eine halbe Rente der Invalidenversicherung zu.
 
B.
 
Gegen den Einspracheentscheid der SUVA vom 27. August 1997 liess M.________ Beschwerde einreichen und beantragen, ihr sei ab 27. Februar 1997 (recte: 1996) ein Taggeld von mindestens 50 % zuzusprechen.
 
Das kantonale Gerichtsverfahren blieb bis zum Vorliegen des von der SUVA aussergerichtlich in Auftrag gegebenen medizinischen Gutachtens des Dr. med. J.________, Spezialarzt FMH für Neurologie FMH, vom 18. September 2000 sistiert. Mit Entscheid vom 7. März 2002 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde und - mangels Substanziierung - das von der Versicherten gestellte Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung ab.
 
C.
 
M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, "das Urteil vom 7. März 2002 sei aufzuheben und es sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, auch ab 27. November 1997 die gesetzlichen Leistungen aus Unfallversicherung, nämlich Taggeld in Höhe von 100 % (auszurichten)". Im Weiteren wird um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung ersucht.
 
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Gegenstand des kantonalen Gerichtsentscheids bildet der Einspracheentscheid vom 27. August 1997 betreffend die Verfügung vom 5. März 1996, mit der das Taggeld ab 27. Februar 1996 auf 25 % festgesetzt wurde. Die Beschwerdeführerin beantragt vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht die Ausrichtung eines Taggeldes von 100 % "auch nach dem 27. November 1997". Dabei wird hinsichtlich der zeitlichen Komponente des Taggeldanspruchs offenbar Bezug genommen auf die Verfügung vom 21. November 1997, mit welcher die Leistungen ab 24. November 1997 vollumfänglich eingestellt wurden. Insofern kann aber auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden, da der Entscheid der SUVA über die gegen die Verfügung vom 21. November 1997 erhobene Einsprache noch nicht vorliegt und sich die Vorinstanz daher mit dieser Frage mangels Anfechtungsgegenstand auch zulässigerweise nicht befasst hat (BGE 125 V 414 Erw. 1a mit Hinweisen; RKUV 2000 Nr. U 371 S. 108 f. Erw. 2b).
 
Mit der Abweisung des Gesuches um unentgeltliche Verbeiständung für das vorinstanzliche Verfahren setzt sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht auseinander, weshalb darauf nicht näher einzugehen ist.
 
2.
 
Streitig ist demnach, ob bei der Beschwerdeführerin somatische und/oder psychische Folgen des Unfalles vom 19. Mai 1995 vorliegen, welche ab dem 27. Februar 1996 eine höhere als die vom kantonalen Gericht bestätigte Taggeldleistung von 25 % rechtfertigen.
 
Von der Beurteilung ausgenommen bleibt die nicht umstrittene vorübergehende Ausrichtung des Taggeldes von 100 % wegen des Klinikaufenthaltes der Versicherten vom 29. August bis 19. September 1996.
 
3.
 
Im kantonalen Gerichtsentscheid und im Einspracheentscheid werden die Bestimmungen über den Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung im Allgemeinen (Art. 6 Abs. 1 UVG) und auf Taggeld der Unfallversicherung bei unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit im Besonderen (Art. 16 Abs. 1 und 2, Art. 36 Abs. 1 UVG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die Grundsätze über den für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod; BGE 115 V 134 f. Erw. 3 und 405 Erw. 3; ferner BGE 119 V 337 f. Erw. 1 und 118 V 289 f. Erw. 1b) sowie über das Dahinfallen dieses Zusammenhangs, wenn und sobald der Gesundheitsschaden nur noch und ausschliesslich auf unfallfremden Ursachen beruht (RKUV 1992 Nr. U 142 S. 75 Erw. 4b), den dabei jeweils zu beachtenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 119 V 9 3c/aa; RKUV 2000 Nr. U 363 S. 46 Erw. 2 und 1992 Nr. U 142 S. 76 Erw. 4b; sodann BGE 126 V 360 Erw. 5b) und den Beweiswert versicherungsexterner und -interner Arztberichte (BGE 125 V 352 ff. Erw. 3). Richtig wiedergegeben wird auch die Rechtsprechung über den zusätzlich zum natürlichen erforderlichen adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 125 V 461 f. Erw. 5a; vgl. auch BGE 127 V 102 f. Erw. 5b), insbesondere bei psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 133). Darauf wird verwiesen mit der Ergänzung, dass im Rahmen der Adäquanzprüfung die Art der zur Diskussion stehenden Leistung nicht massgebend ist (BGE 127 V 105 Erw. 5d).
 
Anzufügen bleibt, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheids (hier: 27. August 1997) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).
 
4.
 
Gemäss Gutachten des Dr. med. J.________ vom 18. September 2000, der von den Unfalldiagnosen eines Halswirbelsäulendistorsionstraumas nebst partieller Skalpierung durch Reissen an den Haaren ausgeht, ist das bis zum massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des Einspracheentscheids vom 27. August 1997 (Erw. 3 in fine hievor) aktuelle Leidensbild der Beschwerdeführerin geprägt durch ein leicht bis mässig ausgeprägtes Cervicalsyndrom ohne fokale Betonung sowie eine subjektive leichte Sensibilitätsstörung an der gesamten rechten Körperseite, für welches kein somatisches Korrelat gefunden werden konnte. Daneben beschreibt der Sachverständige ein am ehesten als Fibromyalgie zu bezeichnendes chronifiziertes, weit ausgebreitetes Schmerzsyndrom bei hohem Verdacht auf eine das Leiden unterhaltende psychosomatische Erkrankung.
 
Zu prüfen ist, ob sich diese Beschwerden in einen Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 19. Mai 1995 bringen lassen.
 
5.
 
5.1 Die in einem natürlichen Kausalzusammenhang mit dem Unfall stehenden organischen Unfallfolgen werden von Dr. med. J.________ überzeugend beschrieben, worauf mit Vorinstanz und SUVA abzustellen ist. Daraus resultiert nach der einlässlichen, auch die weiteren Arztberichte angemessen berücksichtigenden und zutreffenden Begründung im angefochtenen Entscheid, auf die verwiesen wird, eine Arbeitsunfähigkeit von 25 %. Dabei hat das kantonale Gericht zu Recht auch die Notwendigkeit von Aktenergänzungen verneint. Insbesondere ist nicht einsehbar, inwiefern eine weitere bildgebende Befundaufnahme die vom Gutachter gestützt auf das MRI vom 17. November 1995 und den Bericht der Frau Dr. med. H.________, Spezialärztin FMH für Neurologie, vom 24. November 1995 beschriebene Rückbildung der wahrscheinlich unfallbedingten Diskushernie widerlegen oder eine nach dieser Untersuchung bis zum 27. August 1997 (Datum des Einspracheentscheids) eingetretene, auf den Unfall zurückzuführende Verschlimmerung dokumentieren könnte.
 
5.2 Aus den Akten ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin nie von einem Psychiater untersucht worden ist. Der Hinweis auf die psychische Problematik, die auch von der SUVA anerkannt wird, findet sich im neurologischen Gutachten des Dr. med. J.________. Es erübrigt sich aber, die Sache zur Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens an Vorinstanz oder Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, weil nach den zutreffenden Ausführungen des kantonalen Gerichts die Adäquanz des Kausalzusammenhangs zwischen den seelischen Leiden und dem Unfallereignis verneint werden kann.
 
5.2.1 Dabei beurteilt sich die Adäquanzfrage entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wie schon vorinstanzlich vertretenen Auffassung nicht nach der so genannten "Schleudertrauma-Rechtsprechung" (BGE 117 V 359). Wohl wurde von ärztlicher Seite gestützt auf den Unfallablauf ein HWS-Distorsionstrauma diagnostiziert, ohne dass aber das für ein Schleudertrauma der HWS oder schleudertraumaähnliche Verletzungen typische Beschwerdebild (vgl. BGE 117 V 360 Erw. 4b) in Erscheinung getreten wäre. Auch kann nicht von einem physisch und psychisch ineinander verstrickten Beschwerdenkomplex gesprochen werden, dem bei der Beurteilung der Adäquanz nur durch den Verzicht auf die Differenzierung zwischen physischen und psychischen Komponenten Rechnung getragen werden könnte. Es ist somit nicht zu beanstanden, wenn Vorinstanz und SUVA die Adäquanz des Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den seelischen Leiden nach Massgabe der in BGE 115 V 133 entwickelten und seither ständig angewandten Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts zur psychischen Fehlentwicklung (vgl. BGE 127 V 103 Erw. 5b/bb, 124 V 44 f. Erw. 5c/bb und 213 f. Erw. 4b) geprüft haben.
 
5.2.2 Parteien und Vorinstanz gehen aufgrund des Geschehensablaufs und der Verletzungen, die sich die Beschwerdeführerin dabei zugezogen hat, richtigerweise von einem Unfallereignis im mittleren Bereich aus. Innerhalb dieses Rahmens kann der Unfall im Lichte der in RKUV 1999 Nr. U 330 S. 122 ff. wiedergegebenen Rechtsprechung aber weder an der Grenze zu den leichten Unfällen eingeordnet werden, wie vom kantonalen Gericht angenommen, noch ist er zu den schweren Fällen im mittleren Bereich zu zählen, wie dies die Beschwerdeführerin geltend macht.
 
Von den weiteren, objektiv erfassbaren und unmittelbar mit dem Unfall in Zusammenhang stehenden oder als Folge davon erscheinenden Umständen, welche als massgebende Kriterien in die Gesamtwürdigung mit einzubeziehen sind (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa), müssten dementsprechend für eine Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhangs entweder ein einzelner in besonders ausgeprägter Weise oder aber mehrere in gehäufter oder auffallender Weise gegeben sein (BGE 115 V 140 f. Erw. 6c/bb). Dieses Erfordernis ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt, wie das kantonale Gericht in sorgfältiger Würdigung der Sach- und Rechtslage, welche zu wiederholen sich erübrigt, richtig erkannt hat. Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde rechtfertigen keine andere Betrachtungsweise.
 
5.2.3 Nach dem Gesagten haben Vorinstanz und SUVA zu Recht den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der psychischen Beeinträchtigung verneint und diesen Gesundheitsschaden für die Bemessung des hier streitigen Taggeldanspruchs der Versicherten unberücksichtigt gelassen. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich damit als unbegründet, soweit auf sie überhaupt eingetreten werden kann.
 
6.
 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird stattgegeben, da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos bezeichnet werden kann und die Vertretung geboten war (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG; BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu imstande ist.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt David Husmann für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 21. Mai 2003
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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