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Informationen zum Dokument  BGer U 302/2000  Materielle Begründung
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BGer U 302/2000 vom 17.07.2003
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
U 302/00
 
Urteil vom 17. Juli 2003
 
IV. Kammer
 
Besetzung
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber Fessler
 
Parteien
 
F.________, 1960, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Roland Gfeller, Florastrasse 44, 8008 Zürich,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
(Entscheid vom 6. Juni 2000)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1960 geborene F.________ verletzte sich am 12. Juli 1994 bei seiner Tätigkeit als Strassenbauhilfsarbeiter am linken Fuss. Es verblieb eine Bewegungseinschränkung am oberen und unteren Sprunggelenk links. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), bei welcher er gegen die gesundheitlichen und erwerblichen Folgen von Berufsunfällen versichert war, erbrachte die gesetzlichen Leistungen.
 
Mit Einspracheentscheid vom 20. Oktober 1998 sprach die SUVA F.________ in Bestätigung ihrer Verfügung vom 27. November 1997 rückwirkend ab 1. Dezember 1997 eine Invalidenrente auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 15 % sowie eine Integritätsentschädigung von Fr. 19'440.- für die somatischen Unfallfolgen (Integritätseinbusse: 20 %) zu.
 
B.
 
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde von F.________ hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich den Einspracheentscheid vom 20. Oktober 1998 insoweit auf, als eine einem höheren Invaliditätsgrad als 15 % entsprechende Invalidenrente abgelehnt wurde, und wies die Sache an die SUVA zurück, damit sie nach erfolgter Abklärung diesbezüglich neu verfüge. Im Übrigen wies es das Rechtsmittel ab (Entscheid vom 6. Juni 2000 ).
 
C.
 
F.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei, soweit angefochten, aufzuheben und ihm eine 20 % übersteigende Integritätsentschädigung zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zur Einholung eines psychiatrischen Gutachtens und zur Neubeurteilung des Entschädigungsanspruchs an das kantonale Gericht oder an den Unfallversicherer zurückzuweisen. Im Weitern wird um unentgeltliche Verbeiständung ersucht.
 
Die SUVA beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Bereich der obligatorischen Unfallversicherung geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner nach dem massgebenden Zeitpunkt des Einspracheentscheides (hier: 20. Oktober 1998) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen unberücksichtigt zu bleiben haben, sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar (BGE 121 V 366 Erw. 1b, 116 V 248 Erw. 1a).
 
2.
 
Streitig und zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung der psychischen Beeinträchtigungen, soweit sie im Sinne natürlicher Kausalität Folge des Unfalles vom 12. Juli 1994 sind, eine Integritätseinbusse von mehr als 20 % gegeben ist und daher Anspruch auf eine höhere als die bisher ausgerichtete Integritätsentschädigung besteht.
 
3.
 
Das kantonale Gericht hat erwogen, die psychische Beeinträchtigung erfülle die Voraussetzung für eine Integritätsentschädigung nicht. Auch wenn der adäquate Kausalzusammenhang zwischen den psychischen Beschwerden und dem Unfall bejaht werden müsse, spreche doch der Umstand, dass das Unfallereignis vom 12. Juli 1994 auf Grund des augenfälligen Geschehensablaufs (Sprung von einer Höhe von ungefähr 2,5 m) und der dabei zugezogenen Frakturen klarerweise dem mittleren Bereich im engeren Sinne zuzuordnen ist, gegen die Dauerhaftigkeit der Schädigung.
 
4.
 
4.1 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird die Feststellung der Vorinstanz zum Unfallhergang bestritten. Von einem "vorsätzlichen" Sprung, wie die Vorinstanz annehme, könne nicht gesprochen werden. Es sei nicht ersichtlich und werde vom kantonalen Gericht auch nicht ansatzweise dargetan, aus welchem konkreten Grund der Beschwerdeführer inmitten des Arbeitsvorganges plötzlich, offenbar ohne äusseren Anlass vom Lastwagen "gesprungen" sein soll. Vielmehr sei von einem unabsichtlichen Sturz auszugehen. Der Beschwerdeführer sei von einem auf dem Lastwagen zu platzierenden Betonbalken an der Brust getroffen worden, worauf er das Gleichgewicht verloren habe und aus einer Höhe von rund 3 m nach hinten gekippt und zu Boden gestürzt sei. Auf Grund dieses Geschehensablaufes sowie der erlittenen Verletzungen sei daher von einem schweren Unfall auszugehen.
 
Gegen die Version des Beschwerdeführers spricht, dass er beim Sprung oder Sturz vom Lastwagen offenbar auf den Beinen mit einem allenfalls abgedrehten linken Fuss gelandet war. Wäre er tatsächlich nach hinten gekippt und anschliessend vom Lastwagen heruntergefallen, wie ausgeführt wird, erschiene eine Landung auf den Füssen nicht sehr wahrscheinlich. Anderseits erscheint glaubhaft, dass er einem schwingenden Betonelement ausweichen wollte und, allenfalls von diesem noch berührt, halb heruntersprang, halb herunterstürzte. Der genaue Unfallhergang kann indessen offen bleiben. An der Zuordnung zum mittleren Bereich weder im Grenzbereich zu den leichten noch zu den schweren Unfällen ändert sich nichts.
 
4.2
 
4.2.1 Steht nicht ein Ereignis im Grenzbereich zu den schweren Unfällen in Frage, ist nach der Rechtsprechung der Anspruch auf Integritätsentschädigung für psychische Unfallfolgen mangels Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigung ohne weiteres zu verneinen, es sei denn, auf Grund der Akten bestünden erhebliche Anhaltspunkte für eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung der psychischen Integrität, die einer Besserung nicht mehr zugänglich zu sein scheint. Solche Indizien können in den weiteren unfallbezogenen Kriterien erblickt werden, wie sie bei der Adäquanzbeurteilung zu berücksichtigen sind, sofern sie besonders ausgeprägt und gehäuft gegeben sind und die Annahme nahe legen, sie könnten als Stressoren eine lebenslang chronifizierende Auswirkung begünstigt haben (BGE 124 V 45 Erw. 5c/bb).
 
4.2.2 Nach Auffassung der Vorinstanz sind vorliegend genügend und teilweise ausgeprägte unfallbezogene Kriterien vorhanden, die für die Adäquanz des Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall vom 12. Juli 1994 und den psychischen Beschwerden sprechen. Im Vordergrund stehen ein schwieriger Heilungsverlauf und erhebliche Komplikationen, körperliche Dauerschmerzen als Folge des in das USG ragenden Schraubenkopfes und der daraus resultierenden Arthrose sowie die damit einhergehende seit dem Unfall bestehende Arbeitsunfähigkeit von 100 %. Es kommt dazu, dass der Psychiater und Psychotherapeut Dr. med. R.________ eine depressive Entwicklung chronischen Ausmasses im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) diagnostizierte und in Bezug auf die weitere Entwicklung des psychischen Leidens von einer Chronifizierung, wenn nicht sogar von einer Verschlechterung sprach (Bericht vom 5. Februar 1998). Es bestehen somit gewichtige Anhaltspunkte, welche für das Bestehen eines psychischen Integritätsschadens sowie Dauerhaftigkeit und Irreversibilität des Leidens sprechen.
 
4.3 Im Sinne des Eventualbegehrens hat somit die SUVA zusätzlich zu den von der Vorinstanz angeordneten Abklärungen zur offenen Frage der natürlichen Kausalität zwischen den psychischen Beschwerden und dem Unfall vom 12. Juli 1994 auch die Frage der Dauerhaftigkeit und Irreversibilität der Beeinträchtigung zu untersuchen.
 
5.
 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG in Verbindung mit Art. 135 OG). Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung ist somit gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 6. Juni 2000 und der Einspracheentscheid vom 20. Oktober 1998 im Integritätsentschädigungspunkt aufgehoben und es wird die Sache an die SUVA zurückgewiesen, damit sie nach erfolgter Abklärung über die Höhe der Integritätsentschädigung neu verfüge.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Die SUVA hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
 
4.
 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hat über die Neuverlegung der Parteikosten für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 17. Juli 2003
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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