VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer I 392/2002  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer I 392/2002 vom 23.10.2003
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
I 392/02
 
Urteil vom 23. Oktober 2003
 
II. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiber Traub
 
Parteien
 
S.________, 1940, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Caterina Nägeli, Grossmünsterplatz 9, 8001 Zürich,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden
 
(Entscheid vom 30. April 2002)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
S.________ (geb. 1940) leidet unter anderem an einer chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) sowie an arterieller Hypertonie (Bluthochdruck). Wegen des Lungenleidens gab er im April 2000 die bis dahin ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit als Kunststoffbeschichter (Auskleidung von Tankräumen, Futtersilos etc. mit Polyester) auf. Am 17. Mai 1999 meldete sich S.________ zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Gestützt auf Abklärungen medizinischer und erwerblicher Art verfügte die IV-Stelle des Kantons Thurgau am 21. Dezember 2001, der Versicherte habe mit Wirkung ab dem 1. März 2000 bei einem Invaliditätsgrad von 50 % Anspruch auf eine halbe Invalidenrente.
 
B.
 
Die hiegegen mit dem Antrag auf Zusprechung einer ganzen Invalidenrente erhobene Beschwerde wies die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 30. April 2002 ab.
 
C.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ das im vorinstanzlichen Verfahren gestellte Rechtsbegehren erneuern.
 
Währenddem die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Streitig ist mit Blick auf die gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers, in welchem Ausmass er die ihm verbleibende Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwerten kann.
 
2.
 
2.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Invalidenversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 21. Dezember 2001) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar.
 
2.2 Nach Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG hat der Versicherte Anspruch auf eine ganze Rente, wenn er zu mindestens 66 2/3 %, auf eine halbe Rente, wenn er zu mindestens 50 % (in Härtefällen zu mindestens 40 %) und auf eine Viertelsrente, wenn er zu mindestens 40 % invalid ist. Invalidität im Sinne dieser Bestimmung ist die durch einen körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden als Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall verursachte, voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit (Art. 4 Abs. 1 IVG).
 
Für die Bemessung der Invalidität bei einem erwerbstätigen Versicherten wird das Erwerbseinkommen, das er nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihm zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das er erzielen könnte, wenn er nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen; Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136 f. Erw. 2a und b).
 
2.3
 
2.3.1 Die Arbeitsmöglichkeiten, die mit der gesundheitlichen Beeinträchtigung vereinbar und nach den objektiven und subjektiven Umständen zumutbar sind, bilden strukturell nur dann den in Art. 28 Abs. 2 IVG vorausgesetzten Arbeitsmarkt, wenn sie in verschiedenen Ausformungen und hinreichender Zahl, also in ausreichender qualitativer und quantitativer Bandbreite, tatsächlich vorhanden sind. Eine Arbeitsgelegenheit im Sinne des Gesetzes ist dort nicht mehr gegeben, wo die zumutbare Tätigkeit nur in so eingeschränkter Form ausgeübt werden kann, dass sie im allgemeinen Arbeitsmarkt praktisch nicht zu finden ist oder ein besonderes Entgegenkommen erfordert, das vom durchschnittlichen Arbeitgeber realistischerweise nicht zu erwarten ist (ZAK 1991 S. 320 f. Erw. 3b, 1989 S. 321 f. Erw. 4a).
 
2.3.2 Um die Leistungsbereiche von Invalidenversicherung und Arbeitslosenversicherung voneinander abzugrenzen, schreibt das Gesetz demgegenüber vor, dass bei der Bemessung des Invalideneinkommens von der Fiktion eines (konjunkturell) ausgeglichenen Arbeitsmarktes auszugehen ist. Damit sind zur Beurteilung der Aussichten eines Versicherten, im Arbeitsmarkt effektiv vermittelt zu werden, nicht mehr die dort herrschenden konkreten Verhältnisse massgebend; vielmehr wird - abstrahierend - unterstellt, hinsichtlich der in Frage kommenden Stellen bestehe ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Es kommt also darauf an, ob der Versicherte die ihm verbliebene Arbeitskraft noch wirtschaftlich nutzen könnte, wenn die verfügbaren Arbeitsplätze dem Angebot an Arbeitskräften entsprächen (BGE 110 V 276 Erw. 4b; AHI 1998 S. 291 Erw. 3b; Monnard, La notion de marché du travail équilibré de l'article 28, alinéa 2, LAI, Diss. Lausanne 1990, S. 59 f., 90 f. und 96 f.). In diesem Sinne hat die Invalidenversicherung nicht dafür einzustehen, dass eine versicherte Person im fortgeschrittenen Alter, mit mangelhafter Ausbildung oder Verständigungsschwierigkeiten deshalb keine entsprechende Arbeit findet, weil das Stellenangebot aus Gründen der Wirtschaftslage knapp ist. Wesentlich ist einzig, dass geeignete Arbeitsmöglichkeiten grundsätzlich vorhanden sind. Insoweit vermag Erwerbslosigkeit aus invaliditätsfremden Gründen keinen Rentenanspruch zu begründen (BGE 107 V 21 Erw. 2c; AHI 1999 S. 238 f. Erw. 1).
 
2.3.3 Bei der Bestimmung des trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung erzielbaren Einkommens fallen nur Einsatzmöglichkeiten in Betracht, die unter Berücksichtigung der gesamten objektiven und subjektiven Gegebenheiten des Einzelfalles zumutbar erscheinen (BGE 113 V 28 Erw. 4a; ZAK 1989 S. 321 Erw. 4a; Rüedi, Im Spannungsfeld zwischen Schadenminderungspflicht und Zumutbarkeitsgrundsatz bei der Invaliditätsbemessung nach einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt, in: Schaffhauser/Schlauri (Hrsg.), Rechtsfragen der Invalidität in der Sozialversicherung, St. Gallen 1999, S. 32 ff. und 41 ff.; Landolt, Das Zumutbarkeitsprinzip im schweizerischen Sozialversicherungsrecht, Diss. Zürich 1995, S. 292 ff.; Maurer, Begriff und Grundsatz der Zumutbarkeit im Sozialversicherungsrecht, in: Festschrift 75 Jahre EVG, Bern 1992, S. 237; in derselben Publikation: Locher, Die Schadenminderungspflicht im IVG, S. 425 ff.; Meyer-Blaser, Zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, Diss. Bern 1985, S. 132 ff. und 138 ff.). Die bereits erwähnten invaliditätsfremden Gesichtspunkte - wie etwa das Lebensalter - bilden Rahmenbedingungen für die Beurteilung, ob die grundsätzlich denkbaren Erwerbsmöglichkeiten auch unter allen massgebenden Aspekten zumutbar sind. Soweit sich die entsprechenden Faktoren lediglich auf die Höhe des erzielbaren Lohnes auswirken, verlangt die Rechtsprechung, dass sie beim Einkommensvergleich nach Art. 28 Abs. 2 IVG überhaupt nicht oder dann bei beiden Vergleichsgrössen (Valideneinkommen und Invalideneinkommen) gleichmässig berücksichtigt werden (AHI 1999 S. 239 Erw. 1 in fine und 240 unten; RKUV 1993 Nr. U 168 S. 104 Erw. 5b; ZAK 1989 S. 459).
 
3.
 
Verwaltung und Vorinstanz vertreten die Auffassung, es existierten auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt genügend Stellen, die dem Profil des Beschwerdeführers entsprächen. Soweit er wegen seines Alters von 61 Jahren keine Anstellung mehr finde - die Chancen, wieder in den Arbeitsprozess eintreten zu können, seien in der Tat gering -, müsse dies wirtschaftlichen Gründen zugeschrieben werden, die auf Grund der gesetzlichen Vorgabe eines ausgeglichenen Arbeitsmarktes unbeachtlich seien.
 
3.1 Nach dem Gesagten (Erw. 2.3.3 hievor) ist das fortgeschrittene Alter eines Versicherten, obgleich an sich invaliditätsfremder Faktor, so doch rechtserheblich, wenn die Zumutbarkeit weiterer Erwerbstätigkeit im Rahmen der Arbeitsgelegenheiten, die auf einem als ausgeglichen gedachten Arbeitsmarkt vorhanden sind, in Frage steht (vgl. Urteil R. vom 28. Juli 2003, I 236/03, Erw. 2.2 mit Hinweisen). Der Einfluss des Lebensalters auf die Möglichkeit, das verbliebene Leistungsvermögen auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt zu verwerten, lässt sich nicht nach einer allgemeinen Regel bemessen. Die Bedeutung des fortgeschrittenen Alters für die Besetzung entsprechender Stellen - gewissermassen der Grad von deren "Alterssensibilität" - ergibt sich vielmehr aus den Einzelfallumständen, die mit Blick auf die Anforderungen der Verweisungstätigkeiten massgebend erscheinen. Zu denken ist zunächst an die Art und Beschaffenheit des Gesundheitsschadens und seiner Folgen, angesichts der beschränkten Dauer verbleibender Aktivität sodann namentlich auch an den absehbaren Umstellungs- und Einarbeitungsaufwand, dessen Ausmass wiederum anhand von Kriterien wie der Persönlichkeitsstruktur, vorhandenen Begabungen und Fertigkeiten, Ausbildung und beruflichem Werdegang sowie der Anwendbarkeit von Berufserfahrung aus dem angestammten Bereich abzuschätzen ist.
 
3.2 Der Beschwerdeführer leidet nach fachärztlicher Einschätzung unter anderem an einer chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) in Form einer sehr schweren bronchialen Hyperreaktivität der Atemwege mit - trotz ausgebauter antiasthmatischer Basistherapie - ausgeprägten Verlaufsschwankungen sowie an arterieller Hypertonie (Bluthochdruck). Er sei für körperlich leicht bis mittelschwer belastende Arbeiten ohne Kontakt mit gesundheitsbelastenden Stoffen zu 50 % arbeitsfähig; die Weiterführung des bisherigen Berufs als Kunststoffbeschichter sei nicht zumutbar. Empfohlen werde die "Umorientierung zu Tätigkeiten mit leichter bis höchstens mittelschwerer körperlicher Belastung ohne jegliche Inhalationsnoxenexposition"; bei leichter körperlicher Belastung und "sitzend-stehender Wechselhaltung in inhalationsnoxenfreiem Milieu" bestehe allenfalls eine Arbeitsfähigkeit von mehr als 50 % (Gutachten des Dr. J.________, Facharzt für Lungenkrankheiten, vom 6. Juli 2001). Es ist kein Grund ersichtlich, diese medizinischen Schlussfolgerungen in Zweifel zu ziehen (vgl. BGE 125 V 352 Erw. 3a).
 
3.3 Der Versicherte war im massgebenden Zeitpunkt der Verfügung vom 21. Dezember 2001 über 61 Jahre alt. Die verbleibende Aktivitätsdauer bis zum Eintritt ins AHV-Alter betrug somit lediglich noch knapp vier Jahre. Der nicht über eine Berufsausbildung verfügende Beschwerdeführer hat in der Landwirtschaft und als Hilfsarbeiter in der Kunststoffbranche, schliesslich bis zur gesundheitsbedingten Aufgabe dieses Berufes im April 2000 als selbständigerwerbender Kunststoffbeschichter gearbeitet. Die ihm nach Eintritt des Gesundheitsschadens vorrangig zugemuteten leichteren Arbeiten in sitzender und stehender Wechselhaltung umfassen erfahrungsgemäss vor allem Tätigkeiten feinmotorischer Art (vgl. dazu Urteil W. vom 4. April 2002, I 401/01, Erw. 4c), bezüglich welcher er sich nie Vorkenntnisse erwerben konnte. Die hiefür nötige Einarbeitungs- und Angewöhnungszeit erscheint aus der Sicht eines potentiellen Arbeitgebers im Verhältnis zu der nur verhältnismässig kurzen verbleibenden Aktivitätsdauer und zum Grad der Arbeitsfähigkeit von 50 % kaum wirtschaftlich. An sich denkbar wären des Weitern Überwachungs- oder leichte Montagearbeiten in der Industrie. Auf Grund der Akten ist indes zu bezweifeln, dass der Beschwerdeführer noch über die für einen entsprechenden Berufswechsel erforderliche Anpassungsfähigkeit verfügt. In diesem Zusammenhang ist auf die Stellungnahme der internen Berufsberaterin der IV-Stelle vom 16. März 2001 zu verweisen, wonach der berufliche Werdegang nicht darauf schliessen lasse, dass der Versicherte die zur Inangriffnahme einer neuartigen Beschäftigung erforderliche Flexibilität aufzubringen vermöge. Dies gilt auch für die vorinstanzlich angesprochenen Portier- und Kurierdienste. Hier sind zusätzlich die krankheitsbedingten Einschränkungen (Atemnot, Hustenanfälle) zu berücksichtigen; die zuletzt erwähnten Arbeiten fallen wegen der damit verbundenen Anstrengungen praktisch ausser Betracht.
 
Die dargelegten persönlichen und beruflichen Gegebenheiten sind - im Verein mit der Tatsache, dass der Versicherte im massgebenden Zeitpunkt nur noch knapp vier Jahre vor seiner Pensionierung stand - geeignet, einen durchschnittlichen Arbeitgeber davon abzuhalten, die mit einer Einstellung verbundenen Risiken - hohe Arbeitgeberbeiträge an die obligatorische Berufsvorsorgeversicherung, berufliche Unerfahrenheit und altersbedingt geringe Anpassungsfähigkeit - einzugehen, zumal behindertengerechte Arbeitsplätze mit der Möglichkeit, teils stehend, teils sitzend zu arbeiten, von Behinderten in jungem und mittlerem Alter ebenfalls stark nachgefragt werden (vgl. Urteile R. vom 28. Juli 2003, I 236/03, Erw. 2.2, und W. vom 4. April 2002, I 401/01, Erw. 4c). Der Beschwerdeführer vermag also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch unter der Vorgabe eines ausgeglichenen Arbeitsmarktes keinen Arbeitgeber mehr zu finden, der ihn für eine geeignete Verweisungstätigkeit einstellt.
 
4.
 
4.1 Erscheint die gegebene Restarbeitsfähigkeit nach dem Gesagten nicht mehr als wirtschaftlich verwertbar, liegt eine vollständige Erwerbsunfähigkeit vor. Der Beschwerdeführer hat somit Anspruch auf eine ganze Invalidenrente.
 
4.2 Der Rentenbeginn richtet sich nach Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG.
 
4.2.1 Im Anwendungsbereich dieser Bestimmung entsteht der Rentenanspruch frühestens zu dem Zeitpunkt, in dem der Versicherte während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40 % arbeitsunfähig gewesen war. Die Rentenhöhe ist sowohl vom Ausmass der nach Ablauf der Wartezeit weiterhin bestehenden Erwerbsunfähigkeit als auch von einem entsprechend hohen Grad der durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit während des vorangegangenen Jahres abhängig. Somit kommt eine ganze Rente erst in Betracht, wenn der Versicherte während eines Jahres durchschnittlich mindestens zu zwei Dritteln arbeitsunfähig gewesen und weiterhin wenigstens zu zwei Dritteln invalid im Sinne von Art. 28 Abs. 1 IVG ist (BGE 105 V 160 f. Erw. 2c/d). Unter Arbeitsunfähigkeit ist die durch den Gesundheitsschaden bedingte Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich zu verstehen, während die finanziellen Konsequenzen einer solchen Einbusse (beispielsweise Bezug von Arbeitslosenentschädigung oder Erhalt von Soziallohn im Sinne von Art. 25 Abs. 1 lit. b IVV) für deren Beurteilung während der Wartezeit grundsätzlich unerheblich sind (BGE 105 V 159 Erw. 2a; vgl. BGE 104 V 191; ZAK 1965 S. 164; Meyer-Blaser, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, Zürich 1997, S. 234).
 
4.2.2 Im Rahmen des Art. 29 Abs. 1 IVG nicht anwendbar ist somit der Grundsatz, dass bei langdauernder Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf - oder sobald klar wird, dass die Wiederaufnahme der bisher ausgeübten Tätigkeit nicht mehr in Frage kommt - nach Ablauf einer gewissen Übergangsfrist auch zumutbare Tätigkeiten in einem andern Beruf zu berücksichtigen sind (vgl. BGE 115 V 133 Erw. 2 und 404 Erw. 2, 114 V 283 Erw. 1d; RKUV 2000 Nr. U 366 S. 92 Erw. 4, 1987 Nr. U 27 S. 394 Erw. 2b; Urteil A. vom 28. März 2002, U 191/01, Erw. 1b und c; vgl. inskünftig Art. 6 Satz 2 ATSG). Der Einbezug von Verweisungstätigkeiten bei der Bemessung der Arbeitsunfähigkeit ist zum einen - als Ausfluss des Schadenminderungsprinzips - auf Anspruchslagen zugeschnitten, in denen die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit unmittelbar leistungsbestimmend ist (so bei Taggeldern im Bereich der Unfallversicherung). Zum andern verbietet sich die Berücksichtigung von Verweisungstätigkeiten im Kontext des Art. 29 Abs. 1 IVG bereits mit Blick auf das Wesen der IV als Erwerbsausfallversicherung. Die mit der alleinigen Betrachtung der Einschränkung im funktionellen Leistungsvermögen einhergehende Ausklammerung der erwerblichen Folgen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung verunmöglichte es ansonsten in vielen Fällen, das - als Erheblichkeitsschwelle mit Bezug auf Dauer und Ausmass der Leistungsbeeinträchtigung gedachte - Wartejahr überhaupt zurücklegen zu können. So könnte etwa bei nicht eingeschränkter Leistungsfähigkeit in einer leidensangepassten, aber - im Vergleich mit der angestammten - schlechter bezahlten Tätigkeit trotz Vorliegens eines Invaliditätsgrades, der auf Grund des erwerblichen Elementes im Sinne von Art. 28 Abs. 2 IVG rentenbegründend ist, gar nie ein Rentenanspruch entstehen.
 
4.2.3 Wird in Anwendung von Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG also ausschliesslich die Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Tätigkeit betrachtet, so ergibt sich für den vorliegenden Fall aus den bei den Akten liegenden Arztzeugnissen, dass der Versicherte seit dem 11. März 1999 ohne wesentlichen Unterbruch (vgl. dazu Art. 29ter IVV) vollständig arbeitsunfähig war. Denn die fragliche Arbeit ist mit der Lungenerkrankung nicht vereinbar. Daran ändert nichts, dass die Geschäftsaufgabe erst per April 2000 erfolgte; soweit der Beschwerdeführer zwischenzeitlich noch effektiv als Kunststoffbeschichter tätig war, erweist sich diese Beschäftigungsform im Nachhinein jedenfalls als medizinisch kontraindiziert. Der Anspruch auf eine ganze Invalidenrente entstand demnach im März 2000; die Leistung wird gemäss Art. 29 Abs. 2 Satz 1 IVG ab dem 1. März 2000 ausgerichtet.
 
5.
 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend steht dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135 OG).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau vom 30. April 2002 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Thurgau vom 21. Dezember 2001 aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit Wirkung ab dem 1. März 2000 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente hat.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Die IV-Stelle des Kantons Thurgau hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
 
4.
 
Die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 23. Oktober 2003
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).