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Informationen zum Dokument  BGer C 234/2002  Materielle Begründung
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BGer C 234/2002 vom 17.11.2003
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
C 234/02
 
C 235/02
 
Urteil vom 17. November 2003
 
II. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber Jancar
 
Parteien
 
C 234/02
 
E.________, 1943, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Leo Weiss, Dufourstrasse 56, 8032 Zürich,
 
gegen
 
Arbeitslosenkasse der GBI Sektion Zürich, Zahlstelle 068, Ausstellungsstrasse 36, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin
 
und
 
C 235/02
 
G.________, 1942, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Leo Weiss, Dufourstrasse 56, 8032 Zürich,
 
gegen
 
Arbeitslosenkasse der GBI Sektion Zürich, Zahlstelle 068, Ausstellungsstrasse 36, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
(Entscheide vom 19. August 2002)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1942 geborene G.________, und der 1943 geborene E.________, verloren im Jahre 1992 ihre Stellen. Nach ihrer Aussteuerung bei der Arbeitslosenversicherung im Jahre 1994 wurden sie von der Fürsorge der Stadt Z.________ unterstützt. Vom 26. Februar 2001 bis 28. Februar 2002 absolvierten beide eine medizinische-therapeutische Grundausbildung bei der Firma P.________ AG. In der Folge stellten beide Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 5. März 2002. Mit Verfügungen vom 23. April 2002 verneinte die Arbeitslosenkasse GBI beide Ansprüche wegen Nichterfüllung der Beitragszeit. Die Ausbildung bei der P.________ AG habe jeweils an einem Tag und einem Abend pro Woche stattgefunden und sei demnach nicht als Vollzeitausbildung zu qualifizieren. Auch die zusätzlichen Weiterbildungen, welche G.________ und E.________ in diesem Zeitraum besucht hätten, erfüllten die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit nicht.
 
B.
 
Die hiegegen erhobenen Beschwerden wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheiden vom 19. August 2002 ab.
 
C.
 
Mit separaten Verwaltungsgerichtsbeschwerden beantragen E.________ und G.________, die Verfügungen vom 23. April 2002 seien aufzuheben, und die Kasse sei zu verpflichten, ihre Ansprüche auf Arbeitslosenentschädigung anzuerkennen und ihnen die angemessenen Versicherungsleistungen auszubezahlen. Weiter sei ihnen die unentgeltliche Verbeiständung zu bewilligen.
 
Die Kasse hält an ihren Verfügungen fest, während das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Arbeitslosenversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügungen (hier: 23. April 2002) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 129 V 4 Erw. 1.2), sind im vorliegenden Fall die neuen Bestimmungen nicht anwendbar.
 
2.
 
Da den beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden derselbe Sachverhalt zu Grunde liegt, sich die gleichen Rechtsfragen stellen und die Rechtsmittel die gleichentags ergangenen vorinstanzlichen Entscheide betreffen, rechtfertigt es sich, die beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE 128 V 126 Erw. 1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 128 V 194 Erw. 1).
 
3.
 
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und die Grundsätze über die für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung vorausgesetzte Mindestbeitragsdauer (Art. 8 Abs. 1 lit. e in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 AVIG und Art. 11 AVIV), die dafür vorgesehene Rahmenfrist (Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 AVIG), die ausbildungsbedingte Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit (Art. 14 Abs. 1 und 2 AVIG) sowie die Voraussetzung der Kausalität zwischen der fehlenden Beitragszeit und den gesetzlich umschriebenen Hinderungsgründen (BGE 121 V 342 Erw. 5b; ARV 2001 Nr. 2 S. 72 Erw. 2b, 2000 Nr. 28 S. 147 Erw. 2c; SVR 1999 ALV Nr. 7 S. 20 Erw. 2c) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
 
Zu ergänzen ist, dass als Ausbildung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. a AVIG jede systematische, auf der Grundlage eines ordnungsgemässen, rechtlich oder zumindest faktisch anerkannten (üblichen) Lehrgangs beruhende Vorbereitung auf eine künftige erwerbliche Tätigkeit (BGE 122 V 44 Erw. 3c/aa; ARV 1996/1997 Nr. 5 S. 13 Erw. 2a) gilt. Zudem muss die Ausbildung, Umschulung oder Weiterbildung genügend überprüfbar sein (ARV 1990 Nr. 2 S. 23 Erw. 2b mit Hinweisen).
 
4.
 
4.1 Die Beschwerdeführer verlangen ab 5. März 2002 Taggelder der Arbeitslosenversicherung. Es steht fest, dass sie in der vorangehenden zweijährigen Rahmenfrist für die Beitragszeit keine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt und somit die minimale Beitragszeit von sechs Monaten nicht erfüllt haben. Streitig ist, ob sie sich auf den Befreiungsgrund der Ausbildung (Art. 14 Abs. 1 lit. a AVIG) berufen können.
 
4.2
 
4.2.1 Die Beschwerdeführer absolvierten vom 26. Februar 2001 bis 28. Februar 2002, mithin während mehr als zwölf Monaten, eine Ausbildung bei der P.________ AG. Der Unterricht fand jeweils am Montag von 13.00 bis 22.30 Uhr statt und betrug gemäss dem am 27. März 2002 für G.________ ausgestellten Zertifikat 580 Lektionen. Daneben besuchten die Beschwerdeführer ab Wintersemester 2000 bis Wintersemester 2001/2002 an der Schule X.________ jeweils dienstags von 17.00 bis 19.00 Uhr einen Sprachunterricht und im Wintersemester 2001/2002 an der Schule Y.________ jeweils dienstags von 11.30 bis 13.30 Uhr (inkl. Wegzeit) eine Vorlesung.
 
4.2.2 Die Vorinstanz hat erwogen, es sei davon auszugehen, dass - wie etwa bei Lehrpersonen - der Vor- und Nachbereitungsaufwand gleich viel Zeit beansprucht habe wie die 580 Lektionen. Setze man diese zu Gunsten der Beschwerdeführer mit ganzen Stunden gleich, resultiere eine zeitliche Belastung von 1160 Stunden. Verglichen mit einem vollen Jahresarbeitspensum von rund 2000 Stunden (48 Wochen x 41,8 Stunden) entspreche dies einer Belastung von knapp 60 %. Ob es sich bei den zusätzlich besuchten Kursen um einen ordnungsgemässen, rechtlich oder zumindest faktisch anerkannten (üblichen) Lehrgang gehandelt habe, könne offen bleiben, da keine Anhaltspunkte ersichtlich seien, die annehmen liessen, dass die Beschwerdeführer daneben nicht noch eine teilzeitliche Erwerbstätigkeit hätten ausüben können. Damit fehle die Kausalität zwischen der Ausbildung und der Nichterfüllung der Beitragszeit, weshalb kein Anspruch auf Arbeitslosentaggelder bestehe.
 
4.2.3 Die Beschwerdeführer legen letztinstanzlich selber erstellte Stundenpläne auf, in denen sie detailliert ihren Aufwand für die Schul- besuche sowie die Lernzeit zu Hause aufgeführt haben. Sie machen geltend, hieraus gehe hervor, dass sie normalerweise je eine 36-Stundenwoche (ausserhalb des Prüfungsstresses) absolviert hätten. Dieser Zeitaufwand sei angesichts ihres vorgerückten Alters, ihrer mangelnden naturwissenschaftlichen Vorbildung und des auf ihnen lastenden, für die Konzentration wenig förderlichen ökonomischen Drucks angemessen und plausibel. Dazu gekommen seien je etwa zwei Wochenstunden für den Sprachunterricht. Weiter hätten beide zwecks Verringerung ihrer wirtschaftlichen Probleme je zwei bis drei Stunden pro Woche einer kleinen Kundschaft Kurse für Trainings- und Therapiemodelle angeboten. Damit seien sie während der Ausbildung praktisch vollzeitlich beschäftigt gewesen. Zur weiteren Sachverhaltsabklärung sei mit ihnen eine Befragung durchzuführen und ein Bericht bei der P.________ AG einzuholen.
 
4.3 Aus den Stundenplänen der Beschwerdeführer geht hervor, dass sie morgens am Montag und Samstag jeweils um 09.00 Uhr und an den übrigen Tagen jeweils um 10.00 Uhr zu lernen begannen. Am Nachmittag lernten sie nach einer zweistündigen Mittagspause (12.00 bis 14.00 Uhr) jeweils bis 17.00 Uhr (Ausnahmen: Schulbesuch montags von 13.00 bis 22.30 Uhr und jeweils dienstags von 11.30 bis 13.30 Uhr und 17.00 bis 19.00 Uhr). Der Sonntag war ihr freier Tag. Aus diesen Stundenplänen ergibt sich, dass sie im ersten Semester im Durchschnitt je ca. 36,5 Wochenstunden für den Schulbesuch, den Sprachkurs und das Lernen aufwendeten. Im zweiten Semester (Beginn am 27. August 2001) kam die Vorlesung mit zwei Wochenstunden hinzu, was einen Wochenaufwand von 38,5 Stunden ergibt.
 
Im Vergleich mit der betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 41,7 Stunden im Jahre 2001 (Die Volkswirtschaft, Heft 10/2003, S. 98 Tabelle B9.2) hatten die Beschwerdeführer mithin pro Woche eine disponible Zeit von fünf Stunden im ersten und von drei Stunden im zweiten Semester, um einer beitragspflichtigen Arbeit nachzugehen. Zudem hätten sie die Möglichkeit gehabt, anstatt der Kurse, die sie regelmässig zwei bis drei Stunden pro Woche offenbar als Selbstständigerwerbende erteilten (ansonsten wären sie als Beitragszeit anzurechnen), eine beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben. Um nötigenfalls einen zusammenhängenden mehrstündigen Freiraum für eine solche Arbeit zu schaffen, wäre es den Beschwerdeführern angesichts der relativ kurzen und überblickbaren Dauer der Ausbildung möglich und zumutbar gewesen, die Lernzeiten auch auf die Abende und den Sonntag zu verschieben. Nach dem Gesagten fehlt es an der erforderlichen Kausalität zwischen der Nichterfüllung der Beitragszeit und der Ausbildung, da eine Arbeit von wenigen Stunden pro Woche eine genügende Beitragszeit bildet (SVR 1999 ALV Nr. 7 S. 20 Erw. 2c).
 
Demnach kann offen bleiben, ob der von den Beschwerdeführern angegebene effektive Lernaufwand (inkl. die zusätzlichen Kursbesuche) objektiv gerechtfertigt war bzw. dem entsprach, was die Schule von den Auszubildenden für den erfolgreichem Abschluss normalerweise erwartete. Weitere Abklärungen erübrigen sich daher.
 
Unter diesen Umständen haben Verwaltung und Vorinstanz den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung zu Recht verneint.
 
5.
 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG e contrario). Dem Prozessausgang entsprechend steht den Beschwerdeführern keine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 2 OG in Verbindung mit Art. 135 OG). Die Gesuche um unentgeltliche Verbeiständung werden abgewiesen, da die Beschwerdeführer einer Rechtsschutzversicherung angeschlossen sind und diese ihnen für die vorliegenden Verfahren Kostengutsprache gewährt hat (nicht veröffentlichtes Urteil V. vom 29. Dezember 1997, I 380/97; vgl. auch RKUV 2001 Nr. U 415 S. 92 Erw. 3a).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verfahren C 234/02 und C 235/02 werden vereinigt.
 
2.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerden werden abgewiesen.
 
3.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4.
 
Die Gesuche um unentgeltliche Verbeiständung werden abgewiesen.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
 
Luzern, 17. November 2003
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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