VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2A.376/2003  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2A.376/2003 vom 26.11.2003
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.376/2003 /zga
 
Urteil vom 26. November 2003
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
 
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli,
 
Gerichtsschreiberin Diarra.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Regierungsrat des Kantons Schaffhausen, Beckenstube 7, Postfach, 8201 Schaffhausen,
 
Obergericht des Kantons Schaffhausen, Postfach 568, 8201 Schaffhausen.
 
Gegenstand
 
Ausweisung,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen
 
vom 4. Juli 2003.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende X.________ (geboren am *** 1963) heiratete am 24. Februar 1992 die in der Schweiz niedergelassene Landsfrau Y.________ (geboren am *** 1974). Am 1. März 1992 reiste er im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein. Er erhielt eine Niederlassungsbewilligung, deren Kontrollfrist am 28. Februar 2003 abgelaufen ist. Aus der Ehe gingen zwei Kinder (geboren am 15. September 1992 bzw. am 26. Februar 1994) hervor, die ebenfalls über die Niederlassungsbewilligung verfügen.
 
Das Kantonsgericht Schaffhausen hob mit Verfügung vom 19. Juni 2001 den gemeinsamen Haushalt der Eheleute X.________ für unbestimmte Zeit auf, unterstellte die Kinder der Obhut der Mutter und verpflichtete den Vater, an den Unterhalt der Kinder monatlich je Fr. 500.-- zu bezahlen.
 
B.
 
Das Untersuchungsrichteramt des Kantons Schaffhausen bestrafte X.________ mit Verfügung vom 12. Dezember 2001 wegen Missbrauchs einer Fernmeldeanlage mit einer Busse von Fr. 200.--. Am 10. Januar 2002 verurteilte ihn das Kantonsgericht wegen einfacher Körperverletzung und Drohung zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 45 Tagen bei einer Probezeit von drei Jahren. Mit Strafbefehl vom 20. Juni 2002 bestrafte das Untersuchungsrichteramt X.________ wegen einfacher Körperverletzung, mehrfacher Tätlichkeiten, Sachbeschädigung, mehrfacher Drohung, Nötigung, mehrfachen Hausfriedensbruchs, Führens eines nichtmotorischen Fahrzeugs in angetrunkenem Zustand und Nichtmitführens des Fahrzeugausweises mit fünf Monaten Gefängnis und zu Fr. 20.-- Busse. Den mit Urteil des Kantonsgerichts vom 10. Januar 2002 gewährten bedingten Strafvollzug für die Gefängnisstrafe von 45 Tagen widerrief es.
 
C.
 
Das Ausländeramt des Kantons Schaffhausen wies X.________ mit Verfügung vom 14. August 2002 für zehn Jahre aus der Schweiz aus. Den Beginn setzte es auf den 22. September 2002 an, den Tag der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug.
 
Gegen diese Verfügung rekurrierte X.________ an den Regierungsrat des Kantons Schaffhausen. Am 30. August 2002 verzichtete X.________ auf die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug, womit dieser am 28. November 2002 endete. Mit Beschluss vom 26. November 2002 wies der Regierungsrat den Rekurs ab und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
 
D.
 
Dagegen beschwerte sich X.________ am 28. November 2002 beim Obergericht. Mit Verfügung vom 29. November 2002 wies dieses das Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab. Am folgenden Tag wurde X.________ aus der Schweiz ausgeschafft.
 
Mit Entscheid vom 4. Juli 2003 wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen die Beschwerde ab.
 
E.
 
Mit Eingabe vom 21. Juli 2003 und handschriftlicher Ergänzung vom 20. August 2003 (Postaufgabe im Kosovo) führt X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem (sinngemässen) Antrag, den Entscheid des Obergerichts vom 4. Juli 2003 aufzuheben und ihm die Rückkehr in die Schweiz zu gestatten.
 
F.
 
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen hat auf Vernehmlassung verzichtet. Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen und das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung beantragen Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Gegen die sich auf Art. 10 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) stützende Ausweisungsverfügung ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 OG e contrario; BGE 114 Ib 1 E. 1a S. 2).
 
1.2 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 104 lit. a und b OG), nicht jedoch die Unangemessenheit des angefochtenen Entscheids gerügt werden (vgl. Art. 104 lit. c OG). Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, ist das Bundesgericht an deren Sachverhaltsfeststellungen gebunden, sofern diese - was vorliegend der Fall ist - nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erfolgt sind (Art. 105 Abs. 2 OG).
 
2.
 
2.1 Gemäss Art. 10 Abs. 1 ANAG kann ein Ausländer aus der Schweiz ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft wurde (lit. a) oder wenn das Verhalten des Ausländers im allgemeinen und seine Handlungen darauf schliessen lassen, dass er nicht gewillt oder nicht fähig ist, sich in die im Gastland geltende Ordnung einzufügen (lit. b). Die Ausweisung soll jedoch nur ausgesprochen werden, wenn sie nach den gesamten Umständen angemessen erscheint (Art. 11 Abs. 3 ANAG). Hierbei sind vor allem die Schwere des Verschuldens des Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz und die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (Art. 16 Abs. 3 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAV; SR 142.201]). Ob die Ausweisung im Sinne der Art. 11 Abs. 3 ANAG und Art. 16 Abs. 3 ANAV "angemessen", d.h. verhältnismässig sei, ist eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht frei überprüft wird (Art. 104 lit. a OG). Dem Bundesgericht ist es jedoch verwehrt, sein eigenes Ermessen - im Sinne einer Überprüfung der Zweckmässigkeit (Opportunität; vgl. BGE 116 353 E. 2b S. 356 f.) der Ausweisung - an die Stelle desjenigen der zuständigen kantonalen Behörde zu setzen (BGE 125 II 521 E. 2a S. 523, mit Hinweisen).
 
2.2 Je länger ein Ausländer in der Schweiz anwesend war, desto strengere Anforderungen sind grundsätzlich an die Anordnung einer Ausweisung zu stellen. Zu berücksichtigen ist auch, in welchem Alter der Ausländer in die Schweiz eingereist ist. Selbst bei einem Ausländer, der bereits hier geboren ist und sein ganzes bisheriges Leben in der Schweiz verbracht hat, ist eine Ausweisung indessen nicht ausgeschlossen. Erst recht gilt dies für Ausländer, die - wie der Beschwerdeführer - erst als Erwachsene in die Schweiz gelangt sind. Entscheidend ist aber in jedem Fall die Verhältnismässigkeitsprüfung, die gestützt auf die gesamten wesentlichen Umstände des Einzelfalles vorzunehmen ist (BGE 125 II 521 E. 2b S. 523 f., mit Hinweisen).
 
3.
 
3.1 Der Beschwerdeführer ist wiederholt straffällig geworden und wurde deshalb gerichtlich verurteilt; damit ist der Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG erfüllt. Es bleibt zu prüfen, ob die Ausweisung als verhältnismässig erscheint.
 
3.2 Der Beschwerdeführer ist zwar nicht wegen besonders gravierenden Straftaten verurteilt worden, trotzdem wiegt sein Verschulden schwer. Er hat seine Ehefrau immer wieder massiv bedroht und geschlagen. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, fallen die wiederholten Morddrohungen besonders ins Gewicht. Der Beschwerdeführer verhielt sich gegenüber seiner Ehefrau völlig rücksichtslos und terrorisierte sie systematisch bis zu ihrer psychischen Erkrankung. Er schreckte im Übrigen nicht davor zurück, die Ehefrau in Anwesenheit der Kinder anzugreifen. Auch die Kinder mussten daher zur Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse psychologisch behandelt werden. Dass sich seine Drohungen "lediglich" gegen seine Ehefrau und nicht gegen Drittpersonen richteten, vermindert sein Verschulden keineswegs. Wie die kantonalen Behörden zutreffend festgehalten haben, ist Gewalt in der Familie ebenso wenig zu dulden wie Gewalttätigkeit gegenüber unbeteiligten Dritten. Die bedingt verhängte Strafe hat den Beschwerdeführer nicht beeindruckt, ist er doch innerhalb der Probezeit erneut straffällig geworden. Seit seiner Ausschaffung beteuert er zwar, er werde sich nun einsichtig zeigen. Aufgrund seines andauernden brutalen Vorgehens und der an den Tag gelegten Unbelehrbarkeit kann dem angeblichen Gesinneswandel allerdings keine grosse Bedeutung beigemessen werden. Es besteht somit weiterhin ein erhebliches öffentliches Interesse an der Fernhaltung des Beschwerdeführers von der Schweiz.
 
3.3 Es trifft zwar zu, dass die Ehefrau den Beschwerdeführer während des Strafvollzugs besucht hat. Die Ehefrau, die nicht gedenkt, die Schweiz zu verlassen, scheint sich zudem für die Rückkehr des Beschwerdeführers in die Schweiz einzusetzen. Seitens des Beschwerdeführers ist sogar von Versöhnung die Rede. Angesichts der wiederholten Vorfälle, die zur gerichtlichen Bestrafung des Beschwerdeführers führten, sowie des familiären und kulturellen Umfeldes muss aber davon ausgegangen werden, dass sie dem Druck des Beschwerdeführers und der Familie ausgesetzt ist und dass die Rückkehr des Beschwerdeführers nicht in ihrem wohlverstandenen Interesse liegt. Es besteht nicht nur die Gefahr, dass dieser die Ehefrau weiterhin terrorisiert, sondern auch, dass er seine Morddrohungen wahr macht.
 
3.4 Seitens der Kinder besteht ein geringeres Interesse an der Fernhaltung des Beschwerdeführers. Sie hängen offenbar an ihrem Vater und diesem kann den Kindern gegenüber kein direktes negatives Verhalten vorgeworfen werden. Allerdings führten die Drohungen und Tätlichkeiten des Beschwerdeführers gegenüber der Ehefrau dazu, dass - wie erwähnt - auch die Kinder psychologisch behandelt werden mussten. Insofern erweist sich der Einfluss des Beschwerdeführers auf die Kinder zumindest als problematisch. Zweifellos wird die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinen beiden Kindern durch die geographische Trennung erschwert. Der Beschwerdeführer hat sich diese Situation jedoch selber zuzuschreiben. Nach der ersten bedingten Verurteilung und den verschiedenen Zurechtweisungen hatte er es in der Hand, sein Verhalten zu ändern und damit fremdenpolizeiliche Massnahmen überflüssig zu machen.
 
3.5 Der Beschwerdeführer ist erst im Alter von 29 Jahren in die Schweiz eingereist. Er hat somit seine gesamte Kindheit und die prägenden Jugendjahre in seiner Heimat verbracht. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass er in ein ihm bekanntes soziales und kulturelles Umfeld zurückgekehrt ist und in der Lage sein sollte, sich verhältnismässig rasch wieder ein Beziehungsnetz aufzubauen. Seit seiner Einreise in die Schweiz ist der Beschwerdeführer, abgesehen von wenigen Ausnahmen, keiner regelmässigen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Seit 1998 kann er überhaupt keine feste Anstellung mehr nachweisen. Zudem liess er Schulden von ungefähr Fr. 25'000.-- entstehen. Von einer starken Integration in der Schweiz kann somit nicht die Rede sein. Vielmehr war der Beschwerdeführer nicht gewillt oder nicht fähig, wie auch sein Verhalten gegenüber seiner Ehefrau zeigt, sich den in der Schweiz bestehenden Verhältnissen und Gepflogenheiten anzupassen. Die Vorinstanz erachtete daher zu Recht auch den Ausweisungsgrund gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG als erfüllt.
 
3.6 Zusammenfassend ergibt sich, dass das öffentliche Interesse an der Fernhaltung des Beschwerdeführers dessen privates Interesse an einem weiteren Verbleib in der Schweiz überwiegt. Der angefochtene Entscheid des Obergerichts verletzt somit Bundesrecht nicht und ist verhältnismässig.
 
4.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich daher als unbegründet und ist abzuweisen.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Seiner finanziellen Lage wird bei der Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung getragen (Art. 153a Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen sowie dem Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 26. November 2003
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).