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Informationen zum Dokument  BGer 5P.329/2003  Materielle Begründung
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BGer 5P.329/2003 vom 23.12.2003
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5P.329/2003 /bnm
 
Urteil vom 23. Dezember 2003
 
II. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Raselli, Präsident,
 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer, Gerichtsschreiber Möckli.
 
Parteien
 
Z.________,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Dr. Hansulrich Weber,
 
gegen
 
Versicherung X.________,
 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher Franz Müller,
 
Appellationshof des Kantons Bern, II. Zivilkammer, Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern.
 
Gegenstand
 
Art. 9 und 29 BV (Versicherungsvertrag),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationshofs des Kantons Bern, II. Zivilkammer, vom 17. Februar 2003.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Parteien haben am 18. August 1986 eine Einzelunfallversicherung in Ergänzung zum UVG geschlossen, die Pflegeleistungen und Kostenvergütungen, ein Spitaltaggeld, ein Taggeld, ein Integritätskapital und ein Todesfallkapital umfasst.
 
Am 20. Februar 1990 verunfallte Z.________ als Beifahrerin in einem Personenwagen. Die Versicherung X.________ bezahlte ihr Heilungskosten von Fr. 136.-- und 281 Taggelder à Fr. 15.--. Von der SUVA erhielt sie ebenfalls Heilungskosten und Taggelder vergütet.
 
Am 23. Januar 1992 teilte die SUVA Z.________ mit, es seien keine organischen Verletzungen mehr feststellbar und auch die neuropsychologische Begutachtung habe keine Hinweise auf eine Verschlechterung ergeben, weshalb sie den Fall abschliesse. Auf den gleichen Zeitpunkt stellte die Versicherung X.________ ihre Zahlungen ein. Am 3. Februar 1995 gab sie gegenüber Z.________ einen Verjährungsverzicht ab, freilich unter dem Vorbehalt, dass deren Ansprüche nicht bereits verjährt seien.
 
Am 15. August 1992 liess Z.________ der SUVA einen Rückfall melden. Mit Schreiben vom 20. August 1992 hielt diese daran fest, dass keine Leistungen mehr zu erbringen seien. Über zwei Jahre später gelangte sie erneut an die SUVA, die ihr mit Verfügung vom 22. August 1996 eröffnete, sie halte am Fallabschluss vom 23. Januar 1992 fest. Diese Verfügung wurde letztinstanzlich vom Eidgenössischen Versicherungsgericht bestätigt.
 
B.
 
Am 14. Februar 2002 verklagte Z.________ die Versicherung X.________ auf Bezahlung der Restansprüche aus der Einzelunfallversicherung. Mit Urteil vom 26. August 2002 wies der Gerichtspräsident 1 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen die Klage in dem vorerst auf die Feststellung des Vertragsinhalts und die Frage der Verjährung beschränkten Verfahren ab mit der Begründung, als Ergänzung zum UVG teile die privatrechtliche Zusatzversicherung bei der Versicherung X.________ das Schicksal der öffentlich-rechtlichen Ansprüche gegen die SUVA. Mit Urteil vom 11./17. Februar 2003 wies der Appellationshof des Kantons Bern, II. Zivilkammer, die Klage ebenfalls ab mit der Begründung, die Ansprüche gegenüber der Versicherung X.________ seien verjährt.
 
C.
 
Gegen dieses Urteil hat Z.________ sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Mit Letzterer verlangt sie dessen Aufhebung sowie die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Wird in der gleichen Sache sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde zu befinden und die Entscheidung über die Berufung auszusetzen (Art. 57 Abs. 5 OG). Es besteht kein Anlass, anders zu verfahren.
 
2.
 
Die Verletzung von Bundesrecht ist mit Berufung vorzutragen (Art. 43 Abs. 1 OG). Wegen des Prinzips der absoluten Subsidiarität der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 84 Abs. 2 OG) kann deshalb in berufungsfähigen Fällen nicht willkürliche Anwendung von Bundesrecht (Rechtsmissbrauch, Verjährungsregeln und VVG-Bestimmungen) gerügt werden; insofern ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
 
3.
 
Die Kernerwägung des Appellationshofes hat u.a. darin bestanden, dass zwischen dem Zahlungsstopp der Beschwerdegegnerin am 23. Januar 1992 und der bedingten Verjährungsverzichtserklärung vom 3. Februar 1995 mehr als die gemäss Art. 46 VVG zwei Jahre betragende Verjährungsfrist verstrichen sei, ohne dass eine die Verjährung unterbrechende Handlung oder Anerkennung im Sinn von Art. 135 OR erfolgt sei.
 
Weil demnach allfällige Unterbrechungshandlungen vor dem 23. Januar 1992 oder nach dem 3. Februar 1995 irrelevant sind, stösst die Rüge der Beschwerdeführerin ins Leere, die Vorinstanz habe die anerkennenden Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 19. Dezember 1990 sowie vom 27. Januar 1998 und 13. Januar 2000 nicht beachtet und damit das rechtliche Gehör und die Begründungspflicht verletzt.
 
4.
 
Fehl geht sodann die Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung im Zusammenhang mit dem Leistungsstopp der Beschwerdegegnerin. Entgegen der sinngemässen Ansicht der Beschwerdeführerin sind diesbezüglich auch gar keine besonderen Sachverhaltsfeststellungen zum inneren Willen der Beschwerdegegnerin nötig:
 
Indem diese bei einer Zusatzversicherung zum UVG gemeinsam mit der SUVA die Zahlungen eingestellt hat, ist ihr Wille klar dokumentiert, nur für den Fall, dass auch die SUVA zu weiteren Leistungen verpflichtet wäre, die Zahlungen fortsetzen zu wollen. Wenn die Beschwerdeführerin nunmehr geltend macht, die privatrechtliche Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin bestehe unabhängig von der sozialversicherungsrechtlichen der SUVA, hätte sie von der Beschwerdegegnerin umgehend weitere Zahlung und jedenfalls vor Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist einen Verjährungsverzicht verlangen oder verjährungsunterbrechende Handlungen gemäss Art. 135 Ziff. 2 OR vornehmen müssen. Entgegen dem sinngemässen Vorbringen der Beschwerdeführerin sind ärztliche Abklärungen und Begutachtungen keine solchen Handlungen. An der Sache vorbei geht auch die Behauptung, die Beschwerdegegnerin sei an ihre Zusage gemäss Schreiben vom 19. Dezember 1990 gebunden, ist doch eine Anerkennung nach Art. 135 Ziff. 1 OR verjährungsunterbrechend, nicht verjährungsausschliessend.
 
5.
 
Hinsichtlich des Integritätsschadens rügt die Beschwerdeführerin ebenfalls willkürliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung. Die IV-Stelle Aargau habe ihr mit Verfügung vom 4. bzw. 12. Dezember 1997 mit Wirkung ab 1. April 1995 eine 100%-ige Invalidität attestiert. In ihrer Klage habe sie ausserdem dargelegt, dass der Integritätsschaden erstmals durch die Auswertung der neuropsychologischen Untersuchung und des SPECT-Befundes vom 4. Oktober 1995 habe festgestellt werden können. Im Übrigen habe sie darauf hingewiesen, dass sie bis am 28. März 1993 erwerbstätig gewesen sei und die Verjährungsfrist nicht vor dem letzten Arbeitstag habe zu laufen beginnen können. Die obergerichtliche Aussage, es fehlten jegliche Anhaltspunkte dafür, dass sie erst nach dem 2. Februar 1993, also rund drei Jahre nach dem Unfall, von einem Integritätsschaden Kenntnis erhalten habe, erweise sich somit als willkürlich.
 
Der Appellationshof hat zwischen Integrität und Invalidität unterschieden und erwogen, ein Integritätsschaden liege vor, wenn der Versicherte durch einen Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen oder geistigen Integrität erleide (Art. 24 Abs. 1 UVG), was immer durch den Unfall selbst bewirkt werde, während Invalidität erst vorliege, wenn zur Integritätsbeeinträchtigung eine definitive Verminderung der Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit hinzutrete. Indem sich die Beschwerdeführerin ausschliesslich zu ihrer Invalidität statt zur Beeinträchtigung der Integrität äussert und sie sich mit der vorinstanzlichen Unterscheidung nicht detailliert auseinandersetzt, hat sie die ihr obliegende Rügepflicht verletzt (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG), weshalb auf die betreffenden Vorbringen nicht einzutreten ist. Entsprechend wird die Rüge im Zusammenhang mit der (angeblich falsch verteilten) Beweislast gegenstandslos, soweit sie als Bundesrechtsverletzung (Art. 8 ZGB) nicht ohnehin Berufungsthema wäre. Gleiches gilt für die Rüge, Art. 88 VVG (der ohnehin die Invaliditätsentschädigung betrifft) und Art. 24 UVG (der sozialversicherungsrechtliche Ansprüche regelt) seien verletzt.
 
6.
 
Hinsichtlich der Heilungskosten hat der Appellationshof erwogen, die Beschwerdeführerin habe diese nirgends substanziiert, und sie habe auch nicht dargelegt, dass künftig mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit überhaupt mit solchen Kosten zu rechnen sei; vielmehr habe sie bloss verlangt, dass künftige Kosten für die Heilbehandlung - nötigenfalls unter Einholung einer gerichtlichen Expertise - nach pflichtgemässem richterlichem Ermessen festzusetzen seien. Die Frage der Substanziierung könne aber offen gelassen werden. Die Beschwerdeführerin habe nämlich künftige Kosten eingeklagt, die bereits unmittelbar nach dem Unfall hätten geltend gemacht werden können und für die folglich die Verjährung in jenem Zeitpunkt zu laufen begonnen habe. Der Anspruch sei somit verjährt.
 
In diesen Ausführungen ist weder die gerügte willkürliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung noch eine Gehörsverletzung zu erkennen: Zum einen geht die Beschwerdeführerin darüber hinweg, dass der Appellationshof die Abweisung der Klage bezüglich der Heilungskosten letztlich nicht mit der fehlenden Substanziierung, sondern mit dem Argument der Verjährung begründet hat. Aber selbst wenn der angefochtene Entscheid auf zwei selbständigen Begründungen beruhen würde, müssten beide angefochten werden (BGE 105 Ib 221 E. 2c S. 224; 107 Ib 264 E. 3b S. 268; 113 Ia 94 E. 1a/bb S. 95 f.; analog für die Berufung: BGE 111 II 397 E. 2b; 115 II 300 E. 2a S. 302), ansonsten der Entscheid gestützt auf die unangefochtene Begründung bestehen bliebe. Zum anderen würde auch die Behauptung der Klägerin, sie habe die Heilungskosten genügend substanziiert bzw. sie hätte diese im Verlauf des Verfahrens hinreichend darlegen können, fehl gehen. Wie die Vorinstanz richtig festgehalten hat, erschöpft sich die Klagebegründung zu den Heilungskosten im Satz: "Die künftigen Kosten sind - nötigenfalls unter Einholung einer gerichtlichen Expertise - nach pflichtgemässem richterlichem Ermessen festzusetzen." Angesichts des Umstandes, dass gemäss Art. 92 Abs. 1 ZPO/BE alle Tatsachenbehauptungen bereits in der Klageschrift bzw. spätestens bis zum ersten Parteivortrag vorzubringen sind, mangelt es an einer auch nur annähernden Substanziierung der angeblichen Heilungskosten.
 
7.
 
Ins Leere stösst schliesslich die Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung hinsichtlich des Vertragsinhalts, da der Appellationshof die Klage mit dem (alleinigen) Argument abgewiesen hat, die geltend gemachten Ansprüche seien verjährt.
 
8.
 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Somit ist die Gerichtsgebühr der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da keine Vernehmlassungen eingeholt worden sind, ist auf der Gegenseite kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationshof des Kantons Bern, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 23. Dezember 2003
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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