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Informationen zum Dokument  BGer H 121/2003  Materielle Begründung
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BGer H 121/2003 vom 03.03.2004
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
H 121/03
 
Urteil vom 3. März 2004
 
IV. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Meyer; Gerichtsschreiber Lanz
 
Parteien
 
S.________, 1947, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Laurenz Zellweger, Lange Gasse 1, 4052 Basel,
 
gegen
 
Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn
 
(Entscheid vom 24. Februar 2003)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1947 geborene deutsche Staatsangehörige S.________ war ab Juni 1971 als Beamter der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit Sitz in Basel tätig. Auf den 1. Oktober 1999 trat er gesundheitsbedingt aus dem Personalbestand der BIZ aus, welche ihm seither eine Dienstunfähigkeitsrente ausrichtet. Wohnhaft blieb er in der Schweiz.
 
Mit Verfügungen vom 29. Mai 2002 erfasste die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn S.________ ab 1. August 1999 - dem irrtümlich anstelle des 1. Oktober 1999 angenommenen Austritt aus der BIZ - als Nichterwerbstätigen, und sie setzte auf der Grundlage der kapitalisierten Dienstunfähigkeitsrente und des Vermögens die von ihm zu entrichtenden AHV/IV/EO-Beiträge (einschliesslich Verwaltungskostenbeitrag) ab diesem Zeitpunkt bis 31. Dezember 2000 sowie provisorisch für die Jahre 2001 und 2002 fest. Sie stellte ihm hiefür sowie für Verzugszinsen am 29. Mai und 12. Juni 2002 Rechnung.
 
B.
 
Die gegen diese Verwaltungsakte erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn nach zweifachem Schriftenwechsel in dem Sinne teilweise gut, dass es die Beitragsverfügung für das Jahr 1999 aufhob mit der Feststellung, S.________ unterstehe erst ab 1. Oktober 1999 als Nichterwerbstätiger der Beitragspflicht. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Entscheid vom 24. Februar 2003).
 
C.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ beantragen, in teilweiser Aufhebung des kantonalen Entscheides sei festzustellen, dass er für einen der jeweiligen maximalen Invalidenrente der schweizerischen Invalidenversicherung entsprechenden Teilbetrag der Dienstunfähigkeitsrente nicht beitragspflichtig sei, und es sei die Ausgleichskasse anzuweisen, die auf diesen Teilbetrag entfallenden Sozialversicherungsbeiträge von ihren Rechnungen abzuziehen. Weiter wird darum ersucht, der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
 
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die zu einer Geldleistung verpflichtende Verfügung hat von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung (Art. 132 in Verbindung mit Art. 111 Abs. 1 OG), weshalb diese im vorliegenden Fall entgegen der dem entsprechenden Antrag zugrunde liegenden Auffassung des Beschwerdeführers nicht noch angeordnet zu werden braucht.
 
2.
 
Da nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen streitig ist, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
 
Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhaltsverhalts geht. Entsprechend dem Prinzip der Rechtsanwendung von Amtes wegen beschränkt sich das Gericht nicht darauf, den Streitgegenstand bloss im Hinblick auf die von den Parteien aufgeworfenen Rechtsfragen zu überprüfen. Es kann eine Beschwerde gutheissen oder abweisen aus anderen Gründen als vom Beschwerdeführer vorgetragen oder von der Vorinstanz erwogen (Art. 114 Abs. 1 am Ende in Verbindung mit Art. 132 OG, BGE 124 V 340 Erw. 1b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 125 V 500 Erw. 1 mit Hinweisen).
 
3.
 
3.1 Die streitigen Verwaltungsverfügungen wurden vor dem In-Kraft-Treten (1. Juni 2002) des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit erlassen. Dieses Abkommen, insbesondere dessen Anhang II, der die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit regelt, ist demnach im vorliegenden Verfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (BGE 129 V 3 Erw. 1.1 mit Hinweis). Da in zeitlicher Hinsicht in der Regel diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweis), stellt sich aber dennoch die Frage der Anwendbarkeit des Abkommens, soweit Beiträge für einen Zeitraum nach dessen Inkrafttreten verfügt wurden. Das Abkommen und die im Anhang II dazu aufgeführten gemeinschaftlichen Rechtsakte beschlagen indessen die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige. Davon nicht berührt wird die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildende Regelung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflicht eines in der Schweiz wohnhaften Nichterwerbstätigen ohne familiären Bezug zu einem vom Abkommen erfassten Arbeitnehmer oder Selbstständigerwerbenden. Da der betroffene Nichterwerbstätige deutscher Staatsangehöriger ist, bleibt für die Frage seiner Beitragspflicht im Rahmen der schweizerischen Sozialversicherungsgesetzgebung die bilaterale staatsvertragliche Regelung zwischen Deutschland und der Schweiz massgebend. Danach gelten für die Pflichtversicherung von Personen, die keine Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben, mit einer - hier nicht interessierenden Ausnahme betreffend die Krankenversicherung - die Rechtsvorschriften der Vertragspartei, in deren Gebiet sie wohnen (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Abkommens zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1994 in der Fassung gemäss Art. 1 Ziff. 6 des Zweiten Zusatzabkommens hiezu vom 2. März 1989). Anwendbar ist damit schweizerisches Recht.
 
3.2 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) in Kraft getreten. Im Sinne der soeben dargelegten Grundsätze der zeitlichen Anwendbarkeit von Rechtssätzen sind aber bei der vorliegenden Beurteilung die bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Bestimmungen anwendbar (vgl. BGE 129 V Erw. 4 Erw. 1.2).
 
4.
 
Aufgrund des - im Vergleich zum vorinstanzlichen Verfahren eingeschränkten - Antrages in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, über den hinaus auch nach Art. 114 Abs. 1 OG zu gehen kein Anlass besteht, ist im Rahmen der Kognition (Erw. 2 hievor) als Frage des Bundesrechts einzig zu prüfen, ob von dem an den Beschwerdeführer ab dem 1. Oktober 1999 (Austritt aus der BIZ) ausgerichteten Renteneinkommen, welches im Sinn von Art. 10 AHVG in Verbindung mit Art. 28 AHVV kapitalisiert und der Beitragspflicht als Nichterwerbstätiger zu Grunde gelegt wird, der Beitrag der IV-Rente (im Umfange der maximalen Vollrente) abzuziehen ist.
 
4.1 Die zur Stützung dieses Standpunktes in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgetragene Begründung lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass ein solcher Abzug einer hypothetischen IV-Rentenberechtigung aus Gründen der verfassungsmässigen Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV) geboten sei. AHV/IV-Versicherten, welche vor Erreichung des Schlussalters für den Beginn der Altersrente als Nichterwerbstätige eine IV-Rente bezögen, werde diese nach ausdrücklicher Verordnungsvorschrift (Art. 28 Abs. 1 AHVV) nicht als beitragspflichtiges Renteneinkommen angerechnet. Auf Grund der Stellung der BIZ als internationale Organisation, deren Funktionäre im Genusse völkerrechtlicher Privilegien stehen, sei es dem Beschwerdeführer als in der Schweiz wohnhafter BIZ-Beamter ausländischer Nationalität nicht möglich gewesen, sich der schweizerischen AHV/IV anzuschliessen, wie ein Schreiben der Ausgleichskasse Basel-Stadt vom 17. September 1971 belege. Kraft völkerrechtlicher Freistellung von der AHV/IV-Versicherungs- und Beitragspflicht sei er daher durch das BIZ-eigene Vorsorgewerk im Rahmen der Alters- und Hinterlassenenvorsorge und gegen die Folgen von Invalidität versichert worden. Die ihm seit 1. Oktober 1999 ausgerichtete Dienstunfähigkeitsrente sei demnach von ihrer Funktion her nichts anderes als eine Invalidenrente nach schweizerischem Recht.
 
4.2 Es ist richtig, dass dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot bei der Auslegung formellen und materiellen Gesetzesrechts als normmittelbarem Kriterium Rechnung zu tragen ist, wie das Eidgenössische Versicherungsgericht in seiner Praxis immer wieder bestätigt hat (BGE 126 V 97 Erw. 4b, 106 Erw. 3 Ingress, je mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur, und 472 f. Erw. 5; vgl. auch BGE 128 V 24 f. Erw. 3a). Indessen fragt sich, ob die vom Beschwerdeführer verlangte Gleichstellung eines der maximalen vollen IV-Rentenberechtigung entsprechenden Teils seiner Dienstunfähigkeitsrente der BIZ als von der Beitragspflicht als Nichterwerbstätiger freigestelltes Einkommen tatsächlich durch die massgeblichen Verhältnisse gerechtfertigt ist. Diese Frage ist zu verneinen. Denn die Freistellung der AHV/IV-Renten von der Beitragspflicht der Nichterwerbstätigen beruht wesentlich auf der Überlegung, dass es eine Selbstfinanzierung der Versicherung zu vermeiden gilt: Der AHV/IV-Rentenbezüger soll nicht durch Beiträge auf diesem kapitalisierten Renteneinkommen zur Finanzierung der laufenden Rente herangezogen werden. Dieser Gesichtspunkt allein rechtfertigt eine abweichende Behandlung gegenüber Bezügern, welche von irgend einem schweizerischen oder ausländischen Versicherungsträger eine Rente für gesundheitlich bedingte Erwerbsunfähigkeit (Invalidität) beziehen (vgl. ZAK 1991 S. 417 Erw. 3c, 1990 S. 430 Erw. 2b, je mit Hinweisen; Hanspeter Käser, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Auflage, Bern 1996, Rz 10.30). Pflichtete man dem Standpunkt des Beschwerdeführers bei, hätte dies zur Folge, dass sämtlichen Personen, welche aus irgend einem Grunde den Anspruch auf eine AHV/IV-Rente nicht erwerben konnten oder wollten, in der Schweiz als Nichterwerbstätige Wohnsitz nehmen und aus dem In- oder Ausland ein AHV/IV-fremdes Renteneinkommen wegen Invalidität beziehen, ein Abzug in der Höhe des hypothetischen IV-Rentenbetreffnisses einzuräumen wäre. Für eine solche Schlussfolgerung bietet weder die bisherige Verwaltungspraxis und Rechtsprechung eine Grundlage; noch liegt eine solche Auffassung in der ratio legis des Gesetzgebers, welche die Nichterwerbstätigen nach ihren sozialen Verhältnissen der Beitragspflicht unterstellen will (Art. 10 Abs. 1 AHVG), dies mit der einzigen Ausnahme der Beitragspflicht auf der AHV/IV-Rente.
 
4.3 Die Verwaltung hat die Beiträge für das Jahr 1999 gestützt auf die unzutreffende Annahme verfügt, der Beschwerdeführer sei am 1. August 1999 aus der BIZ ausgetreten und daher schon ab diesem Zeitpunkt beitragspflichtig. Das kantonale Gericht hat deswegen die Beitragsverfügung für das Jahr 1999 aufgehoben. Dies ist ebenso wenig zu beanstanden und umstritten wie die Feststellung der Vorinstanz, wonach der Beschwerdeführer der Beitragspflicht als Nichterwerbstätiger erst ab 1. Oktober 1999 - dem tatsächlichen Zeitpunkt des Austritts aus der BIZ - unterstehe.
 
Ausgehend von dieser Feststellung der Vorinstanz über die grundsätzliche Unterstellung unter die Beitragspflicht ab dem besagten Zeitpunkt wird die Verwaltung neu zu prüfen haben, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe der Beschwerdeführer für das Jahr 1999 Beiträge zu bezahlen hat, was sich nach weiteren, vom kantonalen Gericht nicht beurteilten Gesichtspunkten bestimmt. Das Augenmerk wird auch darauf zu richten sein, welche rechtliche Bedeutung - etwa vor dem Hintergrund von Art. 28bis AHVV über die Beiträge von nicht dauernd voll erwerbstätigen Personen und der Verwaltungspraxis hiezu (vgl. Rz 2027 ff. der Wegleitung des BSV über die Beiträge der Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen) - dem Umstand zukommt, dass der Beschwerdeführer während neun Monaten des Jahres 1999 von der Pflicht, auf dem in dieser Zeit erzielten Erwerbseinkommen Beiträge zu entrichten, befreit war.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'900.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 3. März 2004
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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