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Informationen zum Dokument  BGer I 659/2003  Materielle Begründung
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BGer I 659/2003 vom 11.03.2004
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
I 659/03
 
Urteil vom 11. März 2004
 
III. Kammer
 
Besetzung
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiber Hadorn
 
Parteien
 
Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 20, 3003 Bern, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. H.________, 1988, vertreten durch ihre Eltern und diese vertreten durch die Organisation Q.________,
 
2. Helsana Versicherungen AG, Schadenrecht, Birmensdorferstrasse 94, 8003 Zürich, Beschwerdegegnerinnen,
 
Vorinstanz
 
Obergericht des Kantons Schaffhausen, Schaffhausen
 
(Entscheid vom 12. September 2003)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
H.________ (geb. 1988) erkrankte im Alter von 17 Tagen an einer Hirnhautentzündung, welche bleibende gesundheitliche Schäden hinterliess. Die Invalidenversicherung erbrachte unter dem Titel medizinischer Eingliederungsmassnahmen Physiotherapie und richtete Hauspflegebeiträge aus. Mit zwei Verfügungen vom 4. Juni 2002 lehnte die IV-Stelle Schaffhausen die Verlängerung beider Massnahmen ab.
 
B.
 
Sowohl H.________, vertreten durch ihre Eltern, als auch ihre Krankenkasse, die Helsana Versicherungen AG, erhoben hiegegen Beschwerde. Mit Entscheid vom 12. September 2003 wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen die Beschwerden in Bezug auf die Hauspflegebeiträge ab und hiess sie hinsichtlich der Physiotherapie gut.
 
C.
 
Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des kantonalen Gerichts sei bezüglich der Physiotherapie aufzuheben.
 
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen und H.________ schliessen auf Abweisung, die IV-Stelle hingegen auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. H.________ lässt überdies Antrag auf Weitergewährung der Hauspflegebeiträge stellen. Die Helsana verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Das kantonale Obergericht hat die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung (Art. 8 Abs. 1 IVG), namentlich auf medizinische Massnahmen im Allgemeinen (Art. 12 Abs. 1 IVG, in der bis Ende 2003 gültig gewesenen Fassung) und bei Geburtsgebrechen (Art. 13 Abs. 1 IVG) sowie auf Übernahme von Kosten für die Hauspflege (Art. 14 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 IVG; Art. 4 Abs. 1 und 2 IVV) sowie die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 124 V 37 Erw. 4b/aa; 120 V 284 Erw. 3a) richtig dargelegt. Sodann trifft zu, dass ATSG und ATSV materiellrechtlich nicht anwendbar sind. Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass minderjährige nicht erwerbstätige Versicherte nach Art. 5 Abs. 2 IVG (in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung) als in-valid gelten, wenn ihr Gesundheitszustand künftig wahrscheinlich eine Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben wird.
 
2.
 
Streitgegenstand (dazu BGE 125 V 413) bildet der vom BSV bestritte-ne Anspruch der Beschwerdegegnerin auf weitere Übernahme der Physiotherapie durch die Invalidenversicherung. Die Ablehnung der Hauspflegebeiträge ist hingegen nicht angefochten worden. Nachdem die Versicherte gegen den kantonalen Entscheid nicht selber Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben hat, kann sie im Rahmen der Vernehmlassung kein selbstständiges Begehren im Sinne eines Antrags stellen, der über den durch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des BSV bestimmten Streitgegenstand hinausgeht. Es sei jedoch auf BGE 129 V 200 hingewiesen, wonach die Ausrichtung von Hauspflegebeiträgen die Durchführung medizinischer Massnahmen nach Art. 12 oder 13 IVG voraussetzt, welche Bedingung, wie sich aus dem Folgenden ergibt, nicht erfüllt ist.
 
3.
 
Es ist an Hand der Akten erstellt und im Übrigen nicht mehr streitig, dass kein Geburtsgebrechen vorliegt. Zu prüfen ist daher, ob die Beschwerdegegnerin gestützt auf Art. 12 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 IVG Anspruch auf Weiterführung der Physiotherapie auf Kosten der Invalidenversicherung hat.
 
3.1 Nach der Rechtsprechung können medizinische Massnahmen bei Jugendlichen schon dann überwiegend der Eingliederung dienen und von der Invalidenversicherung übernommen werden, wenn ohne diese Vorkehren eine Heilung mit Defekt oder ein sonst wie stabilisierter Zustand einträte, wodurch die Berufsbildung oder die Erwerbsfähigkeit oder beide beeinträchtigt würden (BGE 105 V 20; AHI 2003 S. 104 f., 2000 S. 64). Umgekehrt kommen medizinische Massnahmen der Inva-lidenversicherung auch bei Minderjährigen nicht in Betracht, wenn sich solche Vorkehren gegen Krankheiten richten, welche nach heutiger Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft ohne kontinuierliche Behandlung nicht dauerhaft gebessert werden können. Es darf keine Therapie von unbeschränkter Dauer oder zumindest über eine längere Zeit hinweg in Frage stehen, bei der sich hinsichtlich des damit erreichbaren Erfolges keine zuverlässige Prognose stellen lässt (AHI 2003 S. 106 Erw. 4b; Urteile K. vom 18. November 2003, I 334/03; S. vom 17. November 2003, I 416/03, B. vom 27. Oktober 2003, I 484/02, F. vom 14. Oktober 2003, I 298/03).
 
3.2 Aus den Akten ergibt sich, dass die Versicherte erstmals ab 1. Februar 1989 Physiotherapie zugesprochen erhalten hat. Diese wurde mit Verfügung vom 18. November 1992 bis Ende 1995, mit Mitteilung vom 24. November 1995 bis Ende Juli 1996, am 7. Juni 1996 bis Ende 1998 und am 22. Januar 1999 bis Ende 2001 verlängert. Im Bericht vom 13. Dezember 2001 empfahl Dr. med. T.________, Kinderarzt FMH, eine Fortsetzung der Physiotherapie. Der Verlauf sei unverändert, die Prognose ungewiss. In einem Bericht vom 20. September 2002 führt Frau Dr. med. .________, Kinderärztin FMH, Neurorehabilitation, aus, es gebe immer kleine Fortschritte, und es sei durchaus vorauszusehen, dass die Versicherte, wenn sie aus der Blindenschule X.________ austrete, eine geschützte Werkstatt besuchen könne.
 
3.3 Auf Grund dieser Krankengeschichte ist erstellt, dass die Physio-therapie bereits mehr als zehn Jahre andauert und sich noch über einige weitere Jahre erstrecken wird. Es handelt sich damit um eine Therapie von zumindest langer, wenn nicht unbeschränkter Dauer. Sie ist nicht geeignet, den Eintritt eines stabilisierten, die Berufsbildung beeinträchtigenden Zustandes zu verhindern, wird doch die Versicher-te im günstigsten Fall in einer geschützten Werkstätte arbeiten kön-nen. Nach so langer Behandlungszeit kommt der Physiotherapie kein überwiegender Eingliederungscharakter mehr zu (AHI 2003 S. 106 Erw. 4b). Im erwähnten Urteil K. vom 18. November 2003 schied eine Leistungspflicht der Invalidenversicherung gemäss Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit altArt. 5 Abs. 2 IVG nach einer seit 1995 andauernden Behandlung ebenfalls aus. Daher ist die vorliegend streitige Physio-therapie nicht mehr von der Invalidenversicherung zu übernehmen, sondern fällt in den Bereich der Krankenversicherung.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Ent-scheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 12. Septem-ber 2003 aufgehoben, soweit er die Physiotherapie betrifft.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen, der IV-Stelle Schaffhausen und der Ausgleichskasse des Kantons Schaffhausen zugestellt.
 
Luzern, 11. März 2004
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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