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Informationen zum Dokument  BGer 6S.176/2004  Materielle Begründung
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BGer 6S.176/2004 vom 27.10.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6S.176/2004 /pai
 
Sitzung vom 27. Oktober 2004
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, Karlen, Zünd,
 
Gerichtsschreiber Näf.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Barbara Hug,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8023 Zürich.
 
Gegenstand
 
Mehrfache versuchte schwere Körperverletzung; mehrfache Verbreitung menschlicher Krankheiten,
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Geschworenengerichts des Kantons Zürich vom 15. Juli 2003.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Geschworenengericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 15. Juli 2003 der mehrfachen versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB sowie des mehrfachen versuchten Verbreitens menschlicher Krankheiten im Sinne von Art. 231 Ziff. 1 Abs. 1 StGB, jeweils in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB sowie teilweise in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 StGB, schuldig und bestrafte ihn mit dreieinhalb Jahren Gefängnis unter Anrechnung von 29 Tagen Untersuchungshaft.
 
X.________ wird zur Last gelegt, zwischen August 1995 und Juni/Juli 1998 mit fünf Männern, wissend um seine HIV-Infektion, ungeschützt sexuell verkehrt zu haben.
 
B.
 
X.________ erhebt mit Eingabe vom 17. Mai 2004 eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Geschworenengerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht ausserdem um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
 
C.
 
Das Geschworenengericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf eine Stellungnahme zur Beschwerde verzichtet.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Ansteckung mit dem HI-Virus erfülle entgegen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und der Auffassung der Vorinstanz den Tatbestand der schweren Körperverletzung nicht; es fehle nach dem heutigen Stand der Behandlungsmöglichkeiten an einer erheblichen Wahrscheinlichkeit des tödlichen Verlaufs.
 
1.1 Nach Art. 122 StGB wird wegen schwerer Körperverletzung mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer vorsätzlich einen Menschen lebensgefährlich verletzt (Abs. 1); wer vorsätzlich den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt (Abs. 2); wer vorsätzlich eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht (Abs. 3).
 
Die Infektion mit dem HI-Virus führt nach ungewisser, relativ langer Zeit bei vielen Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ausbruch der Immunschwäche AIDS und anschliessend mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode. Die HIV-Infektion ist damit lebensgefährlich, weshalb eine schwere Körperverletzung nach der Tatbestandsvariante des Absatzes 1 von Art. 122 StGB vorliegt, wie das Bundesgericht entschieden hat (BGE 125 IV 242 E. 2b). Zwar darf eine lebensgefährliche Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB nur angenommen werden, wenn die Verletzung zu einem Zustand geführt hat, in dem sich die Möglichkeit des Todes dermassen verdichtete, dass sie zur ernstlichen und dringlichen Wahrscheinlichkeit wurde (BGE 109 IV 18 E. 2c S. 20), was aber nicht bedeutet, dass die Lebensgefahr notwendigerweise eine zeitlich unmittelbare, akute sein muss; massgebend ist vielmehr die erhebliche Wahrscheinlichkeit des tödlichen Verlaufs (BGE 125 IV 242 E. 2b/dd).
 
Trotz gewisser medizinischer Fortschritte und verbesserten medikamentösen Behandlungen, auf welche der Beschwerdeführer verweist, hat sich nichts Grundsätzliches daran geändert, dass die Infektion mit dem HI-Virus nach relativ langer Zeit bei vielen Betroffenen zur Immunschwäche AIDS und anschliessend mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod führt. Das ist ausreichend für die Annahme einer lebensgefährlichen Verletzung. Einer zeitlichen Unmittelbarkeit der Lebensgefahr bedarf es nicht, wie das Bundesgericht erkannt hat und woran festzuhalten ist.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer macht unter Berufung auf die statistisch gesehen geringe Wahrscheinlichkeit der Übertragung des HI-Virus beim ungeschützten Sexualverkehr geltend, er habe nicht mit Eventualvorsatz, sondern höchstens fahrlässig gehandelt.
 
2.1 In tatsächlicher Hinsicht hält die Vorinstanz zunächst fest, dass vier der fünf Männer, mit denen der Beschwerdeführer sexuell verkehrte, heute HIV-positiv sind. Es spricht aufgrund der von der Vorinstanz erhobenen Indizien einiges dafür, dass sie vom Beschwerdeführer infiziert wurden (siehe angefochtenes Urteil S. 26 f.; 30 f., 34 f., 36 f.), was die Vorinstanz aber letztlich offen lassen konnte, weil der Beschwerdeführer lediglich der versuchten schweren Körperverletzung angeklagt wurde. Der Beschwerdeführer wusste um seine Infektion, als er mit den fünf Männern anal und oral ungeschützt verkehrte. Er wusste auch, dass durch ungeschützten Analverkehr eine Ansteckung erfolgen kann, ebenso durch Ejakulieren in den Mund (angefochtenes Urteil S. 75). Dennoch verkehrte er in ungeschützter Weise mit seinen Sexualpartnern. Dass er diese habe infizieren wollen, stellt die Vorinstanz nicht fest, wiewohl sie für ein direktvorsätzliches Handeln gewisse Anhaltspunkte fand (siehe angefochtenes Urteil S. 73). Der Beschwerdeführer habe aber eine Übertragung des HI-Virus durch die ungeschützten Sexualkontakte in Kauf genommen. Der Einwand der Verteidigung, dass das Infektionsrisiko beim einzelnen Sexualkontakt, statistisch gesehen, gering sei, ändere daran nichts. Zur Begründung führt die Vorinstanz unter Berufung auf BGE 125 IV 242 aus, dass beim ungeschützten Sexualkontakt jeder einzelne und schon ein einziger Akt das Risiko der Übertragung des HI-Virus in sich birgt, dass der Infizierte dieses ihm bekannte Risiko in keiner Art und Weise kalkulieren und dosieren kann und dass der nicht informierte Partner gegen die Gefahr einer Infizierung keinerlei Abwehrchancen hat (angefochtenes Urteil S. 76 f.). Unter Hinweis auf diese Ausführungen hält die Vorinstanz in ihren rechtlichen Erwägungen fest, dass der Beschwerdeführer mit (Eventual-)Vorsatz gehandelt hat (angefochtenes Urteil S. 90).
 
2.2 Eventualvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs beziehungsweise die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 130 IV 58 E. 8.2; 125 IV 242 E. 3c; 121 IV 249 E. 3a; 103 IV 65 E. 2). Eventualvorsatz kann unter anderem angenommen werden, wenn sich dem Täter der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs infolge seines Verhaltens als so wahrscheinlich aufdrängte, dass sein Verhalten vernünftigerweise nur als Inkaufnahme dieses Erfolgs gewertet werden kann (BGE 109 IV 137 E. 2b mit Hinweisen). Eventualvorsatz kann indessen auch vorliegen, wenn der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolges bloss möglich ist, ja selbst dann, wenn sich diese Möglichkeit, statistisch gesehen, nur relativ selten verwirklicht. Doch darf nicht allein aus dem Wissen des Beschuldigten um die Möglichkeit des Erfolgseintritts auf dessen Inkaufnahme und damit auf Eventualvorsatz geschlossen werden. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen. Solche Umstände hat das Bundesgericht in BGE 125 IV 242 E. 3 darin gesehen, dass jeder einzelne ungeschützte Sexualkontakt und schon ein einziger und der erste das Risiko einer Übertragung des HI-Virus in sich birgt, dass der Infizierte dieses ihm bekannte Risiko in keiner Weise kalkulieren und dosieren kann und dass sein Partner keinerlei Abwehrchancen hat (E. 3f). Das Bundesgericht hat zudem ausgeführt, der Beschwerdeführer in jenem Verfahren habe bei jedem einzelnen ungeschützten Sexualkontakt in grober Verletzung der sich aus seinem Wissen ergebenden Aufklärungspflicht aus eigennützigen Interessen die nicht informierten Sexualpartnerinnen dem inakzeptablen, unberechenbaren und nicht beeinflussbaren Risiko einer Übertragung des HI-Virus und den sich daraus ergebenden, ihm bekannten Gefahren für die Gesundheit und das Leben ausgesetzt. Damit habe er den tatbestandsmässigen Erfolg für den Fall seines Eintritts bei jedem einzelnen Sexualkontakt in Kauf genommen (E. 3g).
 
Diese Rechtsprechung wird von einem erheblichen Teil der Lehre im Wesentlichen unter Hinweis auf die statistisch gesehen geringe Wahrscheinlichkeit der Übertragung des HI-Virus durch ungeschützte Sexualkontakte mit verschiedenen Argumenten abgelehnt (siehe z.B. Guido Jenny, Basler Kommentar, StGB I, 2003, Art. 18 N 49; derselbe, ZBJV 136/2000 S. 641 ff.; Hans Vest, Vorsatz bezüglich der Übertragung des HI-Virus durch ungeschützte heterosexuelle Sexualkontakte, AJP 2000, S. 1168 ff.; Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, 5. Aufl. 2000, § 31 N 6; derselbe, [Deutsches] Strafrecht Allgemeiner Teil I, 4. Aufl. 2000, § 8 N 126; wohl auch Fridolin Beglinger, Basler Kommentar, StGB II, 2003, Art. 231 N 45).
 
An der Rechtsprechung ist trotz dieser Kritik festzuhalten. Das Bundesgericht hat in seinen Erwägungen zum Eventualvorsatz in BGE 125 IV 242 E. 3c-h am Rande darauf hingewiesen, dass die Infektionswahrscheinlichkeit durch ungeschützte Sexualkontakte statistisch gesehen allerdings gering sei und sich im Promille-Bereich bewege; nur ein ungeschützter Geschlechtsverkehr von ca. 300 sei infektiös (E. 3f). Das Bundesgericht hat sich mit dieser Frage der statistischen Wahrscheinlichkeit nicht näher auseinander gesetzt und beispielsweise auch nicht geprüft, ob sich der Beschuldigte in jenem Verfahren überhaupt Gedanken zur Frage der statistischen Infektionswahrscheinlichkeit gemacht habe und gegebenenfalls welche. Zu diesbezüglichen Erörterungen besteht bei der gegebenen Begründung des Eventualvorsatzes nach wie vor keine Veranlassung. Wer im Wissen um seine HIV-Infektion und in Kenntnis der Übertragungsmöglichkeiten den Partner nicht über die Infektion aufklärt und gleichwohl mit ihm ungeschützt sexuell verkehrt, obschon sowohl die Aufklärung als auch Schutzvorkehrungen ein einfaches wären, bekundet eine Gleichgültigkeit gegenüber der bei jedem einzelnen ungeschützten Sexualkontakt möglichen Infizierung des Partners in einem Ausmass, das den Schluss auf Inkaufnahme der Infizierung aufdrängt, mag ihm diese auch unerwünscht sein. Er nimmt nicht nur das Risiko als solches, sondern auch die bei jedem einzelnen ungeschützten Sexualkontakt mögliche Verwirklichung dieses Risikos in Kauf. Denn er kann unmöglich wissen, ob nicht gerade der eine ungeschützte Sexualkontakt den Partner infiziert, und er muss daher das Risiko der Tatbestandsverwirklichung in jedem einzelnen Fall ernst nehmen.
 
2.3 Ergänzend ist festzuhalten, dass die in BGE 125 IV 242 erwähnte statistische Infektionswahrscheinlichkeit von 0,3 % eine mittlere Übertragungswahrscheinlichkeit je Sexualkontakt bei Vaginalverkehr in einer länger dauernden Partnerschaft darstellt. Nach neueren Erkenntnissen ist indessen die Wahrscheinlichkeit der Übertragung bei den ersten Sexualkontakten höher, während sie später sinkt, möglicherweise zurückzuführen auf eine zelluläre Immunantwort. So zeigten Studien über sich prostituierende Frauen in Kenya und in Thailand eine Übertragungsrate auf Freier beim ersten Sexualkontakt von 2 - 8 % (siehe zum Ganzen Beglinger, a.a.O., Art. 231 StGB N 23 mit Hinweis u.a. auf Pietro Vernazza et al., Sexual transmission of HIV: infectiousness and prevention, in AIDS 1999, Vol. 13, S. 157). Zudem ergab eine retrospektive Erhebung, dass bei künstlicher Befruchtung mit Samen, die sich nachträglich als kontaminiert erwiesen, 3,5 % der Frauen angesteckt wurden (siehe Vernazza, a.a.O., S. 156 f.). Dies also unter gleichsam klinischen Bedingungen und bei Fehlen von Faktoren, die beim Geschlechtsverkehr hinzukommen und die Infektiosität erhöhen können. Die Übertragungswahrscheinlichkeit scheint mithin stark von verschiedenen Faktoren abzuhängen, so namentlich von der Infektiosität des den Virus übertragenden Partners und der Anfälligkeit beim anderen, aber auch von den Sexualpraktiken (Vernazza et al., Biological correlates of sexual transmission of HIV, in Reviews in medical microbiology 2001, S. 131 ff.).
 
2.4 Was den vorliegenden Fall betrifft, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Übertragungswahrscheinlichkeit bei Analverkehr weit höher ist als bei Vaginalverkehr (Vernazza, Sexual transmission, a.a.O., S. 157). Der Beschwerdeführer hat seine Sexualpartner (mit einer Ausnahme) nicht darüber informiert, dass er HIV-positiv ist. Und nicht nur dies: Bei A.________, der darauf bestand, nur geschützt zu verkehren, ging der Beschwerdeführer sogar so weit, dass er einmal plötzlich das Kondom entfernte und ohne dieses in den Anus des Partners eindrang (angefochtenes Urteil S. 58 ff.). Von einer Kollegin auf seine HIV-Positivität und die damit verbundene Ansteckungsgefahr bei ungeschütztem Verkehr angesprochen, bemerkte er, die Leute, die mit ihm Sex haben wollten, seien selber für die Verwendung des Kondoms verantwortlich; er sage den Leuten einfach immer, dass er kein Kondom brauche, ihm sei die Sache egal; die Leute seien selber schuld, wenn er sie bei ungeschütztem Verkehr anstecken würde (angefochtenes Urteil, S. 46). Damit aber bestätigte der Beschwerdeführer mit aller erdenklichen Deutlichkeit, dass das einzige, worauf es ihm ankam, der ungeschützte Sexualverkehr war, während ihm das Schicksal seiner Sexualpartner völlig gleichgültig war und er ihre Ansteckung in Kauf nahm. Er hat eventualvorsätzlich gehandelt.
 
3.
 
Der Beschwerdeführer hat seine Sexualpartner grundsätzlich nicht darüber informiert, dass er HIV-positiv ist, und diese wussten es auch nicht. Bei B.________ verhält es sich insoweit anders, als dieser weiter mit dem Beschwerdeführer ungeschützt verkehrte, auch nachdem er von dessen HIV-Positivität erfahren hatte (angefochtenes Urteil S. 88 f.). Der Beschwerdeführer leitet hieraus eine rechtfertigende Einwilligung in Bezug auf den Tatbestand der (versuchten) schweren Körperverletzung ab, während die Vorinstanz eine solche verneint, weil es an einem sittlichen oder ethischen Zweck für eine Einwilligung in eine schwere Körperverletzung fehle.
 
3.1 Es ist zunächst klarzustellen, dass sich eine Einwilligung beim vorsätzlichen Verletzungsdelikt, hier die schwere Körperverletzung, nicht nur auf die Tathandlung, sondern auch auf den Verletzungserfolg beziehen müsste (Philippe Weissenberger, Die Einwilligung des Verletzten bei den Delikten gegen Leib und Leben, Diss. Basel 1996, S. 60 f.; Claus Roxin, [Deutsches] Strafrecht Allgemeiner Teil I, 3. Aufl. 1997, § 13 N 49, S. 479). Es lässt sich nicht annehmen und wird im angefochtenen Entscheid auch nicht festgestellt, dass B.________ seine Ansteckung mit dem Virus gewollt und damit in die Körperverletzung eingewilligt hätte, auch nicht in Form eines analogen Eventualvorsatzes (siehe dazu Weissenberger, a.a.O., S. 61). Dass der Täter mit Eventualvorsatz handelt, bedingt nicht zugleich, dass das um die Gefährdung wissende Opfer den tatbestandsmässigen Erfolg ebenfalls in Kauf nimmt. Eher als beim Täter ist beim Opfer nämlich anzunehmen, dass es gerade auf das Ausbleiben dieses Erfolgs vertraut. In Frage steht mithin nur, dass B.________ aufgrund seines Wissens um die Infizierung des Beschwerdeführers nicht in den Verletzungserfolg, sondern in eine Gefährdung "eingewilligt" hat. Damit stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine solche "Einwilligung" in eine Gefährdung rechtlich relevant ist.
 
3.2 In der deutschen Lehre und Rechtsprechung wird in diesem Zusammenhang unter anderem zwischen der einverständlichen Fremdgefährdung und der Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung unterschieden (Schönke/Schröder/Lenckner, Strafgesetzbuch, Kommentar, 26. Aufl. 2001, N 165 ff. zu § 15, N 102 ff. vor § 32; Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 52. Aufl. 2004, N 19 f. vor § 13, N 28 ff. zu § 222, Roxin, a.a.O., § 11 N 90 ff., S. 334 ff.). Diese Unterscheidung wird in neuerer Zeit auch in der schweizerischen Lehre vorgenommen (Weissenberger, a.a.O., passim). Das Bundesgericht hat sie einem jüngeren Entscheid zugrunde gelegt, in dem zu beurteilen war, ob die Führerin eines Motorfahrrades sich der fahrlässigen schweren Körperverletzung schuldig gemacht hat, indem sie einem Fahrradfahrer ermöglichte, sich an ihrem Oberarm festzuhalten und sich so ziehen zu lassen, und der dabei zu Fall kam (BGE 125 IV 189).
 
Blosse Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung liegt vor, wenn der Rechtsgutträger sich bewusst und freiverantwortlich einer bestimmten Gefahr für seine Rechtsgüter aussetzt und das Tatgeschehen derart beherrscht, dass er darin jederzeit und bis zuletzt steuernd einzugreifen vermag (BGE 125 IV 189 E. 3a; Weissenberger, a.a.O., S. 105). Einverständliche Fremdgefährdung ist demgegenüber gegeben, wenn die Geschehensherrschaft nicht mehr beim Rechtsgutträger liegt, sondern sich dieser einer unübersehbaren Entwicklung ausliefert, in welche er nicht mehr eingreifen oder die er nicht mehr abbrechen könnte, wo der sich selbst Gefährdende dies noch könnte (Weissenberger, a.a.O., S. 102 ff.). Im Falle beidseitiger Herrschaft über das Gefährdungsgeschehen wird Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung angenommen (Weissenberger, a.a.O., S. 106; Schönke/Schröder/Lenckner, a.a.O., N 107 vor § 32).
 
3.3 Nach Lehre und Rechtsprechung ist die eigenverantwortliche Selbstgefährdung straflos und die Mitwirkung daran (d.h. die Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung) ist es auch, solange der sich selbst Gefährdende das Risiko im selben Masse übersieht wie der Mitwirkende (Roxin, a.a.O., § 11 N 97, S. 339; Weissenberger, a.a.O., S. 108, 111 f.; BGE 125 IV 189 E. 3a). Die Straflosigkeit der Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung ergibt sich aus der Straflosigkeit des Suizids und - vorbehältlich Art. 115 StGB - der Teilnahme hierzu. Wenn schon die Teilnahme an einer Selbsttötung und auch an einer vorsätzlichen Selbstverletzung straflos bleibt, kann um so weniger die Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung strafbar sein (Weissenberger, a.a.O., S. 110 f.; Roxin, a.a.O., § 11 N 91). Dahinter steht die normative Wertentscheidung, dass kein Grund besteht, die Handlungsfreiheit einzuschränken, solange niemand gegen seinen Willen gefährdet wird (Weissenberger, a.a.O., S. 111; Roxin, a.a.O., § 11 N 91, Anm. 176, S. 335). Die Straflosigkeit der Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung findet ihre Grenze jedoch dort, wo der Veranlasser oder Förderer erkennt, dass das Opfer die Tragweite seines Entschlusses nicht überblickt. In diesem Fall schafft er ein Risiko, das vom Willen des Opfers nicht mehr gedeckt und dessen Verwirklichung daher dem Mitwirkenden zuzurechnen ist (Roxin, a.a.O., § 11 N 97, S. 339; Weissenberger, a.a.O., S. 112).
 
Demgegenüber ist die einverständliche Fremdgefährdung grundsätzlich strafbar; doch kann unter gewissen Umständen Straflosigkeit in Betracht fallen, wobei die Voraussetzungen hiefür im Einzelnen umstritten sind (siehe Weissenberger, a.a.O., S. 114 ff.).
 
3.4 B.________, welcher mit dem Beschwerdeführer mehrfach sexuell verkehrte, wusste zwar nicht von Anbeginn an, aber ab einem späteren Zeitpunkt, dass der Beschwerdeführer Träger des HI-Virus ist. Dennoch kam es weiterhin zu ungeschützten sexuellen Kontakten. Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, dass B.________ unter Zwang gehandelt oder nicht überblickt hätte, worauf er sich bei diesen ungeschützten Kontakten einliess. Ist demnach davon auszugehen, dass B.________ freiverantwortlich gehandelt hat, bleibt die Frage, ob Mitwirkung des Beschwerdeführers an einer Selbstgefährdung des B. oder aber eine einvernehmliche Fremdgefährdung vorliegt.
 
In der Lehre ist umstritten, ob der ungeschützte Sexualkontakt einer HIV-infizierten Person mit einem freiverantwortlich handelnden, informierten Partner als Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung oder als einverständliche Fremdgefährdung zu qualifizieren ist (für Selbstgefährdung: Karl-Ludwig Kunz, Aids und Strafrecht: Die Strafbarkeit der HIV-Infektion nach schweizerischem Recht, ZStrR 107/1990 S. 39 ff., 54; Weissenberger, a.a.O., S. 113 f.; Schönke/Schröder/Lenckner, a.a.O., N 107 vor § 32; für Fremdgefährdung: Roxin, a.a.O., § 11 N 108 S. 344, mit zahlreichen Hinweisen in den Anmerkungen 207 und 208 auf die verschiedenen Lehrmeinungen). Bei Sexualkontakten kommt die Herrschaft über das Geschehen grundsätzlich beiden Beteiligten zu. Sie haben es jederzeit in der Hand, noch rechtzeitig abzubrechen oder aber ein Kondom zu benützen bzw. darauf zu beharren, dass der Partner dieses verwendet. Die gegenteilige Auffassung, welche darauf abstellt, dass die Gefährdung ausschliesslich vom Infizierten ausgehe und der Partner sich dieser lediglich aussetze, verkennt den entscheidenden Gesichtspunkt, dass nämlich die Geschehensherrschaft bei beiden Beteiligten liegt. In diesem Fall aber ist noch immer Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung gegeben (oben E. 3.2). Im Übrigen mag darauf hingewiesen werden, dass auch Roxin Straflosigkeit annimmt, weil er die einvernehmliche Fremdgefährdung der Mitwirkung an Selbstgefährdung gleichstellt, wenn der Schaden Folge des eingegangenen Risikos und nicht hinzukommender anderer Fehler ist und der Gefährdete für das gemeinsame Tun dieselbe Verantwortung trägt wie der Gefährdende (Roxin, a.a.O., § 11 N 107 f.).
 
Bezüglich des Schuldspruchs auch für die ungeschützten Sexualkontakte mit B.________ in der Zeit, in welcher dieser über die Infektion des Beschwerdeführers aufgeklärt war, erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde demnach als begründet.
 
4.
 
Der Beschwerdeführer beanstandet - ohne nähere Begründung allerdings - weiter seine Verurteilung wegen mehrfachen Versuches der Verbreitung einer menschlichen Krankheit im Sinne von Art. 231 StGB.
 
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts "verbreitet" im Sinne von Art. 231 StGB eine Krankheit, wer als HIV-infizierte Person durch ungeschützten Geschlechtsverkehr das Virus auf einen anderen Menschen überträgt, da zumindest die (ausreichende) abstrakte Gefahr besteht, dass die angesteckte Person ihrerseits auf irgendwelchen Wegen weitere Menschen infizieren könnte (BGE 125 IV 242 E. 2a/bb). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, womit der Beschwerdeführer zu Recht wegen mehrfachen Versuchs der Verbreitung einer menschlichen Krankheit verurteilt wurde. Fraglich könnte höchstens noch sein, ob etwas anderes gilt bezüglich derjenigen Sexualkontakte, bei denen B.________ über die HIV-Positivität des Beschwerdeführers informiert war. Das ist indessen nicht der Fall, da Einwilligung des Verletzten oder eigenverantwortliche Selbstgefährdung nur bei Straftatbeständen bedeutsam sein können, die Individualinteressen schützen. Bei Delikten der Gemeingefährdung, die sich ausschliesslich gegen öffentliche Interessen richten, kann es auf die Haltung des zunächst Betroffenen aber nicht ankommen (Weissenberger, a.a.O., S. 176 ff.; Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht Besonderer Teil II, Straftaten gegen Gemeininteressen, 5. Aufl., Bern 2000, § 31 N 7, S. 69).
 
5.
 
Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich damit teilweise als begründet, d.h. bezüglich der Verurteilung wegen versuchter mehrfacher schwerer Körperverletzung zum Nachteil von B.________, soweit dieser über die HIV-Positivität des Beschwerdeführers informiert war. Das hat zur Folge, dass die Vorinstanz die Strafe neu zumessen muss, weshalb eine Prüfung der ebenfalls beanstandeten Strafzumessung unterbleiben kann.
 
6.
 
Der Beschwerdeführer ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Das Gesuch ist gegenstandslos geworden, soweit die Nichtigkeitsbeschwerde gutgeheissen wird. Es ist im Übrigen gutzuheissen, da die Nichtigkeitsbeschwerde in den weiteren Punkten nicht von vornherein aussichtslos war und die finanzielle Bedürftigkeit des Beschwerdeführers ausgewiesen ist. Somit werden keine Kosten erhoben und wird der Vertreterin des Beschwerdeführers, Rechtsanwältin Barbara Hug, eine Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Geschworenengerichts des Kantons Zürich vom 15. Juli 2003 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird, soweit nicht gegenstandslos geworden, gutgeheissen.
 
3.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
4.
 
Der Vertreterin des Beschwerdeführers, Rechtsanwältin Barbara Hug, wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- ausgerichtet.
 
5.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Geschworenengericht des Kantons Zürich sowie der Schweizerischen Bundesanwaltschaft schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 27. Oktober 2004
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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