BGer 1S.11/2004 | |||
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BGer 1S.11/2004 vom 22.11.2004 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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1S.11/2004 /gij
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Urteil vom 22. November 2004
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I. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
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Bundesrichter Reeb, Féraud,
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Gerichtsschreiber Forster.
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Parteien
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X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Dino Degiorgi,
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gegen
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Schweizerische Bundesanwaltschaft,
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Taubenstrasse 16, 3003 Bern,
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Haftgericht III Bern-Mittelland, Haftrichter 8,
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Amthaus, Hodlerstrasse 7, 3011 Bern,
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Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, Postfach 2720, 6501 Bellinzona.
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Gegenstand
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Zuständigkeit zur Haftprüfung, Bundesstrafprozess,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichtes, Beschwerdekammer, vom 5. Oktober 2004.
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Sachverhalt:
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A.
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Die Schweizerische Bundesanwaltschaft führt gegen X.________ und weitere Angeschuldigte Ermittlungen wegen gross angelegten Zigarettenschmuggels von Montenegro nach Italien bzw. Verdachtes der Beteiligung an organisierter Kriminalität (Art. 260ter StGB) und Geldwäscherei (Art. 305bis StGB). Gestützt auf einen Haftbefehl der Bundesanwaltschaft vom 25. August 2004 wurde X.________ am 31. August 2004 in Untersuchungshaft versetzt. Am 1. September 2004 stellte die Bundesanwaltschaft (gemäss Art. 47 Abs. 2 BStP) beim Haftgericht des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen den Antrag auf Bestätigung der Haft.
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B.
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Mit Verfügung vom 2. September 2004 nahm das Haftgericht III Bern- Mittelland vom Antrag der Bundesanwaltschaft auf Haftprüfung nach Art. 47 Abs. 2 BStP Kenntnis. Mit Entscheid vom 3. September 2004 erklärte sich das Haftgericht III Bern-Mittelland (Haftrichter 8) als für die Haftprüfung "nicht zuständig", "sodass der Angeschuldigte aus der Haft zu entlassen" sei. Im Übrigen sei die Frist zur Stellung des Haftantrages mittlerweile abgelaufen Eine Prüfung der materiellen Haftvoraussetzungen erfolgte nicht.
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C.
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Gegen den Nichtzuständigkeitsentscheid des Haftgerichtes III Bern- Mittelland und die angeordnete Haftentlassung erhob die Bundesanwaltschaft am 3. September 2004 Beschwerde beim Bundesstrafgericht (nachfolgend: "Beschwerde 1"). Gleichzeitig erliess die Bundesanwaltschaft vorsorglich einen zweiten Haftbefehl und verhaftete X.________ noch am 3. September 2004 erneut. Gegen den zweiten Haftbefehl vom 3. September 2004 erhob X.________ unter dem gleichen Datum seinerseits Beschwerde beim Bundesstrafgericht (nachfolgend "Beschwerde 2"). Am Abend des gleichen Tages erteilte das Bundesstrafgericht (Präsident der Beschwerdekammer) der "Beschwerde 1" die aufschiebende Wirkung, weshalb der vorsorgliche Haftbefehl vom 3. September 2004 hinfällig wurde.
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D.
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Mit Entscheid vom 5. Oktober 2004 hiess das Bundesstrafgericht (Beschwerdekammer) die "Beschwerde 1" der Bundesanwaltschaft gut, und es hob den Nichtzuständigkeitsentscheid des Haftgerichtes III Bern-Mittelland vom 3. September 2004 auf (Dispositiv Ziff. 1). Gleichzeitig bestätigte das Bundesstrafgericht den ursprünglichen Haftbefehl der Bundesanwaltschaft vom 25. August 2004 (Dispositiv Ziff. 2). Die "Beschwerde 2" des Angeschuldigten (gegen den zweiten Haftbefehl vom 3. September 2004) wurde vom Bundesstrafgericht wegen Gegenstandlosigkeit abgeschrieben (Dispositiv Ziffer 3).
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E.
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Gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichtes vom 5. Oktober 2004 gelangte X.________ mit Beschwerde vom 29. Oktober 2004 an das Bundesgericht. Er beantragt seine unverzügliche Haftentlassung. Die Bundesanwaltschaft beantragt mit Vernehmlassung vom 10. November 2004 die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Bundesstrafgericht hat am 9. November 2004 Stellung genommen, während das Haftgericht III Bern-Mittelland (Haftrichter 8) am 3. November 2004 auf eine Vernehmlassung verzichtet hat. Der Beschwerdeführer replizierte am 18. November 2004.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Es fragt sich, ob in der vorliegenden Streitsache der Beschwerdeweg ans Bundesgericht offen steht. Das Bundesgericht prüft diese Frage von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 130 II 302 E. 3 S. 303 f., 306 E. 1.1 S. 308, je mit Hinweisen).
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1.1 Art. 33 des Bundesgesetzes über das Bundesstrafgericht (SGG, SR 173.71) ist seit 1. April 2004 in Kraft. Das Bundesstrafgericht übernimmt die Fälle, die bei Inkrafttreten des SGG vor der Anklagekammer des Bundesgerichtes hängig waren (Art. 33 Abs. 1 SGG). Hängige Fälle werden nach neuem Recht weitergeführt (Art. 33 Abs. 2 SGG). Bis zum Inkrafttreten der hängigen Totalrevision der Bundesrechtspflege (voraussichtlich im Jahr 2007) kann gegen die Entscheide der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes über Zwangsmassnahmen innert 30 Tagen seit der Eröffnung wegen Verletzung von Bundesrecht beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden. Das Verfahren richtet sich sinngemäss nach den Art. 214-216, 218 und 219 BStP (Art. 33 Abs. 3 lit. a SGG; vgl. BGE 130 I 234 E. 2.1 S. 236; 130 II 306 E. 1.2 S. 308 f.).
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1.2 Mit Beschwerde an das Bundesgericht anfechtbar sind Entscheide der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes über strafprozessuale Zwangsmassnahmen (Art. 33 Abs. 3 lit. a SGG). Dazu gehören auch Entscheide der Beschwerdekammer über die Anordnung oder Weiterdauer von Haft (vgl. BGE 130 I 234 E. 2.2 S. 236 f.; 130 II 306 E. 1.2.2 S. 308 f.). Kein separates Rechtsmittel an das Bundesgericht steht hingegen zur Verfügung gegen selbstständig eröffnete prozessuale Zwischenentscheide des Bundesstrafgerichtes (vgl. BGE 1S.5/2004 vom 7. September 2004, E. 1.2; 1S.9/2004 vom 23. September 2004, E. 2).
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2.
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Es stellt sich hier zunächst die Frage nach dem Streitgegenstand. Das Haftgericht III Bern-Mittelland hat sich mit Entscheid vom 3. September 2004 für "nicht zuständig" erklärt. Auch der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, das Haftgericht habe "seinen Entscheid auf die formelle Frage der Zuständigkeit beschränkt" (Beschwerdeschrift, S. 3). Allerdings wurde in der Verfügung des Haftgerichtes nicht bloss verfahrensrechtlich entschieden (Nichteintreten auf den Haftprüfungsantrag wegen Unzuständigkeit). Gleichzeitig verfügte das Haftgericht - inkonsequenterweise - die Haftentlassung des Angeschuldigten. In seiner Begründung bemerkte das Haftgericht beiläufig (in Klammern), dass "die Frist zur Stellung eines Haftantrages mittlerweile abgelaufen" sei. Eine Prüfung der materiellen Haftgründe hat nicht stattgefunden. Die Verfügung des Haftgerichtes wurde denn auch nur sehr summarisch begründet. Das Bundesstrafgericht hat den Nichtzuständigkeitsentscheid des Haftgerichtes III Bern-Mittelland vom 3. September 2004 aufgehoben (Dispositiv Ziff. 1). In den Erwägungen des angefochtenen Entscheides stellt die Beschwerdekammer ausdrücklich fest, das von der Bundesanwaltschaft "angerufene Haftgericht III Bern-Mittelland" sei "gemäss Art. 47 Abs. 2 BStP für die Haftprüfung zuständig". Eine selbstständige förmliche Haftanordnung durch das Bundesstrafgericht erfolgte nicht, nachdem die Bundesanwaltschaft den Angeschuldigten bereits am 3. September 2004 erneut verhaftet hatte. Das Bundesstrafgericht bestätigte den ursprünglichen Haftbefehl der Bundesanwaltschaft vom 25. August 2004 (Dispositiv Ziff. 2). Die Beschwerde gegen den inzwischen dahingefallenen zweiten Haftbefehl vom 3. September 2004 wurde abgeschrieben (Dispositiv Ziff. 3).
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2.1 Damit liegt hier ein Zwischenentscheid des Bundesstrafgerichtes vor zur Frage der erstinstanzlichen Zuständigkeit im Haftprüfungsverfahren gemäss Art. 47 Abs. 2 BStP. Das Bundesstrafgericht hat entschieden, dass das Haftgericht III Bern-Mittelland für die Haftprüfung zuständig sei. Es hat den Nichteintretensentscheid aufgehoben (Dispositiv Ziffer 1) und den ursprünglichen Haftbefehl der Bundesanwaltschaft vom 25. August 2004 ausdrücklich bestätigt (Dispositiv Ziff. 2). Gemäss dem angefochtenen Entscheid ist der Haftbefehl der Bundesanwaltschaft vom 25. August 2004 weiterhin massgeblich und gültig und hat das Haftgericht III Bern-Mittelland die erstinstanzliche Haftprüfung vorzunehmen. Eine Prüfung der materiellen Haftvoraussetzungen erfolgte in der Verfügung des Haftgerichtes III Bern-Mittelland nicht. Demgemäss bildeten diese auch nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheides.
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2.2 Nach dem Gesagten liegt hier kein materieller zweitinstanzlicher Endentscheid des Bundesstrafgerichtes über Zwangsmassnahmen vor im Sinne von Art. 33 Abs. 3 lit. a SGG. Gegen prozessuale Zwischenentscheide des Bundesstrafgerichtes betreffend sachliche und örtliche Zuständigkeit ist die Beschwerde an das Bundesgericht grundsätzlich nicht gegeben (vgl. auch BBl 2001 S. 4363 f.). Im Bundesgerichtsurteil 1S.5/2004 vom 7. September 2004 (E. 1.2.3) wurde zwar die Frage aufgeworfen und offen gelassen, ob eine Beschwerde an das Bundesgericht - ausnahmsweise - zulässig sein könnte, wenn die Beschwerdekammer bzw. deren Präsident eine Zwangsmassnahme vorsorglich aufheben oder eine solche neu anordnen würde. Die Frage braucht jedoch auch im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, da sich die Beschwerde nicht gegen eine selbstständige erstmalige Anordnung von Untersuchungshaft richtet. Das Bundesstrafgericht hat die Haft weder selber angeordnet noch aufgehoben. Es hat vielmehr den ursprünglichen Haftbefehl der Bundesanwaltschaft vom 25. August 2004 ausdrücklich bestätigt und das Haftgericht III Bern-Mittelland für die erstinstanzliche Haftprüfung als zuständig erklärt.
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Es nicht Sache des Bundesgerichtes, sich zu Verfahrensfragen betreffend erstinstanzliche Zuständigkeit zu äussern oder gar eine materielle Haftprüfung vorzunehmen, bevor die erst- und zweitinstanzlichen Haftgerichte die Streitsache materiell sorgfältig geprüft und beurteilt haben. Mit der Einrichtung des Bundesstrafgerichtes wollte der Gesetzgeber nicht zuletzt das Bundesgericht entlasten (vgl. BBl 2001 S. 4225 f.). Eine Anfechtbarkeit von prozessualen Zwischenentscheiden wäre weder mit diesem spezifischen gesetzgeberischen Ziel, noch mit dem allgemeinen Anliegen der Prozessökonomie zu vereinbaren. Dass der Gesetzgeber die Beschwerde gegen Zwischenverfügungen grundsätzlich ausschliessen wollte, ergibt sich im Übrigen auch indirekt aus der gesetzlichen Beschwerdefrist von 30 Tagen. Diese erschiene für eine Anfechtung von Zwischenentscheiden kaum praktikabel bzw. deutlich zu lang (vgl. z.B. Art. 106 Abs. 1 OG). Eine Notwendigkeit, den Rechtsschutz in dieser Weise auszudehnen, ist umso weniger ersichtlich, als prozessuale Zwischenverfügungen, wie z.B. Zuständigkeitsentscheide, dem materiellen Zwangsmassnahmenentscheid nicht vorgreifen dürfen, weshalb an ihre Begründung nicht die gleichen hohen Anforderungen gestellt werden können, wie sie namentlich für materielle Haftprüfungsentscheide gelten.
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3.
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Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde und den darin gestellten Haftentlassungsantrag nicht einzutreten.
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Art. 219 Abs. 3 BStP wurde durch Ziff. I/4 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 2003 über das Entlastungsprogramm 2003 (mit Wirkung seit 1. April 2004) aufgehoben (AS 2004, 1633, 1647; BBl 2003, 5615). Somit richtet sich die Frage der Kostenfolgen im Verfahren vor Bundesgericht nach den allgemeinen Vorschriften des OG (vgl. Art. 245 BStP; BGE 130 I 234 E. 5 S. 240; 130 II 306 E. 4 S. 313). Beim vorliegenden Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Auf die Beschwerde und den darin enthaltenen Haftentlassungsantrag wird nicht eingetreten.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Schweizerischen Bundesanwaltschaft, dem Haftgericht III Bern-Mittelland, Haftrichter 8, und dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 22. November 2004
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Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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