VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer U 90/2004  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer U 90/2004 vom 16.02.2005
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
U 90/04
 
Urteil vom 16. Februar 2005
 
III. Kammer
 
Besetzung
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger; Gerichtsschreiber Schmutz
 
Parteien
 
J.________, 1969, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecherin Daniela Mathys, Schwarztor- strasse 7, 3007 Bern,
 
gegen
 
Visana Versicherungen AG, Weltpoststrasse 19, 3015 Bern, Beschwerdegegnerin,
 
Vorinstanz
 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
 
(Entscheid vom 3. Februar 2004)
 
Sachverhalt:
 
J.________, geboren 1969, erlitt am 1. März 1997 beim Skifahren einen Unfall mit diagnostiziertem HWS-Schleudertrauma sowie Prellungen an Rippen und Knien. Ab April 1998 war sie wieder voll arbeitsfähig und als IPS-Schwester tätig. Da sie gegen Ende 1999 erneut diffuse Nackenschmerzen verspürte, reduzierte sie per 1. Januar 2000 ihr Arbeitspensum auf 80 %. Im April 2000 kam es zu einer Exazerbation der Beschwerden und J.________ war in der Folge bis Mitte Juli 2000 erneut zu 100 % arbeitsunfähig. Nach Wiederaufnahme der Tätigkeit kam es bei zunehmender Arbeitsbelastung zu vermehrten gesundheitlichen Störungen. Die "Winterthur" Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Winterthur), bei der J.________ über ihren Arbeitgeber im Zeitpunkt des Unfalles versichert war, erbrachte die gesetzlichen Leistungen für diesen Unfall.
 
Am 14. August 2000 wurde J.________ in einen Verkehrsunfall verwickelt, als sie beim Lenken ihres Autos einem Traktorgespann ausweichen musste und ihr Fahrzeug bei der anschliessenden Kollision mit dem Anhänger hinten seitlich beschädigt wurde. Sie schlug dabei weder den Kopf an, noch erlitt sie äussere Verletzungen. Einige Stunden nach dem Ereignis traten starke Kopf- und Nackenschmerzen auf. Wegen zunehmender Beschwerden und Erschöpfung wurde sie ab Ende August 2000 krankgeschrieben. Am 14. Dezember 2000 wurde der Vorfall der Visana Versicherungen AG (nachfolgend: Visana) gemeldet, bei der J.________ über ihren damaligen Arbeitgeber obligatorisch unfallversichert war. Die Visana holte eine unfallanalytische Expertise und bei der Klinik X.________ ein multidisziplinäres Gutachten vom 3. Dezember 2002 mitsamt einem Konsiliargutachten von Dr. med. H.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 7. Juli 2002 ein. Gestützt auf diese Abklärungen lehnte sie mit Verfügung vom 21. Februar 2003 den Anspruch von J.________ auf Leistungen aus der Unfallversicherung ab. Auf Einsprachen der Versicherten und der Winterthur hin bestätigte sie dies mit Einspracheentscheid vom 16. April 2003.
 
Die dagegen von J.________ und der Winterthur erhobenen Beschwerden wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 3. Februar 2004 im Wesentlichen ab, soweit es darauf eintrat. Die Visana wurde verpflichtet, die im Zusammenhang mit dem Arztbesuch vom 16. August 2000 erbrachten Leistungen zu übernehmen.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt J.________ beantragen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Visana zu verpflichten, die gesetzlichen Leistungen nach UVG auszurichten.
 
Die Visana beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Winterthur schliesst sich den Ausführungen der Beschwerdeführerin an, verzichtet aber wie das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Streitig und zu prüfen ist die Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin aus dem Ereignis vom 14. August 2000.
 
2.
 
Das kantonale Gericht hat in materiell- und beweisrechtlicher Hinsicht die für die Beurteilung der strittigen Fragen massgeblichen Grundlagen zutreffend dargelegt. Es wird auf die Erwägungen 2.1 bis 2.3 im angefochtenen Entscheid verwiesen (Art. 36a Abs. 3 zweiter Satz OG).
 
3.
 
Für die Annahme, die Beschwerdeführerin habe beim zweiten Vorfall ein HWS-Schleudertrauma erlitten, ist die Aktenlage zu dürftig. Eine solche Diagnose war in den Berichten der Klinik X.________ vom 18. Oktober 2000 und 20. November 2000 noch gar nicht aufgeführt, sondern es wurde jeweils ein "Status nach Verkehrsunfall am 14. August 2000 mit Schmerzexazerbation" angegeben. Erst im Gutachten vom 3. Dezember 2002 erwähnte die Klinik X.________ einen "Status nach Verkehrsunfall am 14. August 2000 mit HWS-Distorsion". Diese Diagnose wurde offenbar zunächst nicht gestellt, weil der zweite Unfall zu keiner klaren gesundheitlichen Beeinträchtigung führte. Da das Gutachten eine vorübergehende Exazerbation der Beschwerden bestätigt, ist davon auszugehen, dass der Verkehrsunfall eine temporäre Verschlimmerung des auf den ersten Unfall zurückzuführenden Vorzustandes bewirkte. Im weiteren Verlauf trat die psychische Komponente in den Vordergrund. Auch nach dem Gutachten bewirkte die (fragliche) "HWS-Distorsion wahrscheinlich leichteren Ausmasses" vornehmlich eine Akzentuierung und Persistenz der sich schon vor dem zweiten Unfallereignis abzeichnenden psychischen Entwicklung. Mangels eines ausgewiesenen Schleudertraumas oder einer äquivalenten Verletzung hat die Vorinstanz die Adäquanz zu Recht nach der Methode bei psychischen Störungen nach einem Unfall gemäss BGE 115 V 138 Erw. 6 beurteilt und verneint. Angesichts der geringfügigen Beschädigungen am Fahrzeug der Beschwerdeführerin und auf Grund einer Gesamtwürdigung der gesicherten Fakten ist sie dabei richtig von einem leichten Unfall ausgegangen.
 
4.
 
Die Beschwerdeführerin lässt dagegen vorbringen, die unfallbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die daraus resultierende Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit könnten im Bezug auf die beiden Unfallereignisse von 1997 und 2000 kaum auseinander gehalten werden. Beide hätten die bestehenden Beschwerden in ihrem Zusammenwirken hervorgerufen und nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gelte, dass in einer Situation wie hier die Adäquanz nicht für jedes Ereignis gesondert zu prüfen sei. Sie verweist dazu auf Erwägungen in einem kantonalen Entscheid, der vom Eidgenössischen Versicherungsgericht mit Urteil G. vom 7. Februar 2003 (U 241/02) überprüft wurde. Im besagten Urteil hat das Eidgenössische Versicherungsgericht in Erwägung 1.2 jedoch klar festgehalten, dass der Grundsatz der gesonderten Adäquanzbeurteilung (RKUV 1996 Nr. U 248 S. 177 Erw. 4b mit Hinweis) auch im dort zu beurteilenden Fall massgeblich war.
 
5.
 
Selbst wenn hinreichend erstellt wäre, dass die Beschwerdeführerin beim zweiten Vorfall ein Distorsionstrauma der HWS erlitten hat, würde sich am Ergebnis nichts ändern. Denn in Anwendung von BGE 123 V 98 in Verbindung mit RKUV 2002 Nr. U 465 S. 437 ist die Adäquanz gemäss dem Beurteilungsmodell bei einer psychischen Fehlentwicklung zu prüfen. Daran ändert nichts, dass sich nach dem Unfall teilweise Beeinträchtigungen manifestiert haben, welche zum typischen ("bunten") Beschwerdebild nach HWS-Traumen gehören. Im Vergleich zur psychischen Problematik in Gestalt von somatoformen Schmerzstörungen sowie einer Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion sind diese mit dem zweiten Unfallgeschehen allenfalls verknüpften Symptome in den Hintergrund getreten. Die Stossrichtung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhanges nach Massgabe von BGE 115 V 133 durch die Vorinstanz anzugreifen, dringt damit nicht durch.
 
6.
 
Zur Beantwortung der Frage, ob die Visana für eine vorübergehende oder richtunggebende Verschlimmerung des Zustandes aus dem ersten Unfall durch das zweite Ereignis bis zum Erreichen des Status quo ante oder quo sine ins Recht zu fassen wäre, müsste zuvor noch abgeklärt werden, wann diese Zustände erreicht waren oder wären. Dies könnte zu einer teilweisen Entlastung der für den ersten Unfall wieder leistenden Winterthur führen. Nachdem aber der Psychiater Dr. med. H.________ im Konsiliargutachten vom 7. Juli 2002 erwogen hat, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Beschwerden aus dem ersten Unfall auch ohne den zweiten Unfall in gleicher Weise verstärkt hätten, ist es aus medizinischer Sicht nicht Erfolg versprechend, diesen Weg weiter zu verfolgen. Aus juristischen Gründen entfällt eine Haftung der Visana für die vorübergehende Verschlimmerung des Gesundheitszustandes bis zum Erreichen des Status quo ante ohnehin, denn eine somatische Veränderung ist nicht ausgewiesen. Die Leistungspflicht für die psychische Verschlechterung würde einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem zweiten Ereignis und der Zunahme der Beschwerden voraussetzen, der hier nicht gegeben ist (vgl. oben Erw. 3).
 
7.
 
Gestützt auf Art. 36a Abs. 1 lit. b OG wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im vereinfachten Verfahren mit summarischer Begründung (Art. 36 Abs. 3 erster Satz OG) erledigt.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) und der "Winterthur" Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft zugestellt.
 
Luzern, 16. Februar 2005
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).