BGer C 274/2004 | |||
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BGer C 274/2004 vom 29.03.2005 | |
Eidgenössisches Versicherungsgericht
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Tribunale federale delle assicurazioni
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Tribunal federal d'assicuranzas
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Sozialversicherungsabteilung
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des Bundesgerichts
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Prozess
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{T 7}
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C 274/04
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Urteil vom 29. März 2005
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III. Kammer
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Besetzung
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Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger; Gerichtsschreiber Flückiger
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Parteien
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D.________, 1972, Beschwerdeführer,
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gegen
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beco Berner Wirtschaft, Rechtsdienst, Laupenstrasse 22, 3011 Bern, Beschwerdegegner
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Vorinstanz
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Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
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(Entscheid vom 1. Dezember 2004)
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Sachverhalt:
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A.
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Mit Verfügung vom 12. Mai 2004 stellte das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) D.________ wegen Nichtbefolgens von Weisungen für die Dauer von 18 Tagen ab 14. April 2004 in der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung ein. Zur Begründung wurde angeführt, der Versicherte habe ein ihm für die Dauer vom 13. April bis 31. Juli 2004 zugewiesenes vorübergehendes Beschäftigungsprogramm bereits nach dem ersten Tag ohne hinreichenden Anlass von sich aus abgebrochen. Auf Einsprache hin bestätigte das beco Berner Wirtschaft mit Entscheid vom 26. August 2004 die verhängte Sanktion.
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B.
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Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ab (Entscheid vom 1. Dezember 2004).
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C.
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Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt D.________ die Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids und des Einspracheentscheids.
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Das beco Berner Wirtschaft und das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf eine Vernehmlassung.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Der relevante Sachverhalt hat sich nach dem 1. Juli 2003 verwirklicht. Er ist deshalb nach Massgabe der seit diesem Datum geltenden Bestimmungen zu beurteilen (vgl. BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen). Danach ist der Versicherte unter anderem dann in der Anspruchsberechtigung einzustellen, wenn er die Kontrollvorschriften oder die Weisungen der zuständigen Amtsstelle nicht befolgt, namentlich eine zumutbare Arbeit nicht annimmt oder eine arbeitsmarktliche Massnahme ohne entschuldbaren Grund nicht antritt, abbricht oder deren Durchführung oder Zweck durch sein Verhalten beeinträchtigt oder verunmöglicht (Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG). Zu den arbeitsmarktlichen Massnahmen (Art. 59 ff. AVIG) gehören die so genannten Beschäftigungsmassnahmen (Art. 64a f. AVIG). Als solche gelten unter anderem vorübergehende Beschäftigungen im Rahmen von Programmen öffentlicher und privater, nicht gewinnorientierter Institutionen (Art. 64a Abs. 1 lit. a 1. Halbsatz AVIG). Die Zumutbarkeit der Teilnahme an einem derartigen Programm ist in sinngemässer Anwendung von Art. 16 Abs. 2 lit. c AVIG zu beurteilen (Art. 64a Abs. 2 AVIG), welcher bestimmt, unzumutbar und somit von der grundsätzlich geltenden (Art. 16 Abs. 1 AVIG) Annahmepflicht ausgenommen sei eine Arbeit, die dem Alter, den persönlichen Verhältnissen oder dem Gesundheitszustand des Versicherten nicht angemessen ist.
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2.
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Streitig und zu prüfen ist, ob die Verwaltung den Beschwerdeführer zu Recht für 18 Tage ab 14. April 2004 in der Anspruchsberechtigung eingestellt hat.
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2.1 Das RAV hatte den Versicherten am 10. März 2004 angewiesen, vom 13. April bis 31. Juli 2004 am Beschäftigungsprogramm X.________ teilzunehmen. Bereits ab dem 14. April 2004 blieb er dem Programm aus eigenem Entschluss fern. Die Voraussetzungen einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG sind daher erfüllt, sofern der Einsatz dem Beschwerdeführer zumutbar und kein entschuldbarer Grund für den Abbruch gegeben war.
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2.2 Die Anweisung zum Besuch des Programms vom 10. März 2004 wurde damit begründet, der Einsatz diene der Abklärung der Eignung des vor Eintritt der Arbeitslosigkeit als Night Auditor oder Nachtportier tätig gewesenen Versicherten für Tagesdienste an der Reception, der Überprüfung der fachlichen Qualifikationen in der Administration sowie dem Heranführen an die Tagesstruktur für den Gästeempfang. Diese Zielsetzung entspricht dem allgemeinen Zweck einer arbeitsmarktlichen Massnahme und wird vom Beschwerdeführer zu Recht nicht beanstandet. Er macht jedoch geltend, die zugewiesene Beschäftigung sei seinen persönlichen Verhältnissen nicht angemessen gewesen, weil es sich beim Zentrum X.________ um eine stark religiös geprägte Institution handle, während er religiöses Denken ablehne.
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2.3 Nach der Rechtsprechung gehört zu den persönlichen Verhältnissen einer versicherten Person auch deren religiöse Überzeugung (SVR 1997 ALV Nr. 90 S. 275 Erw. 2a). Die Belegung der religiös motivierten Ablehnung einer zugewiesenen Arbeit mit einer Sanktion kann daher einen Eingriff in die Religionsfreiheit (als Teil der durch Art. 49 der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 [aBV] geschützten Glaubens- und Gewissensfreiheit und der durch Art. 9 EMRK garantierten Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) darstellen. Bei der Beantwortung der Frage, ob einer versicherten Person die Annahme einer ihr zugewiesenen Arbeit zugemutet werden kann, welche in einem gewissen Konflikt zu ihren religiösen Überzeugungen steht, ist das öffentliche Interesse an der Erfüllung der allgemeinen Schadenminderungspflicht (dazu BGE 123 V 233 Erw. 3c mit Hinweisen) abzuwägen gegen das Interesse der betroffenen Person, ihren Glaubensvorstellungen nachleben zu können (SVR 1997 ALV Nr. 90 S. 276 Erw. 3).
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Die am 1. Januar 2000 in Kraft getretene neue Bundesverfassung vom 18. April 1999 enthält einen eigentlichen Grundrechtskatalog und nennt die Glaubens- und Gewissensfreiheit in Art. 15. Diese Bestimmung enthält im Gegensatz zu Art. 49 Abs. 5 aBV keinen Vorbehalt der Bürgerpflichten, was aber an der Rechtslage nichts ändert (Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, Bern 1999, S. 95). Auch inhaltlich ergeben sich durch die Neufassung keine vorliegend relevanten Änderungen. Die zur früheren Normenlage ergangene Rechtsprechung bleibt somit weiterhin massgebend.
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2.4 Der Schutz des Grundrechts der Glaubens- und Gewissensfreiheit gilt auch für Atheistinnen und Atheisten sowie für Personen, die sich nicht auf einen Glauben oder die Ablehnung eines Glaubens festlegen lassen (Müller, a.a.O., S. 82). Dies wird durch Art. 15 Abs. 4 BV noch verdeutlicht. Im Lichte der dargestellten Rechtsprechung ist demnach der Wunsch des Beschwerdeführers, keinen religiösen Glaubenssätzen nachleben zu müssen, dem öffentlichen Interesse an der Durchführung einer arbeitsmarktlichen Massnahme gegenüberzustellen, deren Zweck darin besteht, seine Aussichten auf eine Anstellung zu verbessern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Arbeit an der Reception eines Betriebs, der ein Hotel betreibt sowie Unterkünfte und Lokale anbietet, ihrer Natur nach keinen besonders engen Bezug zur religiösen Überzeugung einer Person aufweist. Der Beschwerdeführer legte aber auch zu keinem Zeitpunkt konkret dar, wie sich die religiöse Prägung des Zentrums geäussert hat und inwiefern er davon betroffen war. Das ganz allgemein gehaltene Interesse, während der Arbeit nicht mit Glaubensansichten konfrontiert zu werden, welche er ablehnt, ist für die Beurteilung der Zumutbarkeit weniger stark zu gewichten als das mit der Schadenminderungspflicht korrelierende öffentliche Interesse an der Durchführung einer amtlich zugewiesenen arbeitsmarktlichen Massnahme. Da somit die Teilnahme am umstrittenen Beschäftigungsprogramm als zumutbar anzusehen ist und keine anderen entschuldbaren Gründe ersichtlich sind, erfolgte die Einstellung in der Anspruchsberechtigung zu Recht.
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3.
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Die Dauer der Einstellung bemisst sich nach dem Grad des Verschuldens. Sie beträgt bei leichtem Verschulden 1-15 Tage, bei mittelschwerem Verschulden 16-30 Tage und bei schwerem Verschulden 31-60 Tage (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 AVIG). Wenn die Vorinstanz die verhängte Einstellungsdauer im unteren Bereich des mittleren Verschuldens bestätigt hat, lässt sich dies in Würdigung der konkreten Verhältnisse nicht beanstanden.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
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Luzern, 29. März 2005
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Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
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