BGer K 44/2005 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
BGer K 44/2005 vom 20.10.2005 | |
Eidgenössisches Versicherungsgericht
| |
Tribunale federale delle assicurazioni
| |
Tribunal federal d'assicuranzas
| |
Sozialversicherungsabteilung
| |
des Bundesgerichts
| |
Prozess
| |
{T 7}
| |
K 44/05
| |
Urteil vom 20. Oktober 2005
| |
III. Kammer
| |
Besetzung
| |
Bundesrichter Lustenberger, Kernen und Seiler; Gerichtsschreiber Ackermann
| |
Parteien
| |
1. E.________, 1931,
| |
2. B.________, 1960,
| |
3. A.________, 1962,
| |
4. I._________, 1963,
| |
Parteien
| |
Beschwerdeführer, Erben der C.________, 1937, geboren am 28. Februar 1937, gestorben am 7. Mai 2005, alle vertreten durch Rechtsanwalt Christian Thöny, Bahnhofstrasse 8, 7000 Chur,
| |
gegen
| |
CSS Kranken-Versicherung AG, Rösslimattstrasse 40, 6002 Luzern, Beschwerdegegnerin
| |
Vorinstanz
| |
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur
| |
(Entscheid vom 29. Oktober 2004)
| |
Sachverhalt:
| |
A.
| |
C.________, geboren 1937, war bei der CSS krankenpflegeversichert und trat am 15. Oktober 2001 stationär in die Klinik W.________ ein. In der Folge zog die CSS jeweils mehrere Berichte der Klinik W.________ sowie des Vertrauensarztes Dr. med. P.________ bei und veranlasste ein Gutachten des Dr. med. N.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 19. April 2004. Nachdem sie bereits mit Schreiben vom 27. April 2004 entsprechend informiert hatte, verfügte die CSS am 3. Juni 2004, dass sie bis zum 27. Mai 2004 für die Kosten der Akutabteilung und ab dem 28. Mai 2004 für die Pflegetaxe analog BESA, höchste Pflegestufe, aufkomme, da die Akutspitalbedürftigkeit nicht mehr ausgewiesen und eine Behandlung in einem Pflegeheim oder einer Langzeitpflegestation möglich sei. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 18. August 2004 fest.
| |
B.
| |
Die dagegen unter Beilage eines Berichtes der Klinik W.________ vom 23. September 2004 erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Entscheid vom 29. Oktober 2004 ab.
| |
C.
| |
C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und des Einspracheentscheides sei die CSS zu verpflichten, für die Zeit ab dem 28. Mai 2005 weiterhin die Kosten des Spitalaufenthaltes zu übernehmen, eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung und zu neuer Verfügung an die CSS zurückzuweisen. Ferner lässt sie die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung beantragen.
| |
Die CSS schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und reicht einen Bericht der Klinik W.________ vom 11. Mai 2005 ein, während das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.
| |
D.
| |
Im Nachgang zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt C.________ das gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung mit Schreiben vom 4. April 2005 zurückziehen.
| |
E.
| |
Am 7. Mai 2005 ist C.________ verstorben. Erben sind gemäss Erbbescheinigung vom 16. Juni 2005 der Ehemann sowie die Töchter, welche den Prozess fortführen lassen.
| |
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
| |
1.
| |
Das kantonale Gericht hat die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze der Kostenübernahme der Krankenversicherer bei Spital- und Heimaufenthalt (Art. 49 und 50 KVG) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Rechtsprechung zur Abgrenzung von Akutspital- und Pflegebedürftigkeit im Sinne der Art. 49 und 50 KVG (BGE 124 V 362). Darauf wird verwiesen.
| |
2.
| |
Streitig ist, ob die CSS für die Kosten des Aufenthalts in einem Akutspital oder für diejenigen in einem Pflegeheim aufzukommen hat. Zu beantworten ist dabei die Frage, ob die Versicherte akutspitalbedürftig ist.
| |
2.1 Die Vorinstanz ist der Auffassung, die notwendige Pflege und Betreuung könne nicht nur in einem Akutspital, sondern auch in einem Pflegeheim erbracht werden, wobei selbstverständlich die Möglichkeit bestehe, bei Bedarf ambulante ärztliche Dienste in Anspruch zu nehmen.
| |
Die Beschwerdeführerin geht demgegenüber davon aus, dass das Gutachten des Dr. med. N.________ und die Berichte der Klinik W.________ klar von einer Spitalbedürftigkeit ausgingen, worauf abzustellen sei. Allenfalls sei vertieft abzuklären, "welche und welch intensive Betreuung und Behandlung" notwendig sei, damit die Abgrenzung der Spital- von der Pflegebedürftigkeit nicht aufgrund genereller Aussagen beurteilt werden müsse.
| |
2.2 Im Gutachten vom 19. April 2004 diagnostiziert Dr. med. N.________ eine chronisch paranoid halluzinatorische Schizophrenie, wobei die Prognose "sehr ungünstig" sei. Der Arzt führt weiter aus, die Krankheit sei "soweit fortgeschritten und zeitweise floride, dass die Betreuung auf einer psychiatrischen Station für chronisch schizophrene Patienten unumgänglich und unbedingt notwendig" sei; eine "Platzierung in einem Wohnheim" sei "aufgrund des psychischen Zustandsbildes ... nicht realistisch." Der Experte ist der Auffassung, dass sich das psychopathologische Zustandsbild seit der Einweisung kaum mehr wesentlich verändert habe und geht von einem Residualzustand aus. Er begründet die Annahme der Spitalbedürftigkeit damit, dass eine Verlegung in ein Pflegeheim nicht möglich sei, "da es zur Betreuung der Patientin und zum Auffangen der immer wieder auftretenden psychotischen Episoden Fachpersonal braucht. Nicht geschulte Personen wären mit der schwierigen Patientin hoffnungslos überfordert."
| |
Wie Dr. med. N.________ bejahen auch die Ärzte der Klink W.________ - unter anderem im vorinstanzlich eingereichten Bericht vom 23. September 2004 - eine Spitalbedürftigkeit, welche sie damit begründen, dass immer wieder auftretende akute psychotische Episoden eine Betreuung durch Fachpersonal erforderten, und zudem eine "spitalmässige Infrastruktur" zur Überwachung und Einstellung der Medikation notwendig sei. Die Ärzte führen im letztinstanzlich eingereichten Bericht vom 11. Mai 2005 weiter aus, dass sich der psychische Zustand nach dem ersten Aufenthaltsjahr stabilisiert habe und dass folgende Leistungen erbracht worden seien: "Körperpflege, Verbandswechsel morgens und abends, Blutzuckerprofil wöchentlich, Textiltherapie 2x/Woche, Kochgruppe, Gedächtnistraining, Turnen 1x/Woche, Gesprächsgruppe 3x/Woche, Befindlichkeitsrunde und von ärztlicher Seite adäquate Blutzuckereinstellung, dermatologische Kontrolle, internistische Untersuchungen aufgrund ihrer COPD."
| |
2.3 Aufgrund der in den Akten liegenden medizinischen Berichte (Erw. 2.2 hievor) ist davon auszugehen, dass die Versicherte pflegebedürftig ist. Jedoch ergibt sich weiter, dass ein chronischer Krankheitszustand vorliegt, der sich seit dem Ablauf des ersten Jahres des Aufenthalts in der Klinik W.________ kaum verändert hat; so sprechen denn sowohl der Gutachter Dr. med. N.________ wie auch die Klinik W.________ übereinstimmend von einem Residualzustand. Die beim Krankheitsbild der Beschwerdeführerin notwendige Betreuung und Pflege durch geschultes Fachpersonal kann aber in einem Pflegeheim erfolgen: So sieht das "Bewohnerinnen-Einstufungs- und Abrechnungssystem" (BESA) unter dem Titel "Psychogeriatrische Leistungen I - Zeitliche und örtliche Orientierung" im Rahmen der verschiedenen Einstufungsmöglichkeiten eine "umfassende intensive Beaufsichtigung/Kontrolle/Unterstützung/Betreuung/Begleitung/Orientierungshilfe durch die Mitarbeitenden" vor, wenn die Bewohner "dauernd schwer desorientiert/verwirrt" sind, "keinen Realitätsbezug" haben, "mobil, überaktiv (Identitätsverlust, Unruhe, Wahnvorstellungen usw., gestörter Tag-/Nachtrhythmus)" sind, "keine übliche verbale Kommunikation" möglich ist und "mit ausgeprägter Belastung des Umfeldes" sowie einer möglichen "Selbst- und Fremdgefährdung ... (z.B. Verhalten auf der Strasse)" einhergeht. Damit werden genau die im Gutachten des Dr. med. N.________ vom 19. April 2004 sowie diejenigen in den Berichten der Klinik W.________ übereinstimmend beschriebenen Bedürfnisse der Versicherten abgedeckt. Zur Überwachung und Einstellung der Medikation ist entgegen den Ausführungen im Bericht der Klinik W.________ vom 23. September 2004 keine "spitalmässige Infrastruktur" notwendig, ebensowenig wie für die im Bericht vom 11. Mai 2005 weiter erwähnten dermatologischen und internistischen Untersuchungen. Diese ärztlichen Leistungen können vielmehr auch ambulant erfolgen, ohne dass dafür ein stationärer Aufenthalt in einem Akutspital notwendig ist.
| |
Der spitalbedürftige Versicherte hat im Übrigen nicht mehr als die gesetzlichen Leistungen zugute, wenn er gezwungenermassen in einer teuren Klinik hospitalisiert werden muss, weil in der Heilanstalt oder in der Spitalabteilung, die vom medizinischen Standpunkt aus genügen würde und billiger wäre, kein Bett frei ist. Ferner hat die Kasse nicht dafür aufzukommen, wenn ein Versicherter trotz nicht mehr bestehender Spitalbedürftigkeit weiterhin in einer Heilanstalt untergebracht ist, weil z.B. kein Platz in einem geeigneten und für den Versicherten genügenden Pflegeheim (ohne Spitalcharakter) vorhanden ist und mithin der Spitalaufenthalt nur noch auf sozialen Überlegungen beruht (BGE 124 V 364 Erw. 1b). Hier kann die notwendige Pflege - wie ausgeführt - in einem Pflegeheim erbracht werden; wenn Dr. med. N.________ im Gutachten vom 19. April 2004 eine Platzierung in einem Wohnheim als "nicht realistisch" erachtet, berücksichtigt er somit nicht medizinische Aspekte, sondern das aktuelle Angebot an Plätzen in Pflegeheimen. Fehlende Pflegeplätze - sei es infolge Bettenbelegung oder infolge fehlender Institutionen - können jedoch nicht dazu führen, dass die Krankenversicherung für einen Spitalaufenthalt aufkommen muss, der medizinisch nicht indiziert ist (vgl. Urteil A. vom 14. April 2005, K 157/04, Erw. 2.2). Wie die Vorinstanz in dieser Hinsicht zu Recht bemerkt hat, ist es gemäss Art. 39 Abs. 1 lit. d KVG Aufgabe der Kantone, durch entsprechende Planung dafür besorgt zu sein, dass die vom KVG vorgesehenen Einrichtungen zur Verfügung stehen; es kann nicht angehen, dass die Kosten diesbezüglicher Versäumnisse auf die Krankenversicherer - und damit auf die Versichertengemeinschaft - überwälzt werden.
| |
2.4 Aus Art. 56 KVG in Verbindung mit Art. 49 Abs. 3 KVG folgt u.a., dass ein Aufenthalt im Akutspital zum Spitaltarif nach Art. 49 Abs. 1 und 2 KVG nur so lange durchgeführt werden darf, als vom Behandlungszweck her ein solcher Aufenthalt notwendig ist (BGE 124 V 365 Erw. 1b). Dies ist hier jedoch nicht der Fall (Erw. 2.3 hievor), auch wenn der Gesundheitszustand gewissen Schwankungen unterworfen sein sollte. Eine schubweise Verschlimmerung des Leidens, welche vorübergehend wieder zu einer Akutspitalbedürftigkeit führen könnte (Urteil A. vom 14. April 2005, K 157/04, Erw. 2.3, mit Hinweis auf Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, S. 72 FN 305), wird nicht geltend gemacht, während die am 6. Mai 2005 erfolgte Hospitalisation wegen eines anderen Leidens (bakterielle Exazerbation einer chronischen Bronchitis) zeitlich nach Erlass des Einspracheentscheides von August 2004 datiert und deshalb hier nicht zu berücksichtigen ist (RKUV 2001 Nr. U 419 S. 101).
| |
Für den Übertritt vom Akutspital in ein Pflegeheim oder eine Pflegeabteilung ist eine angemessene Anpassungszeit einzuräumen (BGE 124 V 367; Urteil A. vom 14. April 2005, K 157/04, Erw. 2.3). Dies hat die CSS beachtet, da sie mit Schreiben vom 27. April 2004 eine Übergangsfrist von dreissig Tagen eingeräumt hatte. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese Frist zu kurz bemessen sein sollte, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
| |
2.5 Wegen der fehlenden Spitalbedürftigkeit hat die CSS deshalb zu Recht die Leistungspflicht für die Kosten für die Akutabteilung ab dem 28. Mai 2004 verneint und ab diesem Datum Kostengutsprache für die Pflegetaxe analog BESA, höchste Pflegestufe, erteilt.
| |
3.
| |
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die CSS als obsiegende Behörde hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 135 OG in Verbindung mit Art. 159 Abs. 2 OG).
| |
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung ist infolge Rückzugs gegenstandslos geworden.
| |
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
| |
1.
| |
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
| |
2.
| |
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
| |
3.
| |
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
| |
Luzern, 20. Oktober 2005
| |
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
| |
Der Vorsitzende der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
| |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |