BGer 2C_1126/2014 | |||
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BGer 2C_1126/2014 vom 20.02.2015 | |
{T 0/2}
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2C_1126/2014
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Urteil vom 20. Februar 2015 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Zünd, Präsident,
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Bundesrichter Donzallaz, Haag,
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Gerichtsschreiber Zähndler.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________, Beschwerdeführer,
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vertreten durch Advokatin Elisabeth Maier,
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gegen
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Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,
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Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt.
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Gegenstand
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Widerruf der Niederlassungsbewilligung; Nichteintreten mangels rechtzeitiger Rekursbegründung,
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Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 2. Oktober 2014.
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Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
Mit Eingabe vom 19. Februar 2014 meldete der Betroffene hiergegen beim Justiz- und Sicherheitsdepartement (ohne Begründung) den Rekurs an; am 18. März 2014 reichte er ein Gesuch um Erstreckung der Frist zur Rekursbegründung ein. Das Justiz- und Sicherheitsdepartement erachtete dieses Gesuch indes als verspätet und trat mit Entscheid vom 20. März 2014 mangels rechtzeitiger Rekursbegründung auf den Rekurs des Betroffenen nicht ein.
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Hiergegen rekurrierte A.________ beim Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt, worauf das Präsidialdepartement den Rekurs dem Appellationsgericht Basel-Stadt als Verwaltungsgericht zur Beurteilung überwies. Ebenso ersuchte der Betroffene beim Justiz- und Sicherheitsdepartement um Wiedererwägung des Nichteintretensentscheids und um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nach der Abweisung dieses Gesuchs gelangte er auch gegen diesen Entscheid an den Regierungsrat von Basel-Stadt, welcher den Rekurs wiederum dem Appellationsgericht zum Entscheid überwies. Mit Urteil vom 2. Oktober 2014 wies das Appellationsgericht als Verwaltungsgericht beide Rekurse ab, soweit es darauf eintrat.
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Mit Eingabe vom 10. Dezember 2014 führt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Er beantragt im Wesentlichen, es sei das Urteil des Appellationsgerichts aufzuheben und die Angelegenheit zur Weiterführung des Verfahrens an das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt zurückzuweisen.
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Das Appellationsgericht und das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
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Mit Verfügung vom 15. Dezember 2014 erkannte der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu.
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Erwägung 2 | |
2.1. Gemäss § 46 Abs. 1 des Gesetzes vom 22. April 1976 betreffend die Organisation des Regierungsrates und der Verwaltung des Kantons Basel-Stadt (Organisationsgesetz, OG/BS; SG 153.100) ist ein Rekurs innert 10 Tagen seit Eröffnung der Verfügung bei der Rekursinstanz anzumelden. Nach Abs. 2 der selben Bestimmung ist innert 30 Tagen, vom gleichen Zeitpunkt an gerechnet, die Rekursbegründung einzureichen, welche die Anträge des Rekurrenten und deren Begründung mit Angabe der Beweismittel zu enthalten hat. Besondere Anforderungen an die Zustellform werden weder vom kantonalen Recht noch vom Bundesrecht vorgeschrieben.
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2.2. Gemäss ständiger bundesgerichtlicher Praxis erfolgt die fristauslösende Zustellung einer uneingeschriebenen Sendung bereits dadurch, dass sie in den Briefkasten oder in das Postfach des Adressaten gelegt wird und sich damit in dessen Verfügungsbereich befindet. Nicht erforderlich ist für die Zustellung einer Sendung, dass der Adressat sie tatsächlich in Empfang nimmt; es genügt, wenn sie in seinen Machtbereich gelangt und er demzufolge von ihr Kenntnis nehmen kann.
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Vorliegend erfolgte der Versand der Widerrufsverfügung des Migrationsamtes vom 14. Februar 2014 durch die Schweizerische Post als so genannte "A-Post Plus". Bei dieser Versandmethode werden Briefe konventionell in uneingeschriebener Form (A-Post) befördert, d.h. die Zustellung erfolgt direkt in den Briefkasten oder ins Postfach des Adressaten, ohne dass dieser den Empfang unterschriftlich bestätigen müsste; entsprechend wird der Adressat im Falle seiner Abwesenheit auch nicht durch Hinterlegung einer Abholungseinladung avisiert. Im Unterschied zu herkömmlichen Postsendungen sind "A-Post Plus"-Sendungen jedoch mit einer Nummer versehen, welche die elektronische Sendungsverfolgung im Internet ("Track & Trace") ermöglicht. Daraus ist u.a. ersichtlich, wann dem Empfänger die Sendung durch die Post zugestellt wurde.
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Das Bundesgericht hat sich bereits verschiedentlich zur Zustellung mittels "A-Post Plus" geäussert (vgl. Urteile 8C_573/2014 vom 26. November 2014; 2C_570/2011 und 2C_577/2011 vom 24. Januar 2012; 2C_430/2009 vom 14. Januar 2010, publ. in; StR 65 [2010] 396, RDAF 2010 II 458, jeweils mit weiteren Hinweisen). Dabei hat es die Zustellung der Sendung ins Postfach des Adressaten als fristauslösenden Moment bezeichnet, selbst wenn diese an einem Samstag erfolgt ist. Den Umstand, dass der betroffene Adressat die Sendung erst am darauf folgenden Montag aus dem Postfach geholt hat, bezeichnete das Bundesgericht im erwähnten Entscheid 8C_573/2014 E. 3.1 ausdrücklich als unerheblich.
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2.3. Nach den unbestrittenen Feststellungen im vorinstanzlichen Entscheid wurde die angefochtene Widerrufsverfügung des Migrationsamtes vom 14. Februar 2014 gleichentags verschickt und einen Tag später, am Samstag, 15. Februar 2014, in das Postfach der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers gelegt. Gemäss der aufgezeigten bundesgerichtlichen Praxis begann die 30-tägige Frist zur Einreichung der Rekursbegründung mithin am darauffolgenden Tag, dem Sonntag, 16. Februar 2014 zu laufen und sie endete am Montag, 17. März 2014. Da bis zu diesem Zeitpunkt weder die erforderliche Rekursbegründung noch ein Gesuch um Fristverlängerung eingegangen war, durfte das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt das Nichteintreten auf den Rekurs beschliessen, ohne hierdurch verfassungsmässige Rechte des Beschwerdeführers oder übriges Bundesrecht zu verletzen.
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2.4. Was der Beschwerdeführer hiergegen vorbringt, überzeugt nicht:
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So macht er geltend, mit der Wahl einer anderen Zustellform als der des Einschreibens nehme die verfügende Behörde in rechtsungleicher Weise Einfluss auf die Dauer der Rechtsmittelfrist, da der Rechtsvertreter bei einem Einschreiben selbst bestimme, wann er die Sendung entgegennehme und damit die Frist auslöse, wodurch er einige Tage mehr Zeit erhalte. Wie die Vorinstanz jedoch zutreffend festgehalten hat, ist die Rechtsmittelfrist bei jeder Zustellform gleich lang. Sie wird stets dann ausgelöst, wenn die Sendung in den Verfügungsbereich des Empfängers gelangt und dieser vom Inhalt der Sendung Kenntnis nehmen kann. Bei einem Einschreiben ist dies im Moment der Abholung am Schalter, bei einer nicht eingeschriebenen Sendung bereits bei der Zustellung in das jederzeit zugängliche Postfach der Fall. Durch die blosse Avisierung eines Einschreibens hat dessen Empfänger keinen nennenswerten Vorteil, kennt er doch zu diesem Zeitpunkt weder den Inhalt noch die Motivation des an ihn adressierten Entscheids.
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Weiter rügt der Beschwerdeführer, die Grundsätze von Treu und Glauben sowie der Rechtsgleichheit würden es gebieten, die Zustellform entsprechend dem Inhalt und der Bedeutung der zu eröffnenden Verfügung auszuwählen; dies gelte selbst dort, wo das Gesetz keine bestimmte Zustellform vorschreibe. Dem Einwand ist indes nicht zu folgen: Abgesehen davon, dass es sich aufgrund der oftmals unterschiedlich empfundenen Eingriffsintensität einer behördlichen Zustellung als kaum praktikabel erweisen dürfte, eine klar erkennbare und allgemeingültige Grenze für die Zulässigkeit einer bestimmten Zustellform zu definieren, ist es auch unerfindlich, inwiefern die nicht eingeschriebene Zustellung eines Entscheides treuwidrig sein soll: Wie hiervor aufgezeigt, ergeben sich durch das Einschreiben keine massgeblichen Vorteile des Empfängers und die Bedeutung und Dringlichkeit einer behördlichen Zuschrift erschliessen sich dem Adressaten im einen wie im anderen Fall erst nach dem Durchlesen derselben. Ebenso ist das genaue Zustelldatum einer mittels "A-Post Plus" zugestellten nicht eingeschriebenen Sendung anhand der auf dem Briefumschlag angebrachten "Track & Trace"-Nummer ohne Weiteres feststellbar, so dass über den Beginn des Fristenlaufs auch in diesem Fall keine Unklarheiten bestehen und eine rechtsungleiche resp. treuwidrige Benachteiligung des Beschwerdeführers auch diesbezüglich nicht ersichtlich ist.
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Sodann weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass Anwaltskanzleien am Wochenende geschlossen seien, weshalb das Postfach einer Kanzlei am Samstag nicht dem hier massgeblichen Verfügungsbereich des Adressaten entspreche und deshalb eine am Samstag mit "A-Post Plus" zugestellte Sendung erst am darauf folgenden Montag eine fristauslösende Wirkung haben könne. Dieser Einwand geht jedoch am Umstand vorbei, dass ein Empfänger grundsätzlich jederzeit faktischen Zugang zu seinem Briefkasten oder Postfach hat; der Beschwerdeführer behauptet denn auch nicht, dass dies im vorliegenden Fall anders gewesen sei. Wie diese Zugriffsmöglichkeit ausgeübt wird, liegt im Verantwortungsbereich des Empfängers.
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Im Weitern bringt der Beschwerdeführer vor, die strikte Anwendung des gesetzlich vorgesehenen Fristenlaufs stelle im vorliegenden Fall einen überspitzten Formalismus dar, zumal einerseits die fristauslösende Zustellung mittels "A-Post Plus" nicht etabliert sei und andererseits sein Interesse an einem fairen Verfahren und an einer wirksamen Beschwerde die formelle Bedeutung der Rechtsmittelfrist überwiege. Zudem werde die Fristwahrung durch das hier anwendbare baselstädtische Recht noch erschwert, da dieses für die Anmeldung des Rekurses und für dessen Begründung zwei unterschiedliche Verwirkungsfristen vorsehe. Auch dieser Einwand erweist sich jedoch nicht als zielführend: Gemäss der bundesgerichtlichen Praxis müssen Rechtsmittel stets fristgerecht eingereicht werden, wobei die strikte Einhaltung der gesetzlichen Formstrenge bereits aus Gründen der Rechtsgleichheit geboten erscheint und nicht als überspitzter Formalismus gerügt werden kann (vgl. Urteile 5A_677/2013 vom 6. Dezember 2013 E. 3; 6B_507/2011 vom 7. Februar 2011 E. 2.2 f.; 2D_18/2009 vom 22. Juni 2009 E. 4.2, jeweils mit Hinweisen). Im Übrigen ist es nicht ersichtlich, weshalb das Bestehen zweier unterschiedlicher Rechtsmittelfristen die Fristwahrung im vorliegenden Zusammenhang erschwert haben sollte, galt doch für beide Fristen die Zustellung ins Postfach als fristauslösender Moment. Hinsichtlich der behaupteten fehlenden Etablierung der "A-Post Plus" ist festzuhalten, dass diese Zustellform von der Schweizerischen Post jedenfalls schon seit mehreren Jahren angeboten wird, wie aus dem bereits erwähnten Entscheid 2C_430/2009 vom 14. Januar 2010 ersichtlich ist (vgl. auch AMSTUTZ / ARNOLD in: Niggli / Uebersax / Wiprächtiger [Hrsg], Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, Rz. 14a zu Art. 44).
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2.5. In formeller Hinsicht beanstandet der Beschwerdeführer abschliessend, dass das Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt entsprechend dessen Praxis lediglich vom Gerichtsschreiber und nicht auch vom Präsidenten signiert worden sei. Der Beschwerdeführer sieht hierdurch seinen Anspruch auf einen gesetzlichen Richter gemäss Art. 30 Abs. 1 BV beziehungsweise auf öffentliche Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung gemäss Art. 30 Abs. 3 BV verletzt und schliesst auf Nichtigkeit des angefochtenen Entscheids. Mit einer identischen Rüge hat sich das Bundesgericht bereits im Urteil 2C_31/2013 vom 17. September 2013, E. 2.1, auseinandergesetzt und diesbezüglich festgehalten, dass sich die Unterschriftenregelung von kantonalen Verwaltungsgerichten nach dem kantonalen Prozessrecht richte und die vom basel-städtischen Appellationsgericht praktizierte (ungeschriebene) Regelung nicht als willkürlich erscheine. Die vom Beschwerdeführer angerufenen Entscheide sind nicht einschlägig, zumal sie sich - wie im genannten Urteil bereits erwähnt - auf den Sozialversicherungsprozess beziehen, wo das Bundesrecht eigene Verfahrensregeln enthält. Bei dieser Sachlage erübrigen sich weitere Äusserungen des Bundesgerichts zur aufgeworfenen Thematik.
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Erwägung 3 | |
Entsprechend diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Zufolge Aussichtslosigkeit kann seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten sowie dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 20. Februar 2015
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Zünd
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Der Gerichtsschreiber: Zähndler
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