BGer 2C_326/2015 | |||
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BGer 2C_326/2015 vom 24.11.2016 | |
{T 0/2}
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2C_326/2015
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Urteil vom 24. November 2016 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Seiler, Präsident,
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Bundesrichter Donzallaz,
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Bundesrichter Stadelmann,
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Gerichtsschreiber Kocher.
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Verfahrensbeteiligte | |
Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer.
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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X.________,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Mehrwertsteuer (4. Quartal 2006 bis 4. Quartal 2009),
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Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 12. März 2015.
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Sachverhalt: | |
A. A.________ betrieb seit Anfang des Jahres 2000 unter der Firma "X.________" ein Einzelunternehmen mit Sitz in U.________/ZG. Er war vom 19. Dezember 2006 bis zum 31. Dezember 2013 im Register der mehrwertsteuerpflichtigen Personen eingetragen. Am 11. November 2013 bewilligte die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) dem Steuerpflichtigen als Inhaber des Einzelunternehmens rückwirkend per 19. Dezember 2006 die Abrechnung der Mehrwertsteuer nach vereinnahmten Entgelten. Da der Steuerpflichtige für die Abrechnungsperioden des vierten Quartals 2006 bis und mit dem vierten Quartal 2009 (Zeit vom 19. Dezember 2006 bis 31. Dezember 2009) seinen Abrechnungs- und Zahlungspflichten nicht nachgekommen war, stellte die ESTV für diesen Abrechnungszeitraum einen nach pflichtgemässem Ermessen geschätzten provisorischen Steuerbetrag von Fr. 38'000.-- in Rechnung (Ergänzungsabrechnung [EA] Nr. xxx vom 26. Oktober 2011). Dieser Betrag wurde durch den Steuerpflichtigen nicht beglichen und alsdann durch die ESTV in Betreibung gesetzt.
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B. Am 12. August 2013 führte die ESTV beim Steuerpflichtigen eine Mehrwertsteuerkontrolle durch. Kontrollperiode war die Zeit vom 19. Dezember 2006 bis zum 31. Dezember 2012. Dabei stellte sie im Kontrollbericht u.a. fest, die Buchführung sei offensichtlich mangelhaft bzw. es lägen zahlreiche Aufzeichnungen/Dokumente nicht oder nur unvollständig vor. Mit "Einschätzungsmitteilung Nr. yyy / Verfügung" vom 14. November 2013 forderte die ESTV vom Steuerpflichtigen für die Periode vom 19. Dezember 2006 bis 31. Dezember 2009 Mehrwertsteuern im Betrag von Fr. 16'224.--. Die "Einschätzungsmitteilung Nr. yyy / Verfügung" enthielt eine Rechtsmittelbelehrung, wonach sie innert 30 Tagen mit Einsprache angefochten werden könne. Im Februar 2014 setzte die ESTV den Betrag von Fr. 16'224.- zuzüglich Verzugszins in Betreibung.
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C. Der Steuerpflichtige erhob dagegen Rechtsvorschlag und teilte dies mit Eingabe vom 13. Februar 2014 der ESTV mit, wobei er die mit der "Einschätzungsmitteilung Nr. yyy / Verfügung" festgelegten Steuerbeträge beanstandete. Mit Einspracheentscheid vom 10. November 2014 nahm die ESTV die Eingabe vom 13. Februar 2014 als Einsprache entgegen, trat darauf nicht ein und stellte fest, die "EM Nr. yyy / Verfügung" vom 14. November 2013 sei in Rechtskraft erwachsen. Sie erwog, diese sei dem Steuerpflichtigen am 15. November 2013 durch die Post eingeschrieben zugestellt worden, womit die dreissigtägige Einsprachefrist am 16. Dezember 2013 geendet habe und die Einsprache verspätet sei.
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D. Dagegen erhob der Steuerpflichtige am 9. Dezember 2014 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beantragte sinngemäss, der Einspracheentscheid der ESTV vom 10. November 2014 sei aufzuheben und die Steuernachforderung zu erlassen. Mit Urteil A-7176/2014 vom 12. März 2015 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gut, soweit es darauf eintrat; es hob den Einspracheentscheid der ESTV vom 10. November 2014 auf und wies die Sache zur materiellen Prüfung und Erlass einer Erstverfügung an die ESTV zurück.
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Zur Begründung erwog das Bundesverwaltungsgericht, es sei grundsätzlich nicht zulässig, eine Einschätzungsmitteilung direkt als Verfügung auszugestalten. Die Voraussetzungen für den ausnahmsweisen Erlass einer Einschätzungsmitteilung in Form einer Verfügung lägen nicht vor. Die "Einschätzungsmitteilung Nr. yyy / Verfügung" vom 14. November 2013 stelle daher trotz ihrer Bezeichnung keine Verfügung dar, so dass es an einem Anfechtungsobjekt für eine Einsprache mangle. Die ESTV hätte daher nicht schliessen dürfen, auf die Einsprache sei wegen Verspätung nicht einzutreten. Der "Einspracheentscheid" vom 10. November 2014 sei aufzuheben und die Sache an die ESTV zur materiellen Prüfung und zum Erlass einer Erstverfügung zurückzuweisen.
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E. Die ESTV erhebt mit Eingabe vom 22. April 2015 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 10. November 2014 zu bestätigen. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. Der Steuerpflichtige hat sich nicht vernehmen lassen.
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Erwägungen: | |
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist gegen den angefochtenen Rückweisungsentscheid des Bundesverwaltungsgerichts zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG), da die zur Beschwerde legitimierte ESTV (Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG; Art. 141 MWSTV) dadurch gezwungen wird, eine ihres Erachtens rechtswidrige (neue) Verfügung zu erlassen, wodurch sie einen nicht wieder gut zu machenden Nachteil erleidet (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 140 V 321 E. 3.6 S. 326 f.). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
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2. Auf die streitbetroffene Steuerforderung ist materiellrechtlich noch das Bundesgesetz vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (aMWSTG; AS 2000 1300) anwendbar, wie sich aus Art. 112 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (MWSTG; SR 641.20) ergibt. Verfahrensrechtlich ist das neue Recht anzuwenden (Art. 113 Abs. 3 MWSTG).
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Erwägung 3 | |
3.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die ESTV berechtigt war, die EM Nr. yyy als Verfügung auszugestalten.
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3.2. Im System der Mehrwertsteuer gilt das (modifizierte) Selbstveranlagungsprinzip (Urteil 2C_353/2013 vom 23. Oktober 2013 E. 3.3, in: ASA 82 S. 369; MARTIN KOCHER, in: Martin Zweifel/Michael Beusch/Pierre-Marie Glauser/Philip Robinson [Hrsg.], Kommentar MWSTG [nachfolgend: Komm. MWSTG], 2015, N. 20 ff. zu Art. 65 MWSTG). Das heisst, dass Veranlagung und Entrichtung der Steuer grundsätzlich durch die steuerpflichtige Person selbst erfolgen. Diese hat gegenüber der ESTV unaufgefordert innert der gesetzlichen Frist und in der vorgeschriebenen Form über die Steuerforderung abzurechnen (Art. 71 Abs. 1 MWSTG) und später festgestellte Mängel nachträglich zu korrigieren (Art. 72 MWSTG). Sie hat die in der Abrechnungsperiode entstandene Steuerforderung innert 60 Tagen nach deren Ablauf zu bezahlen (Art. 86 Abs. 1 MWSTG). Die steuerpflichtige Person ist somit grundsätzlich selber für die korrekte Abrechnung verantwortlich (BGE 140 II 202 E. 5.4 S. 207). Die ESTV kann jedoch bei steuerpflichtigen Personen Kontrollen durchführen (Art. 78 MWSTG). Solche Kontrollen sind innert 360 Tagen seit Ankündigung mit einer Einschätzungsmitteilung abzuschliessen; diese hält den Umfang der Steuerforderung in der kontrollierten Periode fest (Art. 78 Abs. 5 MWSTG). Liegen keine oder nur unvollständige Aufzeichnungen vor oder stimmen die ausgewiesenen Ergebnisse mit dem wirklichen Sachverhalt offensichtlich nicht überein, so schätzt die ESTV die Steuerforderung nach pflichtgemässem Ermessen ein (Art. 79 Abs. 1 MWSTG). Auch in diesem Fall erfolgt die Festsetzung der Steuerforderung mit einer Einschätzungsmitteilung (Art. 79 Abs. 2 MWSTG).
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Erwägung 3.3 | |
3.3.1. Die Einschätzungsmitteilung ist im Gesetz nicht näher umschrieben; es handelt sich um ein Rechtsinstitut sui generis. Praxis und Doktrin qualifizieren die Einschätzungsmitteilung als Verfügungssurrogat (succédane de décision; BGE 140 II 202 E. 5.5 S. 207; IVO P. BAUMGARTNER/DIEGO CLAVADETSCHER/MARTIN KOCHER, Vom alten zum neuen Mehrwertsteuergesetz, 2010, § 8 N. 39 und § 10 N. 88; MICHAEL BEUSCH, in: Felix Geiger/Regine Schluckebier [Hrsg.], MWSTG, 2012, N. 18 zu Art. 42 MWSTG; MARIE-CHANTAL MAY CANELLAS, in: Komm. MWSTG, N. 15 zu Art. 43 MWSTG; JÜRG STEIGER, in: Komm. MWSTG, N. 39 zu Art. 79 MWSTG; KOCHER, in: Komm. MWSTG, N. 6 zu Art. 65, N. 13 und 19 zu Art. 82, N. 4 zu Art. 85 MWSTG; a. M. aber scheinbar ALOIS CAMENZIND/NIKLAUS HONAUER/KLAUS A. VALLENDER/MARCEL R. JUNG/SIMEON L. PROBST, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz (MWSTG), 3. Aufl. 2012, N. 2261). Als solches bildet sie die Vorstufe zu einer Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG (KOCHER, in: Komm. MWSTG, N. 13 zu Art. 82 und N. 21 zu Art. 83 MWSTG).
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3.3.2. Die Einschätzungsmitteilung entfaltet nach dem Gesagten Rechtswirkungen im Sinne von Art. 78 Abs. 5 und Art. 79 Abs. 2 MWSTG. Hinzu kommen weitere Rechtsfolgen: Zum einen wird die Steuerforderung durch schriftliche Anerkennung oder vorbehaltlose Bezahlung einer Einschätzungsmitteilung rechtskräftig (Art. 43 Abs. 1 lit. b MWSTG). Zum andern sind die Art. 66-69 VwVG auch auf die Revision, Erläuterung und Berichtigung von Einschätzungsmitteilungen anwendbar, gleich wie auf Verfügungen und Einspracheentscheiden (Art. 85 MWSTG; BGE 140 II 202 E. 5.2 S. 204 f.).
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3.3.3. Das Gesetz unterscheidet somit ausdrücklich zwischen Einschätzungsmitteilung und Verfügung (BGE 140 II 202 E. 5.2 S. 205). Auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergibt sich, dass der Gesetzgeber bewusst ein zweistufiges Verfahren vorsah, in welchem entsprechend dem Selbstveranlagungsprinzip zunächst in einem informellen Verfahren ein Dialog zwischen der ESTV und der steuerpflichtigen Person erfolgt und erst bei Uneinigkeit ein Verfügungsverfahren eröffnet wird (BGE 140 II 202 E. 5.3/5.4 S. 205). Die Einschätzungsmitteilung stellt somit
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3.4. Die ESTV erlässt alle für eine gesetzeskonforme Erhebung und den gesetzeskonformen Einzug der Steuer erforderlichen Verfügungen, deren Erlass nicht ausdrücklich einer anderen Behörde vorbehalten ist (Art. 65 Abs. 2 MWSTG). Gemäss Art. 82 Abs. 1 MWSTG trifft die ESTV von Amtes wegen oder auf Verlangen der steuerpflichtigen Person alle für die Steuererhebung erforderlichen Verfügungen, insbesondere wenn Bestand oder Umfang der Steuerpflicht bestritten wird (lit. a), die Eintragung oder Löschung im Register der steuerpflichtigen Personen bestritten wird (lit. b), Bestand oder Umfang der Steuerforderung, der Mithaftung oder des Anspruchs auf Rückerstattung von Steuern streitig ist (lit. c), die steuerpflichtige Person oder Mithaftende die Steuer nicht entrichten (lit. d), sonstige Pflichten nicht anerkannt oder nicht erfüllt werden, die sich aus diesem Gesetz oder aus gestützt darauf ergangenen Verordnungen ergeben (lit. e) oder für einen bestimmten Fall vorsorglich die amtliche Feststellung der Steuerpflicht, der Steuerforderung, der Grundlagen der Steuerbemessung, des anwendbaren Steuersatzes oder der Mithaftung beantragt wird oder als geboten erscheint (lit. f). Verfügungen der ESTV können innert 30 Tagen nach Eröffnung mit Einsprache angefochten werden (Art. 83 Abs. 1 MWSTG).
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Erwägung 3.5 | |
3.5.1. Bei der Einschätzungsmitteilung handelt es sich nach dem Gesagten (nur, aber immerhin) um ein Verfügungssurrogat, das eine Vorstufe der Verfügung darstellt. Abweichend von den damals bereits geäusserten Stimmen in der Doktrin erliess die ESTV in der Anfangsphase des neuen MWSTG regelmässig Anordnungen unter dem Titel "Einschätzungsmitteilung/Verfügung", womit die beiden Institute zeitlich zusammenfielen (CAMENZIND/HONAUER/VALLENDER/JUNG/PROBST, a.a.O., N. 2261). Dies entspricht aber nicht der Konzeption des Gesetzes: Einschätzungsmitteilungen dürfen nicht systematisch als Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG ausgestaltet werden (hinten, E. 3.5.2; KOCHER, in: Komm. MWSTG, N. 13 zu Art. 82 MWSTG). Das Bundesgericht hat im bereits mehrfach erwähnten Urteil 2C_805/2013 vom 21. März 2014 (= BGE 140 II 202) erwogen, ausserhalb der Fälle, in denen die steuerpflichtige Person den Erlass einer Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG verlange, sei eine solche vor allem in Situationen gerechtfertigt, in denen das Verhalten der steuerpflichtigen Person oder die Umstände den Bezug der Steuer konkret gefährden. Zu denken ist an die Nichtbezahlung der Steuer, die Nichtbeachtung der gesetzlichen Pflichten, wenn die steuerpflichtige Person ihre Steuerpflicht oder die Steuerforderung bestreitet; um eine Verfügung zu erlassen, müsse die ESTV entweder einen Antrag der steuerpflichtigen Person erhalten haben oder aus den konkreten Umständen schliessen können, dass diese die gesetzlichen Pflichten bestreitet oder die Erhebung der Steuer namentlich durch dilatorische Manöver oder sonstwie treuwidriges Verhalten gefährdet (BGE 140 II 202 E. 6.2 S. 208 f.).
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3.5.2. Dies sei, so BGE 140 II 202 E. 6.3.1 S. 209, nicht bereits der Fall, wenn die steuerpflichtige Person ihre Pflicht zur Abrechnung nicht korrekt erfüllt habe und dadurch eine Kontrolle notwendig werde. Ohne konkrete Indizien könne die Verwaltung in solchen Fällen nicht davon ausgehen, dass sich die steuerpflichtige Person ihren Pflichten entziehen wolle. Dies treffe erst zu, wenn die vorherige informelle Phase der Einschätzungsmitteilung von vornherein als aussichtslos erscheine, weil die steuerpflichtige Person zu erkennen gebe, dass sie sich der Position der ESTV widersetze, so dass die Phase des informellen Dialogs von vornherein zum Scheitern verurteilt sei (E. 6.3.2 S. 209 f.). Die Praxis der ESTV, systematisch die Einschätzungsmitteilung mit einer Verfügung zu verbinden, widerspreche Art. 82 MWSTG (E. 6.3.3 S. 201 f.) und beraube auch Art. 43 Abs. 1 lit. b MWSTG seines Sinnes (E. 6.3.4 S. 211). Die Verbindung von Einschätzungsmitteilung und Verfügung sei daher nicht systematisch, sondern nur unter besonderen Umständen zulässig (E. 6.3.5 und 6.4 S. 211 ff.; KOCHER, in: Komm. MWSTG, N. 13 ff. zu Art. 82 MWSTG). Habe die ESTV zu Unrecht eine Einschätzungsmitteilung als Verfügung bezeichnet, so beginne mit deren Erlass keine Rechtsmittelfrist zu laufen; ein wegen verspäteter Einreichung einer Einsprache erhobener Nichteintretensentscheid sei deshalb aufzuheben (zit. Urteil 2C_805/2013 vom 21. März 2014 E. 7, nicht publ. in: BGE 140 II 202, aber in: RDAF 2014 II, S. 785; Urteil 2C_842/2014 vom 17. Februar 2015 E. 5.2).
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3.6. Sowohl die Vorinstanz als auch die ESTV berufen sich auf diese Rechtsprechung:
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3.6.1. Nach Auffassung der Vorinstanz stellt der Umstand, dass der Steuerpflichtige seine Verfahrenspflichten gemäss Art. 98 MWSTG verletzt habe (fehlende Kassabücher, Fahrtenkontrollschreiben und Ruhezeitkarten sowie mangelhafte Jahresabschlüsse), lediglich eine
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3.6.2. Die ESTV ist demgegenüber der Meinung es bestünden
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3.7. Vorab ist zu bemerken, dass auch nach Ergehen des Urteils BGE 140 II 202 das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesgericht mehrere Fälle materiell beurteilten, in denen die ESTV eine "Einschätzungsmitteilung/Verfügung" erlassen hatte, ohne dass deswegen der angefochtene Entscheid aufgehoben wurde. Dies rechtfertigt sich, wenn die steuerpflichtige Person dadurch keinen Nachteil erleidet, namentlich, wenn sie ohnehin innert der dreissigtägigen Frist Einsprache erhoben hat, ohne sich über die Verbindung von Einschätzungsmitteilung und Verfügung zu beschweren, so dass das rechtliche Gehör gewährt bleibt (vgl. BGE 140 II 202 E. 6.3.3 S. 210 f.). Eine Aufhebung des angefochtenen Entscheids wegen dieses Vorgehens wäre in solchen Fällen ein prozessualer Leerlauf. Anders verhält es sich aber, wenn - wie hier - die steuerpflichtige Person durch die grundsätzlich unzulässige Verbindung von Einschätzungsmitteilung und Verfügung um ihre Einsprachemöglichkeit gebracht wird.
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3.8. Das Gesetz betrachtet Einschätzungsmitteilung (Art. 43 Abs. 1 lit. b, Art. 78 Abs. 5, Art. 79 Abs. 2, Art. 85 MWSTG) und Verfügung (Art. 5 VwVG) als zwei unterschiedliche Institute, die zeitlich nicht gleichzeitig, sondern sukzessive ergehen (vorne E. 3.2). Die Einschätzungsmitteilung bildet im Regelfall die Vorstufe der Verfügung (vorne E. 3.3.1 und 3.5.1). Der blosse Umstand, dass eine Kontrolle oder eine Ermessenseinschätzung erfolgt sind, kann daher nicht zur Folge haben, dass direkt eine Verfügung erlassen wird, würde doch sonst das gesetzliche Konzept ausgehebelt. Eine Ermessenseinschätzung setzt gerade voraus, dass keine oder nur unvollständige Aufzeichnungen vorliegen oder die ausgewiesenen Ergebnisse mit dem wirklichen Sachverhalt offensichtlich nicht übereinstimmen (Art. 79 MWSTG). Damit wird regelmässig zugleich der objektive Tatbestand von Art. 98 lit. e MWSTG erfüllt sein. Würde darin bereits ein Grund für den direkten Erlass einer Verfügung erblickt, würde kaum je eine vorgängige Einschätzungsmitteilung ergehen können und somit dieses Institut seines Sinns beraubt. Die Vorinstanz hat daher mit Recht erwogen, dass der - hier unbestritten vorliegende - objektive Verstoss gegen Art. 98 MWSTG (bzw. Art. 86 aMWSTG) noch keinen Grund für den direkten Erlass einer Verfügung darstellt.
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3.9. Die ESTV bringt demgegenüber vor, es liege nicht nur der objektive Tatbestand von Art. 98 MWSTG vor, sondern auch derjenige der Steuerhinterziehung (Art. 96 Abs. 1 lit. a MWSTG) und damit eine konkrete Gefährdung der Steuerforderung. Wohl kann eine unkorrekte Führung von Geschäftsbüchern zu einer Steuerhinterziehung führen. Voraussetzung ist aber, dass effektiv die Steuerforderung verkürzt wird (oder dies zumindest versucht wird, Art. 96 Abs. 5 MWSTG). Indessen ist das Vorliegen dieses objektiven Tatbestands gerade umstritten: Gemäss Kontrollbericht wurden die Umsätze mangels aussagekräftiger Unterlagen teilweise geschätzt. Der Steuerpflichtige hat in seiner Eingabe vom 13. Februar 2014 vorgebracht, er habe in den Jahren 2006 und 2007 einen Umsatz von höchstens Fr. 65'000.-- gehabt, und er lehne auch die Zuschläge für unverbuchte Einnahmen für das Jahr 2008 ab. Offensichtlich ist nach Auffassung des Steuerpflichtigen die Steuerforderung unbegründet und der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung nicht erfüllt. Aus dem blossen Umstand, dass eine Kontrolle nach Auffassung der Verwaltung zu einer Nachbelastung führt und die steuerpflichtige Person diese bestreitet, kann nicht gefolgert werden, sie wolle sich ihrer gesetzlichen Pflichten entziehen. Es ist gerade der Sinn des zweistufigen Systems, solche Meinungsunterschiede zwischen ESTV und steuerpflichtiger Person zunächst auf dem Wege der Einschätzungsmitteilung und erst im Bestreitungsfall durch Erlass einer Verfügung zu regeln (BGE 140 II 202 E. 6.3.2 S. 209 f.). Daran ändert auch nichts, dass der Steuerpflichtige seine Steuerpflicht überhaupt bestritt: Er tat dies, weil er seines Erachtens die Umsatzgrenze nicht erreichte. Hingegen ist weder von der Vorinstanz festgestellt noch von der ESTV substantiiert dargelegt, dass sich der Steuerpflichtige generell und von vornherein seiner gesetzlichen Steuerpflicht widersetzte.
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3.10. Die ESTV beruft sich auf weitere Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen, die ihres Erachtens treuwidrig sind und den direkten Erlass einer Verfügung rechtfertigen. Diese Umstände sind jedoch von der Vorinstanz nicht festgestellt worden und die ESTV legt auch nicht dar, dass die Vorinstanz den rechtserheblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig oder rechtsverletzend festgestellt hat (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Auf diese von der Vorinstanz nicht festgestellten Sachverhaltselemente kann daher nicht abgestellt werden.
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3.11. Vorinstanzlich festgestellt ist allerdings, dass der von der ESTV in Rechnung gestellte provisorische Steuerbetrag von Fr. 38'000.-- vom Steuerpflichtigen nicht beglichen und alsdann von der ESTV in Betreibung gesetzt wurde. Wird dagegen Rechtsvorschlag erhoben, so ist für dessen Beseitigung die ESTV im Verfügungs- und Einspracheverfahren zuständig (Art. 86 Abs. 3 MWSTG). Vorliegend hat aber die ESTV nicht in dieser Betreibung den Rechtsvorschlag mit Verfügung beseitigt, sondern in der Folge eine Kontrolle durchgeführt und gestützt darauf die Steuerforderung neu - und erheblich abweichend vom provisorisch in Rechnung gestellten Steuerbetrag - festgesetzt. Der Umstand, dass der Steuerpflichtige gegen jene Betreibung Rechtsvorschlag erhoben hat, kann noch nicht als Bestreitung der neu festgesetzten Steuerforderung betrachtet werden, die den Erlass einer Einschätzungsmitteilung als obsolet erscheinen liesse.
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4. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet. Die ESTV, um deren Vermögensinteressen es geht, trägt die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Steuerpflichtige, der sich nich t hat vernehmen lassen, hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 24. November 2016
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Seiler
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Der Gerichtsschreiber: Kocher
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