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Informationen zum Dokument  BGer 2C_345/2018  Materielle Begründung
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BGer 2C_345/2018 vom 11.10.2018
 
 
2C_345/2018
 
 
Urteil vom 11. Oktober 2018
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Stadelmann, Haag,
 
Gerichtsschreiberin Petry.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Fürsprecher Dr. Urs Oswald,
 
gegen
 
Amt für Migration und Integration
 
des Kantons Aargau, Rechtsdienst,
 
Bahnhofplatz 3C, 5001 Aarau.
 
Gegenstand
 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung; Wiederherstellung der Beschwerdefrist,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 12. März 2018 (WBE.2018.19).
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. A.________ (geb. 1981) ist kosovarischer Staatsbürger. Mit Einspracheentscheid vom 28. November 2017 bestätigte der Rechtsdienst des Amtes für Migration und Integration des Kantons Aargau den aufgrund von strafrechtlichen Verurteilungen verfügten Widerruf der Niederlassungsbewilligung von A.________ und dessen Wegweisung.
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1.2. Gegen den Einspracheentscheid liess A.________ mit Eingabe seines damaligen Rechtsvertreters vom 15. Januar 2018 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (hiernach: Verwaltungsgericht) erheben und die Aufhebung des angefochtenen Entscheids beantragen. Mit Instruktionsverfügung vom 16. Januar 2018 wurde A.________ mitgeteilt, dass die Beschwerdefrist abgelaufen sei. Gleichzeitig wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, die Beschwerde zurückzuziehen; bei Festhalten an der Beschwerde habe er bis zum 29. Januar 2018 einen Kostenvorschuss von Fr. 1'000.-- zu leisten. Am 29. Januar 2018 reichte A.________ eine selbst verfasste Eingabe beim Verwaltungsgericht ein und ersuchte um Wiederherstellung der verpassten Beschwerdefrist. Da der Kostenvorschuss nicht fristgerecht geleistet worden war, wurde dem Betroffenen mit Verfügung vom 19. Februar 2018 eine letzte, nicht erstreckbare Frist zur Leistung des Kostenvorschusses angesetzt. Dieser wurde umgehend bezahlt. In der Folge ging beim Verwaltungsgericht ein Schreiben des damaligen Rechtsvertreters von A.________ ein, worin dieser um Gutheissung des Fristwiederherstellungsgesuchs ersuchte.
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Mit Urteil vom 12. März 2018 wies das Verwaltungsgericht das Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist ab und trat auf die Beschwerde nicht ein.
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1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 20. April 2018 beantragt der neue Rechtsvertreter von A.________ die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und die Gutheissung des Gesuchs um Wiederherstellung der Beschwerdefrist. Das Verwaltungsgericht sei anzuweisen, auf die Beschwerde vom 15. Januar 2018 einzutreten; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem beantragt er die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung vor Bundesgericht.
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1.4. Es sind weder die kantonalen Akten beigezogen noch ist ein Schriftenwechsel durchgeführt worden. Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie nach Art. 109 BGG mit summarischer Begründung und Verweis auf die vorinstanzlichen Erwägungen erledigt werden kann.
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Erwägung 2
 
Gemäss § 44 Abs. 1 des Aargauer Gesetzes vom 4. Dezember 2007 über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG/AG; SAR 271.200) sind Beschwerden innert 30 Tagen seit Eröffnung des anzufechtenden Entscheids einzureichen. Für die Berechnung der Fristen, deren Unterbruch und die Wiederherstellung gegen die Folgen der Säumnis gilt die Zivilprozessordnung (§ 28 Abs. 1 VRPG/AG). Die Vorschriften über die Rechtsstillstandsfristen gelten nur im Verfahren vor den Verwaltungsjustizbehörden; abweichende Bestimmungen in anderen Erlassen bleiben vorbehalten (§ 28 Abs. 2 VRPG/AG). Gemäss § 2 Abs. 2 des Aargauer Einführungsgesetzes vom 25. November 2008 zum Ausländerrecht (EGAR; SAR 122.600) gelten in ausländerrechtlichen Verfahren vor Verwaltungsgericht keine Rechtsstillstandsfristen.
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Die Zustellung des Einspracheentscheids an den Beschwerdeführer erfolgte am 29. November 2017. Die 30-tägige Beschwerdefrist begann damit am 30. November 2017 zu laufen und endete am 29. Dezember 2017. Die am 15. Januar 2018 eingereichte Beschwerde an das Verwaltungsgericht erfolgte somit verspätet, was vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird.
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Erwägung 3
 
3.1. Die Vorinstanz verweigerte die Wiederherstellung der Beschwerdefrist mit der Begründung, der frühere Rechtsvertreter des Beschwerdeführers müsse sich bezüglich der verpassten Beschwerdefrist grobes Verschulden vorwerfen lassen, was dem Beschwerdeführer anzurechnen sei.
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3.2. Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, dass er alles Erdenkliche vorgekehrt habe, um das Fristversäumnis zu vermeiden. Er habe als Rechtsvertreter einen im Anwaltsregister des Kantons Zürich eingetragenen Rechtsanwalt beauftragt und davon ausgehen dürfen, dass dieser den einschlägigen Verfahrensbestimmungen die notwendige Beachtung schenke, zumal er ihn selbst noch ausdrücklich auf den Ablauf der Frist aufmerksam gemacht habe. Indem die Vorinstanz die Säumnis des früheren Rechtsvertreters dem Beschwerdeführer angerechnet und die Wiederherstellung der Frist verweigert habe, habe sie Art. 148 ZPO und seinen Anspruch auf faire Behandlung (Art. 29 BV und § 22 der Verfassung des Kantons Aargau vom 25. Juni 1980 [SAR 110.000]) verletzt.
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3.3. Gemäss Art. 148 Abs. 1 ZPO kann das Gericht auf Gesuch einer säumigen Partei eine Nachfrist gewähren oder zu einem Termin erneut vorladen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie kein oder nur ein leichtes Verschulden trifft. Diese bundesrechtliche Norm wird durch den Verweis im kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetz zu subsidiärem kantonalem Recht und ihre Anwendung ist insofern nicht frei, sondern nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür zu überprüfen (vgl. BGE 140 I 320 E. 3.3 S. 321).
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Ein Grund, der die Wiederherstellung einer Frist rechtfertigen könnte, ist nicht leichthin anzunehmen. Vielmehr rechtfertigt sich eine strenge Praxis aus Gründen der Rechtssicherheit und der Verfahrensdisziplin (vgl. KASPAR PLÜSS, in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Aufl. 2014, N. 45 zu § 12 mit Hinweisen). Für Rechtsanwälte gelten strenge Sorgfaltsmassstäbe. Der Rechtsanwalt muss seinen Kanzleibetrieb so organisieren, dass er in der Lage ist, eine gehörige Instruktion und die (frist- und termingerechte) Wahrnehmung der prozessualen Rechte seines Klienten sicherzustellen (Urteil 2C_534/2016 vom 21. März 2017 E. 3.2 mit Hinweis). Der Schwere der Konsequenzen einer Fristversäumnis im konkreten Einzelfall kommt im Hinblick auf eine Fristwiederherstellung entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine ausschlaggebende Bedeutung zu (Urteil 2C_645/2008 vom 24. Juni 2009 E. 2.2 mit Hinweis).
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3.4. Soweit der Beschwerdeführer moniert, dass ihm die Vorinstanz zu Unrecht das Versäumnis seines früheren Rechtsvertreters angerechnet habe, dringt er nicht durch. Gemäss konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind die Handlungen des Rechtsvertreters unbestrittenermassen der vertretenen Partei zuzurechnen (vgl. BGE 114 Ib 67 E. 2c S. 70; unter vielen: Urteile 6B_67/2018 vom 9. April 2018 E. 4; 2C_534/2016 vom 21. März 2017 E. 3.5; 5A_344/2015 vom 29. Februar 2016 E. 5.2). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wurde bis anhin nur im Strafprozessrecht anerkannt, wenn ein Anwalt im Rahmen einer notwendigen Verteidigung grob fahrlässig, qualifiziert unrichtig oder in einer mit den Regeln der Anwaltskunst gänzlich unvereinbaren Art und Weise handelt (vgl. BGE 143 I 284 E. 2.2.3 S. 290 f. mit Hinweisen). Da im vorliegenden Fall keine solche Konstellation gegeben ist, kann der Vorinstanz nicht vorgeworfen werden, wenn sie in Anlehnung an die gängige Praxis das Fehlverhalten des (früheren) Anwalts dem Beschwerdeführer angelastet hat. Es besteht kein Anlass, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen, zumal in der Beschwerdeschrift nicht dargelegt wird, dass bzw. inwiefern die Voraussetzungen für eine Praxisänderung gegeben wären (vgl. dazu BGE 141 II 297 E. 5.5.1 S. 303). Ferner wird vom Beschwerdeführer ausdrücklich anerkannt, dass den (früheren) Rechtsvertreter ein grobes Verschulden trifft. Folglich fällt die in Art. 148 ZPO vorgesehene Möglichkeit der Fristwiederherstellung bei keinem oder nur leichtem Verschulden von vornherein ausser Betracht.
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Inwiefern die Vorinstanz Art. 148 ZPO willkürlich angewendet haben sollte, ist daher nicht ersichtlich.
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Ebenso wenig verletzt der angefochtene Entscheid das Recht auf ein faires Verfahren. Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss eine Verletzung des Verbots des überspitzten Formalismus rügt, ist zu beachten, dass sich dieses Verbot nur gegen prozessuale Formenstrenge wendet, die als exzessiv erscheint, durch kein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder gar verhindert (vgl. BGE 142 IV 299 E. 1.3.2; 142 I 10 E. 2.4.2 S. 11 mit Hinweisen). Dies trifft weder auf die Pflicht zur strikten Einhaltung von gesetzlichen Fristen zu, die bereits aus Gründen der Rechtsgleichheit geboten erscheint (vgl. Urteil 2C_1126/2014 vom 20. Februar 2015 E. 2.4), noch auf die konstante Rechtspraxis, nach welcher die Fehlleistungen des Anwalts grundsätzlich dem Mandanten zuzurechnen sind und in der Regel kein unverschuldetes Hindernis darstellen (vgl. Urteil 2C_645/2008 vom 24. Juni 2009 E. 2.3).
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3.5. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge Aussichtslosigkeit ebenfalls abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die (umständehalber reduzierten) Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 11. Oktober 2018
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Die Gerichtsschreiberin: Petry
 
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