VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 6B_13/2020  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 6B_13/2020 vom 29.01.2020
 
 
6B_13/2020
 
 
Urteil vom 29. Januar 2020
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Erster Staatsanwalt,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Qualifiziert grobe Verletzung der Verkehrsregeln; Nichteintreten,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts
 
von Graubünden, I. Strafkammer, vom 12. März 2019 (SK1 18 15).
 
 
Der Präsident zieht in Erwägung:
 
1. Das Regionalgericht Viamala verurteilte den im damaligen Verfahren anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer am 10. April 2018 wegen qualifiziert grober Verkehrsregelverletzung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 13 Monaten. Das Kantonsgericht von Graubünden hiess die dagegen erhobene Berufung mit Urteil vom 12. März 2019 teilweise gut. Es bestätigte den erstinstanzlichen Schuldspruch und das Strafmass, gewährte dem Beschwerdeführer aber den teilbedingten Strafvollzug, wobei es den unbedingten Teil der Strafe auf sechs Monate festsetzte.
 
Der Beschwerdeführer wendet sich mit gewöhnlicher E-Mail vom 6. Januar 2020 an das Bundesgericht. Mit der im Anhang eingereichten "sofortigen" Beschwerde und unter dem Hinweis "Eilt sehr!" beantragt er die Beigabe eines Pflichtverteidigers und die Gewährung einer Fristverlängerung von 14 Tagen zur Beschwerdebegründung. Er rüge das Gericht in Graubünden, weil es fast ein Jahr gedauert habe, bis er das Urteil nach der Verhandlung und Verurteilung erhalten habe.
 
2. Die Beschwerde gegen einen Entscheid ist innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen (Art. 100 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdefrist steht gemäss Art. 46 Abs. 1 lit. c BGG als gesetzlich bestimmte Frist vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar still. Gemäss Art. 44 Abs. 1 BGG beginnen Fristen, die durch eine Mitteilung oder den Eintritt eines Ereignisses ausgelöst werden, am folgenden Tag zu laufen. Ist der letzte Tag der Frist ein Samstag, ein Sonntag oder ein vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannter Feiertag, so endet sie am nächstfolgenden Werktag.
 
(Schriftliche) Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Im Falle elektronischer Zustellung ist die Frist gewahrt, wenn der Empfang bei der Zustelladresse des Bundesgerichts vor Ablauf der Frist durch das betreffende Informatiksystem bestätigt wurde (Art. 48 Abs. 2 BGG).
 
Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG haben Rechtsschriften ein Begehren und deren Begründung zu enthalten. In der Beschwerdebegründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), wobei für die Anfechtung des Sachverhalts und die Rüge der Verletzung von Grundrechten qualifizierte Begründungsanforderungen gelten (Art. 106 Abs. 2 BGG).
 
3. Der Beschwerdeführer war im kantonalen Verfahren amtlich verteidigt. Das begründete Urteil des Kantonsgerichts wurde dem seinerzeitigen Verteidiger am 22. November 2019 zugestellt. Die 30-tägige Frist zur Beschwerde lief folglich am 7. Januar 2020 ab. Der Beschwerdeführer hat am 6. Januar 2020 um 22:23 Uhr nachts mit gewöhnlicher E-Mail Beschwerde eingereicht. Eine fristwahrende elektronische Zustellung der Beschwerde ist jedoch nur unter der Voraussetzung von Art. 42 Abs. 4 und Art. 48 Abs. 2 BGG möglich (elektronische Einreichung mit spezieller Signatur und Zustellbestätigung). Die Eingabe des Beschwerdeführers erfüllt diese Voraussetzungen nicht (vgl. Urteile 4A_596/2015 vom 9. Dezember 2015 und 6B_1002/2015 vom 7. Oktober 2015 E. 1). Da der Beschwerdeführer auf dem ordentlichen Schriftweg aber nicht mehr rechtskonform informiert werden konnte, um den fraglichen Mangel noch vor Fristablauf zu beheben und eine formgültige Beschwerde rechtzeitig einzureichen, wurde davon abgesehen, ihn darauf hinzuweisen, dass die mit gewöhnlicher E-Mail eingereichte Beschwerde den gesetzlichen Formerfordernissen nicht genügt, d.h. sie formungültig ist. Darauf kann schon deswegen nicht eingetreten werden.
 
4. Die Beschwerde genügte aber auch materiell den Begründungsanforderungen nicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). Sie enthält einzig den Vorwurf, es habe von der Verhandlung/Verurteilung bis zur Urteilsausfertigung zu lange gedauert. Sinngemäss rügt der Beschwerdeführer damit eine Verletzung des Beschleunigungsgebots. Die Berufungsverhandlung fand am 12. März 2019 statt. Das vorinstanzliche Urteil wurde am 15. März 2019 schriftlich im Dispositiv eröffnet. Das begründete Urteil wurde am 22. November 2019 und damit nach rund 8 Monaten zugestellt. Damit wurden die Fristen nach Art. 84 Abs. 4 StPO nicht eingehalten. Bei Art. 84 Abs. 4 StPO handelt es sich indessen lediglich um Ordnungsvorschriften, welche das Beschleunigungsgebot konkretisieren. Deren Nichteinhaltung kann ein Indiz für eine Verletzung des Beschleunigungsgebots sein (Urteil 6B_42/2016 vom 26. Mai 2016 E. 5.4 mit Hinweisen). Mit der Missachtung der Fristen von Art. 84 Abs. 4 StPO geht allerdings nicht zwingend auch eine Verletzung des Beschleunigungsgebots einher (siehe Urteile 6B_603/2019 vom 28. November 2019 E. 1 und 6B_777/2017 vom 8. Februar 2018 E. 5). Weitere Umstände, welche eine Verletzung des Beschleunigungsgebots belegen könnten, zeigt der Beschwerdeführer allerdings nicht auf (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf die Rüge wäre mangels einer hinreichender Begründung nicht einzutreten.
 
5. Eine Fristerstreckung zur (ergänzenden) Beschwerdebegründung fällt ausser Betracht. Die Beschwerdefrist ist eine gesetzlich bestimmte Frist, die nicht erstreckt werden kann (Art. 47 Abs. 1 BGG; siehe Urteil 6B_28/2018 vom 7. August 2018 E. 3.2 und 3.3).
 
Soweit der Beschwerdeführer um einen Pflichtverteidiger ersucht, ist darauf hinzuweisen, dass das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren keine notwendige Verteidigung vorsieht. Unter Vorbehalt von Art. 41 BGG (Unfähigkeit zur Prozessführung) käme die Bestellung eines Anwalts nur im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 64 Abs. 2 BGG in Betracht. Davon ist vorliegend schon deshalb abzusehen, weil der Beschwerdeführer erst unmittelbar vor Ablauf der Beschwerdefrist mit einer formungültigen Eingabe (vgl. vorstehend E. 3) an das Bundesgericht gelangte und eine formgültige Beschwerde (ergänzung) von vornherein nicht mehr rechtzeitig innert der nicht erstreckbaren Beschwerdefrist hätte eingereicht werden können. Anhaltspunkte für eine Unfähigkeit zur Prozessführung (Art. 41 BGG) fehlen.
 
6. Auf die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten. Von einer Kostenauflage wird ausnahmsweise abgesehen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
 
 Demnach erkennt der Präsident:
 
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2. Es werden keine Kosten erhoben.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 29. Januar 2020
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).