BGer 5A_252/2019 | |||
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BGer 5A_252/2019 vom 14.05.2020 |
5A_252/2019 |
Urteil vom 14. Mai 2020 |
II. zivilrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
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Bundesrichter von Werdt, Bovey,
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Gerichtsschreiber Levante.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Lukas Friedli,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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1. B.________ AG,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dominik Gasser,
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2. Steuerverwaltung des Kantons Bern, Region Oberland,
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Beschwerdegegnerinnen,
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Betreibungsamt Oberland, Dienststelle Oberland West.
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Gegenstand
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Ausfallforderung (Art. 143 SchKG),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
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des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs-
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und Konkurssachen, vom 8. März 2019 (ABS 19 23).
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Sachverhalt: |
A. | |
A.a. Im Rahmen der von der B.________ AG gegen A.________ eingeleiteten Betreibung auf Grundpfandverwertung legte das Betrei-bungsamt Oberland, Dienststelle Oberland West, am 22. Mai 2018 die Steigerungsbedingungen auf. Gegenstand der Verwertung bildeten drei Grundstücke, die einzeln zur Versteigerung angesetzt wurden. Das Betreibungsamt verlangte für jedes Grundstück eine Anzahlung an den Steigerungskaufpreis und die Zahlung der Kosten der Eigentumsübertragung, ausmachend den Gesamtbetrag von Fr. 732'000.--. Die Steigerungsbedingungen samt Lastenverzeichnis blieben unangefochten.
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A.b. An einer ersten Steigerung vom 28. Juni 2018 wurden alle drei Grundstücke A.________ zugeschlagen. Dieser hatte zuvor eine Anzahlung von Fr. 750'000.-- an das Betreibungsamt geleistet. In der Folge konnte er den Steigerungskaufpreis nicht rechtzeitig bezahlen. Das Betreibungsamt hob daher am 14. August 2018 den ersten Steigerungszuschlag auf und ordnete am 31. August 2018 eine zweite Steigerung an. Die drei Grundstücke wurden am 1. November 2018 von der B.________ AG ersteigert. Der Zuschlagspreis der zweiten Steigerung war um insgesamt Fr. 1'337'500.-- tiefer als der Zuschlagspreis der ersten Steigerung.
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A.c. Mit Verfügung vom 8. Januar 2019 berechnete das Betreibungsamt die Ausfallforderung, legte den Nettobetrag auf Fr. 638'117.95 fest und setzte A.________ Frist zur Zahlung. Dabei ging es von der Bruttoausfallforderung aus, fügte die inzwischen aufgelaufenen Zinsen und die Kosten der zweiten Steigerung an und brachte davon die geleistete Anzahlung in Abzug. Für den Fall der nicht fristgerechten Zahlung wies das Betreibungsamt auf das Verwertungsverfahren nach Art. 131 SchKG hin.
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A.d. Gegen diese Verfügung gelangte A.________ an das Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen. Er bestritt nicht den Bestand der Ausfallforderung an sich, sondern bemängelte die vom Betreibungsamt vorgenommene Berechnung des Nettoausfalls. Die Beschwerde wurde am 8. März 2019 abgewiesen.
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B. Am 22. März 2019 hat A.________ beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheides und die Anpassung der betreibungsamtlichen Verfügung dahingehend, dass ihm der Betrag von Fr. 722'231.-- zurückerstattet und die Ausfallforderung dementsprechend auf Fr. 1'360'348.95 festgelegt werde. Eventualiter sei ihm der Betrag von Fr. 212'231.-- zurückzuerstatten, die Ausfallforderung auf Fr. 1'360'348.95 festzulegen und die Anzahlung an den Kaufpreis von Fr. 510'000.-- der Erwerberin der Ausfallforderung nach Art. 130 Ziff. 1, Art. 131 SchKG und Art. 72 VZG anzuweisen. Subeventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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C. Die B.________ AG (Beschwerdegegnerin) schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Das Obergericht und das Betreibungsamt haben auf eine Beschwerdeantwort verzichtet. Die Steuerverwaltung des Kantons Bern (Verfahrensbeteiligte) hat sich nicht vernehmen lassen. Der Beschwerdeführer hat eine Replik eingereicht. Weitere Eingaben sind nicht erfolgt.
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Erwägungen: |
1. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
1.1. Angefochten ist der Entscheid einer kantonalen Aufsichtsbehörde, die als Rechtsmittelinstanz über die Folgen einer zweiten Steigerung im Rahmen einer Betreibung auf Grundpfandverwertung befunden hat. Dagegen ist die Beschwerde in Zivilsachen gegeben (Art. 19 SchKG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 1 BGG).
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1.2. Der Beschwerdeführer ist als Eigentümer der zwangsversteigerten Grundstücke und Erstersteigerer durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und daher zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).
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1.3. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4).
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1.4. Das Bundesgericht legt seinem Entscheid den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel sind nur zulässig, soweit der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
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2. Anlass zur Beschwerde gibt die Berechnung der Ausfallforderung durch das Betreibungsamt, nachdem für die zur Verwertung anstehenden Liegenschaften an einer zweiten Steigerung ein Zuschlag zu tieferem Preis erfolgt war.
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2.1. Mit Bezug auf die Ausfallforderung sind folgende Grundsätze zu berücksichtigen.
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2.1.1. Bei einer Zwangsverwertung ist der Steigerungspreis bar zu leisten. Erfolgt die Zahlung nicht rechtzeitig, so hat das Betreibungsamt den Zuschlag rückgängig zu machen und sofort eine neue Versteigerung anzuordnen (Art. 129 Abs. 3, Art. 143 Abs. 1, Art. 156 Abs. 1 SchKG, Art. 63 Abs. 1, Art. 102 VZG; BGE 109 III 69 E. 1). Der frühere Ersteigerer und seine Bürgen haften für den Ausfall und allen weiteren Schaden samt Zins zu 5 % (Art. 129 Abs. 1 und 3, Art. 143 Abs. 2, Art. 156 SchKG; Urteil 5C.222/2006 vom 14. Februar 2007 E. 3). Wird an der neuen Steigerung ein geringerer Erlös erzielt, so hat das Betreibungsamt die Ausfallforderung zunächst in ihrer Höhe festzustellen (und dem Erstersteigerer bzw. Schuldner mitzuteilen). Wird sie vom Schuldner innert angesetzter Frist nicht beglichen, so hat das Betreibungsamt den bei der Verwertung zu Verlust gekommenen betreibenden Gläubigern und Pfandgläubigern Anzeige zu machen (Formular VZG Nr. 14) mit der Aufforderung, ein allfälliges Begehren um Verwertung der Forderung gemäss Art. 130 Ziff. 1 und Art. 131 SchKG anzubringen, andernfalls die Forderung durch öffentliche Versteigerung verkauft werde (Art. 72 Abs. 1 VZG; Art. 22 Anleitung VZG, in: KREN KOSTKIEWICZ, Kommentar SchKG, 19. Aufl. 2016, Nr. 22). Hat der Schuldner der Ausfallforderung für die Erfüllung der Steigerungsbedingungen Sicherheiten bestellt, so sind diese denjenigen Gläubigern, welche die Forderung zur Eintreibung oder als Erwerber übernommen haben, oder dem Erwerber zu übergeben (Art. 72 Abs. 2 VZG i.V.m. Art. 170 Abs. 1 OR).
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2.1.2. Das Betreibungsamt ist nach der Durchführung der erneuten Versteigerung mit tieferem Erlös zum Erlass einer anfechtbaren Verfügung verpflichtet (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. II, 2000, N. 25 zu Art. 129). Damit berechnet es jedoch einzig die Höhe der Ausfallforderung und legt das weitere Vorgehen fest (u.a. GÜTLIN/KUHN, in: Die betreibungsrechtliche Zwangsverwertung von Grundstücken in Theorie und Praxis, 2019, Rz. 701 ff.). Indem das Betreibungsamt zunächst die Ausfallforderung gegenüber dem Erstersteigerer unter Berücksichtigung seiner Anzahlungen festzustellen hat, nimmt es eine die Verwertung der Ausfallforderung und die Verteilung des Erlöses vorbereitende Handlung vor (GILLIÉRON, a.a.O., N. 59 zu Art. 143, N. 25 zu Art. 129). Hingegen entscheidet es im Bestreitungsfall nicht abschliessend über die Höhe des Ausfalls und des weiteren Schadens. Darüber zu befinden, ist Sache des Zivilrichters (GILLIÉRON, a.a.O., N. 57, 59 zu Art. 143, N. 25 zu Art. 129). Begleicht der frühere Ersteigerer die Ausfallforderung innert angesetzter Frist nicht, verwertet das Betreibungsamt den Anspruch (nach Art. 130 Ziff. 1 oder Art. 131 SchKG) oder nimmt allenfalls die Versteigerung des Anspruchs vor (vgl. BGE 29 I 603 E. 1; 111 III 56 E. 1; HÄBERLIN, in: Kurzkommentar VZG, 2011, N. 7 zu Art. 72; SCHLEGEL/ZOPFI, in: Schulthess Kommentar SchKG, 2017, N. 18 zu Art. 129, N. 6 zu Art. 143; BETTSCHART, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 11 zu 129; RUTZ/ROTH, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 14 zu Art. 129; HÄUSERMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 26 zu Art. 143). Die Aufsichtsbehörde kann aufgrund einer Beschwerde nach Art. 17 SchKG nur Verfahrensfehler des Betreibungsamtes prüfen.
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2.1.3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts handelt es sich bei der Schadenersatzklage nach Art. 129 Abs. 4 SchKG um eine Leistungsklage gegen den Erstersteigerer, die vom Zivilrichter zu beurteilen ist; an diesen gelangen, wer die Forderung nach Art. 130 Ziff. 1 und Art. 131 SchKG bzw. an der öffentlichen Steigerung erhalten hat (GILLIÉRON, a.a.O., N. 64 zu Art. 143; BGE 28 II 582 E. 4). Neben dem bereits berechneten Ausfall kann gestützt auf Art. 97 OR auch der weitere Schaden geltend gemacht werden, der sich aus der Nichterfüllung der mit dem Zuschlag eingegangenen Verpflichtung und der Wiederholung der Versteigerung ergibt. Es wird vertreten, dass es sich nicht um den Schaden aus einer Vertragsverletzung handle, sondern die Klage in einer "
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2.2. Im vorliegenden Fall hat das Betreibungsamt die Ausfallforderung am 8. Januar 2019 gestützt auf Art. 72 VZG wie folgt berechnet:
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