BGer 5A_308/2020 | |||
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BGer 5A_308/2020 vom 20.05.2020 |
5A_308/2020 |
Urteil vom 20. Mai 2020 |
II. zivilrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Herrmann, Präsident,
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Bundesrichter Schöbi, Bovey,
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Gerichtsschreiber Möckli.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Oskar Gysler,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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B.________, Bezirksrichterin,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Ausstand (Vollstreckung des Besuchsrechts),
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Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 26. März 2020 (RV200002-O/U).
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Sachverhalt: | |
A.________ und C.________ stehen sich seit dem 2. Oktober 2018 vor dem Bezirksgericht Uster in einem Scheidungsverfahren gegenüber. Umstritten sind namentlich die Kinderbelange, wobei das Besuchsrecht gegenüber der Tochter D.________ mit Massnahmeentscheid vom 13. September 2019 vorsorglich geregelt wurde (dazu Urteil 5A_906/2019 vom 13. November 2019). Am 10. Oktober 2019 reichte der Vater ein Gesuch um Vollstreckung des Besuchsrechts ein. Mit Urteil vom 8. Januar 2020 erklärte das Bezirksgericht ihn für die entsprechenden Zeiten als besuchsberechtigt und befahl der Mutter, die Tochter dem Vater zur Ausübung der Besuchsrechte zu übergeben, unter Androhung der Ungehorsamsstrafe; ferner ordnete es an, dass die Übergaben bis Ende Juli 2020 begleitet durchzuführen seien und beauftragte den Beistand entsprechend.
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Beschwerdeweise machte die Mutter Gehörsverletzungen geltend; gleichzeitig stellte sie gegen die urteilende Bezirksrichterin und die Kindesvertreterin ein Ausstandsgesuch.
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Mit Beschluss vom 26. März 2020 hob das Obergericht des Kantons Zürich das erstinstanzliche Vollstreckungsurteil wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs auf und wies die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuen Entscheidung an das Bezirksgericht zurück mit der Begründung, das rechtliche Gehör sei formeller Natur und wegen der engeren Kognition im Beschwerdeverfahren sei eine Heilung nicht möglich. Hingegen wies es das Ausstandsgesuch gegen die Bezirksrichterin ab und trat auf dasjenige gegen die Kindesvertreterin nicht ein.
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In Bezug auf die Abweisung des Ausstandsgesuches gegen die Bezirksrichterin reichte die Mutter am 29. April 2020 beim Bundesgericht eine Beschwerde ein mit den Begehren, diese habe in den Ausstand zu treten und sämtliche Prozesshandlungen, an denen sie mitgewirkt habe, seien aufzuheben; eventualiter sei die Sache an das Obergericht zurückzuweisen. Ferner stellt sie ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
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Erwägungen: | |
1. Es geht um den Ausstandsgrund von Art. 47 Abs. 1 lit. f ZPO, welcher den verfassungsmässigen Anspruch des unparteiischen Richters gemäss Art. 30 Abs. 1 BV für den Zivilprozess konkretisiert.
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Die Beschwerdeführerin begründete die angebliche Befangenheit der Beschwerdegegnerin mit einer doppelten Gehörsverletzung, indem die Stellungnahmen vom 25. November und 2. Dezember 2019 erst mit dem Vollstreckungsentscheid zugestellt und indem trotz expliziter Aufforderung am 11. November 2019 im Zusammenhang mit der Bestellung einer Kindesvertreterin das rechtliche Gehör nicht gewährt worden sei.
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Das Obergericht hielt fest, dass diesbezüglich je eine Gehörsverletzung gegeben und durch den obergerichtlichen Beschluss korrigiert worden sei. Verfahrensfehler seien denn auch mit den zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln geltend zu machen und würden grundsätzlich keine Befangenheit der veranlassenden Gerichtsperson begründen. Dies treffe auch für die beiden vorliegend erfolgten Gehörsverletzungen zu, welche nicht als besonders krasse Irrtümer bezeichnet werden könnten. In Bezug auf die Stellungnahmen sei die Beschwerdegegnerin davon ausgegangen, dass das Verfahren spruchreif sei, und im Zusammenhang mit der Ernennung einer Kindesvertreterin habe sie das Begehren um Gehörsgewährung mit ausführlicher Begründung abgewiesen (dass nämlich im Vollstreckungsverfahren die gleiche Kindesvertreterin zu ernennen sei, wie sie im Hauptverfahren bereits ernannt sei, und in jenem Verfahren keine Einwände gegen deren Person erhoben worden seien). Die beiden Gehörsverletzungen seien zwar wie gesagt im Rechtsmittelverfahren zu korrigieren gewesen, liessen aber nicht darauf schliessen, dass die Beschwerdegegnerin befangen sein könnte.
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2. Soweit die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht behauptet, die Beschwerdegegnerin habe mit der Verfügung vom 9. April 2020 erneut das rechtliche Gehör verletzt, handelt es sich um ein echtes Novum, das im bundesgerichtlichen Verfahren von vornherein unzulässig ist (BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123; 143 V 19 E. 1.2 S. 23; 144 V 35 E. 5.2.4 S. 39); einzig unechte Noven können unter den strengen Bedingungen von Art. 99 Abs. 1 BGG geltend gemacht werden.
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Im Übrigen erschöpft sich die Beschwerde in der erneuten Behauptung, dass die doppelte Gehörsverletzung derart qualifiziert sei, dass sie einen Ausstand begründe, zumal die Beschwerdegegnerin ausdrücklich zur Gehörsgewährung aufgefordert worden sei.
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Indes sind Gehörsverletzungen und andere Verfahrensfehler wie auch Fehlentscheide mit den dafür vorgesehenen Rechtsmitteln zu rügen und grundsätzlich nicht geeignet, zusätzlich den objektiven Anschein von Befangenheit im Sinn von Art. 47 Abs. 1 lit. f ZPO oder allgemein im Sinn von Art. 30 Abs. 1 BV zu erwecken. Dies kann nur ganz ausnahmsweise der Fall sein, wenn besonders krasse oder wiederholte Irrtümer vorliegen, die als schwere Verletzung der Richterpflichten bewertet werden müssen, und sich in den Rechtsfehlern eine Haltung manifestiert, die objektiv auf fehlende Distanz und Neutralität schliessen lässt (vgl. BGE 114 Ia 153 E. 3b/bb S. 158; 115 Ia 400 E. 3b S. 404; 116 Ia 135 E. 3a S. 138; Urteile 5A_973/2015 vom 17. Januar 2017 E. 4.2.1; 4A_645/2016 vom 2. März 2017 E. 4.3.1; 5A_842/2016 vom 24. März 2017 E. 3.1; 5A_320/2017 vom 17. Oktober 2017 E. 4.2; 5A_109/2018 vom 20. April 2018 E. 2.3; 5A_950/2018 vom 8. März 2019 E. 2.1).
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Solches ist im vorliegenden Fall nach den zutreffenden Erwägungen des Obergerichtes zu verneinen. Die beschwerdeweise behauptete systematisch böse Absicht der Beschwerdegegnerin ist nicht erkennbar und es kommt nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei an, sondern das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit müsste vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen (BGE 140 III 221 E. 4.1 S. 222; 144 I 159 E. 4.3 S. 162).
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Weil kein objektiver Anschein von Befangenheit auszumachen und das Ausstandsgesuch offenkundig haltlos ist, kann auch nicht beanstandet werden, wenn das Obergericht unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung (Urteile 5A_309/2016 vom 4. Oktober 2016 E. 6.1; 5A_461/2016 vom 3. November 2016 E. 5.1) auf die Einholung einer Stellungnahme bei der Beschwerdegegnerin gemäss Art. 49 Abs. 2 ZPO verzichtet hat. Mithin ist auch das Eventualbegehren auf Rückweisung der Sache an das Obergericht zur Einholung einer Stellungnahme offensichtlich unbegründet.
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3. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde insgesamt als offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen ist.
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4. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, konnte der Beschwerde von Anfang an kein Erfolg beschieden sein, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG) und das entsprechende Gesuch abzuweisen ist.
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5. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, C.________, D.________ und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 20. Mai 2020
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Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Herrmann
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Der Gerichtsschreiber: Möckli
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