BGer 6B_889/2020 | |||
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BGer 6B_889/2020 vom 25.09.2020 |
6B_889/2020 |
Urteil vom 25. September 2020 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichter Muschietti,
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Bundesrichterin van de Graaf,
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Gerichtsschreiber Held.
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Verfahrensbeteiligte | |
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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A.________,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Freispruch (Sachbeschädigung); Willkür,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 29. Mai 2020 (SB200041-O/U/gs-cs).
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Erwägungen: | |
1. Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat wirft dem Beschwerdegegner vor, am 15. September 2015 zusammen mit weiteren Personen Steine und mit Farbe gefüllte Flaschen gegen die Hausfassade des Parteisekretariats der Partei B.________ in Zürich geworfen zu haben, wodurch Sachschaden in Höhe von ca. Fr. 13'000.- entstanden sei.
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Das Bezirksgericht Zürich verurteilte den Beschwerdegegner am 7. November 2019 wegen Sachbeschädigung zu einer unbedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 50.- unter Anrechnung von einem Tag Untersuchungshaft.
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Die Vorinstanz sprach den Beschwerdegegner im Berufungsverfahren (in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo") vom Vorwurf der Sachbeschädigung frei.
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2. Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil der Vorinstanz sei wegen willkürlicher Beweiswürdigung und unrichtiger Sachverhaltsfeststellung aufzuheben und der Beschwerdegegner sei zu bestrafen. Eventualiter sei das Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Beschwerdeführerin bringt zusammengefasst vor, die Vorinstanz überdehne den Grundsatz "in dubio pro reo" und verstosse gegen Art. 10 Abs. 3 StPO. Begründung und Ergebnis liefen in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwider. Der beantragte Schuldspruch dränge sich aufgrund der Lebenserfahrung auf, da in Fällen wie dem vorliegenden in der Praxis selten mehrere respektive weitere Beweismittel zur Verfügung stünden. Vorliegend sei der Beweiswert des am Spurenasservat nachgewiesenen DNA-Profils gemäss Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich (IRM) rund 9 Milliarden Mal grösser, wenn als Spurengeberschaft der Beschwerdegegner angenommen werde als bei einer unbekannten, mit diesem nicht verwandten Person. Die allenfalls mögliche, aber eher abenteuerlich anmutende Darstellung der Verteidigung, die DNA des Beschwerdegegners hätte durch Dritte auf den Stein übertragen werden können, vermöge die klare Sachlage nicht in Frage zu stellen. Die angeführte wissenschaftliche Plausibilität, die der Wanderung der Hautzelle respektive von DNA-Spuren attestiert werde, könne jedoch mitnichten das im vorliegenden Fall gegebene Beweismittel mit derart starkem Beweiswert anzweifeln. Wie in diesem Kontext von einem unüberwindbaren Zweifel gesprochen werden könne, sei schlicht nicht nachvollziehbar, geschweige denn von der Vorinstanz nur ansatzweise dargelegt oder begründet worden. Das aussagekräftige Beweismittel "Stein mit DNA des Beschwerdegegners" sei klar und über jeden Zweifel erhaben und lasse ohne erhebliche und unüberwindbare Zweifel die Schlussfolgerung zu, dass der Beschwerdegegner die angeklagte Sachbeschädigung in Mittäterschaft begangen habe. Hingegen seien die Zweifel der Vorinstanz bloss hypothetischer Natur und demnach nicht massgebend. Die Überzeugung der Vorinstanz beruhe nicht auf einem verstandesgemäss einleuchtenden Schluss. Zudem habe es die Vorinstanz unterlassen, die Version einer DNA-[Fremd-]Übertragung einer kritischen Würdigung zu unterziehen.
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3. Die Vorinstanz erwägt, das einzige Beweismittel, welches auf die Täterschaft des Beschwerdegegners hinweise, sei ein Stein mit dessen DNA-Spuren. Das Gutachten des IRM komme zum Schluss, dass die Auswertung des DNA-Mischprofils ergeben habe, dass dessen Beweiswert ca. 9 Milliarden Mal grösser sei, wenn die Spurengeberschaft der Beschwerdegegner und nicht eine andere männliche Person sei. Eine Spurenartbestimmung der als Kontaktspur ab Stein aufgenommenen DNA-Spur sei nicht erfolgt. Ob es sich beim Spurenmaterial um Schuppen, Blut oder andere Körperflüssigkeiten gehandelt habe, könne nachträglich nicht mehr festgestellt werden, da das DNA-Material verbraucht worden sei. Gemäss Schreiben des IRM vom 29. November 2016 [aus einem anderen Strafverfahren] hänge eine DNA-Übertragung wie auch deren Sekundär- oder Tertiärtransfer von zahlreichen Faktoren ab, wie beispielsweise die Art des Materials, auf das die DNA-Spur letztlich übertragen werde und die Art der Spur. Da gemäss IRM eine Wanderung von DNA-Spuren möglich sei, könne nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass die DNA des Beschwerdegegners durch einen Händedruck oder durch Übertragung einer Hautschuppe von einer Drittperson auf den Stein übertragen worden sei, weshalb der Beschwerdegegner gemäss Art. 10 Abs. 3 StPO in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" freizusprechen sei.
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4. | |
4.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil grundsätzlich den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 144 V 50 S. 52 f. mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig ist eine Sachverhaltsfeststellung, wenn der angefochtene Entscheid unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht (BGE 143 IV 500 E. 1.1, 241 E. 2.3.1; je mit Hinweis). Sachverhaltsrügen müssen explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden. Hierfür genügt es nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern. Auf ungenügend begründete Rügen oder eine bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid, wie sie vor den kantonalen Instanzen mit voller Sachkognition vorgebracht werden kann, tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 145 I 26 E. 1.3; 143 IV 241 E. 2.3.1).
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4.2. Die Rügen erweisen sich im Ergebnis als unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen genügen und auf sie einzutreten ist. Die vorinstanzliche Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung erscheint nicht offensichtlich unhaltbar. Soweit die Beschwerdeführerin sich ausführlich zum Beweiswert des am Stein nachgewiesenen DNA-Profils äussert und wiederholt betont, eine andere Person als der Beschwerdegegner könne als Spurengeber ausgeschlossen werden, scheint sie zu übersehen, dass dies von der Vorinstanz nicht in Abrede gestellt oder auch nur in Zweifel gezogen wird. Die Vorinstanz begründet ihre Zweifel am Nachweis der Täterschaft des Beschwerdegegners und damit den Freispruch ausschliesslich damit, dass nach ihrer Auffassung eine DNA-Wanderung in Form einer Drittübertragung nicht ausgeschlossen werden könne. Dass die Beschwerdeführerin dies dezidiert anders sieht, ist ungeeignet, eine schlechterdings unhaltbare Beweiswürdigung zu belegen. Keiner Kritik zugänglich ist die Feststellung der Vorinstanz, dass die gefundene DNA-Spur zwar Beweiswert in Bezug auf den Beschwerdegegner als Spurengeber besitzt, jedoch keine definitiven Rückschlüsse auf den Vorgang bei deren Antragung auf den Stein als Spurenträger aussagt. Dass sie eine Übertragung flüchtiger Zellträger, die leicht vom Wind verweht und verbreitet werden können, vorliegend nicht ausschliesst, erscheint insbesondere aufgrund der beim Beschwerdegegner ärztlich attestierten Schuppenflechte und dem Umstand, dass schon geringe Zellspuren wie Hautschuppen oder einzelne Haare für Analysezwecke genügen, nicht unhaltbar. Die Beschwerdeführerin widerlegt ihre über weite Strecken appellatorische Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung selbst, da auch nach ihrer Auffassung eine DNA-Wanderung oder Fremdübertragung - wenn für sie auch nur theoretisch - gerade nicht ausgeschlossen ist. Dass die Beschwerdeführerin aus der (unstrittigen) Beweislage andere Schlüsse zieht als die Vorinstanz und ob angesichts der Beweislage auch ein Schuldspruch bundesgerichtlicher Überprüfung standhalten würde, ist nicht Verfahrensgegenstand und ohne Relevanz. Das Bundesgericht ist keine Appellationsinstanz, die eine freie Prüfung in tatsächlicher Hinsicht vornimmt und die vorinstanzliche Beweiswürdigung durch eine eigene oder naheliegendere ersetzen kann. Hat das Sachgericht bei einem Freispruch nachvollziehbare Zweifel, ist dies vom Bundesgericht hinzunehmen, und zwar unabhängig davon, welche eigene subjektive Überzeugung es sich bilden würde.
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5. Die Beschwerde ist im Verfahren gemäss Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Es werden keine Kosten erhoben.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 25. September 2020
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Der Gerichtsschreiber: Held
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