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Informationen zum Dokument  BGer 1C_306/2020  Materielle Begründung
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BGer 1C_306/2020 vom 16.11.2020
 
 
1C_306/2020
 
 
Urteil vom 16. November 2020
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Chaix, Präsident,
 
Bundesrichter Müller, Merz,
 
Gerichtsschreiber Dold.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ruedi Portmann,
 
gegen
 
Verkehrssicherheitszentrum OW/NW,
 
Kreuzstrasse 2, Postfach 1242, 6371 Stans,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Entzug des Führerausweises,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Obwalden vom 28. April 2020 (B 19/010/SSC).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Anlässlich einer Schwerverkehrskontrolle stellte die Kantonspolizei Uri am 27. Juni 2018 fest, dass das von A.________ geführte Fahrzeug (Fahrzeugkombination bestehend aus Zugfahrzeug und Anhänger) das zulässige Höchstgewicht überschritt. Gemäss dem Rapport der Kantonspolizei war das Zugfahrzeug 1'742 kg bzw. 6,7 % zu schwer.
1
Die Staatsanwaltschaft Uri verurteilte A.________ mit Strafbefehl vom 23. August 2018 zu einer Busse von Fr. 300.--. Dieser Strafbefehl erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
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Mit Verfügung vom 17. Dezember 2018 entzog das Verkehrssicherheitszentrum OW/NW A.________ den Führerausweis für die Dauer von einem Monat. Eine dagegen erhobene Einsprache wies es mit Einspracheentscheid vom 14. März 2019 ab. In der Folge gelangte A.________ ans Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden. Dieses wies seine Beschwerde mit Entscheid vom 28. April 2020 ebenfalls ab.
3
 
B.
 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom 2. Juni 2020 beantragt A.________, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und auf eine Administrativmassnahme sei zu verzichten. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Verwaltungsgericht, das Verkehrssicherheitszentrum und das ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladene Bundesamt für Strassen beantragen die Abweisung der Beschwerde.
5
 
C.
 
Mit Präsidialverfügung vom 24. Juni 2020 hat das Bundesgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
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Erwägungen:
 
 
1.
 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid über einen Führerausweisentzug. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.
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2.
 
2.1. Fahrzeuge dürfen nur in betriebssicherem Zustand in Verkehr gesetzt werden; sie müssen so beschaffen und unterhalten sein, dass die Verkehrsregeln befolgt werden können und Führer, Mitfahrende und andere Strassenbenützer nicht gefährdet und die Strassen nicht beschädigt werden (Art. 29 SVG). Dies bedingt insbesondere, dass die Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen nicht überladen werden (Art. 30 Abs. 2 SVG). Gemäss Art. 9 Abs. 1 SVG beträgt das höchstzulässige Gewicht für Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen 40 t (bzw. im kombinierten Verkehr 44 t). Art. 9 Abs. 1bis SVG ermächtigt den Bundesrat zum Erlass von Vorschriften über Ausmasse und Gewichte der Motorfahrzeuge und ihrer Anhänger, wobei er namentlich den Interessen der Verkehrssicherheit Rechnung trägt. Gestützt darauf hat der Bundesrat in Art. 67 Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) das maximale Betriebsgewicht von Fahrzeugen und Fahrzeugkombinationen festgelegt. Gemäss den Feststellungen des Verkehrssicherheitszentrums, von denen auch das Verwaltungsgericht ausgeht, beträgt das maximale Betriebsgewicht des Zugfahrzeugs des Beschwerdeführers, das auch im Fahrzeugausweis eingetragen wurde, gestützt auf Art. 67 Abs. 1 lit. d VRV 26 t. Es wurde um 1'742 kg überschritten.
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2.2. Nach Art. 16 Abs. 2 SVG wird nach Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem Ordnungsbussengesetz vom 24. Juni 1970 (SR 741.03) ausgeschlossen ist, der Lernfahr- oder Führerausweis entzogen oder eine Verwarnung ausgesprochen. Bei der Festsetzung der Dauer des Entzugs sind gemäss Art. 16 Abs. 3 SVG die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, namentlich die Gefährdung der Verkehrssicherheit, das Verschulden, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen; die Mindestentzugsdauer darf jedoch, von einer hier nicht interessierenden Ausnahme abgesehen, nicht unterschritten werden.
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Das Strassenverkehrsgesetz unterscheidet zwischen schweren, mittelschweren und leichten Widerhandlungen. Art. 16a SVG definiert die leichten Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsrecht und deren Rechtsfolgen. Danach begeht eine leichte Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Abs. 1 lit. a). Nach einer leichten Widerhandlung wird der Lernfahr- oder Führerausweis für mindestens einen Monat entzogen, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis entzogen war oder eine andere Administrativmassnahme verfügt wurde (Abs. 2). In besonders leichten Fällen wird auf jegliche Massnahme verzichtet (Abs. 4).
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Dem Beschwerdeführer war in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis aufgrund einer mittelschweren Widerhandlung für einen Monat entzogen worden. Die Bewährungsfrist von zwei Jahren beginnt im Zeitpunkt zu laufen, in dem der Betroffene seinen Führerausweis wieder zurückerhält, was im vorliegenden Fall am 23. Januar 2017 geschah (vgl. BGE 136 II 447 E. 5.3 S. 455; Urteile 1C_548/2018 vom 26. März 2019 E. 2.4; 1C_520/2013 vom 17. September 2013 E. 3; je mit Hinweisen). Gemäss Art. 16a Abs. 2 SVG i.V.m. Art. 16 Abs. 3 SVG ist ihm deshalb der Führerausweis wegen der Widerhandlung vom 27. Juni 2018 zwingend für einen Monat zu entziehen, sofern von einem leichten Fall auszugehen ist. Davon wäre gemäss Art. 16a Abs. 4 SVG nur dann abzusehen, wenn die Voraussetzungen eines besonders leichten Falls gegeben wären.
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2.3. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, es liege ein besonders leichter Fall vor. Das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass die Fahrzeugkombination zu schwer gewesen sei. Tatsächlich sei zwar das Zugfahrzeug 1'742 kg bzw. 6,7 % zu schwer gewesen, während sowohl der Anhänger als auch die Fahrzeugkombination insgesamt das zulässige Höchstgewicht deutlich unterschritten hätten. Dieser Umstand sei zur Einschätzung der objektiven Verkehrsgefährdung bedeutsam. Gegen eine solche spreche zum einen der Umstand, dass die Polizei anlässlich der Kontrolle keine Umverteilung der Ladung angeordnet habe, und zum andern, dass gemäss den Abklärungen des Verkehrssicherheitszentrums eine Sonderbewilligung zur Überschreitung des zulässigen Betriebsgewichts hätte erteilt werden können. Das Verwaltungsgericht habe sich mit der Verkehrsgefährdung nicht auseinandergesetzt.
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2.4. Ein besonders leichter Fall im Sinne von Art. 16a Abs. 4 SVG liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn die Verletzung von Verkehrsregeln eine besonders geringe Gefahr für die Sicherheit anderer geschaffen hat und den fehlbaren Fahrzeuglenker dafür nur ein besonders leichtes Verschulden trifft. Die Auslegung des "besonders leichten Falles" im Sinne dieser Bestimmung kann sich an den Verkehrsregelverletzungen orientieren, die nach dem Ordnungsbussengesetz erledigt werden und keine Administrativmassnahmen nach sich ziehen (zum Ganzen: Urteil 1C_183/2016 vom 22. September 2016 E. 3.1 mit Hinweisen).
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2.5. Da die Annahme eines besonders leichten Falls kumulativ eine besonders geringe Gefahr und ein besonders leichtes Verschulden voraussetzt, ist dem Verwaltungsgericht kein Vorwurf zu machen, wenn es sich mit der Gefahr nicht mehr befasste, nachdem es das Verschulden als nicht mehr besonders leicht eingestuft hatte. Es spielte insofern auch keine Rolle, ob das zulässige Gewicht der Fahrzeugkombination eingehalten worden war. Dieser Umstand ist zwar möglicherweise für die Gefährdung von Bedeutung, jedoch nicht - wie aus den nachfolgenden Erwägungen hervorgeht - für das Verschulden. Dass das Verwaltungsgericht davon ausging, die Fahrzeugkombination habe das zulässige Gewicht überschritten, obwohl im Polizeirapport vom 27. Juni 2018 festgehalten wird, dass dies nur für das Zugfahrzeug galt, erweist sich vor diesem Hintergrund als nicht ausschlaggebend (s. Art. 97 Abs. 1 BGG, wonach die offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts nur gerügt werden kann, wenn sie für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann).
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2.6. Das Verwaltungsgericht hielt zum Verschulden fest, der Beschwerdeführer äussere sich nicht zu den Gründen, aus denen er von den Vorschriften abgewichen sei. Es hob hervor, der Beschwerdeführer habe für den Ausnahmetransport in Bezug auf die Höhe eine Sonderbewilligung beantragt und erhalten. Bei Anwendung genügender Sorgfalt hätte er erkennen können, dass er auch für eine Überschreitung des zulässigen Gewichts eine Sonderbewilligung benötigt hätte.
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2.7. Mit diesen überzeugenden Ausführungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander (vgl. die Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176; 140 III 86 E. 2 S. 88 f.; je mit Hinweisen), weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist. Nur der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die von ihm zur Verkehrsgefährdung vorgebrachten Argumente für die Frage des Verschuldens nicht entscheidend sind. So ist belanglos, wenn die Polizei bei der Kontrolle pflichtwidrig kein Um- bzw. Entladen anordnete (vgl. Art. 29 Abs. 1 und 2 der Verordnung vom 28. März 2007 über die Kontrolle des Strassenverkehrs [Strassenverkehrskontrollverordnung, SKV; SR 741.013], denn der Beschwerdeführer war bereits zuvor mit einem zu schweren Fahrzeug unterwegs. Ebensowenig ist entscheidend, wenn sich später herausstellt, dass eine Ausnahmebewilligung hätte erteilt werden können. Die vorgängige Prüfung, ob deren Voraussetzungen erfüllt sind, liegt im Interesse der Verkehrssicherheit und stellt nicht eine blosse Formalität dar. Art. 78 Abs. 1 Satz 1 VRV sieht ausdrücklich vor, dass Fahrzeuge, die wegen der Ladung den Vorschriften über Masse und Gewichte nicht entsprechen, auf öffentlichen Strassen nur auf Grund einer schriftlichen Bewilligung verkehren dürfen.
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Soweit seine Kritik als hinreichend substanziiert bezeichnet werden kann, vermag der Beschwerdeführer somit nicht aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht Bundesrecht verletzte, indem es zum Schluss kam, es liege kein besonders leichter Fall vor.
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3.
 
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
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Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden und dem Bundesamt für Strassen Sekretariat Administrativmassnahmen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 16. November 2020
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Chaix
 
Der Gerichtsschreiber: Dold
 
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