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Informationen zum Dokument  BGer 6B_810/2021  Materielle Begründung
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BGer 6B_810/2021 vom 02.09.2021
 
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6B_810/2021
 
 
Urteil vom 2. September 2021
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
 
Bundesrichter Denys,
 
Bundesrichter Muschietti,
 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. B.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Denise Wüst,
 
2. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Mehrfacher Amtsmissbrauch, mehrfache Verletzung
 
der Fürsorge- oder Erziehungspflicht; rechtliches Gehör,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 4. März 2021
 
(ST.2020.29-SK3).
 
 
Erwägungen:
 
1.
 
Das Kreisgericht St. Gallen sprach den Beschwerdegegner 1 am 10. Februar 2020 von der Anklage des mehrfachen Amtsmissbrauchs und der mehrfachen Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht frei. Die Kosten wurden dem Staat auferlegt.
 
Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wies das Kantonsgericht St. Gallen am 4. März 2021 in Bestätigung des kreisgerichtlichen Entscheids ab, soweit es darauf eintrat.
 
Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Entscheids, die Schuldigsprechung und Bestrafung des Beschwerdegegners 1 wegen mehrfachen Amtsmissbrauchs und mehrfacher Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflichten sowie eine neue Kostenverlegung. Eventualiter sei der kantonsgerichtliche Entscheid aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
2.
 
Der Privatklägerschaft wird ein rechtlich geschütztes Interesse an der Beschwerde zuerkannt, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG; BGE 146 IV 76 E. 3.2.4). Bei den Zivilansprüchen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG geht es in erster Linie um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR, die üblicherweise vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden müssen (BGE 141 IV 1 E. 1.1). Nicht in diese Kategorie gehören Ansprüche, die sich aus öffentlichem Recht ergeben. Öffentlich-rechtliche Ansprüche, auch solche aus Staatshaftungsrecht, können nicht adhäsionsweise im Strafprozess geltend gemacht werden und zählen nicht zu den Zivilansprüchen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 131 I 455 E. 1.2.4; 128 IV 188 E. 2.2 f.; Urteil 6B_519/2019 vom 2. Mai 2019 E. 2).
 
Im Falle eines Freispruchs des Beschuldigten setzt die Beschwerdeberechtigung der Privatklägerschaft grundsätzlich voraus, dass diese, soweit zumutbar, ihre Zivilansprüche aus strafbarer Handlung im Strafverfahren geltend gemacht hat (BGE 137 IV 246 E. 1.3.1; Urteil 6B_708/2019 vom 12. November 2019 E. 2.1; je mit Hinweisen), sich mithin im Strafverfahren nicht nur als Strafklägerin (Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO), sondern auch als Zivilklägerin (Art. 119 Abs. 2 lit. b StPO) konstituiert hat (Urteile 6B_1202/2019 vom 9. Juli 2020 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 146 IV 211; 6B_1239/2019 vom 20. Februar 2020 E. 2.1; je mit Hinweis). Erhebt sie im Strafverfahren keine Zivilansprüche gegen die beschuldigte Person, hat sie in der Beschwerde an das Bundesgericht einerseits darzulegen, weshalb sie dies unterliess, und andererseits darzutun, auf welchen Zivilanspruch sich der angefochtene Entscheid auswirken kann (statt vieler Urteil 6B_708/2019 vom 12. November 2019 E. 2.1 mit Hinweisen). Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen, andernfalls es auf die Beschwerde nicht eintritt (vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen).
 
3.
 
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Freispruch des Beschwerdegegners 1 und verlangt dessen Bestrafung. Wie er indessen selbst zutreffend einräumt, stehen ihm keine Zivilansprüche zu, die er adhäsionsweise im Strafverfahren geltend machen könnte. Die von ihm erhobenen Vorwürfe richten sich gegen den Beschwerdegegner 1, der die angeblich strafbaren Handlungen im Rahmen seiner Funktion als Berufsbeistand der Tochter des Beschwerdeführers begangen haben soll. Nach Art. 1 Abs. 1 des Verantwortlichkeitsgesetzes des Kantons St. Gallen vom 7. Dezember 1959 (VG/SG; sGS 161.1) haften der Staat, die Gemeinden, die übrigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften und die öffentlich-rechtlichen Anstalten des kantonalen Rechtes für den Schaden, den ihre Behörden und Angestellten in Ausübung dienstlicher Verrichtungen Dritten widerrechtlich zufügen. Der Geschädigte kann Behördemitglieder und Angestellte nicht unmittelbar belangen (Art. 1 Abs. 3 VG/SG). Allfällige Schadenersatz- und/oder Genugtuungsansprüche des Beschwerdeführers gegen den Beschwerdegegner 1 beurteilen sich mithin allein nach dem kantonalen Verantwortlichkeitsgesetz und sind öffentlich-rechtlicher Natur. Die vom Beschwerdeführer erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe können sich daher allenfalls auf Staatshaftungsansprüche, nicht aber auf Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 Ziff. 5 lit. b BGG auswirken. Dass sich der Freispruch des Beschwerdegegners 1 allenfalls auf einen Staatshaftungsprozess auswirken könnte, begründet keine Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers. In BGE 146 IV 76 hat sich das Bundesgericht mit der fraglichen Problematik unter Berücksichtigung der teils kritischen Lehre einlässlich auseinandergesetzt und seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Privatklägerschaft keine Zivilansprüche i.S.v. Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG geltend machen kann, wenn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts für die der beschuldigten Person vorgeworfenen Handlungen haftet, erneut bestätigt und auch eine damit verbundene ungerechtfertigte Ungleichbehandlung verneint. Darauf kann vollumfänglich verwiesen werden.
 
4.
 
Selbst ohne Legitimation in der Sache kann der Beschwerdeführer aber seine Verfahrensrechte als Partei geltend machen, die eine formelle Rechtsverweigerung bewirken, solange sie nicht auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheides hinauslaufen (BGE 141 IV 1 E. 1.1; 136 IV 41 E. 1.4).
 
Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer hinsichtlich des Vorwurfs der Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht in einer Hauptbegründung nicht als Partei im Strafverfahren anerkannt und ist deshalb auf seine Berufung mangels Rechtsmittellegitimation nicht eingetreten (vorinstanzlicher Entscheid S. 3 f.). Darin erblickt der Beschwerdeführer eine Gehörsverletzung. Die Aberkennung der Rechtsmittellegitimation sei ihm vorinstanzlich nie angezeigt worden. Er habe damit auch nicht rechnen müssen, weil sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die erste Instanz seine Geschädigtenstellung nie in Frage gestellt, sondern ihn als Privatkläger anerkannt und ihm die sich daraus ergebenden Rechte eingeräumt hätten (Beschwerde S. 5). Indessen hat die Vorinstanz die Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich des Vorwurfs der Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht in einer ausführlichen Eventualbegründung auch abgewiesen und den Beschwerdegegner 1 von diesem Vorwurf freigesprochen, wenn auf das Rechtsmittel einzutreten gewesen wäre (vorinstanzlicher Entscheid S. 9 ff.). Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass und inwiefern sich die beanstandete Nichtanhörung auf das Ergebnis des vorinstanzlichen Verfahrens ausgewirkt hat. Selbst wenn eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorläge, wäre der angefochtene Entscheid folglich nicht aufzuheben. Der Beschwerdeführer verkennt, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör trotz seiner formellen Natur nicht Selbstzweck ist und dessen Verletzung nur gerügt werden kann, solange daran ein rechtlich geschütztes Interesse besteht (vgl. Urteile 4A_148/2020 vom 20. Mai 2020 E. 3.2 mit Hinweisen, 6B_803/2016 vom 20. Juli 2017 E. 2.1, 6B_206/2012 vom 5. Juli 2012 E. 1.2.2, 6B_76/2011 vom 31. Mai 2011 E. 2).
 
Das Prinzip von Treu und Glauben stellt einen Verfahrensgrundsatz dar, ist jedoch kein Verfahrensrecht. Mit der geltend gemachten Verletzung dieses Grundsatzes erhebt der Beschwerdeführer keine formelle Rüge im Sinne einer Rechtsverweigerung. Darauf ist nicht einzutreten.
 
5.
 
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Angesichts des geringen Aufwands sind reduzierte Gerichtskosten festzusetzen (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 2. September 2021
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill
 
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