![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Rainer M. Christmann, A. Tschentscher | |||
![]() | ![]() |
![]() |
StPO § 264 |
4. Strafsenat |
Urteil |
vom 29. September 1987 g.L. |
- 4 StR 376/87 - |
Landgericht Saarbrücken |
Aus den Gründen: | |
1 | |
2 | |
a) Nach den Feststellungen überfiel der Angeklagte am 19. Dezember 1983 gegen 5 Uhr mit einem Mittäter - dem Mitangeklagten C. - den Kassenboten der Filiale der Kreissparkasse S. Unter Bedrohung mit einem Revolver und nach Fesselung des Boten entwendete man einen Koffer, der neben für die Täter unbrauchbaren Bankunterlagen auch zwei Aktien mit Gewinnanteilscheinen und Erneuerungsscheinen enthielt. Der Angeklagte übergab die Aktien einem Bekannten, der am 30. Dezember 1983 versuchte, die beiden Aktien zu verkaufen. Nach seiner Festnahme gab dieser an, daß er die Aktien vom Angeklagten erhalten hatte.
| 3 |
b) Der Angeklagte wurde am 31. Dezember 1983 wegen des Verdachts, sich am 19. Dezember 1983 wegen Raubes oder wegen Hehlerei strafbar gemacht zu haben, in Haft genommen. Am 2. Juli 1984 wurde gegen ihn Anklage erhoben, und zwar - neben anderen Anklagevorwürfen - mit der Anschuldigung,
| 4 |
5 | |
entgegengenommen zu haben.
| 6 |
Zum wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen dieser - vom Gericht zugelassenen - Anklageschrift ist ausgeführt, daß der Angeklagte "zunächst wegen Beteiligung an dem Raubüberfall" in Haft genommen worden sei, daß aber aufgrund der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen "ein entsprechender Nachweis ... nicht geführt werden" konnte. Damit ist der Raub nicht förmlicher Gegenstand dieser Anklage (BGHSt 32, 146 [149]), aufgrund derer der Angeklagte rechtskräftig wegen Hehlerei (Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten) und anderer Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden ist, die inzwischen vollstreckt wurde.
| 7 |
c) Durch die Verurteilung zunächst wegen Hehlerei und nunmehr wegen Raubes ist das in Art. 103 Abs. 3 GG verbürgte Verbot wiederholter Strafverfolgung für ein- und dieselbe Tat (ne bis in idem) nicht verletzt.
| 8 |
aa) Die Vorschrift soll den Bürger davor schützen, wegen einer bestimmten Tat, deretwegen er schon zur Verantwortung gezogen worden ist, nochmals in einem neuen Verfahren verfolgt zu werden. Sie greift nicht auf das materielle Strafrecht zurück, das im Bereich der Konkurrenzen zwischen Tateinheit (§ 52 StGB) und Tatmehrheit (§ 53 StGB) unterscheidet, sondern verwendet einen von dem materiellen Tatbegriff verschiedenen prozessualen Begriff der "Tat", nach dem sich der Gegenstand der Urteilsfindung (§ 264 Abs. 1 StPO) und damit verbunden der Umfang der Rechtskraft richten (BGHSt 29, 288 [292]). Der verfahrensrechtliche Tatbegriff umfaßt den von der zugelassenen Anklage betroffenen einheitlichen geschichtlichen Vorgang (kritisch dazu Roxin JR 1984, 346 ff.), innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll (BGHSt 32, 215 [216]).
| 9 |
bb) Den Rahmen der Untersuchung bildet dabei zunächst das tatsächliche Geschehen, wie es die zugelassene Anklage umschreibt (BGH a.a.O.). Der bei der Verurteilung wegen Hehlerei zugrunde gelegte und der nunmehr bei der Aburteilung wegen Raubes festgestellte Sachverhalt stellen zwei zeitlich und räum ![]() ![]() | 10 |
Der Generalbundesanwalt ist der Auffassung, daß diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall übertragbar seien. Dem Angeklagten sei zwar nicht einerseits Hehlerei und andererseits Diebstahl - auch nicht wahlweise - zur Last gelegt worden, sondern in einem Verfahren Hehlerei und in einem anderen Verfahren Raub; der Gegenstand des Ansichbringens sei jedoch in beiden Verfahren derselbe gewesen. Auf die Zufälligkeiten der jeweiligen Anklagegestaltung dürfe es rechtlich nicht ankommen.
| 11 |
cc) Dem folgt der Senat nicht.
| 12 |
Es trifft zwar zu, daß Diebstahl und Hehlerei oder Raub und Hehlerei einen geschichtlichen Vorgang bilden können. Das ist stets der Fall, wenn den Vorwürfen dasselbe tatsächliche Geschehen zugrunde liegt; Abweichungen, die das Tatbild nicht wesentlich ändern, sind dabei unbeachtlich (BGH, Urt. vom 3. Juli 1986 - 4 StR 182/86 = BGHR StPO § 264 Tatidentität 1). Das kann auch so sein, wenn der Täter die hehlerische Abnahme der Beute bei der Anstiftung des Diebes oder des Räubers zur Wegnahme zugesagt hat (vgl. BGH, Urt. vom 22. August 1967 - ![]() ![]() | 13 |
Die Tatsache, daß hier der rechtskräftigen Verurteilung des Angeklagten wegen Hehlerei - unausgesprochen - die Annahme zugrunde liegt, er habe die gehehlte Sache nicht durch eine andere Straftat an sich gebracht, steht deshalb für sich allein der Verurteilung wegen Raubes nicht entgegen. Denn nach § 259 StGB bedarf es nicht der Kenntnis gerade der bestimmten Vortat und ihrer näheren Umstände sowie der Person des Täters. Es genügt vielmehr die Feststellung, daß die Sache durch irgendeine Straftat erlangt worden ist, gleichviel durch welche und durch wen (RGSt 50, 199 [200 f.]). Wenn die Rechtsprechung bisher generell Tatidentität zwischen Hehlerei und Diebstahl bejaht, so mit der Erwägung, daß beide Vermögensdelikte in Richtung auf dasselbe Tatobjekt begangen worden sind und diesem die Identität der Tat begründenden gemeinsamen Nenner gegenüber Abweichungen nach Tatzeit und Tatort im Einzelfall Vorrang eingeräumt wurde (BGHSt 32, 215 [220]). Deshalb sind allein wegen der Identität des Tatobjektes möglicherweise zeitlich und räumlich weit auseinanderliegende und im Tatbild nicht ![]() ![]() | 14 |
2. Eine Anrufung des Großen Senats für Strafsachen (§§ 136, 137 GVG) ist nicht geboten. Der 2. und 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs haben auf Anfrage mitgeteilt, daß sie keine entgegenstehenden Entscheidungen getroffen haben. Der 1. und 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs haben die Auffassung vertreten, daß der beabsichtigten Entscheidung Erkenntnisse ihrer Senate widersprechen würden. Der 1. Strafsenat hat insoweit auf sein Urteil vom 13. Januar 1976 - 1 StR 624/75 - Bezug genommen; der 5. Strafsenat hat auf seinen Beschluß vom 16. April 1985 - 5 StR 223/85 - und die diesem zugrunde liegen ![]() ![]() | 15 |
Bei der Entscheidung des 5. Strafsenates handelt es sich um einen Beschluß nach § 349 Abs. 2 StPO, der keinen Abweichungsfall begründen kann (BGHSt 34, 184 [190]). Der rechtliche Ausgangspunkt der vom 1. Senat genannten Entscheidung ist derselbe wie beim erkennenden Senat, so daß eine Abweichung in einer Rechtsfrage (Inhalt des Tatbegriffs) nicht vorliegt. Die Unterschiede liegen im Tatsächlichen, und zwar in der Bewertung der insoweit bedeutsamen Gesichtspunkte im Einzelfall. Das Urteil des 1. Strafsenats befaßt sich mit einem Verfahren wegen Diebstahls, bei dem sich in der Hauptverhandlung die Frage der Hehlerei stellte, weil dem Angeklagten die Wegnahme des in seinem Besitz gefundenen Diebesgutes nicht zu beweisen war und daher die Prüfung des Hehlereitatbestandes nahelag. Denn nach der Lebenserfahrung konnte angenommen werden, daß der Angeklagte das Diebesgut wenn schon nicht als Dieb, so doch als Hehler an sich gebracht hat. Über die Frage der Hehlerei war damit vom Tatrichter zu entscheiden und ist auch entschieden worden. Für diesen Fall hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs angenommen, daß Diebstahl und Hehlerei eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinne sei, weil der in der Anklage nach Objekt, Ort und Zeit der Tathandlung konkretisierte Diebstahl Grundlage der Verurteilung wegen Hehlerei bleibe.
| 16 |
Das hier zu beurteilende frühere Verfahren, das zum Strafklageverbrauch der jetzigen Raubanklage geführt haben könnte, betrifft unter mehreren Straftaten auch zwei Fälle der Hehlerei, die in der Hauptverhandlung entsprechend der unverändert zugelassenen Anklage als erwiesen festgestellt worden sind. Der Tatrichter hatte in diesem Verfahren keinen Anlaß, die vorangehenden Straftaten am Hehlgut näher zu erörtern und sie nach Ort, Zeit und anderen Umständen einzugrenzen (vgl. RGSt 50, 199 [200 ff.]; Büchner, Begriff der strafprozessualen Tat, Diss. 1976, S. 130 Fn. 1) und hat dies auch nicht getan. Bei dieser Sachlage würde es nach Auffassung des erkennenden Senats, wie dargelegt, der am Tatbegriff des § 264 StPO orientierten ![]() ![]() | 17 |
3. (...)
| 18 |
4. Die Sachrüge führt zur Ermäßigung des Strafausspruchs. (...)
| 19 |
Die Strafkammer hat die Härte nicht bedacht, die darin liegt, daß der Angeklagte wegen Ansichbringens der geraubten Gegenstände bereits nach § 259 StGB bestraft worden ist. Sie hat - zutreffend - mildernd erwogen, daß mit den wegen Hehlerei und anderen Delikten ausgesprochenen Strafen keine Gesamtstrafe mehr gebildet werden kann, weil sie bereits vollstreckt sind (BGHSt 31, 102; 33, 131; BGH, Beschl. vom 26. Juni 1987 - 2 StR 289/87) und hat ergänzend ausgeführt, die (unrichtige) Verurteilung wegen Hehlerei müsse "anderweitig ihre Erledigung finden". Die Tatsache, daß der Angeklagte wegen Ansichbringens des geraubten Gegenstandes bereits bestraft worden ist, hat deshalb bei der Strafzumessung keine mildernde Berücksichtigung gefunden. Das hätte aber unabhängig von der Frage geschehen müssen, ob die Verurteilung wegen Hehlerei in einem späteren Wiederaufnahmeverfahren in Wegfall gebracht werden kann und ob dem Angeklagten insoweit Entschädigung zu leisten ist. Der Senat holt die notwendige Milderung dadurch nach, daß er die ausgesprochene Strafe um die Einzelstrafe mildert, die in dem früheren Verfahren wegen Hehlerei ausgesprochen worden ist. Durch diese Art der Anrechnung ist der Angeklagte hier unter keinen Umständen beschwert. ![]() | 20 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |