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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Brian Valerius, A. Tschentscher | |||
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StGB §§ 9 Abs. 1, 17, 258 Abs. 1 |
2. Strafsenat |
Urteil |
vom 19. Mai 1999 g.E. u.a. |
- 2 StR 86/99 - |
Landgericht Frankfurt am Main |
Aus den Gründen: | |
I. | |
Das Landgericht hat die beiden Angeklagten vom Vorwurf der Strafvereitelung zugunsten des später wegen Betrugs und Kreditbetrugs verurteilten Immobilienkaufmanns Dr. Jürgen Schneider und seiner Ehefrau freigesprochen; das Verhalten der Angeklagten, die den Eheleuten Schneider zur Flucht in die USA verhalfen und ihnen dort ein Versteck beschafften, erfülle zwar den objektiven Tatbestand der Strafvereitelung, doch hätten sie dabei - nicht ausschließbar - in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum und mithin schuldlos gehandelt.
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Gegen diesen Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft; sie rügt mangelnde Sachaufklärung und Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel wird vom Generalbundesanwalt vertreten; es hat Erfolg.
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II. | |
1. Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
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Anfang 1994 erkannte Dr. Jürgen Schneider, daß sein System, mehrere große Bauvorhaben durch hohe Bankkredite zu ![]() ![]() | 4 |
Am 25. März trafen sich dort die Eheleute Schneider mit Dr. D. und den Angeklagten. Dabei zeigte Dr. Schneider den Entwurf seines Briefes an die Deutsche Bank, brachte seinen Reisewunsch vor und händigte dem Angeklagten für die notwendigen Vorbereitungen 20000 DM aus. Reiseziel sollten die USA sein. Die Eheleute Schneider kehrten zunächst wieder heim.
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Am 1. April flog Dr. Schneider, nachdem er den Brief an die Deutsche Bank abgesandt hatte, nach Wien, tags darauf nach Zürich und fuhr von dort mit seiner Ehefrau nach Genf. Am 5. April übergab er dem Angeklagten 500000 DM; hiervon sollten alle Ausgaben im Zusammenhang mit der Reise bestritten werden.
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Am 6. April flog der Angeklagte mit den Eheleuten Schneider über Zürich nach Washington D.C. Die Mitangeklagte hatte die Buchungen vorgenommen, der Angeklagte die Rückflugscheine bezahlt. Am Ankunftsort besorgte er den Eheleuten Schneider, die jetzt den Namen Meier führten, Hotelzimmer.
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Am 13. April buchte der Angeklagte für sich und die Eheleute Schneider, deren Flugscheine er auf Aliasnamen ausstellen ließ, einen Flug nach Miami. Dort wohnten sie bis zum Monatsende im Hotel. Mitte April erfuhren die Angeklagten, daß Dr. Schneider in Deutschland von der Ermittlungsbehörde gesucht wurde, den Angeklagten beschlich ein "ungutes Gefühl". Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main hatte auf Anzeige der Deutschen Bank am 13. April ein Ermittlungsver ![]() ![]() | 8 |
Dort suchte der Angeklagte einen Rechtsanwalt auf, schilderte ihm seine Situation und fragte, wie er sich verhalten solle; der Anwalt erklärte ihm, daß er sich nach Schweizer Strafrecht nicht strafbar gemacht habe. Der Angeklagte war "erleichtert"; er unterrichtete seine gleichfalls bis dahin besorgte Ehefrau, die nun ebenfalls "wieder ruhig schlafen konnte".
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Im ersten Halbjahr 1995 wurde der Angeklagte durch Polizei und Untersuchungsrichter in Genf als Zeuge vernommen; dabei leugnete er ebenso wie seine informatorisch gehörte Ehefrau, den Aufenthalt der Eheleute Schneider zu kennen. Er half ihnen auch weiterhin, unter anderem dadurch, daß er Geld an P. schickte.
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Am 18. Mai 1995 wurden die Eheleute Schneider in Miami aufgespürt und festgenommen; am 23. Februar 1996 wurden sie nach Deutschland ausgeliefert.
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2. Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht ausgeführt, den Angeklagten sei nicht nachzuweisen, "daß sie wußten, sich durch ihr Verhalten nach deutschem Recht strafbar zu machen"; ihnen komme ein Verbotsirrtum zugute. Die Auskunft des Schweizer Rechtsanwalts, der Angeklagte habe sich "nach seinem Landesrecht" nicht strafbar gemacht, treffe zu. Diese Auskunft habe den Angeklagten genügen dürfen. Sie hätten sich nicht über die "strafrechtliche Einschätzung ihrer Tätigkeit in Deutschland" informieren müssen, da sie nicht "auf deutschem Boden gehandelt" hätten. ![]() | 12 |
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Der Freispruch hält rechtlicher Prüfung nicht stand. ...
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1. ...
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a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, daß die Angeklagten den objektiven Tatbestand der Strafvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB) verwirklicht haben, indem sie Dr. Schneider bei seiner Flucht in die USA unterstützt, ihm dort einen geheimgehaltenen Aufenthalt verschafft und dadurch seine Strafverfolgung wegen der später abgeurteilten Straftaten erheblich verzögert haben (Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 258 Rdn. 5). Für diese Tat gilt das deutsche Strafrecht: sie ist im Inland begangen (§ 3 StGB). Die Angeklagten, selbst Ausländer, haben zwar ausschließlich im Ausland, nämlich in der Schweiz und in den USA, gehandelt; doch ist eine Straftat nicht nur an dem Ort begangen, wo der Täter gehandelt hat, sondern auch dort, wo der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist (§ 9 Abs. 1 StGB). Bei dem Vergehen gegen § 258 Abs. 1 StGB besteht dieser Erfolg in der Vereitelung einer von deutschen Gerichten zu verhängenden Strafe (oder Maßnahme); er tritt daher im Inland ein und begründet mithin die Anwendung des deutschen Strafrechts (BGHSt 44, 52, 56 f.).
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b) Die Angeklagten haben die Strafvereitelung wenn schon nicht absichtlich, so doch zumindest wissentlich begangen. Der erforderliche direkte Vorsatz (BGHSt 38, 345, 348) braucht nur Tathandlung und Vereitelungserfolg zu umfassen, während für die Kenntnis der Vortat bedingter Vorsatz genügt (Lackner, StGB 23. Aufl. Rdn. 14; Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. Rdn. 22 f.; Ruß in LK 11. Aufl. Rdn. 21 f., jeweils zu § 258, ebenso für den früheren § 346 StGB: BGH LM Nr. 2 zu § 346 StGB und BGHSt 15, 18, 21). Diese Voraussetzungen lagen nach den Feststellungen spätestens ab Mitte April 1994 vor, als die Angeklagten erfuhren, daß Dr. Schneider in Deutschland von der Ermittlungsbehörde gesucht wurde ...
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c) Zu Unrecht hat das Landgericht den Angeklagten einen (unvermeidbaren) Verbotsirrtum zugute gehalten, da ihnen nicht nachzuweisen sei, daß sie gewußt hätten, sich "nach deutschem Recht strafbar zu machen".
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Schon der damit gewählte Ansatz ist rechtsfehlerhaft. Für die Annahme eines Verbotsirrtums reicht es nicht aus, daß der ![]() ![]() | 18 |
Das Rechtsgut, das durch § 258 StGB geschützt wird, ist die deutsche Strafrechtspflege (Lackner und Ruß a.a.O. jeweils Rdn. 1 zu § 258). Die Angeklagten haben den objektiven Tatbestand dieses Gesetzes erfüllt. Sie haben einen in Deutschland straffällig gewordenen deutschen Staatsangehörigen der deutschen Strafverfolgung entzogen. Sie haben dies - was die subjektive Tatseite anlangt - wissentlich getan. Sie haben demzufolge gewußt, daß ihr Handeln die von der deutschen Strafjustiz gegen Dr. Schneider betriebene Strafverfolgung erheblich verzögern würde. Damit war ihnen zugleich - wenn auch womöglich nur in laienhafter Vorstellung - bewußt, die deutsche Strafrechtspflege zu beeinträchtigen und insoweit das durch § 258 StGB geschützte Rechtsgut zu verletzen.
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Wieso ihnen gleichwohl die Einsicht in das dieser Rechtsgutsverletzung spezifische Unrecht gefehlt haben könnte, bleibt unerklärt. Anhaltspunkte dafür enthält das angefochtene Urteil nicht. Strafvereitelung wird nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland bestraft. Ausländische Strafrechtsordnungen kennen vergleichbare Straftatbestände, die ebenfalls dem Schutz der jeweils nationalen Strafrechtspflege dienen. Dies gilt namentlich für die Schweiz, den Heimat- und Aufenthaltsstaat der Angeklagten; auch dort ist Strafvereite ![]() ![]() | 20 |
Die Rechtsauskunft, die der Angeklagte von dem Genfer Anwalt erhielt und an seine Ehefrau weitergab, entlastet keinen der beiden; sie konnte einen Verbotsirrtum nicht begründen. Dabei kommt es nicht darauf an, daß sie an der Bewertung der bereits vorher begangenen Vereitelungshandlungen ohnehin nichts zu ändern vermochte, da sich ein etwa vorhandenes Unrechtsbewußtsein nicht rückwirkend beseitigen läßt. Die Auskunft war schon inhaltlich ungeeignet, die Angeklagten in einen Irrtum über das Unerlaubte ihres Tuns zu versetzen. Zwar durften sie sich auf die Auskunft verlassen, dies umso mehr, als sie zutreffend war: nach Art. 305 Abs. 1bis SchweizStGB wird jemand, der einen anderen ausländischer Strafverfolgung entzieht, nur bestraft, wenn diese Verfolgung bestimmten (hier nicht in Betracht kommenden) Verbrechen gilt. Doch ist dies hier ohne Bedeutung. Die Auskunft bezog sich lediglich auf die Rechtslage in der Schweiz. Die Angeklagten haben aber den Strafvereitelungstatbestand des deutschen Strafrechts verwirklicht; ihr Handeln beeinträchtigte das Rechtsgut der deutschen Strafrechtspflege. Das der Verletzung ![]() ![]() | 21 |
2. ...
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3. Für die neue Verhandlung und Entscheidung gibt der Senat zu bedenken:
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Der Strafvereitelungstatbestand kann - entgegen der von der Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung geäußerten Ansicht - nicht erst von dem Zeitpunkt ab verwirklicht werden, in dem die Vortat zum Gegenstand eines förmlichen Ermittlungsverfahrens gemacht worden ist; es genügt vielmehr, daß auf Grund der Vortat ein verfolgbarer materieller Strafanspruch des Staates besteht (statt aller: Ruß a.a.O. § 258 Rdn. 3, 6). ![]() | 24 |
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