1. Solange der Gesetzgeber die Norm noch nicht erlassen und ihren Inhalt noch nicht endgültig festgestellt hat, kann ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht geprüft und über sie nicht mit Gesetzeskraft entschieden werden. Erst die bestehende Norm ist die Grundlage für eine Normenkontrolle.
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2. Das Normenkontrollverfahren ist ein seinem Wesen nach von subjektiven Berechtigungen unabhängiges objektives Verfahren zum Schutz der Verfassung und dient lediglich der Prüfung von Rechtsnormen am Maßstab des Grundgesetzes, nicht aber dem Schutz einer Rechtsstellung der Antragsteller. In diesem Verfahren gibt es keinen Anspruchsberechtigten.
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3. Das Normenkontrollverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG als eines der im Grundgesetz und im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht einzeln aufgeführten verfassungsrechtlichen Verfahren ermöglicht eine "vorbeugende Feststellung" der Unvereinbarkeit noch nicht bestehender Normen mit dem Grundgesetz nicht.
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4. Auch ein Gesetz, das keine Rechte oder Pflichten für die Staatsbürger begründet, ist der Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG zugänglich.
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5. Bei Vertragsgesetzen (Art. 59 Abs. 2 GG) ist die Normenkontrolle schon zulässig, wenn das Gesetzgebungsverfahren bis auf die Ausfertigung des Vertragsgesetzes durch den Bundespräsidenten und die Verkündung abgeschlossen ist.
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6. Ein Normenkontrollverfahren auf einen zur Zeit der Entscheidungsreife noch nicht zulässigen Antrag darf nicht bis zum Eintritt seiner Zulässigkeit anhängig gehalten werden, es sei denn, daß zwingende Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern.
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Urteil
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des Ersten Senats vom 30. Juli 1952
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- 1 BvF 1/52 -
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in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung, ob Bundesrecht, welches die Beteiligung Deutscher an einer bewaffneten Streitmacht regelt oder Deutsche zu einem Wehrdienst verpflichtet, ohne vorangegangene Ergänzung des Grundgesetzes förmlich und sachlich mit dem Grundgesetz vereinbar ist: - Antragsteller: Luise Albertz und 144 weitere Mitglieder des Bundestages.
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ENTSCHEIDUNGSFORMEL:
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Der Antrag ist unzulässig.
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Gründe:
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A. - I.
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Am 26. Mai 1952 hat der Bundeskanzler in Bonn den Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Mächten mit Zusatzverträgen und am 27. Mai 1952 in Paris den Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft mit Zusatzverträgen für die Bundesrepublik unterzeichnet. Am 30. Mai und 6. Juni 1952 hat die Bundesregierung dem Bundesrat zugeleitet:
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3. a) den Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft vom 27. Mai 1952,
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Der Bundesrat hat in seiner 87. Sitzung am 20. Juni 1952 gemäß Art. 76 Abs. 2 GG Stellung genommen.
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Am 21. Juni 1952 hat die Bundesregierung die vorbezeichneten Gesetzentwürfe dem Bundestag zugeleitet (Drucks. Nr. 3500 und 3501). Die erste Beratung fand in der 221. und 222. Sitzung am 9. und 10. Juli 1952 statt. Die Entwürfe wurden den zuständigen Ausschüssen überwiesen (Prot. der 222. Sitzung S 9923).
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II.
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Die Antragsteller, 145 Mitglieder des Bundestages, hatten am 31. Januar 1952 beantragt,
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festzustellen, daß Bundesrecht, welches die Beteiligung Deutscher an einer bewaffneten Streitmacht regelt oder Deutsche zu einem Wehrdienst verpflichtet, ohne vorangegangene Ergänzung und Abänderung des Grundgesetzes weder förmlich noch sachlich mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
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Das Plenum des Bundesverfassungsgerichts hat gemäß § 16 Abs. 3 BVerfGG am 13. Februar 1952 festgestellt, daß für die Entscheidung über den Antrag der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts zuständig sei, weil es sich um einen Antrag nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG, § 13 Nr. 6 BVerfGG handele.
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Der Senat beschloß, vorab die Zulässigkeit des Antrags zu prüfen. Es wurde dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung und den Landesregierungen Gelegenheit gegeben, sich zunächst zur Frage der Zulässigkeit zu äußern.
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Äußerungen sind eingegangen vom Bundesminister der Justiz namens der Bundesregierung, von den Landesregierungen von Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Die Bundesregierung und die Landesregierung von Rheinland-Pfalz halten den Antrag für unzulässig, die Landesregierungen von Hessen und Niedersachsen machen sich den Standpunkt der Antragsteller zu eigen. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat ein Gutachten eines Rechtslehrers vorgelegt, das im Ergebnis der Auffassung der Antragsteller beitritt, und hat sich diesem Gutachten angeschlossen.
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In der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 1952 waren die Antragsteller, die Bundesregierung und die Landesregierungen von Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz vertreten.
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Durch Beschluß vom 13. Juni 1952 gab das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung auf, sich bis zum 15. Juli 1952 zu einigen staats- und völkerrechtlichen Fragen zu äußern.
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Mit Schriftsatz vom 7. Juli 1952 beantragen die Antragsteller festzustellen, daß
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ein Gesetz betreffend den Vertrag vom 26. Mai 1952 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten einschließlich Anlagen und Zusatzverträgen sowie ein Gesetz betreffend den Vertrag vom 27. Mai 1952 über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und betreffend den Vertrag vom 27. Mai 1952 zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft ohne vorangegangene Ergänzung und Abänderung des Grundgesetzes weder förmlich noch sachlich mit dem Grundgesetz vereinbar ist,
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und erklären ihren Antrag vom 31. Januar 1952 für erledigt.
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In der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 1952 waren die Antragsteller, die Bundesregierung und die Landesregierungen von Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz vertreten.
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B. - I.
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1. Die 145 Antragsteller treten als ein Drittel der Mitglieder des Bundestages im Verfahren auf. Ihrer Zahl nach sind sie mehr als ein Drittel der Mitglieder. Ihre Berechtigung, das Verfahren in Gang zu bringen, ergibt sich aus Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG.
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2. Verfahrensrechtliche Bedenken gegen den Antrag vom 7. Juli 1952 bestehen nicht. Er stellt lediglich eine sachlich gebotene Anpassung des ursprünglichen Antrags an den gegenwärtigen Stand des Gesetzgebungsverfahrens dar.
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II.
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Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG weist dem Bundesverfassungsgericht u. a. die Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit dem Grundgesetz auf Antrag eines Drittels der Mitglieder des Bundestags zu.
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Unter "Bundesrecht oder Landesrecht" ist nach dem natürlichen Sprachgebrauch geltendes Recht zu verstehen. Damit ist nicht materiell gültiges, sondern solches Recht gemeint, das mit dem formellen Anspruch auf Geltung auftritt. § 76 BVerfGG verwendet den Ausdruck "Bundes- oder Landesrecht" in demselben Sinne. Seine beiden Anwendungsfälle beziehen sich gleichermaßen auf Bundesrecht und Landesrecht; der zweite Anwendungsfall setzt notwendig formell geltendes Recht voraus. Es ist daher anzunehmen, daß für den ersten Anwendungsfall der Begriff den gleichen Sinn hat.
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III.
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Die Entstehungsgeschichte des Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG führt bis in die Anfänge der Reichsverfassung von 1919 zurück und hängt eng mit der Behandlung des richterlichen Prüfungsrechts zusammen.
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1. Die Weimarer Reichsverfassung hatte für die richterliche Entscheidung von Verfassungsstreitigkeiten innerhalb des Reiches keine Regelung getroffen. Diese Unterlassung machte sich besonders fühlbar, wenn die materielle Vereinbarkeit von Reichsgesetzen mit der Reichsverfassung bezweifelt wurde. Auf dem 33. und 34. Deutschen Juristentag (1925 und 1926) sind die damit zusammenhängenden Fragen eingehend erörtert worden. Dem 34. Deutschen Juristentag lag ein Gesetzentwurf der Reichsregierung über die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Vorschriften des Reichsrechts (Reichstags-Drucks. III. Wahlperiode 1924/26 Nr. 2855, abgedruckt in DJZ 1926, 837 ff.; vgl. auch Reichstags-Drucks. IV. Wahlperiode 1928 Nr. 382) vor, zu dem Anschütz einen Gegenentwurf ausgearbeitet hatte. Beide Entwürfe wollten in gewissem Umfange Reichsgesetze schon vor Verkündung und Inkrafttreten einer gerichtlichen Prüfung auf ihre Verfassungsmäßigkeit durch den Staatsgerichtshof unterwerfen. Auf die Notwendigkeit einer solchen Prüfung hatte schon Graf Dohna auf dem 33. Juristentag (Verhandlungen des 33. Juristentags S. 41 f.) hingewiesen und dabei folgendes ausgeführt:
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"Der Antrag Ablaß (im Verfassungsausschuß der Nationalversammlung) wollte dem Staatsgerichtshof die Funktion zuweisen, ein bereits in Rechtskraft erwachsenes Gesetz auf ein von 100 Mitgliedern des Reichstags unterstütztes Begehren hin auf seine Verfassungsmäßigkeit nachzuprüfen. Von ihm unterscheidet sich mein Vorschlag nur dadurch, daß er eine solche Prüfung bereits im Stadium der Beratung des Gesetzes ermöglichen will. Diese Art der Regelung hätte vor jener den Vorzug voraus, die gewünschte und heilsame Kautel zu gewähren, ohne doch der Unverbrüchlichkeit des einmal verkündeten Gesetzes Eintrag zu tun."
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Triepel hatte dazu (aaO S. 64) bemerkt:
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"Die Möglichkeit muß geschaffen werden über die Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes schon vor seiner Verkündung in einer für alle bindenden Weise Klarheit zu schaffen. Und ich bin ... der Ansicht, daß es die Aufgabe des Staatsgerichtshofs sein sollte, die Streitigkeiten über jene Frage zu schlichten. Dabei gehe ich von der Voraussetzung aus, daß der Staatsgerichtshof erst nach der Schlußabstimmung über das Gesetz angerufen werden kann. Nicht nur, weil sich sonst für Obstruktionsversuche eine allzu bequeme Pforte öffnen könnte, sondern vor allem, weil sich über die Verfassungsmäßigkeit einer einzelnen Gesetzesbestimmung häufig nur dann entscheiden läßt, wenn man sie mit den anderen Klauseln des Gesetzes in Zusammenhang bringt; das läßt sich natürlich erst dann vornehmen, wenn das Gesetz im ganzen feststeht."
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Nach § 7 des Entwurfs der Reichsregierung sollte der Staatsgerichtshof auf Ersuchen des Reichspräsidenten oder der Reichsregierung schon vor der Verkündung eines beschlossenen Gesetzes ein Gutachten darüber erstatten können, ob eine darin enthaltene Vorschrift mit der Reichsverfassung in Widerspruch stehen würde. Der an der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs beteiligte Ministerialrat Dr. Mende führte hierzu als Berichterstatter auf dem 34. Deutschen Juristentag (Verhandlungen des 34. Juristentags Bd. II S. 224) aus: Die Erstattung eines Gutachtens durch den Staatsgerichtshof komme nach dem Entwurf nur bei beschlossenen Gesetzen in Frage, d. h. nachdem der Reichstag das Gesetz in drei Lesungen angenommen habe. Erst dann stehe fest, welchen Inhalt ein Gesetzentwurf endgültig empfangen habe; nun erst seien auch hinreichende Grundlagen für die Entscheidung der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes gegeben. Die Stellungnahme des Staatsgerichtshofs habe in diesem Fall lediglich in Form eines Gutachtens zu erfolgen. Das verfassungsmäßig dem Reichspräsidenten zustehende Recht zur Verkündung des Gesetzes solle nicht beeinträchtigt werden. Die Ausübung dieses Rechts solle vielmehr durch die gutachtliche Äußerung einer Instanz, die außerhalb der an der Gesetzgebung beteiligten Faktoren stehe, gestützt werden.
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Auch der Gegenentwurf von Anschütz (aaO S. 194 ff.) sah in § 8 die Prüfung eines beschlossenen, aber noch nicht verkündeten Reichsgesetzes durch den Staatsgerichtshof vor. Nach diesem Entwurf sollte aber der Staatsgerichtshof kein Gutachten erstatten, sondern eine Entscheidung mit Gesetzeskraft erlassen.
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Die Entwürfe sind aus hier nicht zu erörternden Gründen nicht Gesetz geworden. Auf Grund der damaligen Rechtslage hat daher der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich in seinem Beschluß vom 13. Juli 1929 (Lammers-Simons II S. 98, 99) ausgeführt, er sei keinesfalls berufen, über die Verfassungsmäßigkeit noch nicht verkündeter, also noch in der Entstehung begriffener Gesetze zu befinden.
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2. An diese Vorgänge und Erörterungen schließen sich die Regelungen der Nachkriegszeit an, nachdem in der nationalsozialistischen Zeit das richterliche Prüfungsrecht gegenüber Gesetzen keine Rolle gespielt hatte. Einige Landesverfassungen haben die besondere Frage der Prüfung noch nicht verkündeter Gesetze ausdrücklich geregelt: Art. 96 der Verfassung des früheren Landes Baden überträgt dem Staatsgerichtshof die Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten darüber, ob ein Gesetz den Vorschriften über Verfassungsänderung unterliegt, während nach Art. 95 die Landesregierung den Staatsgerichtshof anrufen kann, wenn sie ein vom Landtag beschlossenes Gesetz für verfassungswidrig hält. Nach Art. 75 Abs. 3 der Verfassung des Freistaates Bayern entscheidet der Verfassungsgerichtshof bei Meinungsverschiedenheiten darüber, ob durch ein Gesetz die Verfassung geändert wird oder ob ein Antrag auf unzulässige Verfassungsänderung vorliegt. Art. 130 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz überträgt dem Verfassungsgerichtshof die Entscheidung über die Frage, ob eine Gesetzesvorlage verfassungswidrig ist. Schließlich trifft nach Art. 85 Abs. 1 Satz 3 der Verfassung des früheren Landes Württemberg-Baden der Staatsgerichtshof die Entscheidung, ob ein Antrag auf Änderung der Verfassung zulässig ist. In diesem Zusammenhang ist auch auf § 26 Abs. 2 des Gesetzes des früheren Landes Württemberg-Hohenzollern über den Staatsgerichtshof vom 11. Januar 1949 (RegBl. S. 85) hinzuweisen, der die Regierung ermächtigt, ein Gutachten des Staatsgerichtshofs über eine Gesetzesvorlage einzuholen.
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3. Der Herrenchiemsee-Entwurf sah in Art. 98 Ziff. 5 und Art. 110 vor, daß das Bundesverfassungsgericht u. a. darüber entscheiden solle, ob ein beantragtes Gesetz unter die Artikel 105 bis 108 falle, d. h. ob es qualifizierter Mehrheit oder einstimmiger Annahme in den gesetzgebenden Körperschaften bedürfe oder ob es überhaupt unzulässig sei. In dem Kommentierenden Teil (S. 89) ist hierzu ausgeführt, daß es sich bei Art. 98 Ziff. 5 um einen Unterfall der Verfassungsstreitigkeiten zwischen den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Faktoren handele, der seiner Bedeutung wegen besonders hervorgehoben werde.
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4. Bei den Verhandlungen des Parlamentarischen Rats wurde Art. 98 Ziff. 5 in der 6. Sitzung des Ausschusses für Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege am 16. November 1948 eingehend erörtert. Man war sich darüber klar, daß die Prüfung eines noch nicht verkündeten Gesetzes auf seine Verfassungsmäßigkeit durch ein oberstes Gericht etwas Neues darstelle. Der Abg. Dr. Greve führte hierzu aus:
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"Ich würde mich doch dagegen wenden, dem Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit zu geben, nicht ein Gesetz, sondern sogar einen Gesetzesantrag dahin zu prüfen, ob er den Bestimmungen der Art. 105 bis 108 entspricht oder nicht. Denn ich glaube, die Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts muß sich eben auf abgeschlossene Maßnahmen beziehen, das heißt also auf beschlossene Gesetze. Und es würde auch ein präjudizielles Eingreifen des Verfassungsgerichts in die Gesetzgebungskompetenz des Parlaments bedeuten, wenn im voraus etwa festgestellt würde, daß für den Fall, daß ein bestimmtes Gesetz beschlossen werden würde, es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht verfassungsmäßig sei."
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Die Mitglieder des Ausschusses schlossen sich dieser Auffassung des Abg. Dr. Greve an und hielten als ihre übereinstimmende Meinung fest, daß eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über ein noch nicht verkündetes Gesetz nicht möglich sein, daß jedoch eine für den Gesetzgeber nicht bindende gutachtliche Stellungnahme nicht ausgeschlossen und diese Möglichkeit durch ein einfaches Bundesgesetz geschaffen werden solle. Mit dieser Begründung wurde Art. 98 Ziff. 5 gestrichen.
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Die Frage einer Prüfung von Gesetzentwürfen durch das Bundesverfassungsgericht wurde schließlich im Zusammenhang mit einem Antrag der Fraktion der Deutschen Partei zu Art. 128 b Abs. 1 Ziff. 3 (Drucks. Nr. 435) erörtert. Nach diesem Antrag sollte auch ein Fünftel der Mitglieder eines Landtags das Recht haben, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Landesrecht mit dem Grundgesetz herbeizuführen. Der Abg. Zinn führte hierzu in der 37. Sitzung des Hauptausschusses am 13. Januar 1949 (Prot. S. 462) folgendes aus:
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"Soweit der Landtag interessiert ist, in einem bestimmten Fall die Frage zu klären, ob ein von ihm beabsichtigtes oder angenommenes Gesetz in irgendeinen Konflikt mit dem Bundesrecht oder dem Grundgesetz gerät, kann er diese Frage mit der gutachtlichen Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts . . . lösen."
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Das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht hat die in allen diesen Erörterungen als notwendig bezeichnete Möglichkeit der Herbeiführung einer gutachtlichen Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts geschaffen, indem es in § 97 bestimmt, daß der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung in einem gemeinsamen Antrag, der Bundespräsident für sich allein, das Bundesverfassungsgericht um Erstattung eines Rechtsgutachtens über eine "bestimmte verfassungsrechtliche Frage" ersuchen können.
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Der Parlamentarische Rat hat also in Erkenntnis des hier in. Frage stehenden Problems von einer Regelung im Sinne der oben angeführten Landesverfassungen abgesehen. Das kann nur so verstanden werden, daß er die Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG auf bestehendes Bundesrecht beschränken wollte. Insbesondere geht aus den oben im Wortlaut wiedergegebenen Ausführungen des Abg. Dr. Greve hervor, daß man über die Verfassungsmäßigkeit noch nicht bestehenden Rechtes keine Entscheidung, sondern nur eine gutachtliche Äußerung des Bundesverfassungsgerichts zulassen wollte.
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IV.
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Die Antragsteller vertreten die Ansicht, daß die von ihnen begehrte "vorbeugende Feststellung" mit dem Wesen des Normenkontrollverfahrens nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG vereinbar sei.
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1. Sie führen in dieser Richtung zunächst aus: Aufgabe der Normenkontrolle sei nicht sowohl die Kontrolle einer Norm als die Kontrolle dessen, der eine Norm zu schaffen behaupte, also der gesetzgebenden Gewalt. Die Normenkontrolle richte sich nicht gegen die Norm, sondern gegen den Normierenden. Normenkontrolle sei ihrem Begriff nach stets dann gegeben, wenn ein Verfahren die Prüfung zum Gegenstand habe, ob die bestimmte Regelung eines konkreten Sachverhalts als Bundesrecht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Gegenstand der Normenkontrolle sei also ein auf Rechtsetzung gerichteter Vorgang tatsächlicher Art. Sie habe zum Ziel, die Entstehung eines Rechtsscheins zu verhindern, der mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei. Es könne ihr nicht immanent sein, welches Stadium die Ausübung der gesetzgebenden Gewalt im Einzelfall erreicht habe.
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Diese Ausführungen beurteilen das Wesen der Normenkontrolle von einem bestimmten, dem besonderen Anliegen der Antragsteller Rechnung tragenden Blickpunkt aus. Sie kennzeichnen jedoch das Wesen der Normenkontrolle, so wie sie im Grundgesetz gestaltet ist, nicht zutreffend. Gegenstand der Normenkontrolle ist nach einer Formulierung Triepels (Streitigkeiten zwischen Reich und Ländern, 1923, S. 68) die richterliche Feststellung, daß ein bestimmter Rechtssatz gültig oder ungültig ist, daß also objektives Recht besteht oder nicht besteht. Erst die bestehende Norm ist die Grundlage für eine Normenkontrolle. Dieser Auffassung entspricht die Regelung des Grundgesetzes. Solange der Gesetzgeber die Norm noch nicht erlassen und ihren Inhalt noch nicht endgültig festgestellt hat, kann ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht geprüft und über sie nicht mit Gesetzeskraft entschieden werden.
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Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß einige Landesverfassungen Gesetzesanträge und Gesetzentwürfe der Entscheidung ihres Staatsgerichtshofs hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit der Landesverfassung unterwerfen. Hier handelt es sich um eine durch ausdrückliche Vorschrift der Entscheidung des Staatsgerichtshofs zugänglich gemachte Frage, die zudem mindestens in einigen Ländern nicht eigentlich als Normenkontrolle, sondern als eine Verfassungsstreitigkeit besonderer Art behandelt wird. Das Grundgesetz jedenfalls hat bewußt Meinungsverschiedenheiten über die Verfassungsmäßigkeit werdenden Rechts nicht in das Normenkontrollverfahren einbezogen.
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2. Die Antragsteller führen weiterhin aus: Im allgemeinen "entstehe" ein "Anspruch", die Nichtigkeit eines Bundesgesetzes im Falle seiner Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts feststellen zu lassen, erst mit der Verkündung des Bundesgesetzes. Vorher fehle es sowohl an der Bestimmtheit der Regelung und der Konkretisierung des Sachverhalts als auch an dem "Rechtsschutzinteresse", weil noch nicht feststehe, ob die gesetzgebenden Organe sich überhaupt zu einer solchen Regelung entschließen und wie sie sie im einzelnen gestalten wollen. Dadurch werde jedoch nicht ausgeschlossen, daß ausnahmsweise ein Rechtsschutzinteresse an einer "vorbeugenden Feststellung" dieser Unvereinbarkeit bestehen könne. Es handele sich dabei um einen allgemeinen Rechtsgedanken, der positiver Normierung nicht bedürfe. Ein solcher Fall liege hier vor.
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Mit diesen Darlegungen führen die Antragsteller einen dem Normenkontrollverfahren fremden Gesichtspunkt in die Erörterung ein. Der Gedanke des Rechtsschutzinteresses setzt begrifflich ein gerichtliches Verfahren zum Schutz subjektiver "Rechte" voraus, ein Verfahren also, in dem über einen "Anspruch" des Antragstellers entschieden wird. Hier handelt es sich um einen Rechtsstreit, in welchem dem Antragsteller ein Antragsgegner gegenüberstehen muß. Im Verfahren der Normenkontrolle hingegen gibt es zwar einen Antragsberechtigten. Es kann aber keinen Anspruchsberechtigten geben, denn dieses Verfahren ist ein seinem Wesen nach von subjektiven Berechtigungen unabhängiges objektives Verfahren zum Schutze der Verfassung und dient lediglich der Prüfung von Rechtsnormen am Maßstab des Grundgesetzes, nicht aber dem Schutze einer Rechtsstellung der Antragsteller. Die Befugnis eines Drittels der Mitglieder des Bundestags nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG, dieses Verfahren in Gang zu bringen, ist kein "Anspruch". Man könnte sie allenfalls als ein prozessuales "Recht" der Antragsteller auffassen, überhaupt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen. Diese Befugnis kann weder verletzt noch gefährdet werden.
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Die Antragsteller haben in der mündlichen Verhandlung dem Begriff des Rechtsschutzinteresses eine andere Färbung gegeben, indem sie nunmehr nicht auf ihr subjektives, sondern auf ein objektives öffentliches Interesse abheben. Sie berühren sich dabei mit Gedankengängen, die von verschiedenen Ländervertretern im Rechtsausschuß des Bundesrates (85. Sitzung am 7. März 1952) und im Plenum des Bundesrates (80. Sitzung am 14. März 1952; SitzBer. S. 120) geäußert worden sind. Diese Ausführungen waren weitgehend von der Erwägung bestimmt, daß in gewissen politischen Situationen ein sachliches Bedürfnis dafür bestehen könne, Rechtsnormen schon während ihres Entstehens auf ihre Verfassungsmäßigkeit durch das Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen. Dabei wird jedoch verkannt, daß das Bestehen eines solchen Bedürfnisses nicht ohne weiteres eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts begründen kann. Das Bundesverfassungsrecht kennt keine verfassungsgerichtliche Generalklausel. Das Grundgesetz und das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht haben die einzelnen vor dem Bundesverfassungsgericht möglichen Verfahren festgelegt. Das Normenkontrollverfahren nach Art. 93 Abs. l Ziff. 2 GG als eines dieser Verfahren ist seinem Gegenstand nach so eingegrenzt, daß es eine "vorbeugende Feststellung" der Unvereinbarkeit noch nicht bestehender Normen mit dem Grundgesetz nicht ermöglicht.
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Auch die an sich richtige Erwägung, daß das Bundesverfassungsgericht sein Verfahren in weitem Umfang frei gestalten kann, führt hier nicht weiter. Denn dies kann nur bedeuten, daß das Gericht ein an sich zulässiges Verfahren in seinem Verlauf frei gestalten, nicht aber, daß es ein zugelassenes Verfahren über das Gesetz hinaus gegenständlich erweitern kann. Ebensowenig kann aus der Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, Hüter der Verfassung zu sein, etwas anderes hergeleitet werden; denn das Bundesverfassungsgericht hat diese Aufgabe nur in den ihm durch das Gesetz gesteckten Grenzen zu erfüllen.
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3. Die Antragsteller wollen ihr Anliegen auch deshalb im Normenkontrollverfahren verfolgen, weil eine gleichartige und gleich wirksame Entscheidung in keinem anderen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht möglich sei. Der Ausgangspunkt dieses Verfahrens sei, daß es überhaupt an einer verfassungsrechtlichen Grundentscheidung über die Wehrverfassung im Grundgesetz fehle. Daher liege namentlich ein Streit nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 1 GG nicht vor, weil hier das Bestehen bestimmter Rechte und Pflichten oberster Bundesorgane oder anderer mit eigenen Rechten ausgestatteter Beteiligter auf Grund geltender Verfassungsvorschriften vorausgesetzt werde.
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Solche allgemeinen Erwägungen können die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts in einem bestimmten, im Grundgesetz und im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht normierten Verfahren nicht begründen. Das Normenkontrollverfahren ist für eine "vorbeugende Feststellung" nicht deshalb ungeeignet, weil das mit dem Antrag verfolgte Ziel vielleicht im Rahmen einer Verfassungsstreitigkeit (Art. 93 Abs. 1 Ziff. 1 GG) erreicht werden könnte; die Ungeeignetheit folgt vielmehr aus dem Wesen der Normenkontrolle, so wie sie das Grundgesetz gestaltet hat.
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4. Die Bundesregierung hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß im Hinblick auf § 31 Abs. 2 BVerfGG eine Entscheidung über die Unvereinbarkeit einer noch nicht bestehenden Norm die Wirkung eines Verbotes an den Gesetzgeber haben würde, eine solche Norm zu setzen; darin würde ein Eingriff des Bundesverfassungsgerichts in das Gesetzgebungsverfahren und somit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung liegen. Hiergegen läßt sich zwar einwenden, daß jede Normenkontrolle begrifflich ein Hinübergreifen der richterlichen Gewalt in die gesetzgeberische Sphäre darstellt. Trotzdem trifft es zu, daß eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die mit Gesetzeskraft die Unwirksamkeit von Recht feststellen würde, das die gesetzgebenden Körperschaften noch gar nicht beschlossen haben, die Stellung des Gerichts gegenüber der gesetzgebenden Gewalt bedenklich überbetonen würde.
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5. Die "vorbeugende Feststellung" der Unvereinbarkeit noch nicht bestehenden Rechts mit dem Grundgesetz widerspricht somit dem Wesen der Normenkontrolle, wie sie in Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG geordnet ist. Eine Normenkontrolle setzt bestehendes Bundesrecht voraus. Hierzu gehört ohne Zweifel das in Kraft befindliche Bundesrecht. Aber auch das verkündete, noch nicht in Kraft getretene Recht kann den Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens bilden, weil die Tätigkeit aller am Rechtsetzungsverfahren Beteiligten beendet ist. Bundesrecht in Form eines Bundesgesetzes besteht also, wenn das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen ist, also nach Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt.
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Für das Normenkontrollverfahren ist es ohne Bedeutung, ob das zu prüfende Gesetz materielle Rechtssätze enthält. Auch ein Gesetz, das keine Rechte oder Pflichten für den Staatsbürger begründet, ist der Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG zugänglich.
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V.
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Den Gegenstand des vorliegenden Normenkontrollverfahrens bilden Gesetze besonderer Art, nämlich solche im Sinne des Art. 59 Abs. 2 GG, durch welche die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes beim Zustandekommen völkerrechtlicher Verträge mitwirken, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen ("Vertrags-Gesetze"). Die oben entwickelten Grundsätze darüber, wann Bundesrecht im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG besteht, bedürfen für diese Gesetze einer Modifizierung.
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1. Das Vertrags-Gesetz hat einen doppelten Charakter. Es stellt sich zunächst als Beschluß der gesetzgebenden Körperschaften dar, der den Bundespräsidenten ermächtigt, den Vertrag für die Bundesrepublik endgültig abzuschließen. Es hat weiterhin aber auch die Bedeutung, dem Inhalt des völkerrechtlichen Vertrages die Geltung als innerstaatliches deutsches Recht zu verleihen (Transformation). Dies kommt besonders deutlich in der jetzt allgemein in den Vertrags-Gesetzen üblichen Vorschrift zum Ausdruck, wonach der Vertrag "mit Gesetzeskraft" veröffentlicht wird. Das Vertrags-Gesetz tritt üblicherweise am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Dagegen wird der Tag, an dem der Vertrag selbst - völkerrechtlich und innerstaatlich - gemäß seinen Bestimmungen in Kraft tritt, später durch den Bundesminister des Auswärtigen im Bundesgesetzblatt bekanntgegeben. Nach Inkrafttreten des Vertrags-Gesetzes ist der endgültige Abschluß des Vertrages durch den Bundespräsidenten (Ratifikation) möglich. Der Zeitpunkt, von dem an der Vertragsinhalt als innerstaatliches deutsches Recht gilt, liegt - bei mehrseitigen Verträgen - immer nach der deutschen Ratifikation und jedenfalls nicht vor Eintritt der völkerrechtlichen Wirksamkeit des Vertrages.
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2. Mit Rücksicht auf diese rechtlichen Besonderheiten ist es zweifelhaft, von welchem Zeitpunkt an Vertrags-Gesetze der Normenkontrolle zugänglich sind.
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a) Die Antragsteller halten die Auffassung der Bundesregierung, in diesen Fällen entstehe Bundesrecht mit der Verkündung des Vertrags- Gesetzes, für widerspruchsvoll; es entstehe vielmehr erst gleichzeitig mit dem Eintritt der völkerrechtlichen Verbindlichkeit des Vertrages, die ihrerseits nicht nur von der Ratifikation durch die Bundesrepublik, sondern auch von der Ratifikation durch die anderen beteiligten Staaten abhängig sei. Auf den Zeitpunkt des völkerrechtlichen (und damit des innerstaatlichen) Inkrafttretens des Vertrages kann es jedoch für die Zulässigkeit eines Normenkontrollverfahrens ebensowenig ankommen wie auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens eines gewöhnlichen Gesetzes. Noch weniger kann das Datum der Bekanntmachung des Bundesministers des Auswärtigen maßgebend sein, durch die entsprechend dem Vertrags-Gesetz mitgeteilt wird, an welchem Tag der Vertrag völkerrechtlich und damit sein Inhalt auch innerstaatlich in Kraft getreten ist.
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b) Auch der Zeitpunkt der Verkündung eines Vertrags-Gesetzes kann für die Zulässigkeit der Normenkontrolle nicht entscheidend sein. Im allgemeinen bildet bei Gesetzen die Verkündung den formalen Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens, nachdem ein für die materielle Geltung der Gesetzesnormen notwendiges Tätigwerden eines Verfassungsorgans nicht mehr in Betracht kommt. Soweit das Vertrags-Gesetz den Vertragsinhalt in innerstaatliches Recht transformiert, hat seine Verkündung die gleiche Bedeutung. Diese Funktion tritt bei Vertrags-Gesetzen aber zurück. Die Verkündung ist hier in erster Linie die notwendige Voraussetzung für den Akt, durch den das Wirksamwerden des Vertragsinhalts überhaupt erst herbeigeführt wird und auf den das Gesetzgebungsverfahren eigentlich hinzielt, nämlich die Ratifizierung. Das besondere dieses Vorgangs liegt darin, daß Verkündung des Vertrags-Gesetzes und Ratifizierung des Vertrages in der Hand desselben Verfassungsorgans, des Bundespräsidenten, liegen. Dies erfordert notwendig, daß der Bundespräsident die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der Ratifizierung bereits prüft, bevor er das Vertrags-Gesetz ausfertigt und verkündet. Denn hierdurch bekundet der Bundespräsident, daß er an dem verfassungsmäßigen Zustandekommen des Gesetzes keine Zweifel habe. Er kann daher sinnvollerweise nach der Verkündung die Ratifizierung nicht bis zur Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht hinausschieben, da er dadurch zu erkennen geben würde, daß dennoch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bestehen.
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Dagegen läßt sich nicht einwenden, daß das Normenkontrollverfahren noch nach der Ratifizierung durch die Bundesrepublik einsetzen könne. Die Ratifizierung, also die Hinterlegung der vom Bundespräsidenten ausgefertigten Ratifikationsurkunde, stellt die für die Bundesrepublik in der Regel bindende vertragliche Willenserklärung dar. Nach dem derzeitigen Stand des Völkerrechts kann die Möglichkeit nicht völlig ausgeschlossen werden, daß diese völkerrechtliche Bindung auch dann eintritt, wenn die Ratifikation unter Verletzung innerstaatlicher Verfassungsvorschriften zustande gekommen ist. Darüber, ob eine völkerrechtliche Bindung eingetreten ist, könnte kein deutsches Gericht, also auch nicht das Bundesverfassungsgericht, mit völkerrechtlicher Wirkung entscheiden. Es muß daher damit gerechnet werden, daß die Vertragspartner sich auf die völkerrechtliche Bindung berufen und damit vor einem etwa zuständigen internationalen Gericht obsiegen würden.
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Hielte man die Normenkontrolle erst von der Ratifikation ab für zulässig und würde die Entscheidung ergeben, daß Verfassungsvorschriften verletzt worden sind, so bestünde die Gefahr, daß die Bundesrepublik völkerrechtliche Verpflichtungen nur unter Verletzung ihrer Verfassung erfüllen könnte. Die Folgen könnten weitere völkerrechtliche oder verfassungsrechtliche Konflikte sein, so daß die Normenkontrolle ihren Zweck verfehlen würde, durch Klärung der verfassungsrechtlichen Lage dem Rechtsfrieden zu dienen.
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3. Hieraus ergibt sich, daß bei Vertrags-Gesetzen die Normenkontrolle schon vor der Verkündung zugelassen werden muß. Sie darf jedoch nicht einsetzen, bevor der für das Zustandekommen des Gesetzes entscheidende Vorgang, nämlich die Bekundung des Gesamtwillens der beiden gesetzgebenden Körperschaften, eingetreten ist. Es muß also der Bundestag das Gesetz verabschiedet haben, und die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates müssen gewahrt, das Gesetzgebungsverfahren (einschließlich eines etwaigen Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 bis 4 GG) in dem Sinne abgeschlossen sein, daß das Gesetz nur noch der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und der Verkündung bedarf.
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Hierbei kann das Recht des Bundespräsidenten, das verfassungsmäßige Zustandekommen von Gesetzen zu prüfen (Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG) außer Betracht bleiben. Dieses Prüfungsrecht ist einmal gegenüber der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht nur vorläufig; zum andern ist die Verkündung eines Ver trags-Gesetzes - wie bereits ausgeführt - nicht so sehr formaler Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens als notwendige Voraussetzung für den Akt, durch den der Bundespräsident als Träger der auswärtigen Gewalt die Bundesrepublik völkerrechtlich verpflichtet. Es ist daher erforderlich, daß die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Vertrags-Gesetzes durch das endgültig dazu berufene Bundesverfassungsgericht, dessen Entscheidung hier Gesetzeskraft hat, schon stattfinden kann, bevor der Bundespräsident mit der Verkündung des Gesetzes den Weg betritt, der ihn zur Ratifizierung führen muß.
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C.
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Aus diesen Gründen ist der Antrag im gegenwärtigen Zeitpunkt unzulässig, da die gesetzgebenden Körperschaften ihre Beratungen noch nicht abgeschlossen haben.
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Die Antragsteller haben nun vorgetragen, daß, auch wenn das Gericht eine Sachentscheidung zur Zeit nicht für zulässig halte, der Antrag nicht abgewiesen werden dürfe, sondern das Verfahren wegen seines Offizialcharakters ausgesetzt werden müsse.
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Es ist zwar zutreffend, daß Gegenstand des Normenkontrollverfahrens nicht der Antrag, sondern die Frage der Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit dem Grundgesetz ist. Ist durch einen solchen Antrag das Verfahren in Gang gesetzt, so ist es in der Tat in seinem weiteren Verlauf der Verfügung des Antragstellers entzogen, so daß für die Gestaltung und Durchführung des Verfahrens nicht die Anträge und Anregungen des Antragstellers, sondern ausschließlich Gesichtspunkte des öffentlichen Interesses maßgebend sind. Hieraus folgt z. B., daß die Zurücknahme eines zulässigen Antrages auf Durchführung eines Normenkontrollverfahrens nicht notwendigerweise zur Einstellung des Verfahrens führen müßte.
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Dieser Offizialcharakter des Normenkontrollverfahrens kann aber nicht dazu führen, daß ein Verfahren auf einen zur Zeit der Entscheidungsreife noch nicht zulässigen Antrag bis zum Eintritt seiner Zulässigkeit anhängig gehalten wird, ohne daß zwingende Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern. Solche Gründe sind hier nicht erkennbar.
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Die Entscheidung hat daher auszusprechen, daß der Antrag unzulässig ist.
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