2. Verjährungsvorschriften regeln, wie lange eine für strafbar erklärte Tat verfolgt werden soll. Sie lassen die Strafbarkeit der Tat unberührt. Verjährungsvorschriften unterliegen daher nicht dem Rückwirkungsverbot des Art.103 Abs. 2 GG.
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3. Die Verlängerung oder Aufhebung noch nicht abgelaufener Verjährungsfristen verstößt jedenfalls bei Verbrechen, die mit lebenslangem Zuchthaus bedroht sind, weder gegen das Rechtsstaatsprinzip noch gegen den Gleichheitssatz.
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Beschluß | |
des Zweiten Senats vom 26. Februar 1969
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-- 2 BvL 15, 23/68 -- | |
in den Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 13.April 1965 (BGBl. I S. 315), - 1. Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Landgerichts Tübingen vom 23. Juli 1968 (Ks 1/68) - 2 BvL 15/68 -, 2. Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Landgerichts/Schwurgerichts Kiel vom 30. August 1968 (III 116/68 - 2 Ks 1/68) - 2 BvL 23/68 -.
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Entscheidungsformel:
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§ 1 Absatz 1 des Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 13. April 1965 (Bundesgesetzbl. I S. 315) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
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Gründe: | |
A. -- I. | |
Das Gesetz über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 13. April 1965 (BGBl. I S. 315 - im folgenden: Berechnungsgesetz) lautet:
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"§ 1 Ruhen der Verfolgungsverjährung
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(1) Bei der Berechnung der Verjährungsfrist für die Verfolgung von Verbrechen, die mit lebenslangem Zuchthaus bedroht sind, bleibt die Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1949 außer Ansatz. In dieser Zeit hat die Verjährung der Verfolgung dieser Verbrechen geruht.
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(2) Absatz 1 gilt nicht für Taten, deren Verfolgung beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits verjährt ist.
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§ 2 Anpassung des Ersten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts
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Soweit die Verjährung der Strafverfolgung nach § 1 ruht, findet § 5 Abs. 1 des Ersten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts vom 30. Mai 1956 (Bundesgesetzbl. I S. 437) keine Anwendung.
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§ 3 Land Berlin
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Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin.
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§ 4 Inkrafttreten
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Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft."
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Das Gesetz ist am 21. April 1965 verkündet worden.
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Die den Beschuldigten vorgeworfenen Verbrechen der Beihilfe zum Mord sind nach Auffassung der vorlegenden Gerichte bereits verjährt, wenn nicht § 1 Abs. 1 des Berechnungsgesetzes eingreift.
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1. a) In der Strafsache gegen Paul H... wegen Beihilfe zum Mord - Landgericht Tübingen (Ks 1/68) - hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart am 30. Januar 1968 gegen Paul H... (und zwei weitere Angeschuldigte) Anklage wegen drei Verbrechen der Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord an 132 Menschen, an 135 Menschen und an mindestens 30 Menschen (§§ 211, 47, 49, 73, 74 StGB) erhoben. Der Angeschuldigte H... war 1941 Leutnant der Schutzpolizei der Reserve; er führte einen Zug beim Einsatzkommando 6. Die Anklage wirft ihm vor, er habe im Juni/Juli 1941 in der Sowjetunion an der Erschießung jüdischer Bürger mitgewirkt. Die Opfer seien von Hitler, Himmler und Heydrich aus niedrigen Beweggründen (Rassenhaß) getötet worden. H... habe Beihilfe geleistet; es könne nicht festgestellt werden, daß er aus eigener Initiative gehandelt oder sich die Erschießungen sonst zu eigen gemacht habe.
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Das Hauptverfahren gegen H... ist noch nicht eröffnet. Durch Beschluß vom 25. Juni 1968 hat die Strafkammer das Verfahren gegen diesen Angeschuldigten abgetrennt und durch Beschluß vom 23. Juli 1968 - ergänzt durch Beschluß vom 27. September 1968 - ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Frage einzuholen,
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ob § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 13. April 1965 (BGBl. I S.315) mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar ist.
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b) Die Strafkammer begründet den Vorlagebeschluß wie folgt:
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Der Angeschuldigte H... sei der ihm zur Last gelegten Verbrechen hinreichend verdächtig. Die Verjährungsfrist betrage gemäß § 67 StGB 20 Jahre. Der Lauf der Frist sei gemäß § 69 StGB bis zum 8. Mai 1945 gehemmt gewesen. Die Verjährungsfrist sei innerhalb der Zeit vom 9. Mai 1945 bis 8. Mai 1965 nicht, sondern erstmals durch die Eröffnung der gerichtlichen Voruntersuchung am 9. Februar 1967 unterbrochen worden. Das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten könne deshalb nur dann eröffnet werden, wenn § 1 I des Berechnungsgesetzes gelte und demgemäß bei Berechnung der Verjährungsfrist die Zeit vom 8. Mai 1945 bis 31. Dezember 1949 außer Ansatz bleibe.
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Nach Überzeugung der Strafkammer ist § 1 I des Berechnungsgesetzes mit Art. 103 II GG unvereinbar. Die Vorschrift enthalte eine Fiktion. In Wirklichkeit seien die deutschen Gerichte schon seit 1945 wieder weitgehend funktionsfähig gewesen und hätten in der Zeit bis zum 31. Dezember 1949 weitaus die meisten der bisher gesühnten nationalsozialistischen Verbrechen abgeurteilt. Soweit damals das Besatzungsrecht die deutsche Gerichtsbarkeit beschränkt habe, seien Besatzungsgerichte treuhänderisch tätig geworden.
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Art. 103 Abs. 2 GG verbiete die rückwirkende Schaffung neuer Straftatbestände und rückwirkende Strafverschärfungen. Unvereinbar mit der Norm sei auch eine rückwirkende Ausdehnung der staatlichen Strafgewalt durch eine Änderung der Zeitgrenze, die nach § 67 StGB für die Strafbarkeit eines Verhaltens von Bedeutung sei. Bei den Verjährungsvorschriften des Strafgesetzbuchs handle es sich nicht um Verfahrensbestimmungen, die lediglich die Verfolgbarkeit der Taten regelten, sondern auch um Normen mit materiellem Gehalt, die besagten, daß eine Tat nach Ablauf einer gewissen Zeit nicht mehr strafbar sein solle.
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In einem ergänzenden Beschluß vertritt das vorlegende Gericht die Auffassung, daß die mit der Vorlage gestellte Frage durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 18. September 1952 (BVerfGE 1, 418 [423]) nicht entschieden sei, weil das hessische Ahndungsgesetz, das Gegenstand dieser Entscheidung war, nur eine deklaratorische Feststellung einer ohnehin aus § 69 StGB sich ergebenden Rechtslage enthalte.
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2. a) In der Strafsache gegen Heinz Joachim S... wegen Beihilfe zum Mord - Schwurgericht Kiel (2 Ks l/68) - hat die Staatsanwaltschaft Kiel am 11. August 1967 gegen Heinz Joachim S... (und zwei weitere Angeschuldigte) Anklage wegen eines Verbrechens der Beihilfe zum Mord an mindestens 2550 Menschen (§§ 211, 49 StGB) erhoben. Der Angeklagte war im Jahre 1942 als Kraftfahrer im Rang eines SS-Hauptscharführers bei dem Einsatzkommando 8 eingesetzt. Die Anklage wirft ihm vor, er habe auf Befehl mit dem ihm zugeteilten Gaswagen in der Zeit von Mitte Juni bis Mitte September 1942 mitgewirkt, bei Mogilew (Sowjetunion) mindestens 2500 russische Juden und in Minsk mindestens 50 aus dem Reich stammende Juden unmenschlich zu ermorden. Die Opfer seien von Hitler, Himmler und anderen aus niedrigen Beweggründen, grausam und zum Teil heimtückisch getötet worden. Der Angeklagte habe sich dem Willen der Haupttäter widerstrebend unterworfen.
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Das Hauptverfahren ist durch Beschluß der Strafkammer in Kiel vom 17. Januar 1968 eröffnet worden. Die Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht in Kiel begann am 26. August 1968. Der Angeklagte ist zur Person vernommen, die Anklage ist verlesen. Durch Beschluß vom 30. August 1968 hat das Schwurgericht das Verfahren gegen S... abgetrennt und ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen,
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ob das Gesetz über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 13.April 1965 (BGBl. I S. 315) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
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b) Das Schwurgericht begründet den Vorlagebeschluß wie folgt:
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Die Frage der Vereinbarkeit des Berechnungsgesetzes mit dem Grundgesetz sei für die Entscheidung des Gerichts erheblich.
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Der Lauf der Verjährungsfrist habe jedenfalls am 9. Mai 1945 begonnen und ende, wenn nicht das Berechnungsgesetz eingreife, am 8.Mai 1965. Die erste richterliche Unterbrechungshandlung gegenüber S... sei am 12. Oktober 1965 vorgenommen worden, als die Voruntersuchung eröffnet und S... zu seiner verantwortlichen Vernehmung vor den Untersuchungsrichter geladen worden sei. Nach dem 8. Mai 1945 habe die Strafverfolgung nicht mehr geruht. In Schleswig-Holstein seien die Amts- und Landgerichte noch vor dem 12. Oktober 1945 wieder eröffnet worden und hätten mit der Strafverfolgung beginnen können. Soweit das Besatzungsrecht die Zuständigkeit der deutschen Gerichte beschränkt habe, seien die Gerichte der Besatzungsmächte zuständig gewesen.
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Mit Art. 103 Abs. 2 GG sei es nicht zu vereinbaren, daß die für die Verfolgung einer Straftat geltende Verjährungsfrist nach der Tat durch einfaches Gesetz verlängert werde. Das Berechnungsgesetz habe eine echte Verlängerung der Verjährungsfrist zur Folge. Die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs über die Verjährung seien keine rein verfahrensrechtlichen Vorschriften, sondern hätten auch materiell-rechtlichen Gehalt, soweit sie besagten, daß nach Ablauf einer bestimmten Zeit eine Tat nicht mehr strafbar sein solle. Die Strafbarkeit setze voraus, daß die Tat unverjährt sei. Die Vorschriften über die Verjährung seien nicht nur erlassen, weil nach längerer Zeit die Aufklärung von Verbrechen schwieriger und fehlerhaft werden könne, sondern auch, weil das Verlangen der Rechtsgemeinschaft nach Bestrafung in vielen Fällen nach längerem Zeitablauf abklinge und das Sühnebedürfnis geringer werde. Auch daß der Täter nach Ablauf sehr vieler Jahre nicht mehr der gleiche Mensch sei wie zur Zeit der Tat, lasse sich, wenn auch nicht stets, als Grund dafür anführen, daß man eines Tages schließlich geneigt sei, ihn wegen seiner Tat nicht mehr zu bestrafen. Durch das Rückwirkungsverbot werde der Gesetzgeber gehindert, seine Gesetze unter dem Druck geschehener Taten aufzustellen oder sie auf diese zuzuschneiden. Eine Ausdehnung der Verjährungsfrist nach der Tat bedeute eine Vermehrung der staatlichen Strafgewalt, die Art. 103 II GG ausschließe. Dabei dürfe nicht außer acht bleiben, daß die Verjährung auch eine Schutzvorkehrung gegen Justizirrtum sei.
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III.
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Zu den Vorlagen, die zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden sind, haben sich der Bundesminister der Justiz für die Bundesregierung, der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg und die Beschuldigten H... und S... geäußert.
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1. Der Bundesminister der Justiz und der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg halten die Bedenken der vorlegenden Gerichte gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 1 I des Berechnungsgesetzes für unbegründet.
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2. Der Beschuldigte Paul H... ist der Auffassung, der staatliche Strafanspruch entstehe nur in der zeitlichen Begrenzung durch die Verjährungsfrist. Das Sühnebedürfnis der Allgemeinheit vermindere sich im Lauf der Zeit und erlösche schließlich. Die verschiedene Länge der Verjährungsfristen mache dies deutlich. Wer für eine lange zurückliegende Tat abgeurteilt werde, werde nicht mehr abgeschreckt, sondern empfinde Verbitterung. Die zeitliche Beschränkung des staatlichen Strafanspruchs entspreche einer allgemeinen Rechtsüberzeugung des Volkes. Der Mensch erfahre mit der Zeit und durch sie Veränderungen. Das gelte für den Einzelnen und für die Allgemeinheit. Aus dieser Erwägung entspreche es einem humanen Verständnis, daß der Strafanspruch des Staates von vornherein befristet sei.
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3. Der Beschuldigte S... trägt vor, die Feststellung des Berechnungsgesetzes, daß die Strafverfolgung in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis 31. Dezember 1949 geruht habe, widerspreche der wirklichen Sachlage. Die rückwirkende strafrechtliche Schlechterstellung, die dieses bewirke, sei mit dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit unvereinbar. Es sei Sache des Gesetzgebers, für das erhöhte Sühnebedürfnis der ungeheuerlichen Gewaltverbrechen einen verfassungsrechtlich zulässigen Weg zu finden.
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Die Vorlagen sind zulässig.
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1. a) Die Strafkammer des Landgerichts in Tübingen steht vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens. Sie muß sich dabei über die Gültigkeit der in Betracht kommenden Strafnormen schlüssig werden (BVerfGE 4, 352 [355]). Bei ihrer Entscheidung kommt es darauf an, ob § 1 I des Berechnungsgesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Strafkammer geht davon aus, daß die Verjährung zwar bis zum 8. Mai 1945 gehemmt war, jedoch seit dem 9. Mai 1945 nicht mehr, weil die deutschen Gerichte ihre Tätigkeit bald nach dem Zusammenbruch wieder aufnahmen und, soweit ihre Gerichtsbarkeit besatzungsrechtlich eingeschränkt war, statt ihrer die Gerichte der Besatzungsmächte treuhänderisch tätig wurden. Die zwanzigjährige Verjährungsfrist (§§ 67 I, 211, 49 II StGB n.F., § 4 GewaltverbrecherVO) wäre deshalb am 8. Mai 1965 abgelaufen. Nach den Feststellungen der Strafkammer ist die erste zur Unterbrechung der Verjährung geeignete richterliche Handlung am 9. Februar 1967 vorgenommen worden. Die Strafkammer, die die weiteren Voraussetzungen der Eröffnung des Hauptverfahrens für gegeben hält, kann diese Entscheidung also nur dann fällen, wenn bei Berechnung der Verjährungsfrist § 1 I 1 des Berechnungsgesetzes eingreift. Andernfalls muß sie den Angeschuldigten außer Verfolgung setzen.
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b) Das Schwurgericht in Kiel hat die Vorlage in der Hauptverhandlung beschlossen, nachdem der Angeklagte zur Person vernommen und die Anklage verlesen worden war. Da die Vernehmung des Angeklagten zur Sache, die Beweisaufnahme und die Schlußvorträge noch ausstehen, hat sich das Schwurgericht eine Uberzeugung von Schuld oder Unschuld des Angeklagten noch nicht bilden können. Das steht der Zulässigkeit der Vorlage jedoch nicht entgegen. Ein Gericht muß, bevor es eine Vorlage beschließt, den Sachverhalt soweit aufklären, daß die Entscheidungserheblichkeit der zu prüfenden Vorschrift feststeht (BVerfGE 11, 330 [336]; 15, 211 [213]; 17, 135 [138]; 18, 186 [192]). Hier ist aber das Schwurgericht an einer Entscheidung in der Sache gehindert; denn es muß das Verfahren unverzüglich einstellen (§ 260 III StPO), wenn die Verfolgung der dem Angeklagten zur Last gelegten Taten bereits verjährt ist.
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Auch das Schwurgericht geht davon aus, daß die Verjährung nach dem 8. Mai 1945 nicht mehr auf Grund von § 69 I 1 StGB geruht habe, weil die Amts- und Landgerichte in Schleswig-Holstein in den ersten drei Monaten nach dem Zusammenbruch wieder eröffnet worden sind, und, soweit ihre Gerichtsbarkeit besatzungsrechtlich beschränkt war, an ihrer Stelle die Gerichte der Besatzungsmächte tätig geworden sind. Die zwanzigjährige Verjährungsfrist (§§ 67 I, 211, 49 II StGB n.F., § 4 GewaltverbrecherVO) wäre deshalb am 8. Mai 1965 abgelaufen. Nach den Feststellungen des Schwurgerichts ist die erste zur Unterbrechung der Verjährung geeignete richterliche Handlung am 12. Oktober 1965 vorgenommen worden.
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Das Schwurgericht in Kiel stellt durch den Vorlagebeschluß alle Bestimmungen des Berechnungsgesetzes zur Nachprüfung. Für seine Entscheidung kommt es jedoch nur auf die Gültigkeit von § 1 I des Berechnungsgesetzes an. Nur diese Vorschrift ist deshalb auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu prüfen (BVerfGE 5, 71 [75]; 18, 52 [58]).
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2. Der Zulässigkeit beider Vorlagen steht nicht entgegen, daß die vorlegenden Gerichte nicht auf die Frage eingegangen sind, ob wegen § 2 II 2 StGB die Verjährungsfristen nicht statt nach § 1 des Berechnungsgesetzes nach § 5 I des Ersten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts vom 30. Mai 1956 (BGBl. I S. 437) als dem mildesten Zwischengesetz zu berechnen sind. Sie nehmen offenbar an, daß § 2 des Berechnungsgesetzes dem § 2 II 2 StGB vorgeht und § 5 I des Ersten Aufhebungsgesetzes außer Anwendung gesetzt hat. Diese Auffassung ist jedenfalls vertretbar und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil § 2 II 2 StGB - sollte er sich auf Verjährungsregelungen beziehen - jedenfalls insoweit weder durch Art. 103 II GG noch durch das Rechtsstaatsprinzip garantiert ist.
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3. Aus der Neufassung von § 50 II StGB durch Art. 1 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Ordnungswidrigkeitengesetz vom 24. Mai 1968 (BGBl. I S. 503), die nach Eingang der Vorlagen am 1. Oktober 1968 in Kraft getreten ist, ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vorlagen. Die Anklagen gehen davon aus, daß die Haupttäter mit Überlegung und aus niedrigen Beweggründen getötet haben, die Gehilfen aber weder aus eigener Initiative gehandelt noch sich die Tötungen zu eigen gemacht hätten und deshalb nur der Beihilfe zum Mord verdächtig seien. Ob ein solcher Sachverhalt eine Privilegierung der Gehilfen nach § 50 II StGB n.F. rechtfertigt und welche Folgerungen daraus für die Bemessung der gesetzlichen Verjährungsfristen zu ziehen sind, muß von den Strafgerichten selbst entschieden werden. Ausrottungsmaßnahmen, wie sie in den Ausgangsverfahren den Gegenstand der Untersuchung bilden, können nicht nur durch die niedrigen Beweggründe der Täter, sondern auch durch die heimtückische oder grausame Begehungsweise als Mord qualifiziert sein, womit jedenfalls eine Privilegierung der Gehilfen nach § 50 II StGB n.F. entfällt. Wenn dagegen das Berechnungsgestz mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, müßten die Beschuldigten ohne weitere Feststellungen außer Verfolgung gesetzt werden oder es müßte das Verfahren eingestellt werden.
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Das Berechnungsgesetz ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
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I.
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Das Gesetz bestimmt in § 1 I, daß bei der Berechnung der Verjährungsfrist für die Verfolgung von Verbrechen, die mit lebenslangem Zuchthaus bedroht sind, die Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1949 außer Ansatz bleibt. Nach § 1 I 2 des Gesetzes soll in dieser Zeit die Verjährung der Verfolgung dieser Verbrechen geruht haben. Das Gesetz ergreift insbesondere alle Verbrechen des Mordes, die vor dem 1. Januar 1950 begangen worden sind, gleichviel, ob sie einen politischen Hintergrund hatten oder nicht.
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Nach seinem Wortlaut stellt das Gesetz fest, daß die Verjährung dieser Verbrechen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum geruht habe. § 69 I 1 StGB bestimmt, daß die Verjährung während der Zeit ruht, in welcher auf Grund gesetzlicher Vorschrift die Strafverfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann. Konnte also in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis 31. Dezember 1949 auf Grund einer damals geltenden gesetzlichen Vorschrift die Strafverfolgung der im Berechnungsgesetz erwähnten Verbrechen nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden, so verstieße das Gesetz schon deshalb nicht gegen das Grundgesetz, weil es dann für die Zeit vom 8. Mai 1945 bis 31. Dezember 1949 lediglich den Rechtszustand feststellte, der sich schon aus der Anwendung des § 69 I 1 StGB ergibt.
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a) Beim Einmarsch der alliierten Truppen in Deutschland wurden auf Grund von Art. III der Proklamation Nr. 1 des Alliierten Oberbefehlshabers (ABlAmMilReg. A S. 1) alle deutschen Gerichte geschlossen. Die Rechtspflege stand still. Erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1945 nahmen die Gerichte zu örtlich verschiedenen Zeitpunkten ihre Tätigkeit wieder auf.
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Vgl. hierzu den mündlichen Bericht des damaligen Bundesjustizministers Schäffer in der 104. Sitzung des Rechtsausschusses des 3. Deutschen Bundestages vom 11. Mai 1960, Kurzprotokoll S. 27.
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b) Die Wiedereröffnung der Gerichte wurde durch das Kontrollratsgesetz Nr. 4 vom 30. Oktober 1945 über die Umgestaltung des deutschen Gerichtswesens (ABlKR S. 26) und das Gesetz Nr. 2 der amerikanischen Militärregierung (ABlAmMilReg. A S. 7) legalisiert. Die Zuständigkeiten der deutschen Gerichte wurden jedoch durch Art. III des Kontrollratsgesetzes Nr. 4 eingeschränkt. Insbesondere durften deutsche Gerichte ohne besondere Ermächtigung keine strafbaren Handlungen aburteilen, die von Nationalsozialisten oder anderen Personen gegen Staatsangehörige alliierter Nationen oder deren Verbündeter begangen worden waren.
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Für die Aburteilung der Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes beanspruchten die Alliierten zunächst die ausschließliche Gerichtsbarkeit. Durch Art. II Nr. 1 a, b, c des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 vom 20. Dezember 1945 (ABlKR S. 50) waren Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Strafe gestellt worden. Art. III Nr. 1 d Satz 1 desselben Gesetzes gab den Besatzungsbehörden das Recht, die unter Anklage gestellten Personen zur Verhandlung vor ein dafür geeignetes Gericht zu bringen. Jedoch konnten die Besatzungsbehörden für die Aburteilung von Verbrechen, die deutsche Staatsangehörige gegen andere deutsche Staatsangehörige oder Staatenlose begangen hatten, deutsche Gerichte für zuständig erklären.
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In der amerikanischen Zone wurde diese Ermächtigung von Fall zu Fall erteilt.
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Bericht des Bundesministers der Justiz vom 26. Februar 1965, BTDrucks. IV/3124 S. 16.
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In der britischen und in der französischen Zone ergingen generelle Ermächtigungen.
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Art. I Nr. 1 der VO Nr.47 der britischen Militärregierung (ABIBritMilReg. S. 306), in Kraft getreten am 30. August 1946; Art. 2 Nr. 5 der VO Nr. 173 des französischen Oberkommandierenden in Deutschland (JournOff. S. 1684), in Kraft seit 23. September 1948.
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c) Durch Art. 14, 15 des Gesetzes Nr. 13 der Alliierten Hohen Kommission vom 25. November 1949 (ABlAHK S. 54) wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1950 das Kontrollratsgesetz Nr. 4 außer Anwendung gesetzt. Die Vorschriften, die die Zuständigkeit der deutschen Gerichte in Strafsachen beschränkten, wurden bis auf einige Reservatrechte der Besatzungsmächte aufgehoben.
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d) Im Zuge der schrittweisen Wiederherstellung der deutschen Souveränität wurde auch die Berechnung von Fristen für den Zeitraum geregelt, während dessen die Zuständigkeit der deutschen Gerichte durch Rechtsvorschriften der Besatzungsmächte beschränkt war. Art. 10 AHKG Nr. 13 vom 25. November 1949 (ABlAHK S.54) in Verbindung mit Art. 2 AHKG Nr. 28 vom 31. Mai 1950 (ABlAHK S. 391) bestimmte, daß dieser Zeitraum in die gesetzlich bestimmten Fristen nicht eingerechnet werde, es sei denn, daß während dieses Zeitraums ein Besatzungsgericht für eine solche Sache zuständig war.
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Nach § 5 I des Ersten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts vom 30. Mai 1956 (BGBl. I S. 437) sollten Fristen - auch die Verjährungsfrist für die Strafverfolgung -, deren Ablauf auf Grund von Vorschriften oder infolge von Maßnahmen der Besatzungsbehörden gehemmt worden und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes (1. Juni 1956) noch nicht eingetreten war, in dem Zeitpunkt ablaufen, in dem der Ablauf ohne diese Hemmung eintreten würde, jedoch nicht vor dem Ende des Jahres 1956.
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2. Aus dem Vorstehenden ergibt sich folgendes:
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a) Die Verfolgung von Morden ohne politischen Hintergrund unterlag nach dem 8. Mai 1945 einer Beschränkung nur für wenige Monate, in denen die deutschen Gerichte auf Grund der Proklamation Nr. 1 des Alliierten Oberbefehlshabers geschlossen waren. Die Voraussetzungen des § 69 I 1 StGB waren also allenfalls für einen kurzen Zeitraum nach dem 8. Mai 1945 erfüllt.
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b) Für die Ahndung von Morden aus politischen Gründen aus der Zeit des nationalsozialistischen Regimes, begangen an Deutschen und an Staatenlosen, waren zunächst die Besatzungsgerichte zuständig. Da jedoch die Besatzungsbehörden für die Aburteilung solcher Taten deutsche Gerichte für zuständig erklären konnten, hatten deutsche Staatsanwaltschaften und Gerichte spätestens seit Erlaß des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 vom 20. Dezember 1945 die Möglichkeit, um Einzelgenehmigungen für die Übernahme der Strafverfolgung in solchen Fällen nachzusuchen. Damit konnte die Verjährung durch richterliche Handlung unterbrochen werden. Zahlreiche derartige Verfahren sind vor deutschen Gerichten durchgeführt worden. Die in den Jahren 1946 bis 1948 in den deutschen Ländern erlassenen Rechtsvorschriften über die Ahndung nationalsozialistischer Straftaten zeigen, daß der Wille und die Möglichkeit vorhanden waren, diese Straftaten zu verfolgen.
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Auch bei politischen Morden an Deutschen und Staatenlosen war daher die Strafverfolgung durch deutsche Gerichte jedenfalls seit Beginn des Jahres 1946 möglich, so daß auch hier allenfalls bis zu dem genannten Zeitpunkt die Verjährung im Sinne von § 69 I 1 StGB geruht haben kann.
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c) Die Aburteilung von Morden aus politischen Gründen aus der Zeit des nationalsozialistischen Regimes, begangen an Staatsangehörigen der Alliierten und ihrer Verbündeten, war bis zum 1. Januar 1950 den Gerichten der Besatzungsmächte vorbehalten. Obwohl aber in diesen Fällen ein Tätigsverden deutscher Gerichte rechtlich nicht möglich war, hat die Verjährung auch in diesen Fällen in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1949 nicht geruht.
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Die Ahndung dieser Verbrechen durch die Gerichte der Besatzungsmächte war Strafverfolgung im Sinne von § 69 I 1 StGB.
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aa) Zwar waren die deutschen Gerichte durch die für sie verbindlichen Vorschriften des Besatzungsrechts an der Strafverfolgung dieser Taten gehindert, obwohl die Taten auch nach damaligem deutschem Strafrecht mit der Höchststrafe bedroht waren. Jedoch sind diese Straftaten während der Beschränkung der deutschen Gerichtsbarkeit treuhänderisch für die deutschen Gerichte von den Besatzungsgerichten tatsächlich verfolgt und abgeurteilt worden.
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bb) § 69 I 1 StGB beruht bei richtigem Verständnis auf dem Gedanken, daß bei Berechnung der Verjährungsfrist der Zeitraum nicht eingerechnet werden darf, während dessen das Gesetz selbst den Täter vor Strafverfolgung schützt.
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Durch deutsche Gesetze war die Strafverfolgung in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1949 nicht behindert. Es war den deutschen Gerichten jedoch auf Grund besatzungsrechtlicher Vorschriften, die im Inland verbindlich galten, unmöglich, die Strafverfolgung dieser Taten zu beginnen oder fortzusetzen. Sinn und Zweck dieser besatzungsrechtlichen Vorschriften war es nicht, die Täter vor Strafverfolgung zu schützen. Sie sollten im Gegenteil durch Zuweisung dieser Strafsachen an die Gerichte der Besatzungsmächte sicherstellen, daß eine Strafverfolgung im Inland möglichst umfassend und wirkungsvoll durchgeführt wurde. Die Gewähr dafür sollten die Gerichte der Alliierten mit ihren weitreichenden tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten der Strafverfolgung bieten.
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cc) Der Bundesgerichtshof (BGHSt 1, 84 [90]) stellt im Anschluß an das Reichsgericht (RGSt 40, 402) darauf ab, ob die Gerichte, welche die Strafverfolgung tatsächlich betrieben haben, auf deutschem Gerichtsverfassungsrecht beruhten oder nicht. Er führt aus, ebenso wie ein im ausländischen Recht begründetes Hindernis die Anwendung des § 69 StGB nicht zu rechtfertigen vermöge, könne umgekehrt der Grundsatz des § 69 StGB nicht dadurch aufgehoben werden, daß Gerichte, die nicht auf den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes beruhten, strafbare Handlungen ungehindert verfolgen konnten, wenn von § 69 StGB vorausgesetzte Gerichte durch für sie verbindliche Rechtsvorschriften daran gehindert gewesen seien.
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Diese Auffassung wird der besonderen staatsrechtlichen Situation Deutschlands nach dem 8. Mai 1945 nicht gerecht und verfehlt den richtig verstandenen Sinn des § 69 I StGB wie er oben dargelegt wurde.
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dd) Daß die Strafverfolgung durch die Besatzungsgerichte einer Strafverfolgung durch deutsche Gerichte im Sinne von § 69 I StGB gleichsteht, ergibt sich auch aus der Vorschrift des Art. 10 AHKG Nr. 13 in der Fassung von Art. 2 AHKG Nr. 28. Danach trat während der Beschränkung der deutschen Gerichtsbarkeit eine Fristhemmung dann nicht ein, wenn für die Sache statt eines deutschen Gerichtes ein Besatzungsgericht zuständig war.
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Durch Art. 7 I Teil I des Vertrags zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen vom 30. März 1955 (BGBl. II S. 405 - Art. 7 I ÜbV Teil I) hat sich die Bundesrepublik den drei Mächten gegenüber verpflichtet, die von den Besatzungsgerichten gefällten Urteile als rechtskräftig und rechtswirksam anzuerkennen.
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Schließlich folgt auch aus § 5 I des Ersten Aufhebungsgesetzes (siehe oben 1.d), soweit er strafrechtliche Fristen regelt, daß die Strafverfolgung durch die Besatzungsgerichte hinsichtlich der Anwendung des § 69 I StGB der Strafverfolgung durch deutsche Gerichte gleichwertig ist.
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3. Hat die Verjährung der Strafverfolgung der in § 1 I des Berechnungsgesetzes bezeichneten Straftaten in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1949 nicht gemäß § 69 I 1 StGB geruht, so stellt das Berechnungsgesetz nicht lediglich einen sich bereits aus Anwendung des § 69 StGB ergebenden Rechtszustand fest.
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a) Der Gesetzgeber wollte verhindern, daß Mordverbrechen aus der Zeit des nationalsozialistischen Regimes und aus der Nachkriegszeit vor Ablauf des 31. Dezember 1969 verjähren.
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Um dies zu erreichen, hat er nicht die Frist des § 67 StGB ausdrücklich verlängert. Er hat vielmehr durch § 1 I 1 des Berechnungsgesetzes die Gerichte angewiesen, bei Berechnung der Verjährungsfrist die Zeit vom 8. Mai 1945 bis 31. Dezember 1949 außer Ansatz zu lassen. Damit hat er, wie sich aus richtigem Verständnis des Zusammenhangs der Sätze 1 und 2 des § 1 I des Gesetzes ergibt, eine selbständige, neue Hemmung des Laufes dieser Fristen normiert. Diese Fristhemmung geht über die in § 69 I StGB geregelte hinaus und tritt ergänzend neben sie.
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b) Für dieses Verständnis des § 1 I des Berechnungsgesetzes spricht auch § 1 II dieses Gestzes. Dort ist bestimmt, daß Abs. I nicht für Taten gilt, deren Verfolgung beim Inkrafttreten des Gesetzes (22. April 1965) bereits verjährt war. Dieser Absatz hat nur dann einen Sinn, wenn der Gesetzgeber davon ausging, daß während der Zeit vom 8. Mai 1945 bis 31. Dezember 1949 der Lauf der Verjährungsfristen nicht bereits auf Grund der Bestimmungen des Strafgesetzbuches geruht hat.
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c) Es ergibt sich: § 1 I des Berechnungsgesetzes schiebt den Ablauf der Verjährungsfristen für die von dem Gesetz erfaßten Straftaten bis spätestens zum 31. Dezember 1969 hinaus und wirkt sich damit im Ergebnis als eine Verlängerung der laufenden Verjährungsfristen aus.
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II.
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Die durch das Berechnungsgesetz bewirkte Verlängerung der Verjährungsfristen für die Verfolgung von Verbrechen, die mit lebenslangem Zuchthaus bedroht sind, verstößt nicht gegen Art.103 II GG.
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1. Nach Art. 103 II GG kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Wie schon der entsprechende Art. 116 der Weimarer Reichsverfassung verbietet Art. 103 II GG, jemanden auf Grund eines Gesetzes zu bestrafen, das zur Zeit der Tat noch nicht in Kraft getreten war, dem Täter also nicht bekannt sein konnte (BVerfGE 7, 111 [119]). Damit ist sowohl die rückwirkende Anwendung neu geschaffener Straftatbestände als auch die Strafbegründung im Wege der Analogie verfassungskräftig untersagt.
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Aus dem Gebot, daß die Strafbarkeit der Tat vor deren Begehung "gesetzlich bestimmt" sein muß, folgt ferner, daß nur auf Grund eines gültigen Strafgesetzes eine strafgerichtliche Verurteilung erfolgen kann (BVerfGE 14, 174 [185]).
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Die Bedeutung des Art. 103 II GG erschöpft sich jedoch nicht in dem Verbot der analogen, gewohnheitsrechtlichen und rückwirkenden Strafbegründung. Art. 103 II GG fordert darüber hinaus auch, daß die Strafbarkeit "gesetzlich bestimmt" ist. Der Einzelne soll nicht nur von vornherein wissen können, was strafrechtlich verboten ist, sondern auch, welche Strafe ihm für den Fall eines Verstoßes gegen jenes Verbot droht.
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a) Das in Art. 103 II GG enthaltene Gebot der Gesetzesbestimmtheit gilt einmal für den Straftatbestand (Tatbestandsbestimmtheit - nullum crimen sine lege). Die strafrechtlichen Normen müssen klar das Verbotene von dem Erlaubten abgrenzen. Die Tatbestandsmerkmale sind so konkret zu umschreiben, daß Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen.
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b) Das Gebot der Gesetzesbestimmtheit gilt ferner für die Strafandrohung (nulla poena sine lege).
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Art. 103 II GG geht von dem rechtsstaatlichen Grundsatz aus, daß keine Strafe ohne Schuld verwirkt wird (vgl. BVerfGE 20, 323 [331]; nulla poena sine culpa). Dieser Grundsatz wurzelt in der vom Grundgesetz vorausgesetzten und in Art. 1 I und Art. 2 I GG verfassungskräftig geschützten Würde und der Eigenverantwortlichkeit des Menschen, die von dem Gesetzgeber auch bei der Ausgestaltung des Strafrechts zu achten und zu respektieren sind.
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Das strafrechtliche Delikt ist schuldhafte Verletzung eines für alle gewährleisteten Rechtsgutes. Gemessen an der Idee der Gerechtigkeit müssen Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein. Beide sind wechselseitig aufeinander bezogen. Einerseits richtet sich die Strafhöhe nach dem normativ festgelegten Wert des verletzten Rechtsgutes und der Schuld des Täters. Andererseits läßt sich das Gewicht einer Straftat, der ihr in der verbindlichen Wertung des Gesetzgebers beigemessene Unwertgehalt, in aller Regel erst aus der Höhe der angedrohten Strafe entnehmen. Insofern ist auch die Strafandrohung für die Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestandes von entscheidender Bedeutung. Von daher wird unmittelbar einsichtig, daß Art. 103 II GG sich sowohl auf den Unrechtstatbestand wie auf die Höhe der Strafandrohung bezieht. Art. 103 II GG bewahrt den Bürger nicht nur davor, daß ein bisher erlaubtes Verhalten rückwirkend für strafbar erklärt wird; er schützt ihn auch davor, daß der Unrechtsgehalt einer von ihm begangenen Zuwiderhandlung gegen das Strafgesetz bei seiner Verurteilung höher bewertet wird als zur Zeit der Tat.
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Art.103 II GG verbietet sowohl die rückwirkende Strafbegründung wie die rückwirkende Strafverschärfung.
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2. Art. 103 II GG besagt dagegen nichts über die Dauer des Zeitraums, während dessen eine in verfassungsmäßiger Weise für strafbar erklärte Tat verfolgt und durch Verhängung der angedrohten Strafe geahndet werden darf. Er verhält sich nur über das "von wann an", nicht über das "wielange" der Strafverfolgung.
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Jede Strafnorm enthält ein mit staatlicher Autorität versehenes, sozial-ethisches Unwerturteil über die von ihr pönalisierte Handlungsweise. Der konkrete Inhalt dieses Unwerturteils ergibt sich aus Straftatbestand und Strafandrohung. Beide zusammen machen die Strafbarkeit im Sinne des Art. 103 II GG aus. Ist eine Verhaltensweise durch eine den Anforderungen des Art. 103 II GG genügende und auch im übrigen verfassungsmäßige gesetzliche Bestimmung mit Strafe bedroht, so wird sie dadurch zu einer "strafbaren Handlung". Ihre Strafbarkeit ist gesetzlich bestimmt.
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Die Strafbarkeit einer Tat ist Voraussetzung für deren Verfolgbarkeit. Eine Handlung darf nur dann strafrechtlich geahndet werden, wenn ihre Strafbarkeit bereits vor der Begehung gesetzlich bestimmt war. Mit der Strafbarkeit entfällt die Verfolgbarkeit, nicht dagegen mit der Verfolgbarkeit die Strafbarkeit. Eine einmal begangene strafbare Handlung verliert ihren Unrechtscharakter nicht dadurch, daß sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht verfolgt wird oder nicht verfolgt werden kann.
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Art. 103 II GG bestimmt die Voraussetzungen, unter denen ein Verhalten für strafbar erklärt werden kann. Verjährungsvorschriften regeln, wie lange eine für strafbar erklärte Tat verfolgt werden soll. Da sie lediglich die Verfolgbarkeit betreffen, die Strafbarkeit hingegen unberührt lassen, fallen sie aus dem Geltungsbereich des Art. 103 II GG heraus; eine Verlängerung oder Aufhebung von Verjährungsfristen kann deshalb nicht gegen diesen Verfassungssatz verstoßen (ebenso schon BVerfGE 1, 418 [423]).
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3. Das bestätigt auch die Entstehungsgeschichte.
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a) Das Ex-post-facto-Verbot fand sich bereits als Art. 136 I in dem "Entwurf eines Grundgesetzes" des Herrenchiemseer Verfassungskonvents. Art. 136 I lautete: "Eine Handlung kann nur dann mit Strafe belegt werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde" (Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, München o.J., S. 83). Mit der Aufnahme dieser Bestimmung war beabsichtigt, den "alten bewährten Grundsatz nulla poena sine lege wieder zu Ehren kommen zu lassen (a.a.O., S. 56). Der Bericht hob hervor, die Vorschrift entspreche "wörtlich Art. 116 Weimarer Verfassung und (habe) dieselbe Bedeutung" (a.a.O., S. 94).
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Der Allgemeine Redaktionsausschuß des Parlamentarischen Rates schlug folgende Fassung vor: "Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde"" (Drucks. PR 12 48-343). Im Ausschuß für Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege wurde angeregt, das Wort "Strafe" durch das Wort "Strafbarkeit" zu ersetzen. Es tauchten Bedenken auf, ob dann noch hinreichend klargestellt bleibe, daß das Ex-post-facto-Verbot sich auch auf das Strafmaß beziehen solle. Als diese Frage in der 8. Sitzung des Ausschusses erneut erörtert wurde, erklärte der Abgeordnete Dr. Strauss, die Änderung sei vorgeschlagen, um "den Gleichklang mit der Weimarer Verfassung" zu wahren. Der Vorsitzende, Abgeordneter Zinn, bemerkte, daß er dem alten Strafgesetzbuch von 1871 folgen, also dem Worte "Strafe" an Stelle von "Strafbarkeit" den Vorzug geben würde. Er halte das aber nicht für so wesentlich, da auch die Auslegung des Art. 116 WRV nie ernsthaft zweifelhaft gewesen sei. Der Ausschuß entschied sich daraufhin für das Wort "Strafbarkeit" und gab damit dem Art. 103 II GG seine endgültige Fassung (vgl. dazu im einzelnen StenProt. der 7. Sitzung am 6. Dezember 1948, S. 150 ff. und der 8. Sitzung am 7. Dezember 1948, S. 32).
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Während der Zweiten Lesung im Hauptausschuß (38. Sitzung am 13. Januar 1949 - PR 1/49 - 539/II -) stellte der Abgeordnete Dr. Schmid wiederum zur Erwägung, ob außer der Strafbarkeit auch das Strafmaß erwähnt werden sollte. Der Abgeordnete Zinn erwiderte, daß dieses durch den Wortlaut mit erfaßt sei. Das sei auch die einhellige Meinung der Rechtslehre.
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Im Parlamentarischen Rat bestand mithin Einigkeit darüber, daß Art. 103 II GG sich sowohl auf den Straftatbestand wie auf die Höhe der angedrohten Strafe beziehen sollte.
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b) Denselben Sinn hatte man bereits während der Beratungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung dem gleichlautenden Art. 116 WRV gegeben. Der Unterausschuß für die Grundrechte des Verfassungsausschusses war einstimmig der Ansicht, daß mit dem Gebrauch des Wortes "Strafbarkeit" eine sachliche Abweichung von § 2 I RStGB nicht beabsichtigt sei (Verh. der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 336, S. 377).
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Der Artikel "gibt den Fundamentalgrundsatz jeder geordneten Rechtspflege wieder: nulla poena sine lege, keine Strafe ohne vorausgehende gesetzliche Androhung" (Verh. der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1497 D). Das Bedenken des Abgeordneten Dr. Heinze, die Auswechselung des Wortes "Strafe" durch das Wort "Strafbarkeit" bedeute eine Veränderung des § 2 RStGB (a.a.O., S. 1499 f.), fand keinen Widerhall.
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Nach alledem sollte durch Art. 116 WRV lediglich der schon in § 2 I RStGB verankerte Grundsatz "nulla poena sine lege" verfassungskräftig verbürgt werden. In diesem Sinn ist Art. 116 WRV von der herrschenden Lehre auch verstanden worden (Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., S. 548; Stier-Somlo, Deutsches Reichs- und Landesstaatsrecht, 1924 I, S. 311; Düringer, JW 1919, S.7 02; Liszt-Schmidt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 25. Aufl., S. 111; Käckell, ZStrW, Bd.41 [1920], S. 684).
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c) Weder die Entstehungsgeschichte des Art. 103 II GG noch die des Art. 116 WRV bietet einen Anhalt dafür, daß durch diese Verfassungssätze auch eine nachträgliche Verlängerung von Verjährungsfristen ausgeschlossen werden sollte. Während der Beratungen wurde diese Möglichkeitvon niemandem in Erwägung gezogen oder auch nur angedeutet. Das überrascht nicht, wenn man sich vergegenwärtigt, daß auch im 19.Jahrhundert ganz überwiegend die nachträgliche Verlängerung von Verjährungsfristen, soweit man sie für unzulässig hielt, nicht als eine Verletzung des Grundsatzes nulla poena sine lege angesehen wurde (vgl. etwa Schreiber, ZStrW, Bd. 80 [1968], S. 348 [358 ff.]).
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III.
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§ 1 I des Berechnungsgesetzes steht nicht in Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip.
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Das Rechtsstaatsprinzip gehört zu den allgemeinen Grundsätzen und Leitideen, die der Verfassunggeber, weil sie das vorverfassungsmäßige Gesamtbild geprägt haben, von dem er ausgegangen ist, nicht zu einem besonderen Rechtssatz verdichtet hat (BVerfGE 2, 380 [403]). Es enthält - soweit es nicht in einzelnen Sätzen der geschriebenen Verfassung für bestimmte Sachgebiete ausgeformt und präzisiert ist - keine in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote und Verbote von Verfassungsrang, sondern ist ein Verfassungsgrundsatz, der der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten bedarf (BVerfGE 7, 89 [92 f.]).
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Das dem Rechtsstaatsprinzip immanente Postulat der Rechtssicherheit fordert, daß der Staatsbürger die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten kann. Er soll sich grundsätzlich darauf verlassen können, daß der Gesetzgeber an abgeschlossene Tatbestände keine ungünstigeren Folgen knüpft, als im Zeitpunkt der Vollendung dieser Tatbestände voraussehbar war (echte Rückwirkung). Unter Umständen kann auch das Vertrauen des Bürgers darauf Schutz beanspruchen, daß seine Rechtsposition nicht nachträglich durch Vorschriften entwertet wird, die lediglich auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte einwirken (unechte Rückwirkung). Rechtssicherheit bedeutet für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz (BVerfGE 13, 261 [271]; 14, 288 [297]; 15, 313 [324]).
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Zur Rechtsstaatlichkeit gehört jedoch nicht nur die Rechtssicherheit, sondern auch die materielle Gerechtigkeit. Diese beiden Seiten des Rechtsstaatsprinzips können vom Gesetzgeber nicht immer gleichmäßig berücksichtigt werden (BVerfGE 3, 225 [237]; 7, 89 [92f.]). Liegt die Rechtssicherheit mit der Gerechtigkeit in Widerstreit, so ist es in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers, sich für die eine oder andere Seite zu entscheiden. Geschieht dies ohne Willkür, so kann die gesetzgeberische Entscheidung aus Verfassungsgründen nicht beanstandet werden (BVerfGE 3, 225 [237 f.]; 15, 313 [319f.]).
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Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz gilt also nicht ausnahmslos. Der Bürger kann sich insbesondere auf Vertrauensschutz als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips dann nicht berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen kann (BVerfGE 14, 288 [299 f.]), das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage also sachlich nicht gerechtfertigt ist (BVerfGE 13, 261 [271], ständige Rechtsprechung). Das ist hier der Fall.
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2. Das Berechnungsgesetz griff nicht nachträglich ändernd in der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein. Es gilt nicht für Taten, deren Verfolgung beim Inkrafttreten des Gesetzes bereits verjährt waren (§ 1 II). § 1 I des Berechnungsgesetzes bewirkte lediglich die Verlängerung noch laufender Verjährungsfristen in die Zukunft hinein.
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Die Verlängerung der Verjährungsfristen für die Verfolgung von Verbrechen, die mit lebenslangem Zuchthaus bedroht sind, hatte auch keinen verfassungsrechtlich relevanten Vertrauensschaden zur Folge. Nach § 68 StGB kann die Verjährung durch eine richterliche Handlung, welche wegen der begangenen Tat gegen den Täter gerichtet ist, unterbrochen werden. Mit jeder Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist von neuem zu laufen, ohne daß der Täter davon etwas zu erfahren braucht. Schon im Hinblick darauf bestand für die von § 1 I des Berechnungsgesetzes Betroffenen kein hinreichender Anlaß zu der Annahme, daß die Verjährung in einem bestimmten, unverrückbar feststehenden Zeitpunkt eintreten werde. Allenfalls mochte der Täter damit rechnen, daß es bis zum Ablauf der regulären Verjährungsfrist nicht zu einer Unterbrechung kommen werde. Diese Hoffnung war in Anbetracht der Schwere der in Frage stehenden Straftaten ebensowenig schutzwürdig wie die etwa bei Begehung der Tat gehegte Erwartung eines Mörders, die Spuren seines Verbrechens verwischen und dadurch der angedrohten Strafe entgehen zu können.
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3. Der Rechtsstaatsgedanke umfaßt auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem bei Eingriffen in die persönliche Freiheit des Bürgers besondere Bedeutung zukommt (BVerfGE 19, 343 [348 f.]). Dieser rechtsstaatliche Grundsatz steht einer Verlängerung oder Aufhebung von Verjährungsfristen jedenfalls für die unter das Berechnungsgesetz fallenden Straftaten nicht entgegen.
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§ 1 I des Berechnungsgesetzes hat den Ablauf der Verjährungsfristen für besonders schwere Verbrechen hinausgeschoben und damit die Möglichkeit eröffnet, noch unbekannt gebliebene Täter weiterhin zu ermitteln und zu verfolgen. Anders als das Schwurgericht Kiel meint, liegt hierin jedoch keine "unter dem Druck geschehener Taten" auf diese "zugeschnittene", übermäßige Ausweitung der staatlichen Strafgewalt. Die gesetzgeberische Bewertung des Unrechtsgehalts dieser Taten und die Höhe der für sie angedrohten Strafe wird durch die Verlängerung der Verjährungsfrist nicht berührt. Die von dem Berechnungsgesetz Betroffenen werden nicht einer unangemessenen, von Emotionen des Augenblicks sachwidrig beeinflußten Strafe ausgesetzt; sie müssen lediglich weiterhin damit rechnen, ebenso und nach den gleichen Maßstäben zur Verantwortung gezogen zu werden wie die bereits ermittelten und verurteilten Täter. Das ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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IV.
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Das Berechnungsgesetz ist auch mit Art. 3 I GG vereinbar.
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1. Ob und in welchem Ausmaß der Gleichheitssatz bei der Ordnung bestimmter Materien dem Gesetzgeber Differenzierungen erlaubt, richtet sich nach der Natur des jeweils in Frage stehenden Sachbereichs (BVerfGE 6, 84 [91]). Er hat hierbei eine sehr weitgehende Gestaltungsfreiheit. Sein Spielraum endet erst dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, weil ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (BVerfGE 9, 334 [337]; ständige Rechtsprechung). Lassen sich mehrere Regelungen denken, die sich noch im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes halten, so kann der Gesetzgeber die ihm am geeignetsten erscheinende auswählen, ohne mit dem Willkürverbot in Konflikt zu geraten (BVerfGE 3, 58 [135]; 17, 381 [388 f.]).
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2. Eine Verlängerung oder Aufhebung der Verjährungsfrist nur für die Verfolgung von Taten, die mit lebenslangem Zuchthaus bedroht sind, nicht auch für andere Verbrechen, ist sachlich vertretbar. Diese Differenzierung ist schon durch die verschiedene Höhe der Strafandrohungen gerechtfertigt; an die Strafandrohungen knüpft das Verjährungsrecht von jeher an.
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Sinn und Zweck der Verjährung sind umstritten. Zu ihrer inneren Rechtfertigung werden vor allem folgende Gründe angeführt: Die Strafe könne, wenn seit der Tat eine geraume Zeit vergangen sei, ihren Zweck nicht mehr erreichen. Soweit die Bestrafung auf gerechte Vergeltung und die Wiederherstellung des gestörten Rechtsfriedens abziele, verliere sie nach längerem Zeitablauf ihre Berechtigung, weil die Empörung über die Störung des Rechtsfriedens inzwischen abgeklungen sei. Ein spezialpräventiver Zweck sei mit der BestraFung nicht mehr zu erreichen, weil die Strafe einen innerlich gewandelten Menschen treffe, der sich wesentlich von dem schuldig gewordenen unterscheide. Andere wollen in der Verjährung vor allem eine Vorkehrung gegen den Justizirrtum sehen. Der Zeitablauf erschwere die Tatsachenfeststellung, zerstöre die Beweismittel oder schwäche sie zumindest ab, so daß die Wahrheitsfindung erschwert oder gar vereitelt werde. Schließlich wird die Verjährung als ein rein prozeßökonomisches Rechtsinstitut gedeutet, das dem Legalitätsprinzip zeitliche Grenzen setze, um einer Überlastung der Strafverfolgungsbehörden wie der Strafgerichte entgegenzuwirken.
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Die Verjährung macht eine Tat nicht ungeschehen. Sie läßt das Unrecht einer Tat und die Schuld des Täters unberührt. Daß auch bei schwersten Straftaten die Empörung über die Verletzung des Rechtsfriedens nach zwanzig Jahren abgeklungen sei, trifft jedenfalls bei einer außergewöhnlichen Häufung solcher Verbrechen nicht zu. Die Heftigkeit und Leidenschaft, mit der die Frage der Verlängerung der Verjährungsfristen für die vom Berechnungsgesetz erfaßten Straftaten bis in die Gegenwart hinein diskutiert wird, beweist das Gegenteil. Auch die Erwägung, die Strafe treffe nach so langer Zeit einen anderen Menschen, versagt bei mit lebenslänglichem Freiheitsentzug bedrohten Verbrechen. Der generalpräventive Zweck der Strafe entfällt ohnehin nicht durch Zeitablauf. Eine späte Bestrafung wirkt in jedem Falle abschreckender als die Freistellung von Strafe durch Verjährung. Im übrigen ließen sich - würde das Straf- und Sühnebedürfnis auch bei schwersten Verbrechen mit Ablauf von zwanzig Jahren notwendig erlöschen - weder eine lebenslange Freiheitsstrafe noch das Institut der Verjährungsunterbrechung sachlich rechtfertigen.
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Der Hinweis auf die Beweisvergänglichkeit und die Möglichkeit eines Justizirrtums greift ebenfalls nicht durch. Diesen Schwierigkeiten und Gefahren, die auch bei fristgerecht verfolgten Straftaten auftreten, tragen der Prozeßrechtsgrundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" und das verfahrensrechtliche Gebot, daß ein Angeklagter nur dann verurteilt werden darf, wenn das Gericht voll von seiner Schuld überzeugt ist, hinreichend Rechnung.
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Der Verjährungszweck, unerwünschte Folgen aus dem Legalitätsprinzip abzuwehren und die Justiz von der Verfolgung weit zurückliegender Straftaten zu entlasten, kann schon in Anbetracht der Schwere der vom Berechnungsgesetz erfaßten Straftaten nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Auch die Entwürfe eines Strafgesetzbuches von 1960 und 1962 sehen in § 127 II Nr.1 für Taten, die mit lebenslangem Zuchthaus bedroht sind, an Stelle der bisherigen zwanzigjährigen eine Verjährungsfrist von dreißig Jahren vor. § 97 III Nr.1 des Alternativentwurfs eines StrafgesetzEuches von 1966 enthält die gleiche Regelung. Die Verjährbarkeit von Völkermord wird ganz ausgeschlossen (§ 97 II).
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3. Das Berechnungsgesetz unterwirft Täter, die vor dem 1. Januar 1950 straffällig geworden sind, einer ungünstigeren Regelung als diejenigen, die nach diesem Zeitpunkt eine mit lebenslangem Zuchthaus bedrohte Straftat begangen haben. Auch diese Differenzierung verletzt den Gleichheitssatz nicht, weil sie durch sachliche Gründe gerechtfertigt wird. Wenn auch die Strafverfolgung in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1949 nicht vollständig geruht hat, so war sie doch durch die chaotischen Verhältnisse nach der Kapitulation und die besondere staatsrechtliche Lage Deutschlands außerordentlich erschwert. Diesem Umstand trägt das Berechnungsgesetz in angemessener, jedenfalls nicht willkürlicher Weise Rechnung.
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Diese Entscheidung ist im Ergebnis mit 7 Stimmen gegen 1 Stimme getroffen worden. Ein Richter hat dem Ergebnis, nicht aber der Begründung zugestimmt.
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