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Bearbeitung, zuletzt am 29.05.2020, durch: A. Tschentscher, Sven Broichhagen | |||
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2. Das Betriebsverfassungsgesetz selbst erweist sich, indem es zugunsten der Religionsgemeinschaften und ihrer karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform in § 118 Abs. 2 einen ausdrücklichen Vorbehalt macht, nicht als ein für alle geltendes Gesetz. Es nimmt vielmehr mit diesem Vorbehalt auf das verfassungsrechtlich Gebotene Rücksicht. |
Beschluß |
des Zweiten Senats vom 11. Oktober 1977 |
-- BvR 209/76 -- |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Stiftung Wilhelm-Anton-Hospital, Goch 1... gegen a) den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 11. November 1975 ... b) den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. Dezember 1974 ... |
Entscheidungsformel: |
1. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. Dezember 1974 - 12 TaBV 71/74 - und die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. November 1975 - 1 ABR 12/75 - verletzen Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3 der Weimarer Reichsverfassung. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zurückverwiesen. |
2. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten. |
Gründe: | |
A. -- I. | |
Durch den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. Dezember 1974 wurde zum Zwecke der Durchführung einer Betriebsratswahl im Wilhelm-Anton-Hospital in Goch ![]() ![]() | 1 |
II. | |
Das Wilhelm-Anton-Hospital ist eine rechtsfähige Stiftung privaten Rechts, näherhin ein gemeinnütziges katholisches Krankenhaus.
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Die Erben des im Jahre 1843 verstorbenen Maire der Stadt Goch und Jubilar-Armenprovisors Wilhelm-Anton van den Bosch, der das 1802 säkularisierte Nonnenkloster in Goch erworben hatte, erklärten in einer notariellen Urkunde vom 30. November 1849 die Errichtung einer Stiftung (Krankenanstalt), der sie schenkungsweise das "unwiderrufliche Eigentum" des größeren Teils jenes Nonnenklosters samt "darauf stehenden Gebäulichkeiten" und "allen Gerechtsamen, Aktiv- und Passiv- Servituten" zuwandten. Zugleich ließen sie "das Statut der ins Leben tretenden Anstalt" beurkunden. Die Urkunde wurde dem Bischof von Münster vorgelegt; der Bischof erklärte unter dem 31. Januar 1850 u. a.: "Den Schenkungsakt haben wir mit unserer förmlichen Bestätigung versehen". Mit Allerhöchster Kabinetts-Order vom 14. Dezember 1850 wurde die Krankenanstalt landesherrlich genehmigt und die Annahme der von den Erben van den Bosch gemachten Schenkung gestattet.
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1. Nach dem Statut konnten Bürger der Stadt ohne Rücksicht auf das Bekenntnis "gegen billige Vergütung" aufgenommen werden; "unentgeltlich aufgenommen, ärztlich behandelt und verpflegt werden nur die armen Kranken der römisch katholischen Pfarrgemeinde zu Goch" (§ 3). Die Pflege und Wartung ![]() ![]() | 4 |
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3. Das Hospital ist Mitglied des Caritasverbandes für die Diözese Münster. Durch Anordnung des Bischofs von Münster vom 26. Juli 1971 ist mit Wirkung vom 1. Januar 1972 die Mitarbeitervertretungsordnung für kirchliche Stellen und Einrichtungen in der Diözese Münster in Kraft gesetzt worden (Kirchl. Amtsbl. für die Diözese Münster, S. 113). Sie wird auch im Wilhelm-Anton-Hospital praktiziert.
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III. | |
Das Bundesarbeitsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
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Das Hospital sei eine karitative Einrichtung; es sei aber keine Einrichtung der katholischen Kirche. Dazu sei eine tatsächliche Verbundenheit mit der Religionsgemeinschaft erforderlich, also eine ausreichende organisatorische Verbindung zur Religionsgemeinschaft; an ihr fehle es.
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Das Hospital sei eine Stiftung des privaten Rechts. Ob sie die Sonderstellung einer kirchlichen Stiftung besitze, bemesse sich nach staatlichem Recht. Für Nordrhein-Westfalen seien, da ein Landesstiftungsgesetz bisher nicht ergangen sei, das alte preußische Staatskirchenrecht, insbesondere das preußische Gesetz über die Vermögensverwaltung in den katholischen Kirchengemeinden vom 20. Juni 1875 und das preußische Gesetz über die Aufsichtsrechte des Staates bei der Vermögensverwaltung in den katholischen Diözesen vom 7. Juni 1876 heranzuziehen. Danach seien zu den kirchlichen Stiftungen diejenigen zu rechnen, deren Zweck im Rahmen kirchlicher Aufgaben liege und ![]() ![]() ![]() ![]() | 9 |
IV. | |
Gegen den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 14. November 1975, der dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 30. Januar 1976 zugestellt worden ist, hat die Beschwerdeführerin am 1. März 1976 - einem Montag - Verfassungsbeschwerde eingelegt. Gerügt wird die Verletzung des Grundrechts der Freiheit der Religionsausübung (Art. 4 Abs. 2 GG) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in Verbindung mit Art. 140 GG (soweit er auf Art. 137 Abs. 3 WRV Bezug nimmt), insofern die Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf und des Bundesarbeitsgerichts bei der Auslegung des § 118 Abs. 2 BetrVerfG die Bedeutung und die Einwirkung der genannten Verfassungsvorschriften verkannt haben. Die Beschwerdeführerin sei als juristische Person grundrechtsfähig. Bei ihrer karitativen Tätigkeit könne sie auch in ihrem Grundrecht auf Religionsfreiheit verletzt sein. Art. 4 Abs. 2 GG schütze nicht nur die individuelle religiöse Betätigung, sondern auch die korporative Religionsausübung, insbesondere auch die Betätigung der Kirche innerhalb ihres Auftrags einschließlich des kirchlichen Kultus und der kirchlichen Liturgie. Art. 4 Abs. 2 GG schütze außerdem nicht nur die Religionsgemeinschaften selbst, sondern auch ihre Gliederungen und mehr oder weniger verselbständigten Organisationen, deren Ziel die Pflege und Förderung des Religionsbekenntnisses oder die Verkündigung des Glaubens ist. Deshalb habe das Bundesverfassungsgericht eine rechtsfähige und eine nichtrechtsfähige Vereinigung als Träger des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 2 GG anerkannt ![]() ![]() ![]() ![]() | 10 |
§ 118 Abs. 2 BetrVerfG ziehe die Folgerung aus der verfassungsrechtlichen Entscheidung, die in Art. 4 Abs. 2 GG und in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV enthalten sei: Jede Religionsgesellschaft habe danach das Recht, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten. Die kirchliche Stiftung, deren Zweck die Ausübung kirchlicher Caritas sei, habe Teil an jener verbürgten Freiheit der Kirche, ihre Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu verwalten. Diese Freiheit werde eingeschränkt, wenn dem Hospital angesonnen werde, statt der eigenen kirchlichen Entscheidung über die Mitbestimmung von Beschäftigten in karitativen Einrichtungen die Mitbestimmung nach dem staatlichen Gesetz zu vollziehen. Die Regelung der Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz sei kein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 137 Abs. 3 WRV. Im übrigen werde dazu auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. September 1976 (BVerfGE 42, 312) Bezug genommen.
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Die Beschwerdeführerin hat außerdem ein Gutachten von Professor Scheuermann, München, über "Das Wilhelm-Anton- Hospital in Goch als karitative Einrichtung der katholischen Kirche" vorgelegt und sich dessen Inhalt zu eigen gemacht.
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B. -- I. | |
Gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde bestehen keine Bedenken:
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1. Der Träger des Krankenhauses ist nach staatlichem Recht eine rechtsfähige Stiftung des Privatrechts. Der notarielle Stiftungs- und Schenkungsakt ("... , welche Comparenten nachstehende Stiftung respektive Schenkung hierdurch haben beurkunden lassen", Ziffer 4 am Ende des ersten Absatzes der Ur ![]() ![]() | 14 |
2. Als juristische Person kann die Stiftung Träger von Grundrechten sein (Art. 19 Abs. 3 GG).
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Der Stiftungszweck verlangt, daß sie sich in der organisatorischen Form eines Krankenhauses der Krankenversorgung widmet. In dieser ihrer Tätigkeit ist sie frei, soweit nicht verfassungskonforme Gesetze diese Freiheit einschränken; sie kann also bei ihrer Tätigkeit in einer mit den Freiheitsgarantien des Grundgesetzes unvereinbaren Weise behindert werden.
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Da die Stiftung nach Statut und Satzung näherhin karitativer Tätigkeit nachgehen soll, kann auch das Grundrecht der Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG) durch hoheitliche Akte des Staates tangiert werden.
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Die Beschwerdeführerin trägt vor, daß sie durch die angegriffenen Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts, die sie den Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes unterwerfen, in ihrem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 2 GG verletzt sei; d. h. ihr tatsächlicher Vortrag, als wahr unterstellt, schließt es nicht aus, daß sie in dem genannten Grundrecht verletzt sein kann. Das genügt zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt des Selbst-, Gegenwärtig- und Unmittelbar-Betroffen-Seins.
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3. Die Verfassungsbeschwerde ist auch, wie sich aus den im Sachverhalt mitgeteilten Daten ergibt, fristgerecht erhoben worden.
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II. | |
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet:
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1. a) Das Wilhelm-Anton-Hospital in Goch ist eine selbständige Stiftung nach staatlichem Recht. Die notarielle Urkunde vom 30. November 1849 enthält die Erklärungen, durch die die Stifter die Stiftung errichten, indem sie das Statut for ![]() ![]() | 21 |
b) Das Wilhelm-Anton-Hospital in Goch ist auch eine Stiftung nach dem katholischen Kirchenrecht. Derselbe Stiftungsakt der Stifter hat - noch vor der landesherrlichen Genehmigung - am 31. Januar 1850 die Bestätigung des zuständigen Ortsbischofs erhalten. Nach dem Gesamtinhalt der notariellen Stiftungs- und Schenkungserklärung wurde die Stiftung mit dieser bischöflichen Bestätigung eine kirchliche Stiftung. Sie gehört zwar nicht zu den "Kirchenstiftungen", den kirchlichen Stiftungen im engeren Sinn, aber zur Gruppe der kirchlichen Stiftungen, die man als der Kirche zugeordnete oder mit ihr organisatorisch verbundene Stiftung zu bezeichnen pflegt (CIC 1489 § 2).
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c) Die Frage, ob die Stiftung auch eine kirchliche Stiftung nach staatlichem Recht ist, ist nach dem staatlichen Recht zu entscheiden. Dabei kann allerdings der Umstand, daß die Stiftung auch eine Stiftung nach kirchlichem Recht ist, nicht unberücksichtigt bleiben, weil im Zweifel davon auszugehen ist, daß der Staat mit seiner stiftungsrechtlichen Regelung, nach der sich bestimmt, was eine kirchliche Stiftung nach staatlichem Recht sein soll, stillschweigend auf die kirchliche Rechtsordnung Bezug nimmt ("verweist"), also als kirchliche Stiftung nach staatlichem Recht diejenigen Stiftungen qualifizieren will, die diesen Status auch nach der kirchlichen Rechtsordnung besitzen. Wenn ein anderes staatliches Gesetz (das Betriebsverfassungsgesetz) auf jene stiftungsrechtliche Regelung Bezug nimmt, gilt Entsprechendes auch für die Interpretation dieses anderen Gesetzes, - hier also des § 118 Abs. 2 BetrVerfG.
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Das neue nordrhein-westfälische Stiftungsgesetz vom 21. Juni 1977 (GVBl. S. 274), das am 1. Januar 1978 in Kraft tritt, ![]() ![]() | 24 |
d) Jede Stiftung ist in das historisch-gesellschaftliche Milieu eingebunden, innerhalb dessen sie entstanden ist. Eine Stiftung aus dem Jahr 1849 kann man deshalb nicht ohne Rücksicht auf die 120 Jahre ihres bisherigen Bestehens ausschließlich anhand der 1970 neugefaßten Satzung rechtlich qualifizieren. Das eigentümliche einer Stiftung ist, daß der Stifterwille für die Stiftung dauernd konstitutiv bleibt. Charakter und Zweck der Stiftung liegen mit diesem Anfang in die Zukunft hinein und für die Dauer der Existenz der Stiftung fest. Deshalb sind auch die Erklärungen der Stifter aus dem zu ihrer Zeit herrschenden örtlichen Zeitgeist heraus auszulegen. Auch die Satzung aus dem Jahre 1970 läßt sich aus diesem Zusammenhang nicht herauslösen; man darf sie also nicht kurzerhand "säkularisieren".
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2. Nächstliegender Maßstab für die verfassungsrechtliche Beurteilung der angegriffenen Entscheidungen bildet - ohne daß hier im einzelnen das Verhältnis von Art. 140 GG zu Art. 4 Abs. 2 GG dargestellt werden muß - Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV, der den Religionsgesellschaften, also auch den Kirchen, die Freiheit garantiert, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten.
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a) Nach Art. 137 Abs. 3 WRV sind nicht nur die organisierte Kirche und die rechtlich selbständigen Teile dieser Organisation, sondern alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform Objekte, bei deren Ordnung und Verwaltung die Kirche grundsätzlich frei ist, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück Auftrag der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen (vgl. Martin Heckel, VVDStRL, Heft 26, 1968, S. 60 f.; Christian Meyer, HbdStKirchR II, S. 112 f.; Hofmann, Die ![]() ![]() | 27 |
Die Regelungs- und Verwaltungsbefugnis gemäß Art. 137 Abs. 3 WRV stehen demnach der Kirche nicht nur hinsichtlich ihrer körperschaftlichen Organisation und ihrer Ämter zu, sondern auch hinsichtlich ihrer "Vereinigungen, die sich nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben. Voraussetzung dafür ist aber, daß der Zweck der Vereinigung gerade auf die Erreichung eines solchen Zieles gerichtet ist. Das gilt ohne weiteres für organisatorisch oder institutionell mit Kirchen verbundene Vereinigungen wie kirchliche Orden, deren Daseinszweck eine Intensivierung der gesamtkirchlichen ![]() ![]() | 28 |
b) Das Wilhelm-Anton-Hospital in Goch gehört in diesem Sinne zur katholischen Kirche. (Daß in der oben zitierten Entscheidung dem zu entscheidenden Fall entsprechend nur von "Vereinigungen" die Rede ist, bedeutet ersichtlich keine Beschränkung auf diese Rechtsform; was für die Vereinigung gilt, gilt in gleicher Weise für eine Stiftung, die ein Hospital betreibt.) Das Hospital ist zwar der Kirche nicht inkorporiert, also nicht Teil der amtskirchlichen Organisation, aber es ist ihr so zugeordnet, daß es teilhat an der Verwirklichung eines Stückes Auftrag der Kirche im Geist katholischer Religiosität, im Einklang mit dem Bekenntnis der katholischen Kirche und in Verbindung mit den Amtsträgern der katholischen Kirche. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
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aa) Für die Stifter war die Errichtung der Stiftung und ihre Ausstattung nicht einfach Ausfluß von Generosität, humanitärer Gesinnung und Selbstlosigkeit gegenüber Armen und Kranken; der Antrieb, das bestimmende Motiv war ihre religiöse Gesinnung, die nach Betätigung drängte. Der Katholizität des Landstrichs am Niederrhein, dem dort lebenden religiösen Geist um die Mitte des 19. Jahrhunderts, verdanken eine Reihe ähnlicher Stiftungen ihre Entstehung. Dies spiegelt sich in dem notariellen Stiftungs- und Schenkungsakt. Der "Wunsch aller Gutgesinnten" geht nicht nur darauf, daß die Stadt Goch eine Krankenanstalt erhalten soll, sondern darauf, "daß die Stadt Goch gleich anderen benachbarten Städten eine Krankenanstalt unter Leitung Barmherziger Schwestern in ihrer Mitte haben möchte". "Indem das dringende Bedürfnis einer solchen Ein ![]() ![]() | 30 |
bb) Entsprechend dem katholischen Verständnis von Caritas soll das Hospital Kranken ohne Unterschied des Bekenntnisses offenstehen: Arme Kranke der katholischen Pfarrgemeinde Goch sollen unentgeltlich aufgenommen werden; haben für sie andere - zahlungsfähige - Anstalten oder Privatpersonen der Stadt zu sorgen, so haben diese eine "billige Vergütung an die Hospitalkasse zu entrichten". Arme Kranke nicht katholischen Bekenntnisses werden "gegen eine billige Vergütung seitens des betreffenden Armenvorstands gerne aufgenommen und sollen sich der nämlichen liebevollen Pflege versichert halten". Andere Kranke, ohne Unterschied der Konfession, werden, soweit Raum ist, gegen entsprechende Vergütung aufgenommen; dabei haben Eingesessene den Vorzug vor anderen (§§ 3-6 des Statuts).
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cc) Die Krankenpflege wird - und das war in der damaligen Zeit ein ganz wichtiges Anzeichen für den katholischen Charakter einer Krankenanstalt - ausdrücklich den Barmherzigen Schwestern anvertraut, die, wenn "die Geschäfte in der Anstalt es erlauben", auch zur Verpflegung städtischer "Kranken ohne Unterschied der Konfession in ihrer Wohnung verwendet werden" können; "arme Kranke sollen auch hier vor den Vermögenden den Vorzug haben". Die Schwestern sind nicht nur für die Krankenpflege zuständig; ihnen obliegt auch "die Sorge für das innere Hauswesen"; darunter fällt nicht nur die Besorgung der Reinhaltung der Räume, der Wäsche, der Küche, sondern auch die Sorge um das geistig-geistliche Wohl der Kranken; die Anstellung und Entlassung des Dienstpersonals ist ausdrücklich als eine ihrer Aufgaben genannt; das Kuratorium hat in ![]() ![]() | 32 |
dd) Die Verwaltung der Anstalt wird einem aus sechs Mitgliedern gebildeten Kuratorium übertragen, das ein Siegel zu führen hat "mit der Abbildung des St. Anton von Padua", - ein Siegel, das heute noch geführt wird. Die Stifter selbst haben bei der Erstbesetzung des Kuratoriums dafür gesorgt, daß ihm drei Kleriker angehörten; der Stadtpfarrer von Goch sowie die Kapläne Pasch und Ebben. Das war eine für die weitere Entwicklung wichtige Entscheidung, weil jede Vakanz im Kuratorium nach dem Statut im Wege der Zuwahl durch die restlichen Mitglieder zu besetzen ist. Abstrakt war für die Zusammensetzung des Kuratoriums bestimmt, daß ihm angehören müßten der Pfarrer als Vorsitzender und ein Kaplan der Pfarrei sowie ein Abkömmling des Wilhelm-Anton van den Bosch, der dem Spital den Namen gab, sowie weitere "drei aus den römisch katholischen Bürgern der Stadt Goch" zu wählende Mitglieder. Dies bedeutete in der damaligen Zeit nicht einfach die Forderung nach einer äußerlich formalen Zugehörigkeit zur Kirche, die mit dem Vorweis des Taufscheins erfüllt werden kann, sondern verlangt die Wahl eines bekenntnistreuen Katholiken, der aus seinem Glauben heraus lebt. Dies wird dadurch unterstrichen, daß nach dem Statut jede Wahl von der bischöflichen Behörde zu bestätigen ist.
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ee) Schließlich bedarf jede Änderung des Statuts der bischöflichen Genehmigung. Die mit dem notariellen Stiftungs- und Schenkungsakt errichtete Stiftung erhielt am 31. Januar 1850 die förmliche Bestätigung durch den Bischof von Münster. Welchen Charakter der Bischof der Stiftung beimaß, ergibt sich aus dem bischöflichen Begleitschreiben, in dem es heißt: "Tief durchdrungen sind wir von der Überzeugung, daß nur durch den großen Segen Gottes, welcher auf den Werken christlicher ![]() ![]() | 34 |
Nach den mit der Gründung zusammenhängenden Umständen, nach dem Zweck der Anstalt, nach der Beteiligung der Ordensschwestern an der Erfüllung des Stiftungszwecks, nach der Zusammensetzung des Kuratoriums, nach den satzungsmäßigen Mitwirkungsbefugnissen des Ortsbischofs kann kein Zweifel bestehen, daß das Hospital der katholischen Kirche im Sinne der Verwirklichung einer ihr wesentlichen Aufgabe, nämlich der Caritas, zugeordnet ist und organisatorisch mit der Kirche satzungsgemäß mehrfach verbunden ist: Durch die Ordensfrauen, durch den Stadtpfarrer von Goch, durch einen Kaplan dieser Pfarrei, durch dem Kuratorium angehörende, nach ihrer charakterlichen Lebensführung sichtbar bekenntnistreue Bürger und durch die Mitwirkung des Bischofs.
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ff) Daran hat sich auch im Laufe der Jahre, insbesondere mit der Ersetzung des Statuts durch eine Satzung nichts geändert: Es gibt jetzt keine detaillierte Stufung der aufzunehmenden Patienten mehr, es entfällt die Unentgeltlichkeit der Aufnahme für arme katholische Bürger der Stadt; die Anstalt "nimmt Kranke ohne Rücksicht auf ihren Stand, ihre Rasse und ihr re ![]() ![]() | 36 |
gg) Geändert hat sich die Zusammensetzung des Kuratoriums: Es besteht aus sieben (bisher sechs) Mitgliedern: Geborene und ständige Mitglieder sind der jeweilige Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde St. Maria-Magdalena und der jeweilige Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde Liebfrauen in Goch. Im Falle der Verhinderung ("sollte der eine oder andere die Ausübung aus irgendwelchen Gründen ablehnen oder nicht in der Lage sein, das Amt auszuüben") ernennt der Bischof auf Vorschlag des Kuratoriums einen Nachfolger aus der ![]() ![]() ![]() ![]() | 37 |
hh) Hinzu kommt: Der Bischof hat in der Vergangenheit, insbesondere auch nach dem Erlaß der neuen Satzung, unwidersprochen und unangefochten das bischöfliche Visitationsrecht über die Anstalt und die Stiftung in Anspruch genommen und faktisch ausgeübt. Ein solches Visitationsrecht ist kanonisch nur begründet, wenn die visitierte Einrichtung eine kirchliche Einrichtung wenigstens im Sinn der inneren Zuordnung nach Zweck und Aufgabe und der organisatorischen Verbindung hin zur Kirche ist (CIC 1491 § 1).
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ii) Das gleiche gilt für den Tatbestand, daß das Wilhelm- Anton-Hospital hinsichtlich seiner Vermögensverwaltung und Wirtschaftsführung seit Bestehen der bischöflichen Finanzkam ![]() ![]() | 39 |
kk) Schließlich wurde mit Erlaß des Bischofs vom 26. Juli 1971 allgemein für kirchliche Einrichtungen, insbesondere auch für "caritative Rechtsträger unbeschadet deren Rechtsform" die Einführung der Mitarbeitervertretungsordnung für kirchliche Stellen und Einrichtungen in der Diözese Münster angeordnet. Entsprechend dieser Anordnung hat auch das Hospital in Goch diese kirchliche Mitbestimmungsregelung vollzogen. Auch diese bischöfliche Ingerenz beweist, daß es sich bei der Stiftung und Anstalt in Goch um eine kirchliche, d. h. der katholischen Kirche zugeordnete und zum kirchlichen Dienst im Felde der Caritas bestimmte Stiftung handelt.
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ll) Bei dieser Lage der Dinge kommt es nicht mehr darauf an, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß die Beschwerdeführerin korporatives Mitglied des Diözesan-Caritasverbandes ist.
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3. Mit der Feststellung, daß die Beschwerdeführerin - nach Aufgabe und organisatorischer Verbindung - zur katholischen Kirche gehört, im Sinne des Art. 137 Abs. 3 WRV "ihre Angelegenheit" ist, steht fest, daß ihr die selbständige Ordnung und Verwaltung innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes verfassungskräftig garantiert ist. Sie bestimmt, ob und in welcher Weise die Arbeitnehmer und ihre Vertretungsorgane in Angelegenheiten des Betriebs, die ihre Interessen berühren, mitwirken und mitbestimmen. Das hat für die Diözese Münster der Bischof getan, indem er auch für die Beschwerdeführerin die Mitarbeitervertretungsordnung für kirchliche Stellen und Einrichtungen in der Diözese Münster verbindlich gemacht hat; in der Präambel dazu heißt es: "Der Dienst in der Katholischen Kirche fordert von Dienstgeber und Mitarbeitern die Bereitschaft zu gemeinsam getragener Verantwortung und vertrauens ![]() ![]() | 42 |
4. Mit dieser Regelung hat die Kirche die in Art. 137 Abs. 3 WRV genannte Grenze "innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes" nicht überschritten: Das Betriebsverfassungsgesetz selbst erweist sich, indem es zugunsten der "Religionsgemeinschaften und ihrer karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform" in § 118 Abs. 2 einen ausdrücklichen Vorbehalt macht, nicht als ein "für alle geltendes Gesetz". Es nimmt vielmehr mit diesem Vorbehalt auf das verfassungsrechtlich Gebotene (vgl. BVerfGE 42, 312 [331 bis 335]) Rücksicht. Noch deutlicher wird dies in der parallelen Vorschrift des Bundespersonalvertretungsgesetzes (§ 112): "Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform; ihnen bleibt die selbständige Ordnung eines Personalvertretungsrechtes überlassen."
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5. Im vorliegenden Fall geht es, wie abschließend zu bemerken ist, nicht um eine Meinungsverschiedenheit über das Ob einer betrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer, sondern nur um eine Meinungsverschiedenheit über das Wie dieser Mitbestimmung. Dieses Wie hängt nach dem Selbstverständnis der Kirche entscheidend von der Eigenart des besonderen Dienstes ab, zu dem sich alle in der karitativen Einrichtung Arbeitenden zusammengefunden haben. Diese Eigenart des Dienstes besteht hier darin, daß er sich zwar wie in jedem Krankenhaus der bestmöglichen ärztlich-medizinischen Behandlung der Kranken widmet, aber dabei das spezifisch Religiöse karitativer Tätigkeit im Auge behält, das die Behandlung der Kranken durchdringt, sich im Geiste des Hauses, in der Rücksicht auf die im Patienten angelegten religiös-sittlichen Verantwortungen und Bedürf ![]() ![]() | 44 |
In diesem Punkt geraten die staatliche und die kirchliche Regelung, wie dargelegt, überhaupt nicht in Widerstreit. Deshalb ist hier kein Anlaß, der Frage nachzugehen, ob und in welcher Beziehung ein staatliches Gesetz einer kirchlichen Mitbestimmungsregelung Beschränkungen aufzuerlegen vermöchte.
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6. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf und das Bundesarbeitsgericht haben die Bedeutung und Tragweite des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV und die Auswirkung dieser verfassungsrechtlichen Garantie bei der Auslegung des § 118 Abs. 2 BetrVerfG verkannt; sie haben mit der Entscheidung, einen Wahlvorstand zum Zwecke der Durchführung der Betriebsratswahl bei dem Wilhelm-Anton-Hospital in Goch zu bestellen, Art. 140 GG verletzt. Beide Entscheidungen sind deshalb aufzuheben. Die Sache ist an das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zurückzuverweisen.
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III. | |
Die Beschwerdeführerin hatte mit ihrer Verfassungsbeschwerde Erfolg. Deshalb sind ihr gemäß § 34 Abs. 4 BVerfGG die notwendigen Auslagen von der Bundesrepublik Deutschland, der die Verfassungsverletzung zuzurechnen ist, zu erstatten.
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IV. | |
Diese Entscheidung ist mit sieben gegen eine Stimme ergangen.
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Dr. Zeidler, Dr. Geiger, Dr. Rinck, Wand, Dr. Rottmann, Dr. Niebler, Dr. Steinberger![]() | |
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