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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Christopher Theis, A. Tschentscher | |||
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BGB §§ 253, 823, 847; GG Art. 1, 2 Abs. 1 |
VI. Zivilsenat |
Urteil |
vom 19. September 1961 |
i. S. F. KG (Bekl.) w. B. (Kl.) |
-- VI ZR 259/60 -- |
I. Landgericht Düsseldorf |
II. Oberlandesgericht Düsseldorf | |
Der Kläger ist außerordentlicher Professor der juristischen Fakultät der Universität G., an der er einen Lehrstuhl für Völker- und Kirchenrecht innehat. Von einem Aufenthalt in Korea hatte er einige Ginseng-Wurzeln mitgebracht, die er dem ihm befreundeten Professor H. in J., einem Pharmakologen, für Forschungszwecke zur Verfügung stellte. Dieser erwähnte in einem wissenschaftlichen Aufsatz über Ginseng-Wurzeln die Tatsache, daß er "durch die liebenswürdige Unterstützung" des Klägers in den Besitz echter koreanischer Ginseng-Wurzeln gekommen sei. Dies führte dazu, daß der Kläger in einem populärwissenschaftlichen Aufsatz "Wunderwurzel neu entdeckt", der im Jahre 1957 in der Zeitschrift "H. und W." erschien, neben Professor H. und anderen Wissenschaftlern als einer der bekanntesten Ginseng-Forscher Europas bezeichnet wurde.
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Die Beklagte vertreibt ein Kräftigungsmittel, das Ginseng enthält. In ihrem Werbeprospekt für dieses Mittel wird der Kläger in folgendem Zusammenhang erwähnt:
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"Aber auch die westliche Wissenschaft erkennt den hohen Wert dieser kostbaren Droge an. Nach Ansicht bedeutender Wissenschaftler wie Professor H. (J.), Professor B. (... Name des Klägers) wirkt Ginseng als reines Naturprodukt auf den gesunden Organismus erneuernd (ohne jedoch aufzuputschen), kreislauffördernd, aufbauend bei Drüsen- und Potenzschwäche und körperlich-seelischer Zerschlagenheit, also insbesondere bei Zuständen, die mit dem Zentralnervensystem zusammenhängen". ![]() | 3 |
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In der Zeitschrift "M." heißt es:
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"Als Heilpflanze ist Ginseng in ganz Asien bekannt. Besonders schätzt man sie als Kräftigungsmittel. Sie ist Hauptbestandteil der asiatischen Liebestränke und soll von den Frauen allabendlich genommen werden..."
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In der Zeit vom September 1957 bis August 1958 sind etwa 250 000 Exemplare der Werbeprospekte verteilt worden, davon ca. 50 000 nach Verwarnung der Beklagten durch den Kläger im Mai 1958. Die Zeitschrift "M." erschien in einer Gesamtauflage von 27 500 Exemplaren.
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Der Kläger hat in der Anspielung auf seine Person einen unbefugten Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht erblickt. Die Werbung erwecke, so führt er aus, den Eindruck, als habe er sich auf einem fremden Fachgebiet ein Urteil in einer umstrittenen Frage angemaßt oder als habe er entgeltlich und standeswidrig seinen Namen der Werbung für ein zweifelhaftes Produkt zur Verfügung gestellt. Gerade im Zusammenhang mit der von der Werbung in Anspruch genommenen Wirkung des Präparats als sexuelles Kräftigungsmittel führe die Berufung auf seine wissenschaftliche Autorität dazu, daß er in seinem Ruf als Gelehrter Einbuße erleide und in der Öffentlichkeit, vor allem bei den Studenten, lächerlich gemacht werde. Der Kläger hat unter Berufung auf die in dem Urteil BGHZ 26, 349 (Herrenreiter) aufgestellten Rechtsgrundsätze einen Betrag von 10 000 DM als Genugtuung für die erlittene Kränkung gefordert.
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Die Beklagte hat vorgetragen, die redaktionelle Notiz in der Zeitschrift "M." sei ohne ihre besondere Veranlassung von der Werbeagentur verfaßt worden, der sie seit Jahren die selbständige Werbung für ihre Produkte übertragen habe und die auch an der Fassung der Werbeprospekte beteiligt sei. Die beanstandeten Angaben über den Kläger seien dem in der Zeitschrift "H. und W." veröffentlichten Artikel entnommen, ge ![]() ![]() | 9 |
Das Landgericht hat dem Kläger ein Schmerzensgeld von 8 000 DM zugebilligt. Die Berufung und die Revision der Beklagten blieben ohne Erfolg.
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Aus den Gründen: | |
1. Indem sich die Beklagte in ihrer Werbung auf die wissenschaftliche Autorität des Klägers berief, um die Tauglichkeit ihres Präparats für die angegebenen Verwendungszwecke glaubhaft zu machen, hat sie rechtswidrig das Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigt (§ 823 Abs. 1 BGB). Die Bezugnahme auf Forschungen des Klägers, die jeder objektiven Grundlage entbehrte, war unter den vorliegenden Umständen geeignet, den Kläger in der Gesellschaft lächerlich zu machen und seinen wissenschaftlichen Ruf zu mindern. Zugleich mußte die Art, wie der Name des Klägers in der Werbung für ein u.a. als sexuelles Kräftigungsmittel angepriesenes Präparat benutzt wurde, für den Kläger eine empfindliche Kränkung bedeuten. Das Verhalten der Beklagten war auch schuldhaft. Bevor die Beklagte den Namen des Klägers für ihre Werbung nutzbar machte, hätte sie dessen Einverständnis einholen oder sich wenigstens vergewissern müssen, ob und wo der Kläger das geäußert hatte, was sie in ihren Prospekten behauptete. Die Angaben in einem populär-wissenschaftlichen Artikel der Zeit ![]() ![]() | 11 |
2. Der Senat stimmt dem Berufungsgericht auch darin zu, daß der Kläger einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens hat. Der Fall liegt in seinen grundsätzlichen Zügen sehr ähnlich wie die vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle BGHZ 26, 349 (Herrenreiter) und 30, 7. In beiden Fällen wurde durch die Art der Werbung für ein Produkt in die geschützte Persönlichkeitssphäre von Personen eingegriffen, die mit einer Schadensersatzklage einen Ausgleich für die rechtswidrige Beeinträchtigung verlangten. Dabei ergab sich, daß die Voraussetzungen für Ersatz materieller Einbußen nicht vorlagen oder doch nicht dargetan waren. Kommt nach den Umständen eine Gestattung der Benutzung eines Namens oder eines Bildes für Werbezwecke nicht in Betracht, so ist es im besonderen nicht möglich, nach den Grundsätzen des sogenannten Eingriffserwerbs einen materiellen Schadensersatz entsprechend einer angemessenen Lizenzgebühr zu bemessen. Der I. Zivilsenat hat dem Kläger in dem von ihm entschiedenen Fall BGHZ 26, 349 ein Schmerzensgeld zugebilligt und eben in dem sogenannten "immateriellen Schadensersatz" mit seiner Genugtuungsfunktion den adäquaten Ausgleich erblickt, den die Rechtsordnung dem in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigten Kläger zu gewähren hat. Aus der Entscheidung des IV. Zivilsenats BGHZ 30, 7 muß entnommen werden, daß der IV. Zivilsenat dem Standpunkt des I. Zivilsenats wenigstens nicht entgegentreten will. ![]() | 12 |
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3. Damit ist nicht gesagt, daß die Rechtsfolgen bei Verletzung von Körper, Gesundheit und Freiheit einerseits und der ideellen Persönlichkeitssphäre andererseits genau die gleichen sein müssen, oder daß sie sich zum mindesten weitgehend zu entsprechen haben. Ein Anlaß zur Differenzierung liegt schon deshalb nahe, weil der Tatbestand der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts weit unbestimmter ist als der Tatbestand der Verletzung des Körpers, der Gesundheit und der Freiheit. Das bedeutet, daß häufiger Grenzfälle auftreten, bei denen zu prüfen ist, ob sie von der generalklauselartigen Umschreibung der Beeinträchtigung der Persönlichkeit umfaßt werden und ob, wenn das zutrifft, die Rechtswidrigkeit nicht wegen kollidierender Rechte des Eingreifenden ausgeschlossen ist, unter denen das Recht auf freie Meinungsäußerung besondere Beachtung verdient. Gerade wenn eine sogenannte Güter- und Interessenabwägung stattfinden muß, ist die Grenze des Erlaubten nicht immer leicht festzustellen. Müßte bei jeder, auch geringfügiger Überschreitung der Grenze auf Verlangen des Betroffenen immaterieller Schadensersatz wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugebilligt werden, dann bestände allerdings die Gefahr, daß unbedeutende Beeinträchtigungen in unangemessener Weise ausgenutzt werden, um daran zu verdienen. Alsdann wäre der Zweck verfehlt, der mit der Zubilligung einer Genugtuung erreicht werden soll. Es muß ferner beachtet werden, daß sich Verletzungen des Persönlich ![]() ![]() | 14 |
4. Die Voraussetzungen für die Zubilligung immateriellen Schadensersatzes werden im besonderen dann gegeben sein, wenn -- wie in dem vorliegenden Falle -- in das Persönlichkeitsrecht eines anderen leichtfertig aus dem materiellen Grund eingegriffen wird, die eigene kommerzielle Werbung zugkräftiger zu gestalten. Solchem unlauteren Gewinnstreben kann wirksam nur entgegengetreten werden, wenn es mit dem Risiko eines fühlbaren materiellen Verlustes belastet wird, und andererseits darf der, der mittels unlauteren Eingriffs in eine fremde Persönlichkeitssphäre Geld zu verdienen sucht, sich nicht beschwert fühlen, wenn er zu einem Ausgleich in Geld herangezogen wird. Für den Kläger war die zugefügte Krän ![]() ![]() | 15 |
Die Bemessung der Höhe der zu leistenden Genugtuung stand im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Sie wäre mit der Revision nur angreifbar, wenn sie auf einer unrichtigen Würdigung der materiellen Rechtslage beruhen würde oder wenn der Tatrichter wesentliche Gesichtspunkte übersehen hätte. Solche Mängel sind jedoch nicht ersichtlich. Mit Recht hat das Berufungsgericht dem von ihm festgestellten Umfang der Werbung, die sich bis nach Österreich und in die Schweiz erstreckte, Bedeutung beigemessen. Ebenfalls war es ein für die Bemessung der Höhe der Genugtuung wesentlicher Umstand, daß die Beklagte die beanstandete Werbung auch nach der Abmahnung durch den Kläger zunächst noch weiter betrieben hat, woraus eine besonders rücksichtslose Einstellung hervorgeht. Andererseits hat das Berufungsgericht zugunsten der Beklagten berücksichtigt, daß die Namensangabe im Werbeprospekt nicht besonders hervorgehoben ist, so daß sie sich einem flüchtigen Leser nicht ohne weiteres einprägte. ![]() | 16 |
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