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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Christopher Theis, A. Tschentscher | |||
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b) Die Haftungsmilderung des § 521 BGB muß, soweit sie dem Schenker bei Verletzung seiner vertraglichen oder vorvertraglichen Schutzpflichten zugute kommt, auch auf Ansprüche des Beschenkten aus unerlaubter Handlung durchschlagen (Anschluß an BGHZ 46, 140, 145; BGH NJW 1954, 145). |
BGB §§ 521, 276, 823; FuttermittelG v. 2. Juli 1975, BGBl. I 1745, § 7 Abs. 3 |
IVa-Zivilsenat |
Urteil |
vom 20. November 1984 |
i. S. S. (Kl.) w. Fa. F. (Bekl.) |
-- IVa ZR 104/83 -- |
I. Landgericht Lüneburg |
II. Oberlandesgericht Celle | |
Der Kläger ist Landwirt. In seinem Stall standen im Dezember 1980 98 Bullen. Am 17. Dezember 1980 lieferte ein Fahrer der Beklagten auf dem Hof des Klägers flüssige Kartoffelpülpe an. Der Kläger ließ davon soviel in die Futtertröge der Bullenställe einfülIen, wie diese faßten, nämlich etwa 6,9 t. Nachdem die Bullen von der Pülpe gefressen hatten, erkrankten sie zum Teil schwer. 40 Bullen verendeten oder mußten getötet werden; bei den übrigen Tieren stellte sich eine geringere Gewichtszunahme ein als üblich, sie erbrachten einen verminderten Verkaufserlös. Die Erkrankung beruhte auf übermäßiger Säurebildung im Pansen der Tiere.
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Die Pülpe stammte aus dem Betrieb der Beklagten. Diese stellt Kartoffelchips her. Die dabei anfallenden Kartoffelreste werden erhitzt und mit Enzymen versetzt. Dabei wird ein Großteil der Kartoffelstärke in Zucker umgewandelt und die Masse verflüssigt. ![]() | 2 |
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Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 83 848 DM nebst Zinsen in Anspruch. Er führt die Erkrankung der Tiere darauf zurück, daß die Pülpe mit Enzymen behandelt war; unbehandelte Kartoffelpülpe sei auch in großen Mengen als Bullenfutter geeignet. Die enzymatisierte Pülpe tauge dagegen nur als Schweinefutter. Auf die Enzymbehandlung habe die Beklagte nicht hingewiesen. Vielmehr habe M. auf B.'s Frage ausdrücklich erklärt, die Pülpe sei unbehandelt.
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Die Beklagte macht geltend, nicht sie, sondern M. habe dem Kläger die Pülpe liefern lassen. Der Kläger habe sich den Schaden selbst zuzuschreiben, weil M. B. darauf hingewiesen habe, zu Anfang dürften nur etwa 10 kg je Tier täglich verfüttert werden. Der Kläger habe die gebotene Vorsicht bei der Dosierung außer Acht gelassen; bei einer solchen Fütterungsart hätte auch rohe Pülpe ohne Enzymzusätze die gleichen Folgen gehabt.
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Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
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Aus den Gründen: | |
1. Das Oberlandesgericht nimmt an, die Beklagte habe dem Kläger die Pülpe geschenkt (§ 516 Abs. 1 BGB). Dagegen will die Revision darauf hinweisen, in Wahrheit liege ein entgeltliches Geschäft vor: Es handele sich um ein lästiges Abfallprodukt, des ![]() ![]() | 7 |
Auf diesen Gesichtspunkt ist das Berufungsgericht nicht eingegangen. Das ist aber unschädlich. Denn für ein entgeltliches Geschäft über die Kartoffelpülpe war vor dem Tatrichter nichts vorgetragen. Vielmehr hat der Kläger die Pülpe ausdrücklich als "hochwertigen Abfall" bezeichnet und sogar schon in der Klageschrift vorgetragen, es handele sich um einen "unentgeltlichen Vertrag". Unter diesen Umständen ist die Würdigung als Schenkung rechtlich nicht zu beanstanden.
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2. Das Berufungsgericht ist weiter der Auffassung, die Beklagte brauche gemäß § 521 BGB nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit einzustehen. Das gelte auch im Rahmen des Deliktsrechts. Daß die Beklagte ihre vorvertraglichen oder vertraglichen Schutzpflichten oder das Eigentum des Klägers vorsätzlich verletzt habe, sei nicht behauptet; der Beklagten oder ihren Erfüllungsgehilfen könne aber auch nicht vorgeworfen werden, grob fahrlässig gehandelt zu haben. Zwar habe die Beklagte schon vor der Lieferung gewußt, daß die Pülpe als Futter für Rindvieh habe verwendet werden sollen. Da dieser Gedanke aber nicht von ihr, sondern von M. ausgegangen sei, bei dem Fach- und Sachkunde habe vorausgesetzt werden dürfen, sei es allenfalls ein verzeihlicher Fehler, daß sie eigene Überlegungen und Nachforschungen über die Tauglichkeit enzymatisierter Pülpe zur Rindermast nicht angestellt habe. Das gelte umso mehr, als sie bei den möglichen Abnehmern mit ausreichender Qualifikation zur Beurteilung dieser Frage habe rechnen dürfen.
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Auch auf den Gesichtspunkt der Sachmängelhaftung könne die Klage nicht gestützt werden. Die Pülpe sei für sich genommen nicht mangelhaft, sondern nur bei fehlerhafter Dosierung schädlich gewesen; eine zugesicherte Eigenschaft habe ihr nicht gefehlt.
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Diese Begründung ist nicht vollständig. Bei ihr ist das Futtermittelgesetz vom 2. Juli 1975 (BGBl. I S. 1745 - FuttermittelG) nicht berücksichtigt. § 7 Abs. 3 FuttermittelG lautet: ![]() | 11 |
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Diese Vorschrift stimmt wörtlich überein mit § 6 des Futtermittelgesetzes vom 22. Dezember 1926 (RGBl. I S. 525). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 57, 292) liegt die Bedeutung dieser Bestimmung im wesentlichen darin, daß der Händler, wenn er bei der Abgabe keine Beschaffenheitsangaben macht, damit die Eigenschaften "handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit" im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB zusichert. Für die wortgleiche Vorschrift des § 7 Abs. 3 des Futtermittelgesetzes von 1975 gilt nichts anderes (vgl. BT-Drucks. 7/2990 S. 18; 7/3581 S. 4).
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Daß es sich bei der Pülpe, die dem Kläger geliefert worden ist, um ein Futtermittel in Sinne dieses Gesetzes handelt, ist nicht zweifelhaft. Kartoffelpülpe ist in der Futtermittelverordnung vom 16. Juni 1966 (BGBl. I S. 1497) ausdrücklich als solches aufgeführt und von der Beklagten zum Zwecke der Verfütterung sogar eigens aufbereitet und abgegeben worden. Bei der Abgabe an den Kläger sind anscheinend keine Beschaffenheitsangaben gemacht worden; etwaige Angaben hierzu gegenüber B. reichen nicht aus. Die Vorschrift greift daher ein, falls die Beklagte als "Veräußerer" anzusehen ist. Diese Frage kann aber offen bleiben, weil die Voraussetzungen einer Haftung nach § 7 Abs. 3 FuttermittelG hier aus anderen Gründen nicht vorliegen. Hier ist nichts dafür ersichtlich und insbesondere vom Kläger nichts dafür vorgetragen, daß Kartoffelpülpe handelsüblich ohne Enzyme geliefert wird. Zu solchem Vortrag hätte aller Anlaß bestanden, zumal der Kläger sich vor dem Tatrichter selbst auf das Futtermittelgesetz berufen hat.
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3. Eine Sachmängelhaftung der Beklagten gemäß § 524 BGB scheidet schon deshalb aus, weil die Pülpe nach den Feststellungen des Berufungsgerichts an sich nicht mangelhaft, sondern nur vorsichtig zu dosieren war. In Betracht kommt eine vertragliche Haftung der Beklagten daher nur nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo oder der positiven Forderungsverletzung. Das hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt. Aber auch ein derartiger Anspruch steht dem Kläger nicht zu. ![]() | 15 |
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Ob Haftungsmilderungen für einzelne Schuldverhältnisse auch dann eingreifen, wenn es sich um die Verletzung von vorvertraglichen oder vertraglichen Schutzpflichten handelt, die nicht an dem Erfüllungsinteresse des Gläubigers ausgerichtet sind, sondern dem Integritätsinteresse (Erhaltungsinteresse) des Vertragspartners dienen, ist bisher nicht abschließend geklärt. Während z.B. Canaris (JZ 1965, 475, 481) und Kollhosser (MünchKomm § 521 Rdn. 6, 7) eine Erstreckung des vertraglichen Haftungsmaßstabs insoweit weitgehend befürworten, treten z.B. Thiele (JZ 1967, 649), Gerhard (JuS 1970, 597) und Schlechtriem (VersR 1973, 581) für differenzierende Lösungen ein. Dieser Tendenz folgt auch der erkennende Senat. Er vertritt im Anschluß an die genannten Schriftsteller die Auffassung, daß jedenfalls im Bereich des § 521 BGB Freigiebigkeit der einen Seite nur zu den Vertragserwartungen des Begünstigten in Beziehung gesetzt werden kann. Daher rechtfertigt die Großzügigkeit des Schenkers es nicht, die Haftungsmilderung auch da eingreifen zu lassen, wo es um die Verletzung von Schutzpflichten geht, die nicht im Zusammenhang mit dem Vertragsgegenstand stehen (ähnlich Esser, Schuldrecht II, 4. Aufl. § 112 V 3; Eike Schmidt, Nachwort S. 159 zum Nachdruck von Jhering, Culpa in contrahendo, und Staub, Die positiven Vertragsverletzungen). Indessen besteht hier ein derartiger Zusammenhang; es handelt sich um einen Schaden, der durch den "nach dem ![]() ![]() ![]() ![]() | 17 |
4. Die Haftungsmilderung des § 521 BGB muß, wenn und soweit sie der Beklagten bei der Verletzung ihrer vertraglichen und vorvertraglichen Schutzpflichten zugute kommt, auch auf Ansprüche des Klägers aus unerlaubter Handlung durchschlagen (BGHZ 46, 140, 145; BGH Urteil vom 20. Oktober 1953 - I ZR 125/52 = NJW 1954, 155). ![]() | 18 |
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