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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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57. Auszug aus dem Urteil |
vom 29. Juni 1961 |
i.S. Valvoline-Öl AG gegen Regierungsrat des Kantons Aargau. | |
Regeste |
Art. 31 BV. Reklame an Tankstellen. |
Die Anordnung, dass Tankstellen nur zwei von der Strasse aus sichtbare Markenkennzeichen führen dürfen, von denen das eine auf eine Benzinmarke und das andere auf die vom Betriebsinhaber vertretene Automarke entfällt, verfügt über eine gesetzliche Grundlage; sie ist trotz gewisser Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Wettbewerb polizeilicher Natur. | |
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A. | |
Art. 4 Abs. 2 MFG verbietet, auf oder ausserhalb der Strasse Reklamen anzubringen, soweit dadurch die Sicherheit des Strassenverkehrs gefährdet wird. Nach § 93 Ziff. 2 der aargauischen Einführungsgesetzes zum ZGB (EG ZGB) ist der Regierungsrat befugt, Verfügungen gegen die Verunstaltung von Landschaften, Ortschaftsbildern und Aussichtspunkten zu treffen. Unter Berufung auf die genannten Bestimmungen hat der Regierungsrat des Kantons Aargau mit Beschluss vom 25. Januar 1957 "für die Kennzeichnung und Beleuchtung von Tankstellen und Garagen grundsätzlich die von der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachmänner (VSS) herausgegebenen, im Jahre 1956 teilweise revidierten Richtlinien (Normblätter ![]() ![]() | 1 |
"Bei oder vor Tankstellen oder auf den Tankstellendächern dürfen nur zwei Markenkennzeichen, nämlich für eine Benzinmarke und eine vom Tankstelleninhaber offiziell vertretene Automarke oder Markengruppe, aufgestellt werden, die von den sich auf der Strasse nähernden Personen erkannt werden können.
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Andere Markenartikel oder Dienste, welche eine Tankstelle anzubieten hat, können zusätzlich angezeigt werden an oder direkt vor der strassenseitigen Gebäudefront, wobei diese Reklamen nur für den vor der Tankstelle anhaltenden Strassenbenützer erkennbar oder lesbar sein dürfen. Sie sollen verhältnismässig klein, wenig auffällig und weder selbstleuchtend noch reflektierend sein."
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B. | |
Die Valvoline-Öl Aktiengesellschaft, die Schmieröle und Schmierfette (im Gegensatz zu andern Unternehmen dieses Geschäftszweigs jedoch nicht gleichzeitig Benzin) vertreibt, kam um die Bewilligung ein, unter dem Vordach der Tankstelle Fricktalerhof an der Hauptstrasse Nr. 7 Basel-Stein-Koblenz in Sisseln eine Lichtreklame anbringen zu dürfen.
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Die Polizeidirektion des Kantons Aargau hat das Gesuch abgelehnt. Eine Beschwerde, welche die Gesuchstellerin dagegen führte, hat der Regierungsrat abgewiesen. Er hat dazu ausgeführt, die Handels- und Gewerbefreiheit sei hinsichtlich der Anbringung von Reklamen an öffentlichen Strassen aus polizeilichen Gründen und damit rechtmässig eingeschränkt. Um der Verkehrssicherheit willen müssten nicht nur Reklamen verboten werden, die Anlass zu Verwechslung mit Strassensignalen geben könnten oder die nachts blendeten; es gelte ausserdem, einer Häufung von Reklamen entgegenzutreten, weil diese die Gefahr einer übermässigen Ablenkung und Ermüdung der Fahrzeugführer schaffe. Es könne daher keine Rede davon sein, dass jede Tankstelle einen Anspruch darauf habe, sich durch zwei grosse Lichtreklamen kenntlich zu machen. Blosse Tankstellen müssten sich vielmehr mit einer einzigen grossen Lichtreklame begnügen, die auf die Hauptaufgabe der Anlage, den Benzinvertrieb, hinweise, indem sie das Wort "Benzin", die geführte Benzinmarke oder den Preis ![]() ![]() | 5 |
C. | |
Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung der Art. 31 und 4 BV (sowie der Eigentumsgarantie) beantragt die Valvoline- Öl Aktiengesellschaft, es sei der Entscheid des Regierungsrats aufzuheben und anzuorden, dass die verweigerte Bewilligung zu erteilen sei.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 2 | |
2.- Der Regierungsrat erblickt die gesetzliche Grundlage seines Entscheids vornehmlich in Art. 4 Abs. 2 MFG. Dieser verbietet im Bereich öffentlicher Strassen jede Reklame, die geeignet ist, die Sicherheit des Verkehrs zu gefährden. Art. 4 der Verordnung des Bundesrats über die Strassensignalisation vom 17. Oktober 1932 wiederholt dieses Verbot und führt es dahin näher aus, dass die Verwendung von Signalformen und -Farben zu Reklamezwecken sowie die Anbringung von Reklamen auf Signalen ![]() ![]() | 8 |
Zu einer nach Art. 4 Abs. 2 MFG unstatthaften Gefährdung des Strassenverkehrs kann auch eine Häufung von Reklamen führen, die an und für sich weder wegen ihrer Gestaltung noch wegen der Art ihrer Aufstellung zu beanstanden sind: zeigt doch die Erfahrung, dass die ständige Wiederholung auffällig aufgemachter Zeichen oder Anschriften auf den Fahrer ermüdend wirkt. Ein übermüdeter Fahrzeuglenker aber ist sowohl für sich als auch für die übrigen Verkehrsteilnehmer eine Gefahr (vgl. Art. 17 Abs. 2 MFG).
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Einem Überborden der Reklame an den Strassenrändern muss ausserdem im Interesse des Landschaftsschutzes entgegengetreten werden. Der Regierungsrat gründet sein Vorgehen denn auch zusätzlich auf § 93 Ziff. 2 EG ZGB, wonach er Verfügungen gegen die Verunstaltung von Landschaften, Ortschaftsbildern und Aussichtspunkten zu treffen hat.
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Erwägung 3 | |
3.- Soweit die Reklame gerade infolge ihrer Häufung schädigende Auswirkungen hat, kann Abhilfe nur durch eine allgemeine Herabsetzung der Zahl der Werbezeichen geschaffen werden. Hierzu sind allgemein gefasste Verbote ![]() ![]() | 11 |
Der Regierungsrat des Kantons Aargau hat zu diesem Behuf mit Beschluss vom 15. Dezember 1951 Reklametafeln im Sichtbereich von Land- und Ortsverbindungsstrassen ausserhalb der Ortschaften grundsätzlich verboten und die Kantonale Baudirektion lediglich für Ausnahmefälle ermächtigt, eine im öffentlichen Interesse liegende Hinweistafel zu bewilligen. Um die Wirksamkeit dieser Anordnung zu gewährleisten und keine Rechtsungleichheiten aufkommen zu lassen, musste die Reklame der Tankstellen entsprechenden Einschränkungen unterworfen werden. Der Regierungsrat hat in diesem Sinne mit Beschluss vom 25. Januar 1957 die Richtlinien der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachmänner (VSS) über die Kennzeichnung, Reklame und Beleuchtung von Tankstellen und Garagen "verbindlich" erklärt. Der Beschluss, der in der Gesetzessammlung nicht veröffentlicht worden ist, dürfte in Anbetracht von § 2 lit. a des Gesetzes über die amtlichen Bekanntmachungen vom 26. November 1856 (AGS I S. 150; vgl. auch § 2 lit. c der gleichnamigen Verordnung ![]() ![]() | 12 |
Erwägung 4 | |
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Es kann sich demnach lediglich fragen, ob auch die Vorschrift, dass eine der zugelassenen Aussenreklamen auf eine Benzinmarke und die andere auf die vom Betriebsinhaber offiziell vertretene Automarke oder Markengruppe entfallen muss, sich im Rahmen von Art. 4 Abs. 2 MFG und § 93 Ziff. 2 EG ZGB halte. In dieser Hinsicht fällt in Betracht, dass die auf die Sicherheit der Strassenbenützer gerichteten verkehrspolizeilichen Massnahmen im Sinne der Verhältnismässigkeit polizeilicher Eingriffe auch den übrigen Bedürfnissen der Verkehrsteilnehmer, soweit angängig, Rechnung zu tragen haben, sofern es sich dabei um wirklich schutzwürdige Anliegen handelt. So besteht ![]() ![]() | 14 |
In diesem Sinne vermag die Aussenreklame eine Aufgabe im Dienste der Verkehrssicherheit zu erfüllen. Ihr Nachteil liegt, wie aufgezeigt, in der Ablenkung und Ermüdung der Fahrer, die sich bei einer Häufung von Geschäftsempfehlungen bemerkbar machen. Sollen die schädlichen Auswirkungen nicht die nützlichen überwiegen, so darf eine Tankstelle nicht für alle von ihr vertriebenen Waren Aussenreklamen anbringen; die Zahl der Markenkennzeichen ist vielmehr zu beschränken. Bei der Auswahl, die hiefür zu treffen ist, muss darauf Bedacht genommen werden, dass der Verkehr aus den zugelassenen Reklametafeln einen möglichst grossen Nutzen ziehe. Die Nützlichkeit eines Hinweises aber steigt mit der Zahl der Fahrer, die er angeht. Die Markenkennzeichen sind daher auf jene Warengattungen zu beschränken, welche die Fahrer am häufigsten benötigen. Mit verhältnismässig kleinem Aufwand können so dem Fahrer die für ihn wichtigsten Angaben vermittelt werden. Wird es dem Hauptteil der Kunden ermöglicht, sich rechtzeitig zu vergewissern, ob die in ihr Blickfeld tretende Tankstelle die gewünschte Ware führe, dann kann damit zudem die Zahl der Fälle, ![]() ![]() | 15 |
Die wichtigste Ware aber, welche die Tankstellen feilhalten, ist das Benzin. Die eine der zugelassenen Aussenreklamen muss demgemäss auf diese Warengattung entfallen. Die Bedeutung des übrigen Angebots tritt weit hinter der des Benzins zurück. Das steht fest und kann ernstlich nicht bestritten werden. Immerhin lassen sich auch in diesem Bereich Unterscheidungen treffen. Die Richtlinien der VSS behalten die zweite zulässige Aussenreklame der Automarke oder Markengruppe vor, die der Betriebsinhaber vertritt; sie geben diese Reklame nicht etwa für das Öl frei. Diese Wahl ist vertretbar. In der Tat kann der Fahrzeugführer den Ölstand laufend und ohne Schwierigkeiten kontrollieren oder kontrollieren lassen; wird ein Ölwechsel fällig, so lässt er diesen mit Vorliebe in der Garage vornehmen, deren regelmässiger Kunde er ist. Er kann darum verhältnismässig lange unterwegs sein, ohne dass er - Unvorhergesehenes vorbehalten - nach einem Lieferanten des von ihm benützten Öls Umschau halten müsste. Demgegenüber zeigt die Erfahrung, dass zahlreiche Fahrer das Bedürfnis empfinden, auch unterwegs sicher zu sein, beim Eintritt kleinerer oder grösserer Störungen oder Schäden rasch eine Vertretung ihrer Automarke finden zu können. Es lässt sich deshalb rechtfertigen, dass die VSS und mit ihr der Regierungsrat eine Auskündigung, die auf die Vertretung einer Automarke hinweist, als dringlicher bewertet haben als die Anzeige der Ölmarke oder anderer Warengattungen (Reifen, Zubehör), ![]() ![]() | 16 |
Erwägung 5 | |
5.- Nach den vorstehenden Erwägungen lassen sich die Richtlinien der VSS über die Reklamen an Tankstellen auf Art. 4 Abs. 2 MFG und § 93 Ziff. 2 EG ZGB stützen. Das gilt auch für den angefochtenen Entscheid, der diese Richtlinien zur Anwendung bringt. Da er in Vollziehung einer Norm ergangen ist, welche die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs und den Schutz der Landschaft zum Gegenstand hat, ist er selber polizeilicher Natur. Zwar kann nicht übersehen werden, dass die Beschränkung der Aussenreklame auf eine Benzinmarke und eine Automarke oder Markengruppe auch gewisse Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Wettbewerb hat, indem sie Unternehmen, die, wie das der Beschwerdeführerin, nur mit Öl handeln, gegenüber Firmen, die unter der selben Marke Benzin und Öl vertreiben, benachteiligt. Die Richtlinien der VSS sind jedoch offensichtlich nicht im Hinblick auf die Förderung dieser Firmen erlassen worden; wenn sie ihnen einen gewissen Vorteil verschaffen, so stellt das lediglich eine ungewollte und praktisch nicht vermeidbare Begleiterscheinung einer Einschränkung dar, die zur Sicherung des Verkehrs und zum Schutze der Landschaft getroffen worden ist. Die polizeiliche Natur der Massnahme wird durch diese Nebenfolge nicht in Frage gestellt (MARTI, Handels- und Gewerbefreiheit, S. 103). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit wird durch die Richtlinien gewahrt, da sowohl ![]() ![]() ![]() | 17 |
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